OGH 11Os113/93(11Os114/93)

OGH11Os113/93(11Os114/93)14.9.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. September 1993 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Rzeszut als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hager, Dr. Mayrhofer, Dr. Ebner und Dr. Rouschal als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wimmer als Schriftführer, in der Strafsache gegen Werner F***** und einem weiteren Angeklagten wegen des Verbrechens des teils vollendeten teils versuchten schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 und Z 2, 130 letzter Fall und 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Werner F***** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengeicht vom 29. März 1993, GZ 4 Vr 2523/92-44, sowie dessen Beschwerde gegen den gemäß § 494a Abs 4 StPO gemeinsam mit dem Urteil verkündeten Widerrufsbeschluß nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Bassler, und des Angeklagten, jedoch in Abwesenheit des Verteidigers zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Hingegen wird der Beschwerde Folge gegeben, der angefochtene Beschluß aufgehoben und der auf Widerruf der im Verfahren AZ 4 E Vr 934/90 des Landesgerichtes für Strafsachen Graz gewährten bedingten Strafnachsicht gerichtete Antrag abgewiesen.

Gemäß dem § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Begründung

Mit dem angefochtenen Urteil, das - neben einem weiteren, Werner F***** nicht betreffender Schuldspruch (I.) - auch in Rechtskraft erwachsene (Teil-)Freisprüche dieses Angeklagten und des am Rechtsmittelverfahren nicht beteiligten Angeklagten Bernhard K***** enthält, wurde Werner F***** des Verbrechens des teils vollendeten teils versuchten schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127,128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 und 2, 130 letzter Fall und 15 StGB (II.) schuldig erkannt.

Demnach hat er - zusammengefaßt wiedergegeben - zwischen dem 18. Juli 1991 und dem 23. April 1992 (sohin teils vor, teils nach Vollendung des 19. Lebensjahres) in Graz gemeinsam mit Bernhard K***** in insgesamt 13 - im bekämpften Urteil detailliert angeführten - Fällen Einbruchsdiebstähle in Betriebsräumlichkeiten und Geschäftslokale, vorwiegend durch Einsteigen, teilweise nach Einschlagen oder Aufdrücken von Fensterscheiben verübt, wobei er und sein Komplize - zum Teil nach Aufbrechen von Behältnissen - in Ansehung der vollendeten acht Fakten Bargeld und Wertgegenstände im Gesamtbetrag von rund 119.000 S erbeuteten, während es in fünf Fällen beim Versuch blieb. Bei den diebischen Angriffen handelte der Angeklagte nach den Urteilsannahmen mit der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von Einbruchsdiebstählen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen.

Rechtliche Beurteilung

Mit seiner nominell allein auf den Nichtigkeitsgrund der Z 10 (der Sache nach auch auf jenen der Z 5) des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde wendet sich der Angeklagte ausschließlich gegen die Annahme gewerbsmäßiger Tatbegehung. Dies mit dem Argument, er habe den (vom Erstgericht angeblich nicht berücksichtigten) Beweisergebnissen zufolge "von sich aus" nach Verübung der letzten ihm vorgeworfenen Tat von weiteren Diebstählen Abstand genommen. Es habe auch keine auf "ständige" bzw "wiederholte" Begehung von Einbrüchen abzielende Vereinbarung mit seinem Komplizen gegeben, seine Taten wären vielmehr jeweils spontane - unter Alkoholeinwirkung verübte - Angriffe gewesen. Im übrigen habe er über fortlaufende Einkünfte aus einem aufrechten Beschäftigungsverhältnis verfügt. Mit Rücksicht auf all diese Umstände wäre er rechtsrichtig (nur) wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 und Z 2 und 15 StGB schuldig zu sprechen gewesen.

Keinem der Einwände kommt Berechtigung zu.

Nach den wesentlichen Urteilsannahmen haben sich Werner F***** und Bernhard K***** trotz Erzielung eines monatlichen Einkommens von

9.500 bis 10.000 S auf Grund ihres durch ihre Vorliebe für Automatenspiele und Lokalbesuche bedingten aufwendigen Lebensstiles ständig in finanziellen Schwierigkeiten befunden. In dieser Situation "beschlossen sie, gemeinsame Einbruchsdiebstähle zu verüben, um dadurch ihr Einkommen aufzubessern und sich Geld zu beschaffen" (443 ff, 448). Die Argumente der Subsumtionsrüge betreffen insgesamt keine für die rechtliche Beurteilung maßgeblichen Umstände, sondern stellen sich - ebenso wie die der Sache nach ausgeführte Mängelrüge (Z 5) - als nach Art einer Schuldberufung vorgetragene und damit im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässige Bekämpfung der tatrichterlichen Beweiswürdigung dar.

Aus welchen Gründen weitere Diebstähle seitens des Angeklagten nach Verübung der letzten Tat (nachts zum 23. April 1992 - Punkt II.12. des Urteilssatzes) unterblieben sind, betrifft weder aus der Sicht relevierter Feststellungsmängel noch sonst einen Umstand, der für die (tatsächliche und rechtliche) Beurteilung der gewerbsmäßigen Tendenz (§ 5 Abs 2 StGB) in Ansehung der vorher verübten urteilsgegenständlichen Taten entscheidend wäre.

Dem daran anknüpfenden Vorwurf (der Sache nach Z 5), die Tatrichter hätten ihre Annahmen über die bekämpfte Qualifikation zu Unrecht auf die eigene Verantwortung des Beschwerdeführers gestützt, kommt keine Berechtigung zu. Das Erstgericht konnte sich insofern mängelfrei auf das zu Beginn der Hauptverhandlung abgelegte umfassende Geständnis stützen (420 iVm 53 und 196), mit dem der Angeklagte seine (geständigen) Angaben aus dem Vorverfahren wiederholte und insbesondere auch die beabsichtigte Geldbeschaffung zur Finanzierung der Spielleidenschaft ausdrücklich einbekannte. Daß die Häufung rascher Rückfälle während des Deliktszeitraumes von rund neun Monaten schon objektiv auf der Linie gewerbsmäßigen Handelns liegt, nicht aber eine gelegentliche, jeweils spontane Tatbegehung indiziert, räumt sinngemäß selbst die Beschwerde ein. Ihre - weitere - Kritik an der (isoliert betrachtet nicht entscheidungswesentlichen) Einstufung der Vorgangsweise der beiden Täter als "professionell" (448) ist aber weder aus materiellrechtlicher (Z 10) noch aus formaler (Z 5) Sicht von erheblicher Bedeutung.

Daß die Gewerbsmäßigkeit im Falle des Zusammentreffens mehrerer Tatbeteiligter nur denjenigen belastet, in dessen Person dieses - ausschließlich die Schuld berührende - zusätzliche subjektive Tatbestandsmerkmal gegeben ist (vgl mwN Leukauf-Steininger Komm**n § 14 RN 17 und § 70 RN 6a und 7; Foregger-Serini-Kodek, StGB5 Erl III zu § 70; Fabrizy in WK Rz 20 zu § 14), wird in der Beschwerde zutreffend aufgezeigt, diesem Umstand jedoch ohnehin durch die ausdrücklichen und unmißverständlichen Urteilsfeststellungen über das Vorliegen sämtlicher subjektiven Komponenten (auch) in bezug auf die Person des Beschwerdeführers hinlänglich Rechnung getragen. Ob zwischen ihm und seinem Komplizen eine Übereinkunft zur wiederkehrenden Tatbegehung gegeben war, ist indes nicht entscheidend.

Die in diesem Zusammenhang relevierte Spontaneität jeder einzelnen Deliktsbegehung zufolge Alkoholeinfluß stünde der bekämpften (primär die Lösung einer Tatfrage betreffenden - Leukauf-Steininger aaO § 70 RN 4) Annahme gewerbsmäßigen Verhaltens iSd § 70 StGB rechtlich nicht entgegen (ähnlich auch Mayerhofer-Rieder, StGB**n E 15 zu § 70). Absicht iSd § 5 Abs 2 StGB verlangt nämlich die entsprechende innere Haltung nur in bezug auf die gesamte Zielrichtung des deliktischen Handelns, während für die Verwirklichung der einzelnen Tatbestandsmerkmale des jeweiligen Deliktes bedingter Vorsatz genügt. Die Absicht des gewerbsmäßig handelnden Täters kann daher auch auf die Gewinnung eines laufenden Mittelzuflusses aus der wiederkehrenden Begehung solcher Taten gerichtet sein, mit deren - allenfalls unter dem Einfluß von Alkohol und jeweils in spontaner Überlegung - ernstlich für möglich gehaltener Tatbildlichkeit er sich abgefunden hat, ohne sie geradezu bezweckt oder als gewiß angenommen zu haben (EvBl 1993/58; 13 Os 134/87; 14 Os 38/93).

Gewerbsmäßigkeit setzt zudem nicht voraus, daß die kriminellen Einkünfte aus der Wiederholung gleichartiger Taten die einzige Einnahmsquelle des Täters bedeuten. Es genügt vielmehr schon eine auf Erzielung eines - wirtschaftlich nicht ganz unbedeutenden - Zusatzeinkommens zu sonstigen Einkünften gerichtete Tendenz (Leukauf-Steininger aaO, § 70 RN 5; Mayerhofer-Rieder, aaO E 24, ebenfalls zu § 70 StGB), wobei auch die Verwendung der solcherart erlangten Mittel zu anderen Zwecken (im vorliegenden Fall zur Bestreitung der Spielleidenschaft) als zur Deckung der Lebenshaltungskosten des Rechtsbrechers die Annahme gewerbsmäßiger Begehung nicht hindert (neuerlich Leukauf-Steininger, § 70 RN 5). Die in der Beschwerdeschrift im zuletzt erörterten Zusammenhang zitierte Entscheidung (SSt 52/13 = 12 Os 11/81) betrifft einen mit der vorliegenden Konstellation nicht vergleichbaren Sachverhalt, bei dem es um die Erschließung einer bloß für einen bestimmten Anlaß wirksamen und von vornherein betraglich begrenzten Einnahme ging, während nach den Konstatierungen des angefochtenen Urteiles die Tendenz des Beschwerdeführers auf einen fortlaufenden Mittelzufluß unbestimmten Umfanges gerichtet war.

Der Angeklagte vermochte sohin mit keinem seiner Argumente einen Subsumtionsfehler des Erstgerichtes aufzuzeigen.

Nur der Vollständigkeit halber ist anzumerken, daß der Nichtigkeitswerber mit dem - ausschließlich in der Berufung erhobenen - Einwand, die Berücksichtigung des langen Deliktszeitraumes im Rahmen der Strafbemessung bedeute einen Verstoß gegen das sogenannte "Doppelverwertungsverbot", weder einen Berufungsgrund noch eine rechtsfehlerhafte Strafbemessung im Range einer Nichtigkeit nach der Z 11 des § 281 Abs 1 StPO aufzeigt, weil die Tatbegehung während einer längeren Zeitspanne - mag sie auch bei gewerbsmäßig handelnden Tätern durchaus die Regel sein - nicht zu den begrifflichen Voraussetzungen der Gewerbsmäßigkeit gehört (vgl dazu Leukauf-Steininger aaO § 33 RN 5 und § 70 RN 8).

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher zur Gänze zu verwerfen.

Aber auch seine Berufung ist unbegründet.

Das Erstgericht wertete bei der Strafbemessung als erschwerend die einschlägige Vorstrafe, den raschen Rückfall, die mehrfache Qualifikation, das Zusammenwirken von zwei Personen und den langen Deliktszeitraum, als mildernd hingegen das Geständnis des Angeklagten, den Umstand, daß es teilweise beim Versuch geblieben ist und daß der Angeklagte die Taten zum überwiegenden Teil als Jugendlicher begangen hat sowie die einmalige Schadenersatzleistung. Davon ausgehend hielt es eine Freiheitsstrafe in der Dauer von zwölf Monaten für tatschuldangemessen.

Die Strafbemessungsgründe wurden vom Erstgericht, das lediglich die gesetzliche Mindeststrafe über den Angeklagten verhängte, zutreffend dargestellt und auch entsprechend gewichtet. Zur Frage der Beurteilung des langen Tatzeitraums als Erschwerungsumstand ist auf die bezüglichen Ausführungen zur Nichtigkeitsbeschwerde zu verweisen.

Die Berufung ist auch nicht im Recht, soweit sie die Gewährung der bedingten Strafnachsicht gemäß § 43 StGB oder (wenigstens) die Gewährung der bedingten Nachsicht eines Teiles der Strafe gemäß § 43a StGB anstrebt. Die einschlägige Vorstrafe und der rasche Rückfall, wohl aber auch der lange Deliktszeitraum stehen nämlich im Sinn der erstgerichtlichen Erwägungen aus sowohl spezial- als auch generalpräventiven Gründen der Gewährung dieser Rechtswohltaten entgegen. Dem dazu von der Beschwerde hervorgehobenen Umstand, daß der Angeklagte seit längerer Zeit in einem aufrechten Arbeitsverhältnis steht, ist entgegenzuhalten, daß selbst diese soziale Integration ihn an neuerlich einschlägiger Delinquenz nicht gehindert hat.

Der Berufung konnte daher kein Erfolg beschieden sein.

Hingegen kommt der Beschwerde des Angeklagten gegen den Widerrufsbeschluß im Ergebnis Berechtigung zu. Mit Rücksicht auf sein Lebensalter und den Umstand, daß er aus Anlaß des gegenständlichen Strafverfahrens erstmals das Haftübel verspürt hat, kann von der über ihn verhängten Freiheitsstrafe eine so ausreichend tatabhaltende Wirkung erwartet werden, daß es in diesem speziell gelagerten Fall nicht zusätzlich zu der neuerlichen Verurteilung geboten erscheint (§ 53 Abs 1 StGB), die ihm im Verfahren AZ 4 E Vr 934/90 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien gewährte bedingte Strafnachsicht zu widerrufen.

Aus all diesen Erwägungen war daher wie aus dem Spruch ersichtlich zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung ist in der angegebenen Gesetzesstelle begründet.

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