OGH 2Ob39/93

OGH2Ob39/9316.9.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner, Dr.Graf, Dr.Schinko und Dr.Tittel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei ***** Gebietskrankenkasse, ***** vertreten durch Dr.Hans Widerin, Rechtsanwalt in Bludenz, wider die beklagten Parteien 1. Erich M*****, und 2. V*****versicherung ***** vertreten durch Dr.Rolf Philipp, Rechtsanwalt in Feldkirch, wegen 164.043,-- S sA, infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 2. April 1993, GZ 4 R 54/93-20, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 10.November 1992, GZ 5 Cg 51/92-15, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit S 8.969,40 (darin enthalten Umsatzsteuer von S 1.494,90, keine Barauslagen) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Transportunternehmer Emil B***** erteilte dem Erstbeklagten den Auftrag, einen Bagger vom Hause B*****s in I***** Nr.45 zur S*****straße zu transportieren. Der Erstbeklagte führte den Transport am 23.3.1990 durch. Er benutzte hiebei als Zugmaschine seinen Traktor der Marke Hürliman H 480, der eine nachträglich eingebaute Druckluftanlage aufwies. Die Zugmaschine war mit einer Einleiter- und einer Zweileiterbremse ausgerüstet. Der Bagger, der ein Gewicht von 16,5 bis 17,5 Tonnen hatte, wurde auf einen Tiefladeanhänger, dessen Halter B***** war, aufgeladen. Der Anhänger hatte ein Eigengewicht von 6720 kg, das höchstzulässige Gesamtgewicht betrug 22.000 kg. Der Anhänger war sowohl mit einer Zweileiterbremse als auch mit einer Einleiterbremse ausgerüstet und verfügte über sogenannte lastabhängige Bremsen, bei denen der Bremsdruck sich selbsttätig der Beladung anpaßt. Für diesen Tieflader ist aufgrund des Zulassungsbescheides eine Bremswirkung am Zugfahrzeug in der Weise vorgeschrieben, daß Druckluft-Zweileitungsbremsanschlüsse vorhanden sein müssen, die auf die Anschlüsse des Anhängers abgestimmt sind.

Überdies verfügte der Anhänger über zwei Feststellbremsen. Die vordere befand sich ca. 0,55 bis 0,60 m rechts der linken Hängerbegrenzung unmittelbar vor der vorderen Hängerbegrenzung. Die rückwärtige Feststellbremse wurde von der rechten Seite des Hängers durch eine Handkurbel betätigt. Ein Bremsersitz war nicht vorhanden, desgleichen keine Haltegriffe oder ein Fußraster für den Bremser. Um die Handkurbel der Vorderbremse zu betätigen, mußte sich der Bediener derselben mit der Eigengeschwindigkeit des Hängers, und zwar seitwärts in der Fahrtrichtung desselben, weiterbewegen, wobei er sich in der Fahrlinie des Hängers direkt im Bereich des Vorderrades desselben befand. Die Betätigung dieser Handbremse stellt ein nicht ungefährliches Unterfangen dar.

Am 23.3.1990 wurde Hermann L*****, der diese vordere Feststellbremse betätigte, verletzt. L***** war bei der klagenden Partei pflichtversichert.

Die Klägerin begehrt den Ersatz für die aufgrund der Verletzung L*****s aufgewendeten Kosten mit der Begründung, daß beim Traktor keine Druckluftbremsanlage zum Bremsen des Anhängers vorhanden gewesen sei, zumindest sei sie aber nicht typisiert, nicht angeschlossen und auch nicht funktionstüchtig gewesen. Der Erstbeklagte habe aber auch keine Lenkerberechtigung für einen Traktor mit einer Druckluftbremsanlage gehabt. Den Erstbeklagten treffe an dem Unfall L*****s grobes Verschulden, die Zweitbeklagte hafte als Haftpflichtversicherer. Die Beklagten hafteten der Klägerin originär nach § 334 ASVG, aber auch aufgrund der Legalzession nach § 332, 333 Abs 3 ASVG, weil der Unfall durch ein Verkehrsmittel eingetreten sei, für dessen Betrieb erhöhte Haftpflicht bestehe.

Die Beklagten wendeten ein, der Unfall habe sich auf keiner öffentlichen Verkehrsfläche ereignet, sodaß dem Erstbeklagten das Fehlen einer entsprechenden Lenkerberechtigung nicht vorzuwerfen sei. Eine Haftung scheide auch deshalb aus, weil der Erstbeklagte als Aufseher im Betrieb nur bei grober Fahrlässigkeit hafte (§ 334 ASVG), ein so schwerer Schuldvorwurf könne ihm aber nicht gemacht werden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren kostenpflichtig ab.

Über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinausgehend traf es im wesentlichen folgende Feststellungen:

Vom Haus I***** Nr.45 führt eine Privatstraße zur S*****straße. Auf dieser Straße besteht ein Verkehrsverbot ausgenommen für Anrainer und Zubringer.

Die Bremsanlage der vom Erstbeklagten verwendeten Zugmaschine war nicht mangelhaft. B***** beauftragte Hermann L***** und Emil S***** - zwei Mitarbeiter seines Unternehmens - den Transport zu begleiten. Auch der Erstbeklagte wollte, daß zwei Handbremser mitgehen. Weder er noch B***** sahen darin eine Gefahr für die Bremser. Der Erstbeklagte hatte mehrmals einen Transport, bei dem zusätzlich händisch gebremst worden war, durchgeführt. Es war noch nie ein Unfall dabei passiert. L***** war schon zwei- oder dreimal bei derartigen Transporten mitgegangen. L***** fuhr den Bagger auf den Tiefeladeanhänger und schloß die Verbindungsschläuche der Zweileiterbremse an. S***** betätigte in der Folge die hintere rechte und L***** die vordere linke Handbremse. Der Erstbeklagte erteilte den Bremsern jeweils die Anweisungen, wann die Bremsen anzuziehen und wann sie zu lockern seien. Bis zur Unfallsstelle legte er eine Strecke von ca. 300 m zurück. Der Unfall ereignete sich beim Befahren einer sehr engen Rechtskurve. In diesem Bereich wies das Gefälle der Fahrbahn ca. 5 bis 8 Grad auf. L***** geriet dort mit dem Fuß unter das Rad des Anhängers. An sich war eine zusätzliche Abbremsung des Hängers durch eine Handbremse nicht erforderlich, doch bringt die Mitnahme eines Handbremsers gewisse Sicherheitsvorteile. Dadurch kann nämlich der Hänger unabhängig vom Verhalten der Zugmaschine zusätzlich abgebremst werden, was insbesonders beim Befahren einer Kurve Bedeutung haben kann, weil nämlich ansonst eine Verschiebung der Zugmaschine möglich ist. Eine Handbremse kann auch entsprechende Fahrfehler des Fahrers der Zugmaschine ausgleichen.

Der Erstbeklagte verfügte zum Unfallszeitpunkt über keine Lenkerberechtigung für den Traktor und einer Zweileiterdruckluftbremsanlage.

Rechtlich vertrat das Erstgericht die Ansicht, der Erstbeklagte sei gegenüber den Dienstnehmern B*****s beim gegenständlichen Transport als Aufseher im Betrieb anzusehen. Gemäß § 334 Abs 1 ASVG hafte er den Trägern der Sozialversicherung nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit. Ein grob fahrlässiges Verhalten des Erstbeklagten liege aber nicht vor. Zwar sei die Verwendung eines Handbremsers nicht ungefährlich, doch habe der Erstbeklagte bereits mehrfach problemlos solche Transporte durchgeführt und bringe das Mitführen von Handbremsern auch gewisse Sicherheitsvorteile. Auch das Fehlen eines entsprechenden Führerscheins rechtfertige nicht den Vorwurf groben Verschuldens.

Die Ausnahmebestimmung des § 333 Abs 3 ASVG könne auf den gegenständlichen Fall nicht angewendet werden, weil sich der Unfall nicht bei der Teilnahme am allgemeinen Verkehr ereignet habe.

Das von der klagenden Partei angerufene Berufungsgericht änderte diese Entscheidung und gab dem Klagebegehren statt; die ordentliche Revision wurde für zulässig erklärt.

Das Berufungsgericht vertrat die Ansicht, daß der Erstbeklagte über die erforderliche Lenkerberechtigung hätte verfügen müssen. Nach § 1 Abs 1 KFG seien die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes auf Kraftfahrzeuge und Anhänger, die auf Straßen mit öffentlichem Verkehr (§ 1 Abs 1 der StVO 1960) verwendet werden, und auf den Verkehr mit diesen Fahrzeugen auf solchen Straßen anzuwenden. Nach § 1 Abs 1 StVO gelte dieses Bundesgesetz für Straßen mit öffentlichem Verkehr. Als solche gelten Straßen, die von jedermann unter den gleichen Bedingungen benützt werden können. Die Begriffe "öffentliche Straße" im Sinne der Landesstraßengesetze und "Straße mit öffentlichem Verkehr" seinen keineswegs identisch. Es könnten vielmehr auch nicht öffentliche Straßen (Privatstraßen) Straßen mit öffentlichem Verkehr sein. Ob eine Straße eine solche mit öffentlichem Verkehr sei, sei nach ihrer Benützung und nicht nach dem Besitz- und Eigentumsverhältnis am Straßengrund zu beurteilen. Jedenfalls liege eine Straße mit öffentlichem Verkehr vor, wenn sie weder abgeschrankt noch als Privatstraße gekennzeichnet sei, noch auf dieser auf die Beschränkung des öffentlichen Verkehrs hinweisende Tafeln aufgestellt seien. Aus dem Umstand, daß eine Straße nur von einer bestimmten Gruppe von Verkehrsteilnehmern befahren werden dürfe, könne nicht geschlossen werden, daß es sich um eine Straße ohne öffentlichen Verkehr handle. Auch eine Straße mit einem Fahrverbot sei eine Straße mit öffentlichem Verkehr, weil in diesem Fall Fußgänger nicht ausgeschlossen seien. Der Erstbeklagte hätte daher über die nach dem KFG erforderliche Lenkerberechtigung für ein Zugfahrzeug mit Druckluftbremsanlage verfügen müssen; weil er sie nicht hatte, liege ein Verstoß gegen § 64 Abs 1 KFG vor. Die §§ 64 ff KFG seien Schutzgesetze nach § 1311 ABGB, die den Gefahren des Straßenverkehrs durch unfähige und ungeeignete Lenker vorbeugen sollten. Bei Übertretung eines Schutzgesetzes habe der klagende Beschädigte lediglich die Übertretung der Schutznorm zu beweisen, dem beklagten Schädiger obliege dann der Beweis, daß der Schaden auch im Falle vorschriftsmäßigen Verhaltens eingetreten wäre. Diesen Beweis habe im vorliegenden Fall der Erstbeklagte aber nicht erbracht.

Im übrigen vertrat das Berufungsgericht unter Hinweis auf Reischauer, Neuerungen im Bereich des Arbeitgeber-Haftungsprivilegs im Zusammenhang mit Kfz-Verkehr und Integritätsabgeltung (§§ 213a und 332 ff ASVG) in DRdA 1992, 317 ff die Ansicht, daß der Erstbeklagte - der durchaus als Aufseher im Betrieb im Sinne des § 333 Abs 4 ASVG anzusehen sei - infolge der Neuregelung des § 333 Abs 3 ASVG durch die 48.ASVG-Novelle (BGBl 1989/642) schon bei leichter Fahrlässigkeit hafte, weil sich der Transport auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr ereignete.

Gemäß § 333 Abs 3 ASVG (idF der 48.ASVG-Novelle) seien die Bestimmungen des Abs 1 und 2 des § 333 ASVG immer dann nicht anzuwenden, wenn der Arbeitsunfall durch ein Verkehrsmittel eingetreten sei, für dessen Betrieb aufgrund gesetzlicher Vorschriften eine erhöhte Haftpflicht bestehe. Es gelte daher für den gegenständlichen Fall das Haftungsprivileg des Dienstgebers und des Aufsehers im Betrieb im Sinne von § 333 Abs 1 ASVG ebensowenig wie die Vorteilsanrechnungsregel des § 333 Abs 2 ASVG.

Zwar bestimme § 332 Abs 3 ASVG allgemein, daß ein Schadenersatzanspruch nach § 333 ASVG auf den Versicherungsträger nicht übergehe, daß also die Legalzession im Sinne von § 332 Abs 1 ASVG auf solche Schadenersatzansprüche nicht anzuwenden sei. Die Bestimmung des § 332 Abs 3 ASVG sei aber teleologisch in dem Sinne zu reduzieren, daß sie in bezug auf Ansprüche auf Ersatz von Schäden durch ein Verkehrsmittel im Ergebnis bedeutungslos werde. Während § 333 ASVG der Sache nach zwei vom allgemeinen Ersatzrecht abweichende Regeln enthalte (Dienstgeberhaftung bloß für vorsätzliche Schädigung und Vorteilsausgleichung hinsichtlich der Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung), nehme Abs 3 gerade von diesen beiden Sonderregeln aus. Diese Bestimmung sei daher keine Schadenersatzsonderregel des § 333 ASVG, sondern führe lediglich zum allgemeinen Recht - sei es Gefährdungs- und/oder Verschuldenshaftung - zurück. Bringe aber § 333 Abs 3 ASVG keine schadenersatzrechtlichen Besonderheiten - im Vergleich zum Schadenersatzrecht außerhalb des § 333 ASVG - so lasse er sich zwanglos als von der Legalzessionausschlußregel des § 332 Abs 2 ASVG nicht erfaßt begreifen. Es liege eben kein Schadenersatzanspruch nach § 333 ASVG vor und sei daher die Legalzessionsregel des § 332 ASVG anzuwenden. Die Vorteilsnichtanrechnungsregel des § 333 Abs 3 ASVG bestätige dieses Ergebnis, weil die Legalzessionsverweigerungsnorm des § 332 Abs 3 ASVG ihren Sinn erst in Verbindung mit der Vorteilsanrechnungsregel des § 333 Abs 2 ASVG erhalte. Die Legalzession des § 332 Abs 1 ASVG stelle sich in Verbindung mit § 333 Abs 3 ASVG zum originären Regreßrecht des Sozialversicherers, das diesem nach § 334 Abs 1 ASVG eingeräumt werde, als lex specialis dar, was dazu führe, daß, soweit § 332 ASVG reiche, § 334 Abs 1 ASVG nicht anzuwenden sei.

Ihrem Wortlaut nach umfasse die Bestimmung des § 333 Abs 3 ASVG nur den eigentlichen Dienstgeber und nicht den Aufseher im Betrieb im Sinne von § 333 Abs 4 ASVG. Letzterer wäre daher nach der Wortinterpretation nur dem originären Regreß nach § 334 Abs 1 iVm § 334 Abs 5 ASVG ausgesetzt. Sei aber der Aufseher im Betrieb selbst Halter des Kfz, das den Arbeitsunfall verursachte, sei die analoge Anwendung des § 333 Abs 3 ASVG geboten, um auch die dem Dienstgeber gleichgestellten Personen haften und ihnen umgekehrt auch die Haftungsbeschränkung des § 333 Abs 3 ASVG zukommen zu lassen. § 333 ASVG bedenke dieses Halterproblem nicht, weil er das Dienstgeber-Kfz als schädigendes vor Augen habe und dabei Probleme der Haftung von gleichgestellten Personen nicht auftreten. In Wertungseinheit mit der Dienstgeberhaftung bestehe aber bei einschlägiger Versicherungsdeckung einerseits kein Grund, dem Dienstgeber gleichgestellte Personen geringer haften zu lassen als den Dienstgeber, und anderseits auch kein Grund, sie haftungsmäßig höher zu belasten. Der Dienstgeber werde hier herangezogen, weil er haftungsmäßige Deckung habe, die ihm gleichgestellten Personen könnten aus dem gleichen Grunde genauso herangezogen werden. Der Dienstgeber habe sich im Bereich der leichten Fahrlässigkeit an sich von der Haftung durch die Unfallversicherung als einer Art Haftpflichtversicherung freigekauft und mit sich, ähnlich wie in der privaten Haftpflichtversicherung, auch die ihm Gleichgestellten. Die Haftungsverschärfung im § 333 ASVG sei erfolgt, weil sie nicht zu Lasten des Dienstgebers, sondern zu Lasten des Kfz-Haftpflichtversicherers gehe. Er solle Risken tragen, die an sich mit dieser Versicherungsart zusammenhingen. Nichts anderes könne bezüglich der Haftpflichtversicherten gleichgestellten Personen gelten.

Daraus folge, daß der Klagsanspruch auch schon bei leichter Fahrlässigkeit des Erstbeklagten berechtigt sei.

Daß der Erstbeklagte den Unfall zumindest leicht fahrlässig herbeigeführt habe, könne nicht zweifelhaft sein. Zum einen habe der Erstbeklagte nicht über die erforderliche Lenkerberechtigung verfügt und den Nachweis, daß der Unfall sich ebenso ereignet hätte, wenn er eine entsprechende für die Ausstellung der benötigten Lenkerberechtigung erforderliche Ausbildung gehabt hätte, nicht erbracht worden sei. Zum andern sei die Verwendung von Handbremsern nicht notwendig gewesen, sie sei aber, jedenfalls was den vorderen Handbremser betrifft, erkennbar gefährlich gewesen. Im Hinblick auf die mit der Verwendung von Handbremsern auch gegebenen Sicherheitsvorteile wäre es sinnvoll gewesen, nur einen Mann zur Betätigung der hinteren Feststellbremse einzuteilen. Dadurch hätten die gewünschten zusätzlichen Sicherheiten erreicht werden können. Die Betätigung der hinteren Feststellbremse sei nicht annähernd so gefährlich wie die Betätigung der vorderen. Die Gefährdung des vorderen Handbremsers sei so evident, daß sie nicht verantwortet werden könne, zumal keine Notwendigkeit dazu bestand. Daß der Erstbeklagte sich trotzdem auch eines vorderen Handbremsers bediente, stelle eine fahrlässige Gefährdung desselben dar.

Die ordentliche Revision wurde für zulässig erklärt, weil eine Rechtsprechung zur Frage, ob sich der Sozialversicherer auf die Legalzession nach § 332 ASVG auch im Falle einer Schädigung eines Pflichtversicherten im Sinne von § 333 Abs 3 ASVG berufen könne, nicht existiere.

Dagegen richtet sich die Revision der beklagten Parteien mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei hat Revisionsbeantwortung erstattet und beantragt, dem Rechtsmittel der beklagten Parteien keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Grundsätzlich schließt sich der erkennende Senat den auf die Ansicht Reischauers, aaO, gestützten Ausführungen des Berufungsgerichtes an (§ 510 Abs 3 ZPO).

Die beklagten Parteien machen in ihrer Revision geltend, der Erstbeklagte habe versicherungsrechtlich gegenüber der Zweitbeklagten eine Obliegenheitsverletzung zu vertreten, was zur Folge habe, daß im Falle der Bejahung der Haftung der Beklagten der Erstbeklagte letztendlich alleine den Anspruch liquidieren müßte, obwohl er als "Aufseher im Betrieb" im Sinne des § 333 Abs 4 ASVG ausdrücklich von einer solchen Haftung befreit sein sollte. Daran vermöge die Neuregelung des § 333 Abs 3 ASVG durch die 48.ASVG-Novelle nichts zu ändern.

Dieses Argument vermag die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes nicht zu entkräften. Wie oben ausgeführt, besteht in Wertungseinheit mit der Dienstgeberhaftung bei einschlägiger Versicherungsdeckung kein Grund, dem Dienstgeber gleichgestellte Personen geringer haften zu lassen, als den Dienstgeber und anderseits auch kein Grund, sie haftungsmäßig höher zu belasten. Der Dienstgeber kann aber dem Geschädigten nicht einwenden, eine Obliegenheitsverletzung gesetzt zu haben und deshalb den Schaden letztlich alleine (bzw. teilweise - vgl. § 6 Abs 3 AKHB) tragen zu müssen. Eine Obliegenheitsverletzung im Verhältnis zwischen dem Schädiger und seiner Versicherung kann dem Geschädigten nicht den Ersatzanspruch nehmen.

Weiters wird in der Revision geltend gemacht, den Erstbeklagten treffe kein Verschulden, weil es nicht zutreffe, daß die Verwendung von Handbremsern erkennbar gefährlich war. Dem ist zum einen entgegenzuhalten, daß der Erstbeklagte nicht über die erforderliche Lenkerberechtigung verfügte. Zum anderen befand sich die von L***** betätigte Feststellbremse ca. 0,55 bis 0, 60 m rechts der linken Hängerbegrenzung unmittelbar vor der vorderen Hängerbegrenzung. Um diese Bremse zu betätigen, mußte L***** sich mit der Eigengeschwindigkeit des Hängers seitwärts in Fahrtrichtung desselben weiterbewegen. Daß eine solche Vorgangsweise gefährlich ist, ist evident.

Der Revision der beklagten Parteien war somit ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte