OGH 11Os120/93

OGH11Os120/9314.9.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. September 1993 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Rzeszut als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hager, Dr. Mayrhofer, Dr. Ebner und Dr. Rouschal als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wimmer als Schriftführer , in der Strafsache gegen Adnan A***** wegen des in der Entwicklungsstufe des Versuches (§ 15 StGB) begangenen Verbrechens nach § 12 Abs 1 und 3 Z 3 SGG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 9. Juni 1993, GZ 6 c Vr 4106/93-44, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Bassler, und des Verteidigers Dr. Maurer, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde (unter anderem) der am 17. November 1958 geborene türkische Staatsangehörige Adnan A***** des in der Entwicklungsstufe des Versuchs (§ 15 StGB) begangenen Verbrechens nach § 12 Abs 1 und Abs 3 Z 3 SGG als Beteiligter nach § 12 dritter Fall StGB schuldig erkannt.

Demnach hat er am 4. März 1993 in Wien gemeinsam mit dem Mitangeklagten Fadil D***** (der das Urteil in Rechtskraft erwachsen ließ) und dem gesondert verfolgten Nedzmi M***** den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer Menge, die das Fünfundzwanzigfache der im § 12 Abs 1 SGG genannten (großen) Menge übersteigt, nämlich 825,98 Gramm Heroin, durch den beabsichtigten Verkauf an einen verdeckten Fahnder des Bundesministeriums für Inneres in Verkehr zu setzen versucht.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte Adnan A***** mit seiner auf die Nichtigkeitsgründe der Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Die Nichtigkeitsbeschwerde ist unbegründet.

Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen wurde dem in finanziellen Schwierigkeiten befindlichen Beschwerdeführer von einem "Toni" und dem Zweitangeklagten Fadil D***** eine höhere Geldsumme für die Vermittlung eines Suchtgiftinteressenten angeboten. Der Beschwerdeführer stellte daraufhin zwischen einem ihm unter dem Namen "Christian H***** als potentieller Suchtgiftankäufer bekannt gewordenen österreichischen Staatsbürger und dem Zweitangeklagten Fadil D***** Kontakt her. Schon beim ersten Treffen mit den beiden Angeklagten erschien H***** in Begleitung eines verdeckten Fahnders namens "R*****, der als Kaufinteressent auftrat. Auch die folgenden, der Vorbereitung des Suchtgiftverkaufs dienenden Zusammenkünfte fanden in Anwesenheit des Nichtigkeitswerbers statt. Schließlich sagte Fadil D***** die Beschaffung von 1 kg Heroin zu und übergab "R*****" in zwei getrennten Vorgängen jeweils im Beisein des Beschwerdeführers Heroinproben. Der Suchtgiftverkauf wurde für den 4. März 1993 vereinbart. Die beiden Angeklagten trafen zur Abwicklung des in Aussicht genommenen Geschäftes am Nachmittag des genannten Tages im Lokal "M*****" ein, wo bereits der - gesondert verfolgte - Nedzmi M***** als Heroinlieferant wartete. Nachdem sich die beiden Angeklagten vergewissert hatten, daß der inzwischen ebenfalls eingetroffene "R*****" ausreichend Bargeld für den Ankauf von rund 1 kg Heroin bei sich hatte, begaben sie sich neuerlich in das Lokal, wo "R*****" (abermals) eine Warenprobe zog. Unmittelbar nach dem Verlassen des Lokals zum Austausch von Geld und Ware wurden die Angeklagten von der Polizei festgenommen. Das gesamte verfahrensgegenständliche Suchtgift, nämlich 825,98 Gramm Heroin, wurde sichergestellt.

In seiner Mängelrüge (Z 5) behauptet der Nichtigkeitswerber zunächst eine unzureichende Begründung der entscheidungswesentlichen tatsächlichen Annahmen über die ihm angelasteten Beteiligungshandlungen (§ 12 dritter Fall StGB), da mangels Nachweises der "Verkäufereigenschaft" des gesondert verfolgten Medzmi M***** (gegen den das Strafverfahren wegen der vorliegenden Tat noch anhängig ist) die Feststellung des "Zusammenbringens von Käufer und Verkäufer" (US 7) einer beweismäßigen Grundlage entbehre.

Entgegen dem Vorbringen in der Mängelrüge sind die Urteilskonstatierungen über jene Tathandlungen des Beschwerdeführers, die eine physische und psychische Unterstützung seines Komplizen D***** darstellen (Herstellen der Verbindung zwischen diesem und dem Scheinankäufer; Anwesenheit bei sämtlichen der Geschäftsanbahnung dienenden Treffen, verbunden mit der Bereitschaft zu fernmündlicher Rücksprache mit dem Kaufinteressenten über das Ergebnis der von diesem vorgenommenen Prüfung einer Heroinprobe; Mitwirkung an den Übergabemodalitäten, insbesondere durch Besichtigung der Barmittel des Scheinankäufers unmittelbar vor Abwicklung des Suchtgifthandels; US 4 ff) bei der gebotenen Gesamtbetrachtung sämtlicher Teilakte des mehrphasigen Tatgeschehens mängelfrei begründet. Dazu nämlich konnten sich die Tatrichter hinsichtlich des Tatherganges auf die weitgehend geständige Verantwortung der beiden Angeklagten (59 ff, 67 ff, ON 7, ON 10, 199 ff, 211 ff) stützen und damit unter Verwertung der Gesamtheit der Verfahrensergebnisse im Einklang mit den Denkgesetzen auch die - von der Beschwerde aus dem Gesamtgeschehen herausgelöst und isoliert betrachteten - Feststellungen über das "Zusammenbringen" des Kaufinteressenten mit dem Mitangeklagten D***** zum Zweck des Heroinverkaufs als einer Teilphase des (in rechtlicher Beziehung zutreffend dem dritten Fall des § 12 StGB unterstellten) gesamten Tatbeitrages des Beschwerdeführers zur (letztlich gescheiterten) Weitergabe des Suchtgiftes begründen. Im übrigen versagt der Beschwerdeeinwand schon deswegen, weil die Frage der Verfügungsmacht über das Suchtgift durch welchen Beteiligten auch immer für die Beurteilung der Tatbeteiligung des Beschwerdeführers (im Sinne des dritten Falles des § 12 StGB) nicht entscheidend ist (siehe dazu die Ausführungen zur Rechtsrüge).

Soweit der Beschwerdeführer "Beweisergebnisse" für die Annahme des "Bestärkens" des Mittäters D*****(US 7) unter Hinweis auf dessen initiatives Verhalten vermißt, betrifft dieses Vorbringen angesichts der übrigen als erwiesen angenommenen, in kausaler Beziehung zum (versuchten) Suchtgifthandel stehenden Beitragshandlungen ebenfalls keinen entscheidenden Tatumstand. Der Beschwerdeführer versucht insgesamt bloß nach Art einer Schuldberufung, sohin auf eine im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässige Weise die Beweisergebnisse in einem für ihn günstigeren Licht zu werten, als es den denklogischen und mängelfrei begründeten Konstatierungen der Erkenntnisrichter entspricht. Die in diesem Zusammenhang weiters bekämpfte Urteilsannahme über das Anbot zu telefonischen Kontaktaufnahmen findet schließlich in der eigenen Verantwortung des Beschwerdeführers vor der Sicherheitsbehörde (67 ff) hinlänglich Deckung, weswegen die Tatrichter dem gesetzlichen Gebot der gedrängten Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) folgend nicht verhalten waren, sich weitergehend mit sämtlichen Divergenzen in den Angaben des Angeklagten auseinanderzusetzen, sie kamen vielmehr ihrer Begründungspflicht durch den Hinweis auf die Abschwächungstendenzen in der Verantwortung des Beschwerdeführers vor dem erkennenden Gericht (US 6) hinlänglich nach.

Der gegenteiligen Beschwerdebehauptung zuwider hat sich letztlich der Schöffensenat auch mit der in der Hauptverhandlung hervorgehobenen Darstellung des Nichtigkeitswerbers, er habe gewußt, daß der ihm unter dem Namen "Christian H*****" bekannte Mittelsmann ein Mitarbeiter der Polizei sei, auseinandergesetzt, diese Verantwortungsvariante jedoch aufgrund der übrigen Beweisergebnisse - vor allem der zu dieser Frage im Vorverfahren (67 ff und ON 7) gewählten gegenteiligen und erst im Verlauf der Hauptverhandlung geänderten, insgesamt wiederholt wechselnden, letztlich aber geständigen Einlassung des Angeklagten (215) - als widerlegt angesehen (US 6). Zudem betrifft auch diese Urteilsannahme keine entscheidungswesentliche Tatsache, weil das Delikt nach dem § 12 SGG auch dann verwirklicht ist, wenn der vorgebliche Käufer mit den Sicherheitsbehörden zusammenarbeitet und der Täter dies weiß (EvBl 1988/139 uam).

Wenn der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang das Unterbleiben der Vernehmung des "Christian H*****" und des (angeblichen) Informanten "A*****" über die näheren Umstände der Geschäftsanbahnung bzw. zur Überprüfung des Wahrheitsgehaltes jenes Teiles seiner Verantwortung vor dem erkennenden Gericht, wonach er nur durch Maßnahmen der verdeckten Fahnder des Bundesministeriums für Inneres zu den Beitragshandlungen veranlaßt worden sei, kritisiert, verkennt er, daß die damit behauptete Unvollständigkeit von Erhebungen nur als Mangelhaftigkeit des Verfahrens iS des § 281 Abs 1 Z 4 StPO (unter den dort angeführten - hier nicht gegebenen - formellen Voraussetzungen), nicht aber als Begründungsmangel geltend gemacht werden kann (siehe dazu Mayerhofer-Rieder StPO3 E 82f zu § 281 Abs 1 Z 5). Dies trifft gleichermaßen auf die sich in hypothetischen Überlegungen erschöpfenden Beschwerdeausführungen zur vermißten Befragung des Scheinankäufers "R*****" zu. Vorliegend hat das Schöffengericht seinen Schuldspruch im übrigen primär nicht auf den Bericht des verdeckten Fahnders gegründet, sondern - wie dargelegt - auf andere Beweisquellen, nämlich auf die (letztlich) weitgehend geständige Verantwortung der beiden Angeklagten und die Tatsache der Auffindung des Suchtgiftes am Tatort. Da vom Beschwerdeführer in der Hauptverhandlung die Aufnahme weiterer Beweise nicht beantragt wurde und die Tatrichter alle nach der Aktenlage zugänglichen Beweisquellen erschlossen haben, sind sie auch ihrer Verpflichtung, außerhalb ihrer Ingerenz und ohne Mitwirkung der Prozeßparteien zustandegekommene Beweismittel einer Überprüfung zu unterziehen, gesetzeskonform nachgekommen.

Im übrigen ist die Rechtsrüge (Z 9 lit a) nicht gesetzmäßig ausgeführt. Die Einwände, der Beschwerdeführer habe bloß als unselbständiges Werkzeug gehandelt bzw das "Namhaftmachen" von Personen bedeute noch kein "Inverkehrsetzen" von Suchtgift, entfernen sich nämlich von wesentlichen Urteilsannahmen. Zum einen weil nach den tatrichterlichen Feststellungen der Nichtigkeitswerber zur Verbesserung seiner wirtschaftlichen Lage initiativ wurde und den nur ihm bekannten (zum Suchtgiftverkauf entschlossenen) Fadil D***** mit "H*****" bzw. "R*****" in Kontakt brachte (US 3 f), zum anderen, weil der Beschwerdeführer im Rahmen der Rechtsrüge erneut unberücksichtigt läßt, daß er nicht als unmittelbarer Täter, sondern als Beteiligter (§ 12 dritter Fall StGB) in bezug auf die unter seiner Mitwirkung geplante und unmittelbar vor der Ausführung stehende Tat behandelt wurde.

Der im Rahmen der Rechtsrüge weiters relevierte Umstand, der Beschwerdeführer habe selbst keine Verfügungsmacht über das in Rede stehende Suchtgift gehabt und dieses daher auch nicht persönlich weitergeben können, ist für die rechtliche Beurteilung seines Verhaltens unter dem Gesichtspunkt des Tatbeitrages, für den jede die Tatbestandsverwirklichung fördernde Hilfestellung vor dem (oder im) Ausführungsstadium genügt (Leukauf-Steininger Komm3 § 12 RN 44, 45 und 47), gleichfalls ohne Belang. Durch die festgestellten Beitragshandlungen hat der Nichtigkeitswerber an der Schaffung der tatbezogenen Rahmenbedingungen mitgewirkt, weswegen sein Verhalten rechtsrichtig als Beteiligung am versuchten Suchtgifthandel beurteilt wurde.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher zur Gänze zu verwerfen.

Aber auch seiner Berufung kommt keine Berechtigung zu.

Das Schöffengericht hat bei der Strafbemessung als erschwerend die - auch aus der Sicht des § 12 Abs 3 Z 3 SGG - außerordentlich große Suchtgiftmenge, als mildernd hingegen den bisher ordentlichen Lebenswandel des Angeklagten, sein volles und reumütiges Geständnis und den Umstand gewertet, daß es beim Versuch der Tat geblieben ist. Davon ausgehend hielt es eine Freiheitsstrafe in der Dauer von viereinhalb Jahren für tatschuldangemessen.

Sämtliche von der Berufung zusätzlich reklamierten Milderungsgründe wurden vom Erstgericht der Sache nach bei der Strafbemessung schon berücksichtigt. Daß der Angeklagte sozial integriert, unbescholten und arbeitsam ist, wurde ihm ausdrücklich unter Hinweis auf seinen bisher ordentlichen Lebenswandel (§ 34 Z 2 StGB) zugutegehalten. Daß die Tat mit seinem sonstigen Verhalten in auffallendem Widerspruch steht, ist nach der genannten Gesetzesstelle kumulative Voraussetzung für die Annahme dieses Milderungsgrundes. Bereits bei der rechtlichen Beurteilung seines Verhaltens hinwieder wurde berücksichtigt, daß der Angeklagte im Rahmen arbeitsteiliger Tatbestandsverwirklichung einen - keineswegs untergeordneten - Tatbeitrag geleistet hat. Schließlich hat das Erstgericht entgegen dem Berufungsvorbringen den Umstand, daß die Tat beim Versuch geblieben ist, ausdrücklich als mildernd gewertet. Von einer objektiv als drückend zu empfindenden Notlage iS des § 34 Z 10 StGB (siehe dazu Leukauf-Steininger Komm3 § 34 RN 16) kann schließlich nach dem Akteninhalt und den Einlassungen des Berufungswerbers selbst keine Rede sein.

Da demnach die Strafbemessungsgründe vom Erstgericht zutreffend dargestellt, aber auch richtig gewichtet wurden, blieb - insbesondere

angesichts der Dimension der tatverfangenen Suchtgiftmenge - für die beantragte Reduktion der über den Angeklagten verhängten Freiheitsstrafe kein Raum.

Es konnte daher auch der Berufung kein Erfolg beschieden sein.

Die Kostenentscheidung ist in der angeführten Gesetzesstelle begründet.

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