European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1993:0150OS00073.9300000.0826.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Georg B* auf Grund des Wahrspruchs der Geschworenen (1) des Verbrechens der vorsätzlichen Gefährdung durch Sprengmittel nach § 173 Abs. 1 StGB sowie (2) des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten Mordes nach §§ 75, 15 StGB schuldig erkannt.
Inhaltlich des Schuldspruchs hat er am 5.Februar 1992
(zu 1) in H*, im Gebäude A*‑Straße 24, ein Kilogramm Gelatine‑Donarit, mithin einen Sprengstoff, als Sprengmittel zur Explosion gebracht und dadurch eine Gefahr für fremdes Eigentum in großem Ausmaß sowie für Leib oder Leben der 21 im Haus anwesenden Bewohner herbeigeführt;
(zu 2) in R*, durch Abfeuern von Schüssen aus einer Faustfeuerwaffe vorsätzlich den Gendarmeriebeamten Erwin F* getötet und die Gendarmeriebeamten Albert Ha* und Robert M* zu töten versucht.
Die Geschworenen hatten die anklagekonformen Hauptfragen einstimmig bejaht, die bezüglich des Mordes und der Mordversuche gestellten Zusatzfragen nach Handeln in Putativnotwehr ebenso einstimmig verneint und sämtliche (ebenfalls die Vorwürfe wegen vollendeten und versuchten Mordes betreffenden) Eventualfragen unbeantwortet gelassen.
Das Geschworenengericht verurteilte den Angeklagten gemäß §§ 28 Abs. 1, 75 StGB zu lebenslanger Freiheitsstrafe und ordnete überdies gemäß § 21 Abs. 2 StGB seine Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher an; gemäß § 369 Abs. 1 StPO wurde der Angeklagte außerdem schuldig erkannt, einer Reihe von Privatbeteiligten Schadenersatzbeträge zu zahlen, darunter der W* Versicherungs‑AG, der D* Versicherungs‑AG, der Post‑ und Telegraphendirektion für Oberösterreich und Salzburg, der E* Versicherungs‑AG, dem Albert Ha*, dem Robert M*, sowie den Eheleuten Peter und Sonja F* (den Eltern des getöteten Erwin F*).
Rechtliche Beurteilung
Der Angeklagte meldete gegen dieses Urteil vorerst "volles Rechtsmittel, nämlich in Richtung 1) Nichtigkeitsbeschwerde 2) Strafberufung und 3) wegen Einweisung in eine Anstalt für abnorme Rechtsbrecher" an (S 38/IV), ergänzte die Rechtsmittelanmeldung jedoch innerhalb der Anmeldungsfrist ‑ zulässigerweise (13 Os 126/77) ‑ dahin, daß auch der Zuspruch an die Privatbeteiligten, soweit dieser die Höhe des vom Angeklagten anerkannten Betrages übersteigt (was die oben namentlich genannten Privatbeteiligten betrifft), bekämpft wird (S 40/IV).
In der Rechtsmittelschrift (ON 119) führte der Angeklagte die Nichtigkeitsbeschwerde, gestützt auf § 345 Abs. 1 Z 4, 6, 8 und 13 StPO, und die Berufung hinsichtlich des Strafausspruchs aus, nicht aber die Berufung hinsichtlich der Anordnung der Anstaltsunterbringung und des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche.
Im Hinblick auf die bestimmte Bezeichnung der letztgenannten Anfechtungspunkte in den Rechtsmittelanmeldungserklärungen ist darüber jedoch gleichfalls meritorisch zu entscheiden (SSt. 41/42 = EvBl. 1971/87 = RZ 1970, 200 ua).
Zur Nichtigkeitsbeschwerde:
Ihr kommt keine Berechtigung zu.
Einen Verfahrensverstoß (Z 4) erblickt der Beschwerdeführer darin, daß Ingeborg Hu* in der Hauptverhandlung als Zeugin vernommen wurde, obwohl sie erklärt hatte, nicht aussagen zu wollen; sie sei die Lebensgefährtin des Angeklagten gewesen und demgemäß in ihrem Entschlagungsrecht nach § 152 Abs. 1 Z 1 StPO verletzt worden.
Die Befreiung von der Verpflichtung zur Zeugenaussage nach § 152 Abs. 1 Z 1 StPO wegen einer außerehelichen Lebensgemeinschaft (§ 72 Abs. 2 StGB) eines Zeugen mit dem Beschuldigten (Angeklagten) greift nur dann ein, wenn das Verhältnis im Zeitpunkt der Vernehmung besteht; aus einer früheren, nicht mehr existierenden Gemeinschaft kann der Entschlagungsgrund nicht abgeleitet werden (EvBl. 1976/221 = ÖJZ‑LSK 1976/85). Für den aufrechten Bestand einer außerehelichen Lebensgemeinschaft bedarf es der inneren Einstellung beider Partner, in einer Beziehung zusammenzuleben, die jener miteinander verheirateter Personen gleichkommt (SSt. 56/29, Pallin im WK z StGB § 72 Rz 8). Die Aufgabe dieser Willenshaltung durch einen der beiden Partner löst die Lebensgemeinschaft auf, soferne es sich dabei um eine endgültige und ernstliche Entscheidung handelt (Leukauf‑Steininger Komm.3 § 72 RN 15 b). Die Inhaftnahme eines Partners für sich allein löst die Lebensgemeinschaft nicht auf (Pallin aaO § 72 Rz 10).
Ob eine Lebensgemeinschaft durch eine ‑ wenn auch einseitige ‑ Willensänderung eines der Partner aufgelöst wird, ist eine Tatfrage, die das erkennende Gericht zu lösen hat; der Oberste Gerichtshof hat gegebenenfalls zu prüfen, ob die dabei gefundene Beurteilung eines Bestehens oder Nichtbestehens einer Lebensgemeinschaft mit den dafür herangezogenen tatsachenmäßigen Prämissen übereinstimmt.
Die Zeugin Hu* bezeichnete sich schon im Vorverfahren gegenüber dem Untersuchungsrichter als ehemalige Lebensgefährtin des Angeklagten (S 75/I) und brachte damit ‑ auch was ihre Willenshaltung betrifft ‑ unverkennbar zum Ausdruck, daß die Lebensgemeinschaft bereits zu diesem Zeitpunkt nicht mehr bestand. Schon deshalb konnte der Schwurgerichtshof mit Grund ein der Zeugin zukommendes Entschlagungsrecht verneinen.
Die Angaben der Zeugin in der Hauptverhandlung, sie werde den Angeklagten weiter besuchen und wieder für ihn da sein, wenn er in absehbarer Zeit aus der Haft entlassen werden sollte (S 261/III), stellen sich demnach (lediglich) als Bereitschaft zu einem Neubeginn nach einer beendeten Beziehung dar, und dies auch nur unter der von der Zeugin nicht als realistisch angesehenen Bedingung einer Enthaftung des Angeklagten nach relativ kurzer Zeit, denn sie erklärte, es sei keine Lebensgemeinschaft, wenn der Angeklagte 10 oder 15 Jahre eingesperrt sei (S 262/III) ‑ womit sie realistischerweise ins Kalkül zog, daß der Angeklagte auch nach laienhafter Vorstellung wegen der von ihm verübten Straftaten mit einer langjährigen Freiheitsstrafe zu rechnen habe ‑, und bezeichnete eine Enthaftung in (etwa) drei Jahren (als Bedingung für die Wiederaufnahme einer Lebensgemeinschaft) unter einem als irreal ("Wenn er in drei Jahren herauskommt, ja; er kommt aber nicht heraus" ‑ S 285/III).
Angesichts dieser Sachlage ging das Erstgericht somit zutreffend davon aus, daß zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung zwischen dem Angeklagten und der Zeugin Hu* keine außereheliche Lebensgemeinschaft und somit kein Angehörigenverhältnis im Sinne des § 72 Abs. 2 StGB bestand, weshalb der Zeugin das Entschlagungsrecht nach § 152 Abs. 1 Z 1 StPO zu Recht nicht zugebilligt wurde.
In der Rüge der Fragestellung (Z 6) moniert der Beschwerdeführer das Unterbleiben der Stellung von Eventualfragen in Richtung absichtlicher schwerer Körperverletzung (§ 87 StGB) zu den anklagekonformen Hauptfragen.
Auch dieser Einwand ist nicht berechtigt.
Gemäß § 314 Abs. 1 StPO ist eine Eventualfrage (unter anderem) dann zu stellen, wenn in der Hauptverhandlung Tatsachen vorgebracht werden, wonach ‑ wenn sie als erwiesen angenommen werden ‑ die dem Angeklagten zur Last gelegte Tat unter ein anderes Strafgesetz fiele, das nicht strenger ist als das in der Anklageschrift angeführte. Grundlage einer Eventualfrage kann dabei immer nur ein tatsächliches Substrat sein, nicht aber eine bloß abstrakt denkbare Möglichkeit. Dient doch die Fragestellung an die Geschworenen nur dazu, den Tatbestand, der sich aus der Aktenlage und aus den Ergebnissen der Hauptverhandlung ergibt, zu präzisieren, nicht aber dazu, über allfällige Mutmaßungen einen Wahrspruch einzuholen, der seinem Wesen nach einer Tatsachenfeststellung gleichkäme, für die eine entsprechende Feststellungsgrundlage fehlt (SSt. 44/29).
Ein den Voraussetzungen des § 314 Abs. 1 StPO entsprechendes Vorbringen über einen als absichtliche schwere Körperverletzung subsumierbaren Sachverhalt vermag der Beschwerdeführer jedoch mit seinen Darlegungen, die bloß auf abstrakt denkmöglichen Folgerungen aus dem äußeren Geschehen beruhen, aber mit keiner der von ihm in der Hauptverhandlung geäußerten Verantwortungen auch nur annähernd zu vereinbaren sind, nicht aufzuzeigen. Der Beschwerdeführer bestritt in der Hauptverhandlung, die Schüsse auf die Gendarmeriebeamten mit Tötungswillen abgegeben zu haben; er habe bloß ungezielt geschossen. Zur Frage, ob er den Gendarmeriebeamten Körperverletzungen zufügen wollte, gab er widersprüchliche Erklärungen ab, indem er einerseits behauptete, an eine Verletzung der Gendarmeriebeamten nicht gedacht zu haben, und andererseits zugestand, "vielleicht" Körperverletzungen gewollt sowie solche Verletzungen in Kauf genommen zu haben (S 207, 209, 215 a verso, 217, 219 f, 221, 249, 317/III).
Dem solcherart einen allfälligen Verletzungswillen des Angeklagten indizierenden Vorbringen wurde durch die ohnehin gestellten Schuldfragen nach Körperverletzung mit tödlichem Ausgang "nach § 86 StGB" (Eventualfrage 3), schwerer Körperverletzung "nach § 84 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1 und 4 StGB" (Eventualfragen 10) sowie schwerer Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen "nach §§ 84 Abs. 2 Z 1 und 4 und 85 Z 2 StGB" (Eventualfrage 17) Rechnung getragen. Für eine Fragestellung in Richtung absichtlicher schwerer Körperverletzung nach § 87 StGB bot die widersprüchliche Einlassung des Angeklagten indes keine Grundlage, weil daraus keineswegs die einem Handeln mit Absicht (§ 5 Abs. 2 StGB) entsprechende dominierende Willenskomponente zu entnehmen war, wonach es dem Täter geradezu darauf ankommen muß, einen anderen schwer zu verletzen. Eine derartige Gestaltung der inneren Tatseite wurde vom Angeklagten nicht nur nicht vorgebracht, sondern in seinen unterschiedlichen Schilderungen der Sache nach jeweils sogar ausgeschlossen, weil er behauptete, bei den Schüssen nicht gezielt zu haben, und unter anderem erklärte, er habe "nicht in die Brust (der drei Gendarmeriebeamten) schießen" wollen (S 215 a verso/III). Davon ausgehend läuft aber das Begehren, in die Prüfung der Reichweite des einen Tötungsvorsatz bestreitenden und die Möglichkeit eines Verletzungsvorsatzes einräumenden Vorbringens in der Hauptverhandlung auch die Beweisergebnisse über die Kürze der Schußentfernungen einzubeziehen, bloß daraufhin hinaus, ein Indiz gegen die Richtigkeit der Verantwortung über die ungezielte Schußabgabe hervorzuheben, ohne daß damit gleichzeitig insgesamt ein Tatsachensubstrat bezeichnet wird, wonach, wenn es als erwiesen angenommen wird, der Angeklagte gegen die drei Gendarmeriebeamten ein Verhalten setzte, welches nicht auf Tötungswillen beruhte, jedoch über einen einfachen Verletzungswillen hinaus von einem derart akzentuierten Handlungswillen getragen war, daß es dabei in direkter Zweckausrichtung auf die Zufügung schwerer (aber nicht tödlicher) Schußverwundungen ankam.
Mit der Instruktionsrüge (Z 8) macht der Beschwerdeführer eine Unrichtigkeit der den Geschworenen erteilten Rechtsbelehrung in drei Punkten geltend; eine Nichtigkeit des insoweit angefochtenen Schuldspruchs wegen vollendeten und versuchten Mordes wird damit jedoch nicht dargetan.
Der Einwand, es seien die Laienrichter darüber im unklaren gelassen worden, daß strafbarer Versuch den Vorsatz erfordert, die angestrebte Tat zu vollenden, geht schon deshalb fehl, weil bereits der ihnen mitgeteilte Wortlaut des § 15 Abs. 2 StGB (S 503 und 505/III) klar erkennen läßt, daß die Annahme eines Versuches durch einen unmittelbaren Täter dessen Entschluß voraussetzt, die betreffende Tat auszuführen. Auch die vom Beschwerdeführer zitierte Passage der Rechtsbelehrung: "Wenn ich also einen anderen töten will und mit diesem Vorsatz einen Schuß auf ihn abgebe, dieser Schuß trifft, der Tod des von mir ausersehenen Opfers aber infolge ärztlicher Hilfe nicht eintritt, so liegt zweifellos Mordversuch vor", bringt unmißverständlich das Erfordernis eines auf Tatvollendung gerichteten Vorsatzes zum Ausdruck. In dieser Beziehung liegt nicht einmal die eingewendete schwere Verständlichkeit der Erläuterungen vor, welche aber ohnehin mit einer Unrichtigkeit der Belehrung nicht gleichzusetzen wäre. Solcherart konnte somit bei den Geschworenen kein Zweifel darüber entstehen, daß Mordversuch Mordvorsatz (und nicht bloß Mordversuchsvorsatz) erfordert.
Die zur Eventualfrage 3 (Körperverletzung mit tödlichem Ausgang) bei Erläuterung der Fahrlässigkeit erteilte Instruktion, daß die Todesfolge dem Täter sicherlich dann objektiv zugerechnet werden kann, wenn er "auf sein Opfer einen oder mehrere Revolverschüsse aus einer scharf geladenen Waffe abgegeben hat", enthielt eine auf das aktuelle Tatgeschehen beziehbare Aussage. Wenngleich solche Darstellungen nach Tunlichkeit vermieden werden sollten, und zwar auch dann, wenn ‑ wie hier ‑ daraus keine Stellungnahme zur Beweisfrage erkennbar wird (s. Mayerhofer‑Rieder StPO3 § 345 Z 8 E 14), so ist die vorliegende Belehrung bei der gebotenen Gesamtbetrachtung ihres Inhalts nicht unrichtig, weil die bemängelte Passage keine absolute Allgemeingültigkeit beansprucht, sondern auf den Fall abstellt, daß ein mit Verletzungs‑ oder Mißhandlungsvorsatz abgegebener und eine sorgfaltswidrige Lebensgefährdung bewirkender Revolverschuß zum sofortigen Tod des getroffenen Opfers führt. Dies ergibt sich insbesondere aus der im voranstehenden Absatz enthaltenen, auf das angeklagte Geschehen abzielenden Aussage über Revolverschüsse und den "eingetretenen Erfolg" (S 513/III), sowie aus der Beschränkung des Erklärungsanlasses auf "das Opfer Erwin F*" (S 509/III). Gewiß sind auch Fallkonstellationen denkbar, bei denen mit Verletzungs‑ oder Mißhandlungsvorsatz abgegebene Schüsse eine Ursache für den eingetretenen Tod des angegriffenen Menschen darstellen, ohne daß der Enderfolg dem Täter zuzurechnen ist. Die Erörterung dieser Problematik in einer Rechtsbelehrung ist aber nur dann geboten, wenn Verfahrensumstände auf die Notwendigkeit einer genauen Überprüfung des Adäquanzzusammenhanges oder des Risikozusammenhanges zwischen Täterverhalten und eingetretenem Erfolg hinweisen (Mayerhofer‑Rieder StPO3 § 345 Z 8 E 28 a, 28 b, 28 c). Ein solcher Sachverhalt lag nicht vor und wird vom Beschwerdeführer auch gar nicht behauptet. Die Fallbezogenheit der Erläuterungen über die Erfolgszurechnung vermag die reklamierte Nichtigkeit nicht nach sich zu ziehen, weil sie nicht geeignet war, die Beweiswürdigung der Geschworenen zu beeinflussen oder bei ihnen eine unrichtige Vorstellung über die konkret wesentliche Rechtslage hervorzurufen (SSt. 45/9).
Was letztlich den Vorwurf betrifft, die Geschworenen seien zu den Zusatzfragen 6 und 7 über die Putativnotwehr unrichtig dahin belehrt worden, daß bei einem Putativnotwehrexzeß keinesfalls eine Bestrafung wegen einer vorsätzlichen Tat in Betracht komme, so kann dahinstehen, ob die Rechtsbelehrung tatsächlich einen derartigen Standpunkt vermittelt; denn selbst wenn dies zuträfe, wäre jedenfalls eine verfehlte strafbarkeitseinschränkende Anleitung gegeben worden, die den Angeklagten nur zu begünstigen vermocht hätte. Im gegebenen Zusammenhang ist eine Benachteiligung der Interessen des Angeklagten nicht denkbar, weswegen der angerufene Nichtigkeitsgrund schon deshalb nicht verwirklicht sein kann (EvBl. 1983/18).
Nicht berechtigt ist schließlich auch die Strafzumessungsrüge (Z 13), mit welcher geltend gemacht wird, das Geschworenengericht habe, indem es bei der Strafbemessung den Umstand, "daß die Tat beim Gasthaus Z* einen Toten und zwei lebensgefährlich Verletzte forderte", als erschwerend wertete, gegen das Doppelverwertungsverbot verstoßen, weil der Tod des Gendarmerieamten F* "bereits die höhere Strafdrohung des § 75 StGB" präge und daher nicht erneut bei der Strafzumessung Berücksichtigung finden dürfe.
Von einem Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot kann indes nur dann gesprochen werden, wenn ein Umstand, der bereits die gesetzliche Strafdrohung bestimmt, bei der Strafbemessung als Strafbemessungstatsache abermals berücksichtigt wird. Davon kann aber vorliegend, bezogen auf die Tötung des genannten Gendarmeriebeamten, keine Rede sein. Denn nicht die Herbeiführung des Todes des Beamten wurde als erschwerend gewertet, sondern ‑ entsprechend der Vorschrift des § 33 Z 1 StGB - der Umstand, daß der Angeklagte neben vollendetem Mord (an F*) auch zwei weitere mörderische Angriffe, die zu lebensgefährlichen Verletzungen der Opfer (Ha* und M*) geführt haben, mithin idealkonkurrierend vollendeten und versuchten Mord und damit mehrere strafbare Handlungen derselben Art zu verantworten hat. Durch die Annahme des in Rede stehenden Erschwerungsgrundes hat das Gericht demnach keineswegs für die Strafbemessung maßgebende entscheidende Tatsachen offenbar unrichtig beurteilt.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher ‑ übereinstimmend mit der Stellungnahme der Generalprokuratur ‑ zu verwerfen.
Zur Berufung wegen Strafe:
Das Geschworenengericht wertete bei der Strafbemessung als erschwerend zwei einschlägige Vorstrafen des Angeklagten, das Zusammentreffen zweier Verbrechen, den Umstand, "daß die Tat beim Gasthaus Z* einen Toten und zwei lebensgefährlich Verletzte forderte" sowie die besondere Heimtücke des Angeklagten beim Vorgehen gegen die Gendarmeriebeamten, als mildernd dagegen das Geständnis des Angeklagten zum Verbrechen der vorsätzlichen Gefährdung durch Sprengmittel nach § 173 Abs. 1 StGB, den Umstand, daß es hinsichtlich der Tatopfer Ha* und M* beim Versuch blieb, und die verminderte Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten.
Der eine "Herabsetzung der Strafe" (gemeint: die Verhängung einer zeitlichen Freiheitsstrafe) anstrebenden Berufung des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.
Im Rahmen der Berufung moniert der Angeklagte erneut eine vorgebliche unzulässige Doppelverwertung in der Heranziehung des Todes des Gendarmeriebeamten F*. Daß dies nicht zutrifft, wurde bereits in Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde dargetan.
Die festgestellten besonderen Strafzumessungsgründe bedürfen allerdings einer gewissen Korrektur.
Angesichts der stark verminderten Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten ‑ der Sachverständige Univ.Prof.Dr.L* spricht "fast von einem Grenzfall" (S 153/I, 414/III) ‑ ist nicht nur der Milderungsgrund des § 34 Z 1, sondern auch jener des § 34 Z 11 StPO gegeben.
Mildernd ist auch die eigene schwere Verletzung des Angeklagten durch die sich ‑ zum Teil vergeblich ‑ ihres Lebens wehrenden Gendarmeriebeamten, doch kommt dem angesichts des komplikationslosen Heilungsverlaufes keine nennenswert ins Gewicht fallende Bedeutung zu.
Andrerseits kann der besondere Erschwerungsgrund des heimtückischen Handelns (§ 33 Z 6 StGB) nicht angenommen werden; Voraussetzung dafür wäre ein verwerflicher Vertrauensbruch (SSt. 57/47 ua). Allerdings ist die Vorgangsweise des Angeklagten, der nach der Aufforderung der Gendarmeriebeamten zur Ausweisleistung scheinbar bereitwillig erklärte, seine Papiere aus dem in der Nähe abgestellten PKW zu holen, sich solcherart den Anschein eines nur zufällig in eine Kontrolle geratenen Passanten oder Gasthausbesuches gab und damit die dadurch geminderte Aufmerksamkeit der drei Gendarmen ausnützte, um aus allernächster Nähe fünf Schüsse auf sie abzugeben, von denen vier trafen, derart gestaltet, daß wenig Vorsicht gegen sie gebraucht werden konnte. Dies ist nach den allgemeinen Grundsätzen für die Strafbemessung (§ 32 Abs. 3 StGB), wonach die Strafe um so strenger auszumessen ist, je weniger Vorsicht gegen die Tat gebraucht werden kann, bei der Bemessung der verwirkten Strafe entsprechend zu berücksichtigen.
Im Zusammenhang damit sei klargestellt, daß dieses Täuschungsmanöver des Angeklagten die Annahme einer von ihm reklamierten "panikartigen Situation" nicht zuläßt. Seine weitere Berufungsbehauptung, er habe einen Angriff auf seine körperliche Integrität vermeint, steht im Gegensatz zu seiner eigenen Verantwortung in der Hauptverhandlung, wonach seine Tat darauf abzielte, daß die Gendarmen "in Deckung gehen", es unterlassen ihm nachzueilen und er solchermaßen einen "Vorsprung bekomme" (S 206, 207, 215 a, verso, 217/III); selbst dort, wo er von einer Panik spricht (S 205, 206/III), behauptet er keine Befürchtung einer Verletzung seiner körperlichen Integrität.
Aber auch unter Berücksichtigung der dargelegten Korrekturen wiegen die personale Täterschuld und der Unwert der verschuldeten Taten (ein Mord, zwei Mordversuche, ein Sprengstoffdelikt mit Gefährdung von 21 Menschen und hohem Sachschaden) so schwer, daß die Verhängung einer zeitlichen Freiheitsstrafe nicht in Frage kommt.
Zur Berufung gegen die Anordnung der
Anstaltsunterbringung nach § 21 Abs. 2 StGB:
Diese wurde nur angemeldet und nicht ausgeführt.
Das Erstgericht stützte seine Urteilsfeststellung, daß nach der Person des Angeklagten, seinem Zustand und der Art der Taten mit hoher Wahrscheinlichkeit zu befürchten ist, daß er unter dem Einfluß seiner seelischen Abartigkeit von höherem Grad eine mit Strafe bedrohte Handlung mit schweren Folgen begehen wird, wenn er nicht in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher untergebracht wird, auf das Gutachten des Sachverständigen Univ.Prof.Dr.L* (S 117 ff/I, 398 ff/III).
Die Ausführungen des Sachverständigen über die hochgradige Persönlichkeitsabnormität des Angeklagten, seine voraussichtlich bis ins Greisenalter bestehende hohe Aggressivität, seine herabgesetzte Diskretions‑ und Dispositionsfähigkeit und die bei diesen Komponenten weiterhin für erhebliche Zeit gegebene Gefährlichkeit sind schlüssig.
Davon ausgehend sind die Voraussetzungen für eine Unterbringung des Angeklagten in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gemäß § 21 Abs. 2 StGB gegeben.
Zur Berufung gegen den Ausspruch über die
privatrechtlichen Ansprüche:
Diese gleichfalls nicht ausgeführte Berufung richtet sich nach dem Inhalt der Berufungsanmeldung (S 40/III) gegen die Höhe der den Privatbeteiligten zuerkannten Beträge, soweit der Zuspruch über den vom Angeklagten jeweils anerkannten Betrag hinausgeht.
Unangefochten bleibt somit das Adhäsionserkenntnis in seinen Punkten 2 und 4 bis 10 (vgl. S 232/III und 418/III).
Zu der von der W* Versicherungs‑AG geltend gemachten Forderung von 1,113.270 S (S 397/III in Verbindung mit dem in der Hauptverhandlung vorgelegten Beilagenkonvolut ./D) hatte der Angeklagte nur 300.000 S anerkannt (S 397/III), zu jener der Post‑ und Telegraphendirektion für Oberösterreich und Salzburg von 17.738 S (S 1/III) nur die Hälfte (S 417/III).
Zu den Forderungen der Versicherungsgesellschaften D* in der Höhe von 15.000 S (S 15/III) und E* in der Höhe von 19.434 S (S 17/III und 143/III) sowie jenen der Gendarmeriebeamten Ha* und M* und der Eltern des getöteten Gendarmeriebeamten F* (S 89/I, 213/II, 310 f/III mit Beil. ./C zum Hauptverhandlungsprotokoll sowie die in der Hauptverhandlung vorgelegte Schadensaufstellung S 19 ff/IV mit Beilagen) hatte der Angeklagte im einzelnen keine Stellung genommen; nur im Schlußvortrag beantragte der Verteidiger des Angeklagten ‑ was als Anhörung gemäß § 365 Abs. 2 StPO genügt (SSt. 53/19 = EvBl. 1982/186) ‑ die Verweisung der Privatbeteiligten hinsichtlich der nicht anerkannten Ansprüche auf den Zivilrechtsweg (S 420/III).
Das Erstgericht führte im Urteil aus, daß den Privatbeteiligten Entschädigungen im vollen (begehrten) Umfang zugesprochen wurden, soweit bis zum Ende der Hauptverhandlung entsprechende Nachweise vorhanden waren (gemeint: vorgelegt wurden).
Dem ist beizupflichten. Die genannten Versicherungsgesellschaften schlossen sich dem Strafverfahren mit den ihren Versicherungsleistungen für Sachschäden aus dem Sprengstoffanschlag des Angeklagten an. Es ist kein konkreter Umstand dafür zu erkennen, daß sie überhöhte Versicherungsleistungen erbracht hätten.
Die Post‑ und Telegraphendirektion für Oberösterreich und Salzburg legte eine detaillierte Rechnung über die Reparatur einer durch den Sprengstoffanschlag verursachten Kabelbeschädigung vor (S 5/III), die zu keinen Zweifeln Anlaß gibt. Der (prozessuale) Umstand, daß die genannte Direktion während des Rechtsmittelverfahrens in einem Schreiben an den Obersten Gerichtshof erklärte, den "Privatbeteiligtenanschluß" zurückzuziehen, ändert nichts an der Rechtsrichtigkeit des erstinstanzlichen Adhäsionserkenntnisses.
Die Schadenersatzansprüche der Gendarmeriebeamten Ha* und M* sowie jene der Eltern des Gendarmeriebeamten F* wurden in detaillierten Aufstellungen belegt (Beilage ./C zum Hauptverhandlungsprotokoll sowie S 19 ff/IV mit Beilagenkonvolut). Es ist daraus kein Umstand erkennbar, der zur Annahme führen könnte, daß unzutreffende oder überhöhte Anspruchsbegehren gestellt worden seien, was im übrigen auch im Verfahren erster Instanz in konkretisierter Weise nicht eingewendet wurde. Dem Anspruch der Gendarmeriebeamten Ha* und M* sowie der Hinterbliebenen des Gendarmeriebeamten F* stehen im übrigen auch nicht die Bestimmungen des Wachebediensteten‑HilfeleistungsG, BGBl. 1992/177, entgegen. Im Gegenteil: Eine Vorschußleistung durch den Bund setzt gemäß § 9 leg. cit. die Beteiligung des Wachebediensteten oder seiner Hinterbliebenen an einem Strafverfahren oder die Klagseinbringung in einem Zivilverfahren voraus.
Auch der Berufung des Angeklagten war somit insgesamt ein Erfolg zu versagen.
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