OGH 15Os119/93

OGH15Os119/9316.9.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 16.September 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Steininger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner, Dr.Kuch, Dr.Schindler und Dr.Ebner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Freyer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Werner M***** wegen des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 25.Mai 1993, GZ 5 a Vr 4191/93-20, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

I. Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in dem im Schuldspruch enthaltenen Ausspruch, daß der Angeklagte "mit dem Tod" gedroht habe, und demgemäß in der Unterstellung der Tat (auch) unter die Bestimmung des § 106 Abs 1 Z 1 StGB sowie im Strafausspruch (einschließlich des Ausspruchs über die Vorhaftanrechnung) aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

II. Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.

III. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die zu I. getroffene Entscheidung verwiesen.

IV. Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Werner M***** des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB schuldig erkannt

Darnach hat er am 30.März 1993 in Wien versucht, den Arzt Dr.Karl R***** und den Pfleger Alois K***** durch die Äußerung, er wolle im psychiatrischen Krankenhaus der Stadt Wien stationär aufgenommen werden, wobei er eine einer echten Pistole täuschend ähnliche Schreckschußpistole vorwies und damit gestikulierte, mithin durch Drohung mit dem Tod, zu einer Handlung, nämlich zur Aufnahme in das psychiatrische Krankenhaus der Stadt Wien, zu nötigen.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit seiner auf die Gründe der Z 4, 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Ihr kommt, soweit sie unter Relevierung des Nichtigkeitsgrundes der Z 5 bzw (nominell) der Z 9 lit a (wobei jedoch insoweit der Sache nach ebenfalls die Z 5 geltend gemacht wird) die Feststellung, der Beschwerdeführer habe mit dem Tod drohen wollen, als mangelhaft begründet rügt, Berechtigung zu; im übrigen ist sie aber unbegründet.

Verfehlt ist die Verfahrensrüge (Z 4). Weder der vermißte Zeugenbeweis noch die Vornahme eines Lokalaugenscheines hätten nach den vorliegenden Verfahrensergebnissen zur Klärung entscheidungswesentlicher Fragen beitragen können. Denn weder war der Polizeibeamte S***** Tatzeuge noch zeigte der Beschwerdeführer in seinem Beweisantrag auf, aus welchen Gründen die genaue Kenntnis der örtlichen Verhältnisse für die - allein entscheidungswesentliche - Beurteilung der Glaubwürdigkeit der in das Tatgeschehen involvierten Personen erforderlich sein sollte. Dies kann auch den Beschwerdeausführungen nicht entnommen werden. Durch die Unterlassung der begehrten Beweisaufnahmen wurden demnach Verteidigungsrechte des Angeklagten nicht verletzt.

Soweit der Beschwerdeführer in der Mängelrüge (Z 5) - unter dem Titel einer Undeutlichkeit, der Sache nach aber einen Feststellungsmangel im Sinne der Z 9 lit a leg cit reklamierend - zunächst einwendet, dem Urteil sei keine Feststellung zu entnehmen, die das "objektive Tatbild" (der Nötigung) umschreibt, übergeht er die insofern klaren Konstatierungen im angefochtenen Urteil (US 5 und 9). Die behauptete Aktenwidrigkeit in der Wiedergabe der Aussage des Zeugen Dr.R***** - bezogen auf die Begründung seiner Furchtlosigkeit - betrifft hinwieder keine für die rechtliche Beurteilung entscheidende Tatsache, ist es doch auch bei Berücksichtigung eines objektiv individuellen Maßstabes (EvBl 1983/123; Kienapfel BT2 § 105 Rz 44) für die Tatbildmäßigkeit des Täterverhaltens letztlich nicht erforderlich, daß die Drohung in dem Bedrohten tatsächlich Besorgnisse geweckt hat, und demgemäß somit unerheblich, aus welchen Gründen - von der Erkennbarkeit der mangelnden Ernstlichkeit der Drohung abgesehen - eine solche Besorgnis beim Bedrohten nicht hervorgerufen wurde.

Es trifft entgegen der Beschwerdeargumentation auch nicht zu, daß das angefochtene Urteil jegliche Begründung für die Feststellung einer (gefährlichen) Drohung vermissen läßt, stützte das Schöffengericht doch die diesbezüglichen Urteilsannahmen tatsächlicher Art unter Einbeziehung der leugnenden Verantwortung des Angeklagten ausdrücklich auf die für glaubwürdig erachteten Aussagen der Zeugen Dr.R***** und K*****.

Den Feststellungen zur subjektiven Tatseite schließlich haftet ein Begründungsmangel in der Bedeutung des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes insoweit nicht an, als der Vorsatz des Angeklagten, die Anwesenden mit der Pistole gefährlich zu bedrohen (§ 74 Z 5 StGB), aus der Tathandlung selbst abgeleitet wurde (US 8). Denn das Gestikulieren mit einer für die Bedrohten nicht als ungefährlich erkennbaren Schreckschußpistole läßt, ohne daß es diesbezüglich weiterer Ausführungen bedürfte, denkrichtig durchaus den Schluß zu, der Täter habe die damit verbundene Eignung, in den Bedrohten begründete Besorgnisse zumindest um ihre körperliche Unversehrtheit zu erregen, in seinen Vorsatz aufgenommen.

Dagegen kommt der Beschwerde insoweit Berechtigung zu, als sie die erstinstanzliche Feststellung, wonach sich der Vorsatz des Angeklagten auch auf das Vorliegen der qualifizierenden Umstände des § 106 Abs 1 Z 1 StGB, hier also der Drohung mit dem Tod, erstreckte, als unzureichend begründet (Z 5) bekämpft.

Das Erstgericht hat die diesbezügliche Konstatierung allein auf das als erwiesen angenommene Tatverhalten gestützt. Darnach hat der Angeklagte eine einer echten Pistole täuschend ähnliche Schreckschußpistole gezogen und damit, ohne sie gezielt gegen eine bestimmte Person zu richten, herumgestikuliert. Daraus konnte das Erstgericht zwar, wie ausgeführt, noch im Einklang mit den Denkgesetzen und den Erfahrungen des täglichen Lebens auf den Vorsatz des Angeklagten schließen, hiedurch den Bedrohten begründete Besorgnisse um ihre körperliche Integrität einzuflössen, daß er in ihnen damit aber auch Angst geradezu um ihr Leben erwecken, ihnen somit den Eindruck vermitteln wollte, er sei in der Lage und willens, ihren Tod herbeizuführen, kann unter den gegebenen Umständen daraus allein nicht schlüssig abgeleitet werden, zumal die vom Beschwerdeführer aufgezeigten Verfahrensergebnisse durchaus gegen die Annahme sprechen, er habe bei den Bedrohten wirklich Todesangst auslösen wollen. Da sich das Erstgericht mit jenen in der Beschwerde aktengetreu zitierten Passagen der Aussagen Dris.R***** und K*****, wonach der Angeklagte (ohne sein Verhalten durch verbale Drohungen zu unterstützen) die Waffe über eine relativ kurze Zeit - ohne den Finger am Abzug - in der hohlen Hand gehalten, auf niemanden gezielt gerichtet, niemanden konkret bedroht und die Waffe sodann freiwillig wieder eingesteckt hatte (R***** S 92 bis 94, K***** S 96 bis 99), nicht auseinandergesetzt hat, eine Berücksichtigung dieser Beweisergebnisse aber eine andere Beurteilung in Ansehung der Voraussetzungen des § 106 Abs 1 Z 1 StGB nicht von vornherein ausschließt, war der Nichtigkeitsbeschwerde im aufgezeigten Umfange Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden. Im übrigen aber war die Nichtigkeitsbeschwerde teils als offenbar unbegründet, teils als nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt zurückzuweisen (§ 285 d Abs 1 Z 1 iVm § 285 a Z 2 bzw Z 2 StPO).

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