OGH 12Os99/93

OGH12Os99/932.9.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 2.September 1993 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Rzeszut als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Brustbauer, Dr.Kuch, Dr.Mayrhofer und Dr.Rouschal als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Weigl als Schriftführerin in der Strafsache gegen Manfred Bernd W***** wegen des Vergehens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 2 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Freistadt vom 12.Oktober 1992, GZ U 151/91-12, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Verteters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr.Kodek, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Im Strafverfahren gegen Manfred Bernd W*****, AZ U 151/91 des Bezirksgerichtes Freistadt, verletzt die mit Beschluß vom 12.Oktober 1992 (ON 12) zu Punkt 1 ausgesprochene Verlängerung der zu AZ 27 E Vr 173/90 des Landesgerichtes Linz bestimmten Probezeit das Gesetz in dem sich aus dem XX.Hauptstück der StPO ergebenden Grundsatz der materiellen Rechtskraft.

Dieser Ausspruch (Punkt 1 des bezeichneten Beschlusses) wird aufgehoben.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Landesgerichtes Linz vom 12.März 1990, GZ 27 E Vr 173/90-11, wurde der am 8.Oktober 1965 geborene Manfred Bernd W***** der Vergehen des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 2 StGB und der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs. 1 StGB schuldig erkannt und zu einer (gemäß § 43 Abs. 1 StGB für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen) Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt. Neben der Erteilung einer Weisung gemäß §§ 50, 51 StGB wurde gemäß § 494 a Abs. 1 Z 2, Abs. 7 StPO vom Widerruf der bedingten Nachsicht der zu AZ U 46/88 des Bezirksgerichtes Freistadt verhängten Geldstrafe abgesehen, dazu die Probezeit auf fünf Jahre verlängert und damit eine Weisung verbunden.

Mit Beschluß vom 23.Oktober 1990, ON 19, wurde die bedingte Strafnachsicht im Verfahren AZ 27 E Vr 173/90 des Landesgerichtes Linz gemäß § 53 Abs. 3 StGB nach förmlicher Mahnung wegen Nichtbefolgung der Weisung widerrufen. Dieser Beschluß erwuchs nach seiner Zustellung am 14.Dezember 1990 an den Verurteilten in Rechtskraft. Zufolge wiederholter Ansuchen des Verurteilten um Strafaufschub und zahlreicher gerichtlicher Erhebungen wurde die Strafe bisher nicht vollzogen. Mit Beschluß vom 18.Juni 1993, AZ 11 Ns 136/93, wies das Oberlandesgericht Linz den Antrag des Erstgerichtes ab, die Strafe nachträglich gemäß § 410 Abs. 1 StPO angemessen zu mildern.

Mit dem Urteil des Bezirksgerichtes Freistadt vom 12.Oktober 1992, GZ U 151/91-12, wurde Manfred Bernd W***** neuerlich des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs. 1 StGB schuldig erkannt und zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe verurteilt. Zu Punkt 1 des zugleich gefaßten Beschlusses wurde gemäß § 494 a Abs. 1 Z 2 StPO; § 53 Abs. 2 StGB vom Widerruf der im Verfahren AZ 27 E Vr 173/90 des Landesgerichtes Linz gewährten bedingten Strafnachsicht abgesehen und die Probezeit auf fünf Jahre verlängert. Dazu kam es, weil in der Strafregisterauskunft vom 25. Oktober 1991 (S 13 des bezirksgerichtlichen Aktes) der bereits rechtskräftige - und laut Seite 61 des landesgerichtlichen Aktes dem Strafregisteramt auch mitgeteilte - Widerruf der bedingten Strafnachsicht durch das Landesgericht Linz nicht aufschien (entsprechend auch die richterliche Verfügung in GZ 27 E Vr 173/90-43 des Landesgerichtes Linz).

Rechtliche Beurteilung

Zutreffend macht die Generalprokuratur in ihrer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes geltend, daß der Beschluß des Bezirksgerichtes Freistadt vom 12.Oktober 1992 auf Verlängerung der Probezeit gegen den Grundsatz der materiellen Rechtskraft (ne bis in idem) verstößt, der sich aus dem XX.Hauptstück der StPO ergibt. Er konnte weder hinsichtlich des bereits ausgesprochenen Widerrufs der bedingte Strafnachsicht noch sonst jedwede Rechtswirkung entfalten (vgl. EvBl. 1989/64 = JBl. 1989, 400 ua), weil der von dem gesetzwidrigen Ausspruch betroffene Gegenstand nicht mehr aktuell war. Er ist daher wirkungslos und war somit - ohne Nachteil für den Verurteilten - aufzuheben.

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