OGH 12Os120/93

OGH12Os120/9331.8.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 31.August 1993 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Rzeszut als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Strieder und Dr.Mayrhofer als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Weigl als Schriftführerin, in der beim Landesgericht für Strafachen Graz zum AZ 14 Vr 1830/93 anhängigen Strafsache gegen Karin S***** und eine andere Angeklagte wegen des Vergehens des schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Grundrechtsbeschwerde der Beschuldigten Karin S***** gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz vom 30.Juli 1993, AZ 10 Bs 279/93, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Durch den angefochtenen Beschluß wurde Karin S***** im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Beim Landesgericht für Strafsachen Graz ist zum AZ 14 Vr 1830/93 unter anderem gegen die am 17.Februar 1960 geborene Karin S***** die Voruntersuchung wegen des Verdachtes des Vergehens des schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4 StGB ahängig. Danach steht sie im Verdacht, am 16.Juni 1993 in Graz im Cafe P***** zusammen mit Armina O***** am Diebstahl von über 400.000 S zum Nachteil des (schwer alkoholisierten) Alois H***** beteiligt gewesen zu sein. Am 20. Juni 1993 wurde über sie die Untersuchungshaft (zunächst) aus den Haftgründen der Flucht- und Verdunkelungsgefahr nach § 180 Abs. 2 Z 1 und 2 StPO verhängt. Ab 23.Juni 1993 wurde auch Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs. 2 Z 3 lit. b StPO angenommen (S 243/I).

Überdies liegt gegen die Beschuldigte im (getrennt geführten) Verfahren AZ 14 Vr 1387/93 des Landesgerichtes für Strafsachen Graz eine rechtswirksame Anklage wegen des Verdachtes des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs. 1 StGB in der Beteiligungsform nach § 12 dritter Fall StGB vor (ON 28/II), derzufolge sie am 31.März 1993 in Graz mit zwei anderen Beschuldigten durch Ablenken des vom unmittelbaren Täter Günther J***** (vermutlich mit Rohypnol) betäubten Opfers Rene F***** zum vollendeten Raub beigetragen haben soll. In diesem Verfahren befand sie sich vom 4.Mai 1993 bis zu ihrer Enthaftung gegen Gelöbnis am 21.Mai 1993 in Untersuchungshaft (S 5/II).

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Beschluß (ON 31 des Aktes 14 Vr 1830/93) verwarf das Oberlandesgericht die Beschwerde der Beschuldigten gegen den ihren Enthaftungsantrag abweisenden Beschluß der Ratskammer des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 30.Juni 1993 (ON 15 des zitierten Vr-Aktes) als unbegründet und bejahte das Vorliegen sowohl des dringenden Tatverdachtes als auch der vom Erstgericht (zuletzt allein) herangezogenen Haftgründe der Verdunkelungs- und Tatbegehungsgefahr. In der dagegen fristgerecht beim Obersten Gerichtshof eingebrachten Grundrechtsbeschwerde erachtet sich die Beschuldigte "durch die unrichtige Beurteilung des Vorliegens eines dringenden Tatverdachtes" (der Sache nach nur bezüglich des schweren Diebstahls) "sowie der Haftgründe der Verdunkelungs- und Tatbegehungsgefahr in ihren persönlichen Rechten auf Freiheit gemäß BVGpersFrh sowie EMRK verletzt". Dies jedoch zu Unrecht.

Die primäre Haftvoraussetzung des dringenden Tatverdachtes (zumindest in Form der Beitragstäterschaft nach § 12 dritter Fall StGB) gründete das Oberlandesgericht - der Aktenlage entsprechend - im wesentlichen auf die (im Widerspruch zu den auch untereinander abweichenden Depositionen der Beschuldigten S***** und O***** stehenden) Angaben des (zunächst gleichfalls verdächtigen) Mike Denis S***** vom 18.Juni 1993 (insb. S 109 ff/I und S 127 ff/I), die er - am 23.Juni 1993 als Zeuge vor der Untersuchungsrichterin (ON 11) - aufrechterhalten und wiederholt hat, sowie auf den Bericht der Sicherheitsbehörde (S 369-371/I). Diese Verfahrensergebnisse stellen in ihrem Zusammenhang - der Beschwerde zuwider - eine insgesamt tragfähige Begründung für die Annahme dar, es liege auf Grund bestimmer Tatsachen ein höherer Grad von Wahrscheinlichkeit vor, daß die Beschuldigte die ihr angelastete Straftat (wenn auch möglicherweise in einer anderen Geschehensvariante) begangen hat (S 83 2.Absatz/II).

Die von der Beschwerdeführerin dagegen ins Treffen geführten Argumente, mit denen sie vor allem die Glaubwürdigkeit des Belastungszeugen Mike Denis S***** zu erschüttern trachtet, sind nach dem derzeitigen Verfahrensstand nicht geeignet, Bedenken gegen die vom Gerichtshof zweiter Instanz zutreffend begründete Intensität des Tatverdachtes zu erwecken. Im übrigen ist der freien richterlichen Beweiswürdigung in einem allfälligen Erkenntnisverfahren vom Obersten Gerichtshof im Rahmen der Prüfung der Grundrechtsbeschwerde nicht vorzugreifen.

Dem Oberlandesgericht ist aber auch beizupflichten, daß bei Karin S***** schon in Anbetracht des Verdachtes zweier verschiedener, teilweise der schweren Vermögenskriminalität (Beteiligung am Verbrechen des Raubes) zuzurechnender strafbarer Handlungen, aber auch wegen ihrer labilen Persönlichkeitsstruktur, die sich insbesondere in einer Vorstrafe wegen § 88 Abs. 1 und 3 (zu ergänzen: § 81 Z 2) StGB, ferner in ihrem unsteten Lebenwandel als Prostituierte, ihrem (der anläßlich der Enthaftung gegen Gelöbnis am 21. Mai 1993 erteilten Weisung widerstreitenden) Alkoholmißbrauch und dem indizierten Naheverhältnis zur Suchtgiftszene manifestiert, mit Grund zu befürchten ist, sie werde - ohne Fortsetzung der nach Lage des Falles durch gelindere Mittel nicht substituierbaren Untersuchungshaft - ungeachtet der gegen sie geführten Strafverfahren in Freiheit neuerlich strafbare Handlungen mit nicht bloß leichten Folgen (die Beschwerde geht - die hier aktuellen Gesetzeskriterien verkennend - von "schweren" Folgen aus) begehen, die gegen dasselbe Rechtsgut gerichtet sind, wie die ihr nunmehr angelasteten Straftaten (§ 180 Abs. 2 Z 3 lit. b StPO).

Angesichts des Vorliegens des Haftgrundes der Tatbegehungsgefahr erübrigt sich die Prüfung, ob im Zeitpunkt der Entscheidung zweiter Instanz zusätzlich noch der (inzwischen durch Zeitablauf ohnehin obsolete - ON 45/II) Haftgrund der Verdunkelungsgefahr gegeben war.

Da sohin durch den bekämpften Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz Karin S***** im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt wurde (§ 2 Abs. 1 iVm § 7 GRBG), war die Beschwerde - in Übereinstimmung mit dem Antrag der Generalprokuratur - als unbegründet abzuweisen.

Demzufolge hatte gemäß § 8 GRBG der Ausspruch über den beantragten Ersatz der Beschwerdekosten zu entfallen.

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