OGH 13Os55/93

OGH13Os55/9325.8.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 25.August 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kießwetter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Massauer, Dr.Markel, Mag.Strieder und Dr.Ebner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Hatvagner als Schriftführerin in der Strafsache gegen Wolfgang S* wegen der Vergehen der fahrlässigen Krida nach dem § 159 Abs 1 Z 1 und 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 3.Dezember 1992, GZ 12 d Vr 9311/91‑122 nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1993:0130OS00055.9300000.0825.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

 

 

Gründe:

 

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Ing.Wolfgang S* der Vergehen der fahrlässigen Krida nach dem § 159 Abs 1 Z 1 und 2 StGB schuldig erkannt.

Darnach liegt ihm zur Last, in Wien als Schuldner mehrerer Gläubiger fahrlässig seine Zahlungsunfähigkeit und die der G*‑GesmbH (GEV) dadurch herbeigeführt zu haben, daß er seine Geschäftsbetriebe mit unzulänglichen Eigenmitteln führte, unverhältnismäßig und leichtsinnig Kredit benützte und gewagte Grundstückstransaktionen durchführte, und zwar

I.) persönlich zumindest ab 1977 bis in das Jahr 1982, diesfalls auch durch Kreditaufnahmen bei Herbert T*

II.) als Geschäftsführer der GEV in der Zeit von Oktober 1974 bis in das erste Halbjahr 1980, diesfalls auch dadurch, daß es sich um die Geschäftsführung zuwenig kümmerte und hohe Privatentnahmen tätigte;

III.) in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit fahrlässig die Befriedigung von Gläubigern dadurch vereitelt oder geschmälert zu haben, daß er neue Schulden einging, alte Schulden beglich und nicht rechtzeitig ein Insolvenzverfahren beantragte und zwar

1.) persönlich in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit in der Zeit von Jänner 1983 bis 6.September 1984, insbesondere auch durch Aufnahme von Darlehen bei Monika P* und Peter P*

2.) als Geschäftsführer der GEV in zumindest fahrlässiger Unkenntnis der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft in der Zeit von Juli 1980 bis 5.Mai 1982.

Die in Punkt III 1.) des Schuldspruches bezeichneten Darlehensaufnahmen des Angeklagten bei Monika P* und Peter P* beurteilte das Schöffengericht abweichend von der insoweit auch auf schweren Betrug nach den §§ 146, 147 Abs 3 StGB lautenden Anklage ausschließlich als Kridahandlungen.

 

Rechtliche Beurteilung

Dieser Schuldspruch wird von der Staatsanwaltschaft zum Nachteil des Angeklagten mit einer auf die Gründe der Ziffer 5 und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft, mit welcher dem Wortlaut des Antrages nach für sämtliche in der Anklageschrift (ON 95, Punkt A 2 des Anklagetenors) behaupteten Darlehensaufnahmen bei Monika und Peter P*, der inhaltlichen Argumentation nach jedoch bloß für die im Ersturteil festgestellten Darlehensaufnahmen am 8.Februar 1983 (530.000 S) und am 6.Juni 1983 (150.000 S) ein zusätzlicher Schuldspruch wegen schweren Betruges angestrebt wird.

Den Urteilsannahmen zufolge war der Angeklagte bei Aufnahme der beiden von Peter P* gewährten Darlehen zahlungsunfähig. Er hatte von seiner finanziellen Situation Kenntnis (US 8 = AS 151/X), jedoch erwartete er Einkünfte aus der wirtschaftlichen Verwertung eines von ihm entwickelten Aufzugstyps. Anläßlich der Entgegennahme von Darlehen handelte er nicht mit dem Willen, den jeweiligen Darlehensgeber zu schädigen, sondern war davon überzeugt, das Geld zurückzahlen zu können. Die Darlehensgeber waren sich über die finanzielle Lage des Angeklagten im klaren und wurden in dieser Hinsicht nicht getäuscht (US 11 = AS 157/X).

Die Mängelrüge (Z 5) der Staatsanwaltschaft hält einer Überprüfung nicht stand:

Soweit die Anklagebehörde zunächst eine mangelhafte Begründung für die Negierung des Täuschungsvorsatzes des Angeklagten behauptet, übergeht sie die hiezu angestellten Urteilserwägungen. Entgegen dem Beschwerdestandpunkt nämlich schloß das Erstgericht den Täuschungsvorsatz keineswegs deshalb aus, weil der Darlehensgeber Peter P* wußte, daß der Angeklagte das Geld für eine angestrebte Patentverwertung aufwenden wollte; vielmehr wurde Peter P* nach den erstinstanzlichen Konstatierungen über die Finanzlage des Angeklagten nicht irregeführt. Dies leitete das Schöffengericht aus der exorbitanten Höhe der vereinbarten Zinsen und aus einer zweiten Darlehenszuzählung trotz des vereinbarungswidrigen Unterbleibens der Zurückzahlung des ersten Darlehens ab. Mit dem gegen diese denkrichtige Überlegung vorgetragenen Einwand, es sei im Verfahren eine rückhaltslose Information des Darlehensgebers über die Zahlungsunfähigkeit des Angeklagten nicht hervorgekommen, zeigt die Beschwerdeführerin jedoch keinen formellen Begründungsmangel auf, sondern kritisiert lediglich in hier unzulässiger Weise die Beweiswürdigung des Erstgerichtes und bringt daher den relevierten Nichtigkeitsgrund nicht zur prozeßordnungsgemäßen Darstellung.

Gleiches gilt für das sinngemäße Beschwerdeanliegen, gerade die vereinbarte Zinsenhöhe als Nachweis fehlender Rückzahlungswilligkeit des Angeklagten zu verstehen und die zweite Darlehenszuzählung als Erfolg der Verführungskünste des Angeklagten anzusehen.

Die von der Beschwerde ferner herangezogene Aussage des Peter P*, er habe den Angeklagten wegen Abwicklung eines "Riesenprojektes" und des Privatbesitzes für kreditwürdig gehalten, beschränkte sich eindeutig auf die Wiedergabe eigener Überlegungen des Zeugen und nicht auf die Schilderung von Handlungen des Angeklagten, die einen derartigen Eindruck hervorgerufen haben, so daß darin ein erörterungsbedürftiges Indiz für ein Täuschungsverhalten nicht zum Ausdruck kam.

Im übrigen hielt das Erstgericht in anderer Richtung eine vom Angeklagten gesetzte objektive Täuschung durchaus für gegeben und zog in Betracht, daß er als Erfinder den Wert seiner Entwicklung überschätzt und im Zusammenhang mit der Kreditsuche in "zu rosigen Farben" beschrieben hat (US 15 = AS 165/X). Für diesen Bereich wurde ihm aber zugebilligt, im Vertrauen auf den wirtschaftlichen Erfolg gehandelt zu haben. Hiebei stützte sich das Erstgericht ohne logischen oder empirischen Fehler darauf, daß der Angeklagte für die Entwicklung nicht unerhebliche Aufwendungen getätigt hatte und auch der erfahrene Aufzugsbauer T* offenbar von einer günstigen wirtschaftlichen Verwertbarkeit ausgegangen war. Die dagegen gerichtete Beschwerdeforderung nach Urteilserörterung darüber, daß das Projekt mangels baupolizeilicher Genehmigung wertlos gewesen sei, zeigt keine mit den festgestellten optimistischen Zukunftserwartungen des Angeklagten unvereinbare Tatsache auf, weshalb die der Sache nach eingewendete Unvollständigkeit der Entscheidungsgründe nicht vorliegt.

Auch der Beschwerdevorwurf, das Erstgericht habe den Bereicherungsvorsatz des Angeklagten mit unzureichenden Erwägungen verneint und in lebensfremder Weise aus geringen Rückzahlungen auf das Fehlen des Schädigungsvorsatzes geschlossen, ist unberechtigt. Aus dem Willen eines Darlehensschuldners im Zeitpunkt der Entgegennahme des Darlehens, die vereinbarte Rückzahlung zu leisten, ergibt sich nämlich bereits das Fehlen eines Vorsatzes, den Darlehensgeber am Vermögen zu schädigen, weshalb ein zusätzlicher, auf unrechtmäßige Bereicherung gerichteter Vorsatz gar nicht aktuell sein kann. Beim Betrugstatbestand ist die erstrebte Bereicherung das Korrelat zur Schadenszufügung und muß demnach Kehrseite des Vermögensschadens sein (Leukauf‑Steininger Komm3 § 146 RN 59). Die Verneinung eines betrügerischen Schädigungsvorsatzes des Darlehensnehmers schließt aus rechtlicher Sicht von vornherein einen damit im funktionellen Zusammenhang stehenden weiteren Vorsatz aus, sich durch die Darlehenssumme unrechtmäßig zu bereichern. Entgegen dem von der Nichtigkeitsbeschwerde unterstellten Verständnis trifft es in keiner Weise zu, daß die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils zwischen den Elementen des Bereicherungsvorsatzes und des Schädigungsvorsatzes differenzieren und eine getrennte Auseinandersetzung enthalten, welche eine gesonderte Anfechtungsargumentation erforderlich machen würde.

Das Schöffengericht legte den gerügten Urteilsannahmen die Verantwortung des Angeklagten über einen Rückzahlungswillen anläßlich der Darlehensaufnahmen zugrunde und ließ sich dabei von den Überlegungen leiten, daß der Angeklagte an einen wirtschaftlichen Erfolg geglaubt habe und auch geringe Rückzahlungen erfolgt seien. In diesem Zusammenhang wurde die Diskrepanz zwischen den angenommenen subjektiven Zukunftserwartungen des Angeklagten und den realen wirtschaftlichen Gegebenheiten, welche die kurzfristige Darlehensrückzahlung sehr fragwürdig erscheinen ließen, vom Erstgericht nicht übersehen, sondern dem Sinne nach mit einem übertriebenen Optimismus des Angeklagten erklärt. Diese Überlegung ist nicht davon abhängig, ob eine realistische Variante aufgezeigt wird, "woher die Mittel für die äußerst kurzfristigen Darlehensrückführungen kommen sollten". Mit der Urteilserwägung über die "zu rosigen Farben" in den Schilderungen des Angeklagten wurden auch die Aussagen des Peter P* über die mit näherer Begründung geäußerte Ankündigung, nachher umsomehr zu verdienen, in ausreichender Form gewürdigt, weshalb die eingewendete Übergehung dieses Verfahrensumstandes nicht vorliegt. Schließlich ist auch die bemängelte Urteilsargumentation mit geringen Rückzahlungen durch den Angeklagten weder denkgesetzwidrig noch lebensfremd, weil grundsätzlich die verspätete Teilleistung einer übernommenen Verpflichtung durchaus die Folgerung zuläßt, daß der Leistungswille ursprünglich nicht gefehlt hat. Gewiß hängen Gewicht und Überzeugungskraft der bezüglichen Verfahrensergebnisse auch vom Ausmaß der Verspätung, dem Umfang der Teilleistung und einer allfälligen nachträglichen Leistungsmotivation ab. Die Hervorhebung dieser Aspekte in der Nichtigkeitsbeschwerde bezeichnet aber keinen Begründungsmangel in der Bedeutung des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes, sondern betrifft abermals Belange der unanfechtbaren Beweiswürdigung. Außerdem leitete das Erstgericht seinen bekämpften Ausspruch nicht allein aus den geringen Rückzahlungen, sondern aus einer Mehrzahl von Prämissen ab, weshalb eine unzureichende Begründung nicht dadurch geltend gemacht werden kann, daß isoliert die alleinige Tragfähigkeit einer einzelnen Erwägung untersucht wird (Mayerhofer‑Rieder StPO3 § 281 Z 5 E 164).

Demgemäß liegt keiner der von der Anklagebehörde ins Treffen geführten Begründungsmängel vor.

Schließlich versagt auch die Rechtsrüge (Z 10). Das unter diesem Nichtigkeitsgrund erstattete Vorbringen geht von dem Standpunkt aus, daß das Erstgericht in Wahrheit eine Antwort darauf schuldig bleiben mußte, "weshalb der Verurteilte bei der Kreditaufnahme beim Ehepaar P* ohne Täuschungs‑, Schädigungs‑ und Bereicherungsvorsatz gehandelt hat". Solcherart wird die Intention der Beschwerdeführerin offenbar, die erstgerichtlichen Urteilsfeststellungen über die subjektive Tatseite durch andere Sachverhaltsannahmen zu ersetzen. Damit verfehlt die Staatsanwaltschaft aber die gesetzmäßige Ausführung des geltend gemachten materiellen Nichtigkeitsgrundes, welche zur Voraussetzung hat, daß an den tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils festgehalten und auf dieser Basis ein unterlaufener Rechtsirrtum dargetan wird (Mayerhofer‑Rieder StPO3 § 281 Z 10 E 9).

Die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft ist demnach teils offenbar unbegründet (§ 285 d Abs 1 Z 2 StPO), teils nicht gesetzmäßig ausgeführt (§ 285 d Abs 1 Z 1 StPO iVm § 285 a Z 2 StPO), weshalb sie bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen war. Daraus folgt, daß zur Entscheidung über die Berufung der Staatsanwaltschaft der Gerichtshof zweiter Instanz zuständig ist (§ 285 i StPO).

 

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