OGH 14Os122/93

OGH14Os122/9314.9.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 14.September 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Walenta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Lachner, Hon.Prof.Dr.Brustbauer, Dr.Massauer und Mag.Strieder als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Mazzolini als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Walter H***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen (auch "wegen Schuld") der Angeklagten Walter H***** und Helmut R***** gegen das Urteil des Landesgerichtes Steyr als Schöffengericht vom 17.März 1993, GZ 11 Vr 23/93-55, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Weiss, der Angeklagten und der Verteidiger Dr.Watzenböck und Dr.Ruckenbauer zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Die (angemeldeten) Berufungen "wegen Schuld" werden zurückgewiesen.

Den Berufungen (wegen des Ausspruchs über die Strafe) wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Urteil wurden die Angeklagten Walter H***** und Helmut R***** des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1 StGB (I) und - abweichend von der auf das Vergehen der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs. 1 StGB gerichteten Anklage, von der insoweit ein überflüssiger (Mayerhofer-Rieder StPO3 E 52 ff zu § 259) Freispruch erfolgte - des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 2 StGB (III a und b), der Angeklagte H***** überdies des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB (II) schuldig erkannt. Das Urteil enthält weiters einen wohl mündlich verkündeten (S 249), in der schriftlichen Ausfertigung der Entscheidung aber nur in den Gründen (US 6 und 13 f) aufscheinenden Freispruch des Angeklagten R***** von dem in der Hauptverhandlung ausgedehnten (S 248) Anklagevorwurf der gefährlichen Drohung.

Nach dem Inhalt des Schuldspruchs haben in Steyr

I. Walter H***** und Helmut R***** am 13.Jänner 1993 "als Beteiligte" (richtig: im bewußten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter) fremde bewegliche Sachen in einem 25.000 S nicht übersteigenden Wert, nämlich einen Bargeldbetrag von 2.375 S und eine Geldtasche im Wert von ca. 100 S dem Gerhard W***** durch Einbruch in seinen Frisiersalon mit dem Vorsatz weggenommen, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern,

II. Walter H***** am 12.Jänner 1993 die Anna E***** mit Gewalt zur Duldung der Betastung ihrer Brust genötigt, indem er ihr den rechten Unterarm verdrehte, und

III. Walter H***** und Helmut R***** am 12.Jänner 1993 die Anna E***** am Körper mißhandelt und dadurch fahrlässig verletzt, und zwar

a) Walter H***** durch Verdrehen des rechten (im Urteilsspruch unrichtig: linken) Unterarmes, und

b) Helmut R***** durch Verdrehen des linken (im Urteilsspruch unrichtig: rechten) Unterarmes, wodurch Anna E***** an den jeweiligen Handgelenken eine mit tagelangen Schmerzen verbundene Zerrung erlitten hat.

Diesen Schuldspruch bekämpfen beide mit getrennt ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden, die der Angeklagte H***** auf die Nichtigkeitsgründe der Z 5 und 9 lit. a, der Angeklagte R***** auf den Nichtigkeitsgrund der Z 5 a des § 281 Abs. 1 StPO stützt.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten H*****:

Entgegen der Mängelrüge (Z 5) haften dem Schuldspruch dieses Angeklagten wegen des Einbruchsdiebstahls (Faktum I) Begründungsmängel nicht an. Das Erstgericht hat seine Feststellungen dazu unter Ablehnung der leugnenden Verantwortung des Beschwerdeführers im wesentlichen auf die Zeugenaussage des Polizeibeamten Franz Sch***** (S 229 ff) gegründet, welcher den Angeklagten H*****, der ihm seit Jahren bekannt ist und der ihm am Tatort kurzfristig in einer Entfernung von ein bis zwei Metern gegenüberstand, einwandfrei - sei es im Licht der Straßenbeleuchtung, sei es in jenem der Stiegenhausbeleuchtung - erkannt hat. Seine Überzeugung von der Schuld des Angeklagten H***** gründete das Erstgericht zudem auf die Übereinstimmung der in unmittelbarer Tatortnähe (auf dem Fluchtweg eines der beiden Täter) vorgefundenen Schuhabdruckspuren mit dem Sohlenmuster der sichergestellten Turnschuhe dieses Angeklagten, auf die Nähe des Tatortes zu jener Wohnung, in der sich beide Angeklagten bis knapp vor der Tatzeit aufgehalten haben, sowie auf das einschlägig belastete Vorleben des Beschwerdeführers (US 11 f).

Die Gleichartigkeit der vorgefundenen Schuhabdruckspuren mit dem Schuhsohlenmuster des Angeklagten war somit keineswegs die einzige (und auch nicht die ausschlaggebende) Feststellungsgrundlage, weshalb eine Erörterung der durchaus naheliegenden Möglichkeit, daß in Steyr auch andere Personen Sportschuhe mit gleichem Sohlenmuster tragen, entbehrlich war. Mit dem Umstand hinwieder, daß der Tatzeuge Gerhard W***** keinen der beiden Angeklagten als Täter sicher wiedererkannt hat (S 227), hat sich das Erstgericht ohnehin auseinandergesetzt (US 12).

Die vom Beschwerdeführer weiters vermißte Erörterung der Frage, weshalb keiner der übrigen Zeugen die vom Zeugen Sch***** beschriebene auffällige Kleidung des Angeklagten H***** wahrgenommen hat, war nicht erforderlich, weil der Zeuge unmittelbar nach der Tat über die vom Angeklagten getragene Kleidung überhaupt keine Aussage machen konnte (S 58) und seine Angabe in der Hauptverhandlung über die Art der Kleidung des Angeklagten H***** in Wahrheit nur eine unsichere Vermutung war (S 232).

Den Beschwerdeausführungen zuwider hat der Zeuge W***** nicht angegeben, daß die Lichtverhältnisse für eine Täteridentifizierung völlig unzureichend waren, sondern im Gegenteil ausgesagt, daß jedenfalls durch die Straßenbeleuchtung Licht in das Friseurgeschäft gefallen ist (S 225 f). Da der Zeuge Sch***** dem vom Tatort flüchtenden Angeklagten H***** am Ausgang des Geschäftslokales kurzfristig unmittelbar gegenübergestanden ist und ihm dieser Angeklagte (anders als dem Zeugen W*****) auch persönlich bekannt war, konnte eine eingehende Erörterung der am Tatort zur Tatzeit herrschenden Beleuchtungsverhältnisse unterbleiben.

Den Schuldspruch wegen Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB (Faktum II) hält der Angeklagte H***** nach dem Inhalt seiner Rechtsrüge (Z 9 lit. a) deshalb für verfehlt, weil das abgenötigte Verhalten von einigem Gewicht sein müsse, was wegen der extremen Kürze des Vorganges nicht der Fall gewesen sei. Damit verkennt der Beschwerdeführer, daß es bei Beurteilung eines Tatverhaltens nach § 105 Abs. 1 StGB auf dessen Dauer gar nicht ankommt. Die abgenötigte Handlung, Duldung oder Unterlassung bedarf nämlich keiner besonderen rechtlichen oder faktischen Relevanz, sondern muß nur einiges Gewicht haben, darf somit nicht gänzlich bedeutungslos sein (Leukauf-Steininger Komm3 RN 17; Kienapfel BT I3, RN 56, 57; Foregger-Kodek, StGB3 Erl III, je zu § 105 StGB). Der mit Gewalt abgenötigten Duldung der Betastung der Brust einer Wirtin in deren Gastlokal kommt aber ein derartiges Gewicht durchaus zu.

Das weitere Vorbringen der Rechtsrüge, wonach das Abgreifen der Brust nur eine derart kurze Zeit dauerte, daß eine Duldung dieser Vorgangsweise bzw. die Unterlassung einer Abwehrhandlung gar nicht möglich gewesen sei, geht von der urteilsfremden Annahme eines bloßen Überraschungsangriffes aus und ist somit nicht gesetzmäßig ausgeführt. Nach den Urteilsfeststellungen hat der Angeklagte H***** nämlich der Gastwirtin den rechten Unterarm verdreht, damit sie sich nicht zur Wehr setzen kann und sie erst dann kurz an der Brust betastet bzw abgegriffen (US 5, 6, 13). Diese Feststellung schließt aber das Vorliegen eines Überraschungsangriffes, gegen den willentliche Abwehrhandlungen, die durch den Einsatz von Nötigungsmitteln verhindert werden könnten, nicht möglich wären, aus.

Letztlich versagt auch der gegen den Schuldspruch zu Faktum III gerichtete Einwand des Beschwerdeführers, er hätte neben der Nötigung (Faktum II) nicht auch noch zusätzlich der Körperverletzung schuldig erkannt werden dürfen, weil die leichte Körperverletzung durch das Gewaltdelikt der Nötigung konsumiert werde. Dieser Beschwerdeauffassung zuwider treffen nach ständiger Rechtsprechung, wenn die ausgeübte Gewalt - was nicht zwangsläufig der Fall sein muß - eine Körperverletzung zur Folge hat, Nötigung und Körperverletzung eintätig zusammen, weil beim Tatbestand der Nötigung weder die Gewaltanwendung alleiniges Begehungsmittel ist noch der Eintritt von Verletzungsfolgen eine höhere Strafdrohung nach sich zieht (SSt 46/79, 50/26, EvBl 1980/33, 1984/108 uva).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten R*****:

Von diesem Angeklagten wird im wesentlichen vorgebracht, daß die Beweisergebnisse in Ansehung des Faktums I die Verübung dieses Einbruchsdiebstahl durch zwei Täter, insbesondere aber die Feststellung seiner (Mit-)Täterschaft, und in Ansehung des Urteilsfaktums III/b die Annahme der Herbeiführung einer leichten Körperverletzung als Folge der von ihm zugestandenen Mißhandlung der Anna E***** nicht zu tragen vermögen. Eine Prüfung der Akten gibt aber zu keinen erheblichen Bedenken (Z 5 a) gegen die Richtigkeit der bekämpften Feststellungen Anlaß, vielmehr wird vom Angeklagten mit seinen Beschwerdeausführungen lediglich nach Art einer im Rechtsmittelverfahren gegen kollegialgerichtliche Urteile unzulässigen Schuldberufung die auf gesicherter Beweisgrundlage beruhende Beweiswürdigung des Erstgerichtes bekämpft.

Entgegen dem Beschwerdevorbringen konnte der Schöffensenat seine Urteilsfeststellung, wonach der Einbruchsdiebstahl im Friseurgeschäft des Gerhard W***** von zwei Personen begangen wurde, nicht nur aus der Tatsache, daß der zweite Täter nach Aufsperren der von innen verschlossenen Geschäftstür den Tatort verlassen haben muß, sondern auch aus der Zeugenaussage des Gerhard W***** ableiten (S 226 f). Zwar wäre auf Grund des Umstandes, daß der Zeuge Sch***** einen zweiten Täter im Geschäftslokal selbst nicht wahrgenommen hat und der Zeuge W***** Zweifel an der Identität beider Angeklagten mit den Tätern äußerte, in Ansehung des Angeklagten R***** auch eine andere Lösung der Schuldfrage denkbar gewesen. Im Hinblick darauf jedoch, daß der Beschwerdeführer mit dem Angeklagten H***** bis unmittelbar vor der Tat mehr als zwölf Stunden zusammen verbracht und nur wenige Minuten vor dem Einbruch gemeinsam mit ihm eine in unmittelbarer Nähe des Tatortes gelegene Wohnung verlassen hatte, worauf der Angeklagte H***** sodann vom einschreitenden Polizeibeamten Sch***** einwandfrei am Tatort erkannt wurde, ist die vom Erstgericht vorgenommene Deutung der Beweisergebnisse aber unbedenklich.

Keine erheblichen Bedenken bestehen auch gegen die Richtigkeit der Urteilsfeststellung, daß die Zeugin Anna E***** durch den tätlichen Angriff des Angeklagten R***** eine Zerrung des linken Handgelenkes erlitten hat. Wohl hatte die Zeugin einige Zeit vorher am linken Unterarm einen Speichenbruch erlitten, weshalb sie noch "eine Art Schiene" trug und bei der Arbeit behindert war (S 239), doch war diese Bruchverletzung nach dem Inhalt der etwa 10 Stunden nach der Tat vom Landeskrankenhaus Steyr ausgestellten Verletzungsanzeige, in der die Zerrung beider Handgelenke bestätigt wird, bereits ausgeheilt (S 151). Die vom Beschwerdeführer R***** für erforderlich gehaltene amtswegige Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens darüber, daß die Zeugin Anna E***** durch seine Tätlichkeit keine Verletzung erlitten habe, sondern hiedurch ihre frühere Verletzung nur unerheblich durch einige Stunden verschlechtert worden sei, konnte somit auf Grund des Inhaltes dieser Verletzungsanzeige unterbleiben.

Die unbegründeten Nichtigkeitsbeschwerden der beiden Angeklagten waren daher zu verwerfen.

Die von ihnen angemeldeten (S 249) Berufungen "wegen Schuld" waren zurückzuweisen, weil dieses Rechtsmittel gegen Urteile von Kollegialgerichten nicht vorgesehen ist.

Bei der Strafbemessung wertete das Schöffengericht bei beiden Angeklagten die einschlägigen, bei H***** allerdings bedeutend zahlreicheren Vorstrafen, das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem bzw zwei Vergehen und bei H***** zudem den raschen Rückfall nach der letzten Haftentlassung als erschwerend; als mildernd wurde beiden Angeklagten angerechnet, daß ihnen auf der Flucht ein Teil der Beute abhanden gekommen ist und sichergestellt werden konnte; dem Angeklagten H***** wurde auch ein Teilgeständnis hinsichtlich des Vergehens der Körperverletzung zugute gehalten. Gemäß §§ 28 Abs. 1, 129 StGB verhängte das Erstgericht über den Angeklagten Walter H***** ein Jahr, über den Angeklagten Helmut R***** neun Monate Freiheitsstrafe.

Gegen diesen Strafausspruch richten sich die Berufungen der Angeklagten. Der Angeklagte H***** strebt eine Herabsetzung des Strafausmaßes an, der Angeklagte R***** hingegen hat seine - allerdings in beachtlicher Weise (§ 294 Abs. 2 StPO) angemeldete - Berufung nicht ausgeführt. Sein im Gerichtstag vorgetragener Berufungsantrag zielt ebenfalls auf eine Strafherabsetzung ab.

Auch die Berufungen sind unbegründet.

Die Alkoholisierung (US 5) des Angeklagten Walter H***** kommt als Milderungsgrund nicht in Betracht, weil ihm - unabhängig davon, ob er damit rechnen konnte, daß er im berauschten Zustand strafbare Handlungen begehen werde - nach den konkreten Umständen des Falles schon aus dem exzessiven Alkoholgenuß ein Vorwurf zu machen ist, der die dadurch bedingte Herabsetzung der Zurechnungsfähigkeit aufwiegt (§ 35 StGB). Der Milderungsgrund der sehr vernachlässigten Erziehung (§ 34 Z 1 StGB) hinwieder kann dem 28-jährigen und empfindlich vorbestraften Angeklagten H***** nicht mehr zustattenkommen (Leukauf-Steininger Komm3 § 34 RN 5). Von einer Provokation durch Anna E***** kann keine Rede sein, hat doch die Gastwirtin die beiden alkoholisierten Angeklagten wegen drohender Belästigungen ihrer Gäste mit Recht aus dem Lokal zu weisen versucht (S 65, 239). Abgesehen davon, daß nichts auf eine Bestimmung zum Einbruchsdiebstahl durch eine drückende Notlage (§ 34 Z 10 StGB) hinweist, lag eine solche trotz der Arbeitslosigkeit des Angeklagten H***** bei ihm gar nicht vor (S 18 und US 4 unten). Auch von einem auf bloße Unbesonnenheit zurückzuführenden spontanen Tatentschluß (II, III) im Sinne des § 34 Z 7 StGB kann nach den Umständen nicht gesprochen werden. Die teilweise Zustandebringung der Diebsbeute (I) aber wurde vom Erstgericht ohnedies als mildernd gewertet.

Der Angeklagte Helmut R***** seinerseits hat auch im Gerichtstag nicht konkret dargetan, daß bei ihm Erschwerungsgründe zu Unrecht angenommen oder Milderungsgründe nicht berücksichtigt worden wären. Jedenfalls können auch für ihn aus den vom Angeklagten H***** vorgebrachten (vergleichbaren) Umständen keine zusätzlichen Milderungsgründe abgeleitet werden. Im übrigen hat das Schöffengericht die Strafbemessungstatsachen bei beiden Angeklagten richtig und vollständig festgestellt und auch zutreffend - differenzierend - gewürdigt, weshalb der Oberste Gerichtshof zu der begehrten Ermäßigung der Strafen keinen Anlaß gefunden hat.

Die Kostenersatzpflicht der Angeklagten ist in der bezogenen Gesetzesstelle begründet.

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