European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1993:0130OS00117.9300000.0825.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
Durch den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 26.Mai 1993, AZ 23 Bs 193‑197/93 (= ON 121), wurde Musa D* im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Gründe:
Im oben bezeichneten Strafverfahren wurde über Musa D* am 3.Dezember 1992 aus den Haftgründen der Verdunkelungs‑ und Tatbegehungsgefahr (§ 180 Abs. 2 Z 2 und 3 lit. a und b StPO) die Untersuchungshaft verhängt. In der Haftprüfungsverhandlung vom 11.Feber 1993 hat die Ratskammer die Fortsetzung der Untersuchungshaft wegen Fortbestandes der Tatbegehungsgefahr (nur mehr) gemäß dem § 180 Abs. 2 Z 3 lit. b StPO angeordnet. Der dagegen erhobenen Beschwerde des Beschuldigten hat das Oberlandesgericht Wien mit Beschluß vom 10.März 1993, AZ 23 Bs 74/93, nicht Folge gegeben. Am 22.April 1993 hat die Staatsanwaltschaft Strafantrag wegen des Vergehens (richtig: Verbrechens) der versuchten Erpressung nach den §§ 15, 144 Abs. 1 StGB gestellt (ON 118), in dem sie dem Beschuldigten und mehreren Mittätern zur Last legte, im Oktober und November 1992 in Wien in 5 Fällen türkische Gastwirte durch gefährliche Drohung zur Zahlung von insgesamt 73.000 S zu nötigen versucht zu haben.
Die Akten samt Strafantrag langten am 6.Mai 1993 beim Einzelrichter ein (Antrags‑ und Verfügungsbogen S 3 o). Dieser beantragte am 19.Mai 1993 die Verlängerung der zulässigen Dauer der Untersuchungshaft auf 1 Jahr und begründete diesen Antrag damit, daß eine ordnungsgemäße Vorbereitung der Hauptverhandlung innerhalb der (am 3.Juni 1993 endenden) Frist des § 193 Abs. 3 StPO wegen der Faktenmehrheit, der Mehrzahl der Beschuldigten und der Tatbegehung in unterschiedlicher Täterkombination, sohin wegen der besonderen Schwierigkeit und des besonderen Umfanges der Untersuchung, nicht möglich sei (§ 193 Abs. 4 StPO).
Auf Grund dieses Antrages hat das Oberlandesgericht Wien mit Beschluß vom 26.Mai 1993, AZ 23 Bs 193‑197/93 (= ON 121), bestimmt, daß die über Musa D* verhängte Untersuchungshaft bis zu 8 Monaten dauern darf, wobei es die Antragsbegründung im wesentlichen übernahm.
Nach Rücklangen der Akten vom Oberlandesgericht hat der Einzelrichter am 1.Juni 1993 die Hauptverhandlung für den 8.Juli 1993 ausgeschrieben (ON 122).
Rechtliche Beurteilung
Gegen den bezeichneten Haftverlängerungsbeschluß richtet sich die rechtzeitig beim Obersten Gerichtshof unmittelbar eingebrachte Grundrechtsbeschwerde des Musa D* vom 7.Juli 1993. Er erblickt eine Verletzung des Grundrechtes auf persönliche Freiheit darin, daß die Untersuchungsrichterin seine Haftbeschwerde vom 16.Feber 1993 (gegen den Beschluß der Ratskammer vom 11.Feber 1993) erst nach 14 Tagen und zudem ‑ ungeachtet des in der Beschwerde gestellten Antrages, zu diesem Zweck Aktenkopien anzufertigen ‑ unter Anschluß der Originalakten dem Beschwerdegericht vorgelegt habe, sodaß eine Fortsetzung der Voruntersuchung oder eine Übersendung der Akten an die Staatsanwaltschaft zur weiteren Antragstellung nicht möglich gewesen sei. Tatsächlich habe nach dem 11.Feber 1993 (Haftentscheidung der Ratskammer) nur eine einzige Zeugeneinvernahme stattgefunden, weshalb von einer eine Haftverlängerung rechtfertigenden besonderen Schwierigkeit oder einem besonderen Umfang der Untersuchung keine Rede sein könne. Die längere Dauer der Voruntersuchung sei vielmehr auf die erwähnten Verfahrensverzögerungen zurückzuführen, die vermeidbar gewesen wären.
Die Beschwerde ist unbegründet.
Vorweg ist festzuhalten, daß laut einem telekopierten Bericht des Landesgerichtes für Strafsachen Wien Musa D* inzwischen mit dem (allerdings noch nicht rechtskräftigen) Urteil vom 3.August 1993 im Sinne des Strafantrages wegen des Verbrechens der versuchten Erpressung nach den §§ 15, 144 Abs. 1 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von 9 Monaten ‑ unter Anrechnung der Vorhaft vom 29.November 1992 (Festnahme) bis zum 3.August 1993 - verurteilt und sogleich enthaftet worden ist.
Dem Beschwerdevorbringen ist an sich beizupflichten, daß dem Beschleunigungsgebot des § 193 Abs. 1 StPO zuwiderlaufende Verfahrensverzögerungen dazu führen können, daß einem Haftverlängerungsantrag ‑ trotz besonderer Schwierigkeit oder besonderen Umfanges der Untersuchung ‑ nicht oder nicht im begehrten Ausmaß stattgegeben werden kann (vgl. Mayerhofer‑Rieder StPO3 E 10 b zu § 193).
In diesem Sinne hat das Oberlandesgericht Wien die verzögerte Vorlage der Haftbeschwerde des Beschuldigten unter Anschluß der Originalakten zwar mit Recht noch nicht zum Anlaß genommen, die beantragte Haftverlängerung gänzlich zu verweigern, jedoch zutreffend dem Begehren des Einzelrichters nicht im vollen Ausmaß entsprochen. In der Verlängerung der zulässigen Dauer der Untersuchungshaft um (bloß) zwei Monate kann aber nach Lage des Falles eine dem Beschleunigungsgebot des § 193 Abs. 2 StPO (und auch dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz des § 2 Abs. 1 GRBG) widerstreitende Überschreitung des Ermessensspielraumes nicht erblickt werden. Denn selbst bei Vermeidung der vom Beschwerdeführer gerügten Vorgangsweise der Untersuchungsrichterin hätte die Hauptverhandlung nicht innerhalb der Frist des § 193 Abs. 3 StPO stattfinden können, muß doch auch dem Einzelrichter eine gewisse Zeitspanne zur Ausschreibung und Vorbereitung der Hauptverhandlung zur Verfügung stehen. In der gegenüber dem begehrten Ausmaß der Verlängerung ohnedies reduzierten Zulässigerklärung einer Überschreitung der gesetzlichen Haftbeschränkung um bloß 2 Monate ist daher mit Rücksicht auf den besonderen (wenngleich nicht außergewöhnlichen) Umfang der Untersuchung ‑ von einer besonderen Schwierigkeit kann allerdings nach der Aktenlage in der Tat keine Rede sein ‑ noch keine unrichtige Anwendung des Gesetzes (§ 193 Abs. 4 StPO) zu erblicken.
Musa D* wurde somit durch den angefochtenen Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt, weshalb seine Grundrechtsbeschwerde abzuweisen war.
Da dem Bund der Ersatz der Beschwerdekosten nur in einem stattgebenden Erkenntnis aufzuerlegen ist (§ 8 GRBG), hatte eine Kostenentscheidung zu entfallen.
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