OGH 1Ob545/93

OGH1Ob545/9325.8.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schlosser, Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker und Dr.Rohrer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verlassenschaft nach der am 9.Jänner 1991 verstorbenen Aloisia C*****, zuletzt wohnhaft gewesen ***** vertreten durch den Verlassenschaftskurator Dr.Manfred Schreiber, öffentlicher Notar, Wien 19, Döblinger Hauptstraße 7, dieser vertreten durch Dr.Franz Bixner jun., Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei ***** Bank ***** Aktiengesellschaft, vertreten durch Dr.Arnold Rechtsanwalts-Kommandit-Partnerschaft in Wien, wegen Offenlegung eines Girokontos der Verstorbenen (Streitwert 100.000 S), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 22.Februar 1993, GZ 4 R 287/92-11, womit das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 30. September 1992, GZ 25 Cg 19/92-7, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Akten werden dem Berufungsgericht mit dem Auftrag zurückgestellt, sein Urteil durch den Ausspruch zu ergänzen, ob der Wert des Streitgegenstandes 50.000 S übersteigt.

Text

Begründung

Die am 9.Jänner 1991 verstorbene Aloisia C***** war Inhaberin eines bei der beklagten Bank unter der Nr ... geführten Girokontos, von dem auf Grund eines Dauerauftrages der Verstorbenen am 10.Jänner 1991 eine Abbuchung von 12.046 S erfolgte. Am 11.Juli 1991 teilte der Vertreter des Gerichtskommissärs der beklagten Partei mit, ihm sei bekannt geworden, daß es sich beim Dauerauftrag um einen Sparauftrag zugunsten eines Einlagebuches gehandelt habe, und ersuchte, ihm zur Durchführung der Kraftloserklärung dieses Einlagebuches die erforderlichen Identifikationsmerkmale bekannt zu geben. Die beklagte Partei lehnte dies ebenso ab wie ein gleichlautendes Ersuchen des bestellten Verlassenschaftskurators.

Das Erstgericht gab dem von der klagenden Partei mit 100.000 S bewerteten Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der durch einen Verlassenschaftskurator vertretenen klagenden Verlassenschaft das erblasserische Girokonto mit der Nr ... gänzlich offenzulegen, sodaß jedenfalls auch ersehen werden könne, zu wessen Gunsten bzw auf welches Sparbuch bei welcher Anstalt mit welcher Nummer am 10.Jänner 1991 im Rahmen eines erteilten Dauerauftrages 12.046 S überwiesen worden seien, statt. Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil durch Abweisung des Klagebegehrens ab und sprach aus, daß die Revision zulässig sei, weil es sich nicht auf eine gesicherte Judikatur des Obersten Gerichtshofes habe stützen können.

Die Frage, wie weit die Revision der klagenden Partei zulässig ist, kann auf Grund des Ausspruches des Berufungsgerichtes noch nicht beurteilt werden:

Rechtliche Beurteilung

Besteht - wie hier - der Entscheidungsgegenstand nicht in einem Geldbetrag, dann hat das Berufungsgericht auszusprechen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstandes insgesamt 50.000 S übersteigt (§ 500 Abs 2 Z 1 ZPO). Nur dann, wenn dieser Wert nach seinem Ausspruch 50.000 S übersteigt, hat es überdies auszusprechen, ob die ordentliche Revision nach § 502 Abs 1 ZPO zulässig ist oder nicht (§ 500 Abs 2 Z 3 ZPO); andernfalls hätte es auszusprechen, daß die Revision nach § 502 Abs 2 ZPO jedenfalls unzulässig ist (§ 500 Abs 2 Z 2 ZPO). Im vorliegenden Fall hat das Berufungsgericht den Entscheidungsgegenstand nicht bewertet und auch in den Gründen seiner Entscheidung nicht zum Ausdruck gebracht, daß der Entscheidungsgegenstand den Wert von 50.000 S übersteige; es hat nur begründet, weshalb seines Erachtens eine erhebliche Rechtsfrage iS des § 502 Abs 1 ZPO vorliegt. Dieser Ausspruch schließt jedoch den Ausspruch über den Wert des Entscheidungsgegenstandes nicht in sich, weil das Berufungsgericht der unrichtigen Auffassung gewesen sein könnte, es komme auf den Wert des Entscheidungsgegenstandes nicht an. Daß die klagende Partei den Streitwert gemäß § 56 Abs 2 erster Satz JN mit 100.000 S bewertet hat, ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung, weil die zweite Instanz daran nicht gebunden ist. Da somit derzeit nicht ausgeschlossen werden kann, daß die Revision in Wahrheit jedenfalls unzulässig ist, war dem Berufungsgericht die Ergänzung seines Urteils durch einen Ausspruch über den Wert des Entscheidungsgegenstandes aufzutragen (1 Ob 517/92; 4 Ob 115/91; zur vergleichbaren Bestimmung des § 519 Abs 1 Z 2 ZPO vgl MietSlg 39/53; RZ 1984/87, 1 Ob 50/88 uva, zuletzt 1 Ob 11/92 = Jus extra 1993/1197). Der Oberste Gerichtshof ist bei der Prüfung der Zulässigkeit eines Rechtsmittels an den Ausspruch nach § 502 Abs 1 ZPO nicht gebunden, wohl aber an den Bewertungsausspruch (§ 500 Abs 4 ZPO). Sollte die Berufungsinstanz aussprechen, daß dieser Wert 50.000 S nicht übersteigt, dann wird sie ihren Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision im Wege der Berichtigung zu beseitigen und durch einen Ausspruch nach § 500 Abs 2 Z 2 ZPO zu ersetzen haben.

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