OGH 9ObA224/93

OGH9ObA224/938.9.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Meier und Dr.Steinbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Mag.Dr.Friedrich Hötzl und Leopold Smrcka als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache des Klägers Günther M*****, landwirtschaftlicher Facharbeiter, ***** vertreten durch Dr.Peter Steinbauer, Rechtsanwalt in Graz, wider den Beklagten Hubert L*****, Landwirt,***** vertreten durch Dr.Christian Puchner, Rechtsanwalt in Leoben, wegen S 331.775,72 s.A., infolge Revisionsrekurses des Klägers gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27.Mai 1993, GZ 8 Ra 43/93-17, womit der Beschluß des Landesgerichtes Leoben als Arbeits- und Sozialgericht vom 31.März 1993, GZ 23 Cga 130/92-13, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Das Rekursgericht hat die Frage, ob die Zustellung durch die Post an einer anderen als der im Rückschein angegebenen Abgabestelle die Unwirksamkeit des Zustellvorganges bewirkt, zutreffend bejaht. Es genügt daher insofern auf die zutreffende Begründung der angefochtenen Entscheidung hinzuweisen (§ 48 ASGG).

Ergänzend ist den Ausführungen des Revisionsrekurswerbers folgendes entgegenzusetzen:

Abgabestelle im Sinne des Zustellgesetzes ist der Ort, an dem die Sendung dem Empfänger zugestellt werden darf (§ 4 ZustG). Die in dieser Gesetzesstelle aufgezählten Abgabestellen (Wohnung, sonstige Unterkunft, Betriebsstätte, Sitz, Geschäftsraum, Kanzlei etc) sind gleichrangig. Die Wahl, an welchem dieser in Betracht kommenden Zustellorte zugestellt werden soll, steht in erster Linie der Partei zu, auf deren Antrag die Zustellung erfolgt, sonst dem Gericht, nicht aber dem Zustellorgan. Die Organe der Post sind nicht befugt, an eine andere Abgabestelle zuzustellen (162 BlgNR 15.GP 9; Fasching II 584; Walter-Mayer, Zustellrecht 32, 37; Feil, Zustellwesen2, 13 f; SZ 64/67 = RdW 1991, 367). Der Rückschein ist gemäß § 5 Abs. 1 ZustG von der Zustellbehörde auszustellen; hiebei ist auf dem Rückschein der Empfänger und die Abgabestelle anzugeben, so daß der Zusteller auch an die auf dem Rückschein bezeichnete Abgabestelle gebunden ist, zumal er als Organ der Behörde, in deren Namen das Schriftstück zugestellt werden soll, gilt (§ 3 ZustG). Das Zustellgesetz regelt die Zustellung der von Gerichten und Verwaltungsbehörden in Vollziehung der Gesetze zu übermittelnden Schriftstücke (§ 1 Abs 1 ZustG). Bei Zustellungen mit Zustellnachweis sind PostG und PostO nur soweit anzuwenden, als nicht das Zustellgesetz selbst Regelungen trifft. Bei Zustellungen ohne Zustellnachweis hingegen gelten grundsätzlich die Vorschriften des PostG und der PostO (§ 1 Abs 2 und 3 ZustG; 162 BlgNR 15.GP 9; Achatz, Das neue Zustellrecht, NZ 1983, 115; Walter-Mayer aaO 24).

Nach § 13 Abs 1 ZustG ist die Sendung dem Empfänger an der Abgabestelle zuzustellen. Außerhalb der Abgabestelle kann vorbehaltlich des § 24 rechtswirksam nur zugstellt werden, wenn die Annahme der Sendung nicht verweigert wird (§ 13 Abs 5 ZustG). Unter "Abgabestelle" ist auch hier wieder der durch die Zustellbehörde auf dem Rückschein angegebene Ort gemeint, so daß für die Anwendung der von § 13 ZustG abweichenden Bestimmung des § 170 PostO, wonach an eine für den Empfänger sonst in Betracht kommende Abgabestelle nur zuzustellen ist, soweit nicht dadurch der Zustellvorgang verzögert wird, gemäß § 1 Abs 2 ZustG kein Raum ist. Die frühere Rechtsprechung, wonach keine Vorschrift bestehe, die die Zustellung eines Gerichtsbriefes mittels Rückschein an einer anderen als auf dem Brief angegebenen Zustelladresse verbiete (SZ 40/140 = EvBl 1968/197; MietSlg 27.636, 30.693) ist damit durch § 4 ZustG überholt. Der Zusteller muß stets an der bezeichneten Abgabestelle zustellen und nicht etwa an einer ihm bekannten anderen Abgabestelle (Walter-Mayer aaO 37).

Das Ersuchen an den Beklagten, zu einer gleichzeitig zu bestimmenden Zeit zur Annahme der Sendung an der Abgabestelle anwesend zu sein (§ 21 Abs 2 ZustG) und die in den Briefkasten einer anderen als im Rückschein angegebenen Abgabestelle eingelegte Verständigung (§ 17 Abs 2 ZustG) entsprachen daher nicht dem Zustellgesetz, weil auch im § 17 Abs 2 und § 21 Abs 2 ZustG unter der "Abgabestelle" nur die auf der Sendung und dem Rückschein angeführte Abgabestelle gemeint ist (Walter-Mayer aaO 98).

Die Hinterlegung war daher rechtsunwirksam (Achatz aaO 121). Eine Heilung des Zustellmangels dadurch, daß das Schriftstück dem Beklagten zugekommen wäre, ist nicht erwiesen.

Das Risiko für eine Beschädigung oder Entfernung der Verständigungen nach § 17 Abs 2 und § 21 Abs. 2 ZustG trifft den Adressaten nur, wenn die Zustellung ordnungsgemäß an der im Rückschein angegebenen Abgabestelle vorgenommen wurde.

Dem Revisionsrekurs ist daher ein Erfolg zu versagen.

Der Kostenausspruch beruht auf §§ 40, 50 ZPO.

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