OGH 12Os79/93

OGH12Os79/932.9.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 2.September 1993 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Rzeszut als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Brustbauer, Dr.Kuch, Dr.Mayrhofer und Dr.Rouschal als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Weigl als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Ing.Ignacij S***** wegen des Vergehens der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 3.März 1993, GZ 7 Vr 1646/92-59, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators Generalanwalt Dr.Presslauer, des Angeklagten Ing.Ignacij S***** und des Verteidigers Dr.Vacarescu zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Die Berufung "wegen Schuld" wird zurückgewiesen.

Der Berufung (wegen Strafe) wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil - das auch rechtskräftige Freisprüche enthält - wurde der am 12.Jänner 1941 geborene Ing.Ignacij S***** des Vergehens der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Demnach hat er am 28.August 1992 in Pirching seine 27jährige Tochter Susanne Z*****, die im Hause ihrer Eltern ausgeholfen hatte und um 12.30 Uhr dieses Tages nach Hause fahren wollte, durch die Äußerung, sie müsse bleiben, für sie sei das ein Gesetz, er werde sie sonst zusammenschlagen, wobei er auch den Startschlüssel am PKW seiner Tochter abzog, sohin durch Drohung mit einer Körperverletzung, zu einer Handlung, nämlich zum Verbleiben in seinem Wohnhaus, zu nötigen versucht.

Rechtliche Beurteilung

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten aus § 281 Abs 1 Z 1 a, 5 und 9 lit a und b StPO geht fehl.

Den erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund sieht der Angeklagte dadurch verwirklicht, daß das Erstgericht (einem in der Hauptverhandlung gestellten - 41 - Antrag des Verteidigers folgend) nach nichtöffentlicher Beratung unmittelbar vor der Urteilsverkündung den "Beschluß auf Aufhebung der Beigebung eines Verteidigers hinsichtlich des Angeklagten Ing.S***** gemäß § 41 Abs 2 StPO" faßte, wodurch er bei der Urteilsverkündung sowie bei der Rechtsmittelbelehrung bzw -erklärung trotz zwingender gesetzlicher Anordnung nicht durch einen Verteidiger vertreten gewesen sei.

Die behauptete Nichtigkeit liegt schon deshalb nicht vor, weil der dem Angeklagten zunächst gemäß § 41 Abs 2 StPO beigegebene Verteidiger, der mit seinem Antrag sinngemäß primär auf eine seine Vertretungstätigkeit betreffende Kostenersatzpflicht des Angeklagten, nicht aber auf einen Ausstieg aus dessen Vertretung abzielte, nach dem Akteninhalt ab dem relevierten Beschluß auf Vollmachtsbasis (95) als Vertreter des Angeklagten fortwirkte und so der Hauptverhandlung bis zu deren Ende beiwohnte (96 iVm 42 und 74). Die in der Stellungnahme der Generalprokuratur aufgeworfene Frage, ob bei der gegebenen Sachkonstellation selbst im hier nicht aktuellen Fall einer Einstellung der Vertretungstätigkeit des Verteidigers ab Aufhebung der Beigebung gemäß § 41 Abs 2 StPO eine (wenigstens abstrakt denkmögliche) Beschwer des Angeklagten als fundamentale Voraussetzung für die Zulässigkeit jedes Rechtsmittels vorweg nicht in Betracht käme, kann daher ebenso auf sich beruhen, wie der weiters relevierte Umstand, daß sich die Urteilsverkündung auf den Schuldspruch wegen eines Delikts beschränkte, das nicht in den Anwendungsbereich der Vorschriften über die notwendige Verteidigung fällt.

Eine Unvollständigkeit der Urteilsbegründung (Z 5) hinwieder vermeint der Beschwerdeführer darin zu erblicken, daß das Erstgericht die Aussage der Ana S***** in der Hauptverhandlung vom 3.März 1993 unberücksichtigt gelassen habe.

Demgegenüber haben aber die Tatrichter im Zuge ihrer beweiswürdigenden Erwägungen zur Widerlegung der leugnenden Verantwortung des Beschwerdeführers mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht, daß diese Gründe auch für die Aussage der Ana S***** gelten (US 3 verso). Einer näheren Erörterung dieser Aussage bedurfte es schon deshalb nicht, weil sich Ana S*****, die zufolge ihrer formalen Stellung als (Mit-)Angeklagte den Beschwerdeausführungen zuwider nicht unter Wahrheitspflicht stand, im wesentlichen damit begnügt hatte, die Darstellung der Zeugin Susanne Z***** zu bestreiten und sich den Angaben ihres Gatten anzuschließen (AS 35, 36 und insbesondere 52/II).

Der Beschwerdeargumentation ist aber auch nicht zu folgen, soweit sie der inkriminierten Äußerung des Angeklagten die Tauglichkeit als Nötigungsmittel nach § 105 Abs 1 StGB abspricht (Z 9 lit a). Dazu ist entscheidend, ob die Drohung im Sinne des § 74 Z 5 StGB objektiv geeignet war, Susanne Z***** mit Rücksicht auf die Verhältnisse und ihre persönliche Beschaffenheit oder die Wichtigkeit des angedrohten Übels begründete Besorgnisse einzuflößen. Es kommt somit allein darauf an, ob Susanne Z***** bei unbefangener Betrachtung der Situation den Eindruck gewinnen konnte, der Angeklagte sei auch unter Berücksichtigung des in der Beschwerde hervorgehobenen Umstandes, daß es sich um ihren leiblichen Vater handelte, in der Lage und auch willens, das angedrohte Übel zu verwirklichen (vgl. Leukauf-Steininger, StGB**n, RN 21 zu § 74 StGB). Diese Frage hat aber das Erstgericht zutreffend bejaht. Bestand doch für Susanne Z***** eine "ernste und bedrohliche" Situation (so das Erstgericht mit Rücksicht auf die Äußerung der Zeugin, sie habe ihren Vater noch nie so aufgebracht gesehen - US 3), wobei ihr der Angeklagte auch den Startschlüssel abgenommen hatte. So gesehen war die Drohung mit dem Zusammenschlagen, sohin die Ankündigung eines einer sichtlich überaus erregten Person nach allgemeiner Erfahrung ohne weiteres zusinnbaren Verhaltens aber geeignet, in Susanne Z***** die begründete Besorgnis der Verwirklichung des angedrohten Übels zu erwecken, weshalb sie schließlich auch den Tatort fluchtartig verlassen und Hilfe bei der Gendarmerie gesucht hat.

Dem Erstgericht ist sohin bei seiner rechtlichen Beurteilung der inkriminierten Äußerung als gefährliche Drohung im Sinne des § 74 Z 5 StGB kein Rechtsirrtum unterlaufen. Das vom Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang überdies vorgebrachte Argument, er habe nur sein väterliches Autoritätsverhältnis zur Geltung bringen wollen, dem schon angesichts des Alters des Tatopfers von 27 Jahren keine Bedeutung zukommt, ignoriert die tatrichterlichen Feststellungen zur subjektiven Tatseite.

Nicht im Recht ist der Beschwerdeführer schließlich auch, wenn er unter Hinweis auf eine "moralische Hilfeleistungsverpflichtung" seiner Tochter den besonderen Rechtfertigungsgrund nach § 105 Abs 2 StGB releviert. Nach dieser Gesetzesstelle ist die Nötigung nur dann nicht rechtswidrig, wenn die Anwendung der Drohung als Mittel zu dem angestrebten Zweck nicht den guten Sitten widerstreitet. Daß aber eine gefährliche Drohung mit einer Körperverletzung zur Abnötigung eines Verhaltens, auf das dem Täter ein Rechtsanspruch nicht zusteht, den guten Sitten widerstreitet, bedarf keiner weiteren Erörterung.

Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war sohin zu verwerfen.

Die bloß angemeldete (ON 60) - weder ausgeführte noch zurückgezogene - Berufung "wegen Schuld" findet in den Prozeßgesetzen für das hier vorliegende schöffengerichtliche Verfahren keine Deckung und war daher als unzulässig zurückzuweisen.

Als nicht berechtigt erweist sich auch die Berufung des Angeklagten, soweit sie sich gegen den Strafausspruch richtet:

Der Schöffensenat verhängte über den Angeklagten nach § 105 Abs 1 StGB eine gemäß dem § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe von zwei Monaten. Dabei wertete er die bisherige Unbescholtenheit des Angeklagten, den Umstand, daß es beim Versuch geblieben war, sowie die Erklärung des Angeklagten, daß die Aussage der Susanne Z***** an sich richtig sei, wenngleich es dem Angeklagten an gezeigter Schuldeinsicht gemangelt habe, als mildernd. Erschwerend hingegen war die "völlig unnötig verbal harte Vorgangsweise gegenüber seiner außerehelichen Tochter".

Mit Recht wendet der Berufungswerber zwar ein, daß der vom Erstgericht angeführte Erschwerungsumstand die Bedeutung eines besonderen Strafzumessungsgrundes nicht erreicht, weshalb den vom Schöffensenat im wesentlichen zutreffend herangezogenen Milderungsgründen keine besonderen Erschwerungsgründe gegenüberstehen.

Dennoch ist das vom Erstgericht auf der Grundlage der gesetzlichen Strafdrohung des § 105 Abs 1 StGB (Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr) gefundene Strafmaß von zwei Monaten bei entsprechender Mitberücksichtigung der allgemeinen Schuldkriterien des § 32 StGB nicht überhöht, weshalb für die angestrebte Strafherabsetzung kein Raum blieb. Der Berufung war daher der Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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