OGH 15Os112/93

OGH15Os112/9316.9.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 16.September 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Steininger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner, Dr.Kuch, Dr.Schindler und Dr.Ebner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Freyer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Anton Go***** wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 1 sowie § 15 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 22.April 1993, GZ 6 Vr 2393/92-45, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Bassler, und des Verteidigers Dr.Prager, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird Folge gegeben und die Strafe auf 2 1/2 (zweieinhalb) Jahre herabgesetzt.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Anton Go***** des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 1 und § 15 StGB und des Vergehens der (vorsätzlichen) Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er

I. am 6.August 1992 im Bezirk Leibnitz im Zusammenwirken mit einem bisher unbekannten Beteiligten fremde bewegliche Sachen in einem 25.000 S, nicht jedoch 500.000 S übersteigenden Wert nachangeführten Personen, teils durch Einbruch in ein Gebäude, mit dem Vorsatz weggenommen oder wegzunehmen versucht, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern, und zwar

1. in Oberhaag dem Harald Wi***** Wertgegenstände aus dessen Wohnung, wobei es deshalb zur Vollendung der Tat nicht kam, weil er von Harald Wi***** auf dem Stiegenaufgang zum ersten Stock betreten wurde,

2. in Oberhaag der Sophie Hu***** Wertgegenstände aus deren Schlafzimmer, wobei es deshalb zur Vollendung der Tat nicht kam, weil er beim Verlassen des Schlafzimmers von Sophie Hu***** betreten wurde,

3. in Pößnitz der Mag.Brigitte Sch***** Wertgegenstände aus deren Schlafzimmer, wobei es deshalb zur Vollendung der Tat nicht kam, weil er von Mag.Brigitte Sch***** beim Einsteigen über das ebenerdige Küchenfester betreten wurde,

4. in Pößnitz dem Hubert Ga***** zwei Bohrmaschinen, eine Handbandschleifmaschine, eine Handkreissäge, eine Motorsäge und eine Stichsäge im Gesamtwert von 10.000 S,

5. in Pößnitz der Maria Le***** 300 Stück Zigaretten der Marke Memphis im Werte von 420 S nach Einschlagen der Doppelscheibe beim Badefenster und Einsteigen in deren Wochenendhaus,

6. in Gamlitz der Anita Ha***** Goldschmuck im Wert von ca. 15.000 S,

7. in Lebring der Renate Rö***** Goldschmuck im Werte von ca. 65.000

S und 3.000 S Bargeld;

II. am 13.Oktober 1992 in Graz den Johann Be***** durch mehrere Faustschläge in das Gesicht, die eine Platzwunde an dessen Oberlippe zur Folge hatten, vorsätzlich am Körper verletzt.

Rechtliche Beurteilung

Nur gegen den Schuldspruch wegen Diebstahls richtet sich die auf § 281 Abs. 1 Z 3, 5, 5 a, 9 lit. a, 9 lit. b und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.

Soweit sich der Beschwerdeführer - ersichtlich verkennend, daß die Qualifikation des sogenannten "Gesellschaftsdiebstahls" (vormals § 127 Abs. 2 Z 1 StGB) durch das Strafrechtsänderungsgesetz 1987 ersatzlos aufgehoben wurde - unter verschiedenen Gesichtspunkten (Z 5, 5 a, 9 lit. a und 10) gegen die erstgerichtliche Annahme der Mittäterschaft (oder Beitragstäterchaft) eines bislang unbekannt gebliebenen Beteiligten wendet, ist eine Erörterung des Beschwerdevorbringens schon mangels Entscheidungsrelevanz entbehrlich; denn nach geltendem Recht fehlt der bekämpften Urteilsannahme jede rechtliche Bedeutung für die Beurteilung der dem Beschwerdeführer angelasteten teils vollendeten, teils versuchten Diebstähle.

Einen nichtigkeitsbegründenden Verstoß gegen den (im ersten Absatz des § 258 StPO verankerten) Unmittelbarkeitsgrundsatz (Z 3 und 5, richtig nur Z 5) erblickt der Beschwerdeführer in der urteilsmäßigen Verwertung der im Vorverfahren abgelegten Aussage der Zeugen Erich Kr***** jun. (ON 30).

Dies zu Unrecht; ist doch dem Hauptverhandlungsprotokoll unmißverständlich zu entnehmen, daß sich der Zeuge in der Hauptverhandlung ausdrücklich auf das Vernehmungsprotokoll ON 30 berufen und die dort enthaltenen Angaben zum Inhalt seiner Aussage vor dem erkennenden Gericht gemacht hat (S 283). Überdies wurde dem Zeugen der Inhalt des Vernehmungsprotokolls ON 30 vom Verteidiger vorgehalten (s. abermals S 283) und der Inhalt somit erneut zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht.

Dem Beschwerdeführer ist in bezug auf das Urteilsfaktum I.3. zwar einzuräumen, daß die erstgerichtliche Annahme, Mag.Brigitte Sch***** habe ihn schon beim Einsteigen durch das Küchenfenster beobachet (US 3 verso), in deren Aussagen als Zeugin keine Deckung findet (vgl. S 163, 203, 276). Diesem Umstand kommt aber im gegebenen Zusammenhang die Bedeutung eines formalen Begründungsmangels (Z 5) nicht zu:

Mag.Brigitte Sch***** hat nämlich im Zuge ihrer wiederholten Vernehmungen unmißverständlich klargestellt, daß sie den - von ihr später im Wohnhaus betretenen - Beschwerdeführer zwar nicht beim Einsteigen durch das Küchenfenster beobachtet hatte, diesem aber nach den Gegebenheiten am Tatort keine andere Möglichkeit des Eindringens in das Haus offen gestanden sei (S 163 f, 203, 205, 276). Indem die Tatrichter dieser Schlußfolgerung der Zeugin im Rahmen ihrer beweiswürdigenden Erwägungen folgten (siehe insbesondere US 8 verso), ist die bekämpfte Urteilsfeststellung über das Eindringen des Beschwerdeführers in das Haus der Mag.Brigitte Sch***** (Einsteigen durch das Küchenfenster) im Ergebnis mängelfrei begründet.

Unzutreffend ist die Rüge einer undeutlichen, der gebotenen Bestimmtheit entbehrenden Begründung (Z 5) des Ausspruches über einen 25.000 S übersteigenden Wert des Diebsguts; zur Erwiderung genügt der Hinweis, daß allein der laut Urteilsfaktum I.7. gestohlene Schmuck nach den vom Erstgericht als Feststellungsgrundlage herangezogenen Angaben der Geschädigten einen Wert von ca. 65.000 S repräsentierte. Der entscheidenden Feststellung eines 25.000 S übersteigenden Gesamtwertes der gestohlenen und zu stehlen versuchten Sachen steht - dem Vorbringen im Gerichtstag zuwider - die Begründung der Verweisung auf den Zivilrechtsweg (US 15) nicht entgegen; denn diese Verweisung erfolgte teils wegen des Ersatzes des Schadens durch eine Versicherung, teils mangels Nachweises einer Bevollmächtigung, teils deshalb, weil der exakte Wert des mit "ca. 65.000 S" eingeschätzten Goldschmuckes nicht feststellbar war. Im übrigen remonstriert der Beschwerdeführer der Sache nach nur gegen die Bewertung gebrauchter Geräte.

Mit dem Vorbringen der Tatsachenrüge (Z 5 a) zeigt der Beschwerdeführer in bezug auf den Schuldspruch wegen Diebstahls (Pkt. I.1. bis 7. des Schuldspruchs) keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen auf. Soweit er nicht überhaupt - im übrigen unter diesem Nichtigkeitsgrund verfehlt - bloß Rechtsausführungen zur Darstellung bringt, unternimmt er der Sache nach, wie sich vor allem in der ausdrücklichen Bezugnahme auf den Zweifelsgrundsatz zeigt, nur nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren nach wie vor unzulässigen Schuldberufung den (unbeachtlichen) Versuch, aus den vom Erstgericht zur Begründung des Schuldspruchs herangezogenen Indizien andere, für ihn günstigere Schlußfolgerungen zu ziehen.

Es versagen aber auch die Einwände rechtlicher Natur.

Der Beschwerdeführer irrt, wenn er - was indes nur für einen (allfälligen) Rücktritt vom Versuch, den er aber nur im Faktum I.1. für sich reklamiert, nicht aber für die Strafbarkeit wegen Deliktsversuchs aktuell sein kann - vermeint, das Erstgericht habe in den Urteilsfakten I.1. bis 3. zu Unrecht das Vorliegen eines jeweils schon "vollendeten" (gemeint: beendeten) Versuchs angenommen: Dem Urteilssachverhalt ist unmißverständlich zu entnehmen, daß es zur Herbeiführung des vom Täter angestrebten tatbestandsmäßigen Erfolges, nämlich der Aneignung von Diebsgut, noch weiterer Täterhandlungen bedurft hätte. Das Erstgericht hat sohin unzweifelhaft in diesen drei in Betracht kommenden Fällen einen jeweils noch unbeendeten Versuch angenommen.

Der Beschwerdeführer irrt aber auch, wenn er die im Urteil zu diesen Fakten festgestellten Tathandlungen bloß als straflose Vorbereitungshandlungen gewertet wissen will (Z 9 lit. a).

Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. Mayerhofer-Rieder StGB3 § 15 E 1 ff, Leukauf-Steininger Komm.3 § 15 RN 6 ff) bedarf es zur Annahme eines über das (straflose) Stadium einer bloßen Tatvorbereitung hinausgehenden strafbaren Versuchs entweder einer bereits begonnenen Ausführungshandlung oder doch wenigstens einer Betätigung des auf die Herbeiführung des strafgesetzwidrigen Erfolges gerichteten Täterwillens in Form eines in sinnfälliger Beziehung zum tatbildmäßigen Unrecht stehenden und der eigentlichen Tatausführung unmittelbar vorangehenden Verhaltens. In objektiver Hinsicht muß die Täterhandlung unter Bedachtnahme auf den gewöhnlichen Handlungsablauf bereits im unmittelbaren Vorfeld der Tatbildverwirklichung liegen; subjektiv muß das deliktische Vorhaben des Täters jenes Stadium erreicht haben, in dem anzunehmen ist, daß er die entscheidende Hemmstufe vor der Tatbegehung schon überwunden hat. Daß diese Voraussetzungen beim Beschwerdeführer in sämtlichen hier in Rede stehenden Deliktsfällen erfüllt sind, bedarf angesichts der Urteilsannahme, daß er jeweils bereits in (fremde) Häuser mit dem Vorsatz eingedrungen war, dort Wertgegenstände oder Bargeld zu stehlen (US 3 verso), (und nicht etwa bloß eine Gelegenheit für einen erst später zu verübenden Diebstahl zu erkunden) keiner weiteren Erörterung.

Mit seinem weiteren Vorbringen, in den Urteilsfakten I.4.-7. kämen auch andere Personen als Täter in Frage, sodaß er im Zweifel freizusprechen gewesen wäre, verläßt der Beschwerdeführer den Boden des seine Täterschaft auch in diesen Fakten feststellenden Urteils; solcherart entbehrt die Rechtsrüge der gesetzmäßigen Ausführung, weil sie nicht, wie dies zur prozeßordnungsgemäßen Darstellung eines materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes erforderlich wäre, den festgestellten Urteilssachverhalt mit dem darauf angewendeten Strafgesetz vergleicht.

Nicht stichhältig ist schließlich der nur das Urteilsfaktum I.1. betreffende Einwand, dem Beschwerdeführer komme der Strafaufhebungsgrund des Rücktritts vom Versuch zugute (Z 9 lit. b). Gemäß § 16 Abs. 1 StGB wird der Täter, wenn ein Versuch, so wie im vorliegenden Fall, noch nicht beendet ist, nur dann straflos, wenn er die weitere Tatausführung freiwillig aufgibt. Freiwilligkeit im Sinne dieser Gesetzesstelle setzt voraus, daß der Täter aus eigenem Antrieb, wenngleich allenfalls auch unter dem Einfluß äußerer situationsbedingter Umstände, auf die Vollendung der Tat verzichtet, obgleich er eine dem Tatplan entsprechende Ausführung der Tat noch für möglich erachtet (Leukauf-Steininger Komm.3 § 16 RN 2). Davon kann vorliegend aber keine Rede sein: Da nämlich der Beschwerdeführer in diesem Fall vom Wohnungseigentümer auf frischer Tat betreten und (vom Tatort) vertrieben wurde (US 3 verso), fehlt jedenfalls das für die Annahme dieses Strafaufhebungsgrundes essentielle Element der Freiwilligkeit.

Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach § 129 StGB unter Anwendung des § 28 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Jahren. Es wertete bei der Strafbemessung als erschwerend die zahlreichen einschlägigen Vorstrafen, einen raschen Rückfall, die Begehung der Straftaten innerhalb der Probzeit nach Entlassung aus einem Maßnahmevollzug, die mehrfachen Angriffe, die mehrfachen Qualifikationen des Diebstahls und das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen, als mildernd ein Teilgeständnis zur Körperverletzung, den Umstand, daß es bei einem Teil der diebischen Angriffe beim Versuch blieb, und eine teilweise Zustandebringung des Diebsgutes.

Der eine Herabsetzung des Strafausmaßes anstrebenden Berufung des Angeklagten kommt Berechtigung zu.

Entgegen dem Berufungsvorbringen wurde die mehrfache Qualifikation des Diebstahls zu Recht als erschwerend herangezogen; lag doch neben der strafsatzbestimmenden Qualifikation des § 129 Z 1 StGB auch jene des § 128 Abs. 1 Z 4 StGB vor.

Auch der Erschwerungsgrund eines raschen Rückfalls wurde zutreffend herangezogen, denn der Angeklagte wurde am 24.Juni 1992 aus einer wegen Diebstahls verhängten Freiheitsstrafe von 12 Monaten entlassen und verübte die ihm nunmehr zur Last fallenden diebischen Angriffe bereits am 6.August 1992.

Von einer verlockenden Gelegenheit, die der Angeklagte für sich reklamiert, kann nicht gesprochen werden, wenn - wie hier - diese Gelegenheit, nämlich unversperrte Haus- oder Wohnungstüren, geradezu systematisch aufgesucht wird.

Zutreffend macht der Angeklagte hingegen geltend, daß ihm die Begehung der Straftaten während einer Probezeit (nach bedingter Entlassung aus einem Maßnahmevollzug) nicht als erschwerend zuzurechnen ist. Dieser Umstand stellt vielmehr uU einen Widerrufsgrund dar (Leukauf-Steininger Komm.3 § 33 Rz 8).

Der Entfall dieses Erschwerungsgrundes und eine Zusammenschau mit den letzten Vorverurteilungen, bei denen - anders als im vorliegenden Urteil - sogar gewerbsmäßige Tatverübung angenommen wurde und Freiheitsstrafen von 10 und 12 Monaten ausgesprochen wurden, lassen jedoch trotz der kriminellen Täterpersönlichkeit des Angeklagten eine Freiheitsstrafe von drei Jahren als der Tatschuld und dem Gewicht der Taten doch nicht ganz angemessen erscheinen. Es war demnach mit einer (mäßigen) Herabsetzung der Strafe auf 2 1/2 Jahre vorzugehen.

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