Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Der am 6.September 1958 geborene Josef K***** wurde auf Grund des Wahrspruchs der Geschwornen der Verbrechen (A) des Mordes nach § 75 StGB und (B) des versuchten Mordes nach §§ 15, 75 StGB sowie (C) des Vergehens nach § 36 Abs. 1 Z 1 WaffG schuldig erkannt.
Danach hat er am 1.Jänner 1992 in Wien
A) Marina C***** durch einen gezielten Schuß aus dem Revolver der Marke Smith & Wesson, Modell 19-5, Nr AWA 3486, Kaliber 357 Magnum, getötet;
B) Eva W***** durch einen Schuß mit dem unter A) angeführten Revolver
zu töten versucht;
C) den unter A) angeführten Revolver, mithin eine Faustfeuerwaffe,
(zu ergänzen: wenn auch nur fahrlässig) unbefugt geführt und besessen.
Die Geschwornen hatten die anklagekonform nach Mord, versuchtem Mord und nach dem Vergehen nach § 36 Abs. 1 Z 1 WaffG gestellten Hauptfragen (fortlaufende Nummern 1, 13 und 25 des Fragenschemas) jeweils stimmeneinhellig bejaht, hingegen die korrespondierenden Zusatzfragen in Richtung Zurechnungsunfähigkeit im Sinne des § 11 StGB (fortlaufende Nummern 2, 14 und 26 des Fragenschemas) im Stimmenverhältnis 8 : 0 verneint und folglich die weiteren Eventualfragen zu den drei Hauptfragen und Zusatzfragen zu den Eventualfragen unbeantwortet gelassen.
Rechtliche Beurteilung
Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf Z 5, 10 a und 12 des § 345 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der jedoch keine Berechtigung zukommt.
In der Verfahrensrüge (Z 5) erachtet sich der Beschwerdeführer durch das vom Schwurgerichtshof in der Hauptverhandlung vom 23.März 1993 gefällte Zwischenerkenntnis (S 410 bis 412/III) beschwert, mit dem mehrere Beweisanträge seines Verteidigers (S 408 bis 410/III) abgewiesen wurden.
Dazu ist vorweg festzuhalten, daß nach gefestigter Rechtsprechung (vgl Mayerhofer-Rieder StPO3 § 281 Z 4 ENr 41 und die dort angeführte Judikatur) bei Prüfung der Berechtigung eines Antrages stets von der Verfahrenslage im Zeitpunkt der Stellung des Antrages und den bei seiner Stellung vorgebrachten Gründen auszugehen ist. Erst im Rechtsmittelverfahren vorgebrachte Gründe tatsächlicher Art können keine Berücksichtigung finden.
Unter diesem Aspekt müssen demnach die erst in der Beschwerdeschrift zur Stützung einzelner Beweisanträge hervorgekehrten Tatsachen weitgehend außer Betracht bleiben.
Dies gilt zunächst für den Antrag "auf Beiziehung eines medizinischen Sachverständigen aus dem Gebiet und zwar Fachgebiet 'Drogen' zum Beweis dafür, daß sich der Beschuldigte in einer 'Flash-back'-Situation befand, und daß bekannt ist, und auch durch andere Psychiater bereits festgestellt wurde, daß das Genießen von Drogen, und zwar insgesamt von drei Gramm Kokain in bezug auf den Alkohol ergibt, daß er zum Zeitpunkt der Tat nicht zurechnungsfähig war".
Der Beschwerde zuwider hat der (gerichtsbekanntermaßen) auch mit der Drogen-Problematik außerordentlich erfahrene Facharzt für Psychiatrie und Neurologie Prim.Dr.P*****, dem bei Erstellung seiner (die Zurechnungsfähigkeit des Beschwerdeführers zur Tatzeit bejahenden) Expertise ohnehin die vom Angeklagten vor der Tat (angeblich) konsumierten Alkohol- und Suchtgiftmengen (vgl insbesonders S 325 verso/I: ein Liter Bacardi, zwei bis drei große Whisky, zwei bis drei [Glas] Sekt, fünf bis sechs Haschisch-Joints und zwei bis drei Gramm Kokain) bekannt waren, ein sogenanntes "Flash-back" ausdrücklich ausgeschlossen und die aufrechte Zurechnungsfähigkeit aus objektiven Kriterien, nämlich dem (weitgehend intakten) Erinnerungsvermögen des Angeklagten sowie seiner Tat- und Persönlichkeitsstruktur (denen die Laienrichter noch hinzufügten: "an sich logische Vorgangsweise und Überlegungen des Angeklagten vor und nach der Tat"; siehe Niederschrift der Geschwornen fortlaufende Zahl 2 der Fragen) mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erschlossen (ON 96 in Verbindung mit S 315 bis 317/III).
Angesichts dieses vom Schwurgerichtshof für ausreichend und schlüssig beurteilten Gutachtens hätte es aber umso mehr im Beweisantrag der Angabe konkreter Gründe bedurft, aus welchen zu erwarten war, ein zweiter Sachverständiger hätte trotz des mängelfreien (§§ 125, 126 StPO) Gutachtens unter den gegebenen Umständen dem Angeklagten die (behauptete) Zurechnungsunfähigkeit attestiert. Demnach läuft das Beschwerdevorbringen im Kern lediglich auf eine im Nichtigkeitsverfahren unzulässige Kritik an der Beweiskraft der in Rede stehenden Expertise hinaus.
Gleiches gilt für den Antrag auf "neuerliche Einholung eines (ersichtlich gemeint: zweiten) schießtechnischen Sachverständigengutachtens, weil das erste Gutachten nicht stimmt", zumal (zusammengefaßt wiedergegeben) zwar behauptet werde, daß am Tatort zwei Schüsse gefallen seien, nach (anderen) Zeugenaussagen aber ein zweiter Schuß auf der Autobahn abgegeben worden sei.
Auch in diesem Punkt ist die Begründung des Schwurgerichtshofes im Ergebnis sachgerecht. Denn im Hinblick darauf, daß sowohl der gerichtsmedizinische Sachverständige Dr.M***** (vgl S 403/III) wie auch der Sachverständige Ing.Reinhard B***** (ON 124 iVm S 404/III) und ebenso der Experte für Schießwesen Ingo W***** (ON 105 iVm S 405 bis 408/III) in ihren auf objektiven Spuren und Erhebungsergebnissen basierenden, nach wissenschaftlich exakten Untersuchungsmethoden einwandfrei erstellten Gutachten unabhängig voneinander zum sicheren Schluß kommen, daß die Tötung der Marina C***** und die schwere Verletzung der Eva W***** durch zwei Schüsse erfolgt sind, die der Sachverständige W***** mit Sicherheit der Tatwaffe zuordnete, wäre der Beschwerdeführer - abgesehen davon, daß fallbezogen dadurch keine entscheidende Tatsache berührt wird - auch hier verpflichtet gewesen, in seinem (lediglich auf einzelne Zeugenaussagen gestützten) Beweisantrag jene Gründe anzuführen, die erwarten ließen, daß das Gutachten eines weiteren Sachverständigen aus dem Schießwesen das von ihm angestrebte Beweisergebnis erbracht hätte.
Schon unter dem Aspekt dieser vorgenannten gesicherten Beweisergebnisse verfiel demnach auch der weitere Antrag auf Ladung des (im Sicherheitsbüro tätigen) Polizeibeamten K***** (richtig: K*****) zum angeführten Beweisthema laut S 409/III Punkt 3. sowie der (ohnehin in der Hauptverhandlung vom 22.März 1993 vor dem erkennenden Gericht vernommenen - S 277 bis 286/III) Zeugen Johann I***** und Florence E***** zum Beweis dafür, "daß mit der Pistole (!) nachher noch einmal geschossen worden ist und sich deshalb auch die zweite Hülse erklärt", zu Recht der Abweisung. Hiezu kommt noch, daß nach dem Gutachten des Sachverständigen Ingo W***** die Identität des bei der Sicherstellung mit vier Patronen geladenen sechsschüssigen Revolvers der Marke Smith & Wesson Nr AWA 3486 als Tatwaffe zweifelsfrei feststeht.
Schließlich zielt das weitere Begehren des Angeklagten auf Einvernahme der Zeugen Nora R*****, Vera N***** (auch: N***** bzw N*****) und Claudia R***** (S 343 bis 345 und 409/III) "zum Beweis dafür, in welchem Zustand sich der Angeklagte befunden hat, als er das Lokal verlassen hat", der Sache nach lediglich auf die Durchführung eines unzulässigen Erkundungsbeweises ab.
Aus all dem folgt, daß durch das bekämpfte Zwischenerkenntnis des Schwurgerichtshofes - entgegen der Beschwerdebehauptung - weder Gesetze noch Verfahrensgrundsätze hintangesetzt oder unrichtig angewendet wurden, deren Beobachtung durch das Wesen eines die Strafverfolgung und Verteidigung sichernden Verfahrens geboten ist.
Auch die Tatsachenrüge (Z 10 a) geht fehl. Denn mit der Behauptung, derzufolge das Gericht zur Tatbeurteilung nach § 287 StGB gezwungen gewesen wäre, falls der psychiatrische Sachverständige Dr.P***** auf den vom gerichtsmedizinischen Sachverständigen Dr.M***** (lediglich auf der Basis der vom Angeklagten angegebenen Alkoholmengen) errechneten (im Regelfall letalen) Promillegehalt (zwischen 4,9 und 5,3) Rücksicht genommen hätte, bekämpft der Beschwerdeführer erneut bloß unzulässig die Beweiskraft des psychiatrischen Gutachtens, vermag aber keine sich aus den Akten ergebenden Bedenken - geschweige denn solche erheblicher Natur - gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschwornen festgestellten entscheidenden Tatsachen zu erwecken. Im übrigen ist ein allgemeiner Erfahrungsgrundsatz - wie die Beschwerde irrig annimmt - daß bei Vorliegen einer bestimmten Blutalkoholkonzentration (hier drei Promille) regelmäßig Zurechnungsunfähigkeit gegeben sei, dem empirisch gesicherten Wissensstand nicht zu entnehmen (Mayerhofer-Rieder StGB3 § 11 ENr 26).
Der Subsumtionsrüge (Z 12) genügt es zu erwidern, daß ein materieller Nichtigkeitsgrund nur durch den Vergleich des im Wahrspruch festgestellten Tatsachensubstrates mit dem darauf angewendeten Gesetz prozeßordnungsgemäß dargetan wird (Mayerhofer-Rieder StPO3 § 345 ENr 2 und 3 sowie § 345 Z 12 ENr 8). Nach dem Inhalt des Verdikts der Geschwornen wird dem Beschwerdeführer unter anderem die vorsätzliche Tötung der Marina C***** und der Versuch, Eva W***** vorsätzlich zu töten, angelastet. Demgegenüber bestreitet die Beschwerde nicht nur allgemein die "Tötungsabsicht" des Angeklagten, sondern geht ersichtlich auch von einem völlig anderen Sachverhalt aus und folgert daraus, "die Tathandlung des Angeklagten kann daher nur unter § 87 Abs. 2 StGB subsumiert werden".
Die Nichtigkeitsbeschwerde war demnach teils als unbegründet, teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt gemäß §§ 285 d Abs. 1 Z 1 und 2, 285 a Z 2, 344 StPO schon bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen, woraus folgt, daß zur Entscheidung über die Berufung das Oberlandesgericht Wien zuständig ist (§ 285 i StPO).
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