Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Die betreibende Partei ist schuldig, der verpflichteten Partei die mit S 18.387 (darin S 3.064,50 USt) bestimmten Revisionsrekurskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
In einem Wettbewerbsrechtsstreit der Parteien war der verpflichteten (dort beklagten) Partei mittels einstweiliger Verfügung des Handelsgerichtes Wien vom 21.1.1993 verboten worden, unentgeltliche Zugaben zu von ihr vertriebenen periodischen Druckschriften, insbesondere durch Einräumung der Teilnahme an Gewinnspielen anzukündigen, wenn durch die Ankündigung irreführend der Eindruck erweckt wird, der Gesamtwert der Zugaben (Preise oder Gewinnchancen) oder die Gewinnchance des einzelnen Teilnehmers sei höher als er tatsächlich ist.
Wegen behaupteten Zuwiderhandeln der verpflichteten Partei gegen diese einstweilige Verfügung am 3.3.1993 bewilligte das Titelgericht am 4.3.1993 der betreibenden Partei die Exekution zur Erwirkung von Unterlassungen, die Verhängung der Beugestrafe behielt es dem Exekutionsgericht (Erstgericht) vor.
Mit Beschluß vom 15.3.1993 (ON 9) verhängte das Erstgericht infolge von Strafanträgen der betreibenden Partei wegen behaupteter Titelverstöße der Verpflichteten am 4., 5., 6., 7., 8., 9., 10. und 11.3.1993 über die verpflichtete Partei Geldstrafen von je S 30.000 (für die Verstöße vom 4. bis 6.3.), je S 35.000 (für die Verstöße vom 7. bis 9.3) und je S 40.000 (für die Verstöße vom 10. und 11.3); den Antrag auf Verhängung einer Geldstrafe für den der Exekutionsbewilligung zugrunde liegenden Verstoß vom 3.3.1993 wies es "mangels Zuwiderhandelns gegen die Exekutionsbewilligung vom 4.3.1993" ab. Infolge weiterer Strafanträge der betreibenden Partei wegen weiterer Titelverstöße am 12., 13. und 14.3.1993 verhängte das Erstgericht mit den weiteren Beschlüssen vom 15.3.1993 Geldstrafen von S 40.000 (ON 10 für den Verstoß vom 12.3.) und je S 45.000 (ON 11 und 12, für die Verstöße vom 13. und 14.3). Gegen diese Entscheidungen des Erstgerichtes richteten sich Rekurse der betreibenden Partei mit dem Antrag, auch für den Verstoß vom 3.3.1993 eine Geldstrafe und für die weiteren Verstöße höhere Geldstrafen zu verhängen, sowie der verpflichteten Partei, die die Abweisung der Strafanträge beantragte.
Mit dem angefochtenen Beschluß gab das Gericht zweiter Instanz dem Rekurs der verpflichteten Partei nicht, hingegen jenem der betreibenden Partei zur Gänze Folge, indem es auch für den ersten Verstoß vom 3.3.1993 eine Geldstrafe von S 30.000 verhängte und alle übrigen vom Erstgericht verhängten Geldstrafen im Sinne der jeweils gestellten Anträge der betreibenden Partei erhöhte. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes jeweils S 50.000 übersteige sowie daß der Revisionsrekurs gegen die Erledigung des Rekurses der verpflichteten Partei jedenfalls unzulässig und der ordentliche Revisionsrekurs gegen die Erledigung des Rekurses der betreibenden Partei nicht zulässig sei.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der verpflichteten Partei vom 12.7.1993.
Am 25.8.1993 beantragte die verpflichtete Partei beim Erstgericht unter Vorlage des Beschlusses des Obersten Gerichtshofes vom 29.6.1993, GZ 4 Ob 64/93-15, mit welchem der Sicherungsantrag der klagenden (betreibenden) Partei abgewiesen wurde, ua die Einstellung der Exekution gemäß § 39 Z 1 EO; am 26.8.1993 beantragte auch die betreibende Partei unter Bekanntgabe der genannten Entscheidung des Obersten Gerichtshofes beim Erstgericht die Einstellung der Exekution. Beide Anträge wurden dem Obersten Gerichtshof unter Hinweis auf das nunmehr vorliegende Rechtsmittel der verpflichteten Partei vom Erstgericht (am 30. bzw 31.8.1993) übermittelt.
Rechtliche Beurteilung
Der außerordentliche Revisionsrekurs der verpflichteten Partei, der im Sinne der insoweit zutreffenden Rechtsmittelausführungen als solcher ohne die Einschränkung zulässig ist, daß es sich um eine bestätigende Entscheidung handle, weil zwar dem Rekurs der verpflichteten Partei nicht Folge gegeben, aber in Stattgebung des Rekurses der betreibenden Partei die erstinstanzliche Entscheidung abgeändert wurde, ist mangels Beschwer (jedenfalls) unzulässig.
Nach ständiger Rechtsprechung ist Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels das Vorhandensein eines Rechtsschutzbedürfnisses (der sogenannten Beschwer), die auch noch im Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel vorliegen muß (für viele MietSlg 35.860). An dieser Beschwer fehlt es, wenn der Rechtsmittelerledigung nur mehr theoretisch abstrakte Bedeutung zukäme, da es nicht Aufgabe der Rechtsmittelinstanz ist, über bloß theoretische Fragen abzusprechen. Nach der endgültigen Beseitigung des Exekutionstitels besteht kein Rechtsschutzinteresse mehr daran zu prüfen ob die Exekutionsführung in der Vergangenheit vorübergehend berechtigt gewesen oder etwa (wie im vorliegenden Fall) Beugestrafen zu verhängen oder zu erhöhen bzw zu ermäßigen gewesen sein könnten. Im vorliegenden Fall wurde der Exekutionstitel mit Wirkung ex tunc aufgehoben und haben die Parteien, also auch die über den Vollstreckungsanspruch verfügungsberechtigte betreibende Partei, noch vor der Entscheidung über das vorliegende Rechtsmittel die Einstellung der Exekution wegen Wegfalls des Exekutionstitels beantragt, so daß zwar derzeit noch nicht rechtskräftig über diesen Antrag entschieden ist, aber auch schon jetzt keine andere Entscheidung als die Einstellung gemäß § 39 Z 1 EO denkmöglich ist (siehe hiezu 3 Ob 119/92). Es besteht daher für keine der Parteien mehr ein Rechtsschutzbedürfnis an einer Entscheidung, ob aufgrund der vorerst ungeachtet ihrer Anfechtung vollstreckbar gewesenen, nunmehr jedoch mit Wirkung ex tunc als ungerechtfertigt erkannten einstweiligen Verfügung des Handelsgerichtes Wien im Rahmen der Exekutionsbewilligung wegen verschiedener "Titelverstöße" Geldstrafen in der beantragten oder in geringerer Höhe zu verhängen gewesen wären. Hier ist nicht zu entscheiden, ob bereits verhängte Geldstrafen noch vollzogen werden können oder müssen, um den Strafzweck, das "verbotene" Verhalten auch in der Vergangenheit noch zu verhindern (siehe dazu 3 Ob 12/93), zu gewährleisten, oder ob bereits vor der Einstellung der Exekution beantragte Strafen noch verhängt werden dürfen.
Da das Rechtsschutzinteresse erst nach der Einbringung des außerordentlichen Revisionsrekurses weggefallen ist, ist gemäß § 50 Abs 2 ZPO dieser Umstand bei der Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens nicht zu berücksichtigen, sondern zu prüfen, ob das Rechtsmittel in der Sache Erfolg gehabt hätte. Beim außerordentlichen Rechtsmittel gehört dazu auch, ob die Voraussetzungen für die Zulässigkeit des Rechtsmittels gemäß § 528 Abs 1 ZPO (§ 78 EO) erfüllt sind (3 Ob 1005/93). Dies ist hier jedoch bezüglich der über die Strafanträge wegen behaupteter Titelverstöße am 10.3.1993 (ON 8), 11.3.1993 (ON 8a), 12.3.1993 (ON 10), 13.3.1993 (ON 11) und 14.3.1993 (ON 12) ergangenen Entscheidungen der Fall, weil die darin beanstandete und als Titelverstoß qualifizierte Ankündigung "Jeden Tag ein Geburtsdatum mit den Sie bis zu S 150.000 gewinnen!" wohl den Denkgesetzen gemäß nicht mehr gegen den Titel verstoßen konnte. Es kann dadurch weder der Eindruck erweckt werden, der Gesamtwert der Zugaben sei höher als er tatsächlich ist, noch wird damit durch die Einfügung des Wortes "bis" zum Ausdruck gebracht, die Gewinnchance jedes einzelnen Teilnehmers sei mit der absoluten Zahl gleichzusetzen. Da es sich beim vorliegenden Rechtsmittel um ein einseitiges handelt, bei dem jeder Teilerfolg dem Rechtsmittelwerber zugutekommt, ist die betreibende Partei ungeachtet der Zurückweisung des Revisionsrekurses der verpflichteten Partei zum Kostenersatz verpflichtet.
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