Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Sozialrechtssache wird zur Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten erster Instanz.
Text
Begründung
Das Erstgericht wies das auf Gewährung der Berufsunfähigkeitspension im gesetzlichen Ausmaß ab 1.7.1991 gerichtete Klagebegehren ab. Es stellte fest, daß der am 28.1.1949 geborene Kläger den Beruf des Bäckers erlernt, aber überwiegend im Lebensmittelhandel gearbeitet habe und noch alle leichten und halbzeitig mittelschwere Arbeiten überwiegend im Sitzen verrichten könne. Die Arbeit im Sitzen erfordere kurzfristige Wechsel der Arbeitshaltung, die Arbeit im Gehen und Stehen erfordere eine Kniegelenksbandage. Auszuschließen seien Arbeiten im Fabriksmilieu, an exponierten Stellen und unter Nässe und Kälte. Das medizinische Kalkül erlaube die Ausübung eines reinen Verkaufsberufes nicht mehr. Der Kläger könne aber in eine Mehrzahl von einfachen Angestelltenberufen verwiesen werden. Rechtlich folgerte das Erstgericht daraus, daß Berufsunfähigkeit im Sinne des Gesetzes nicht vorliege.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es verneinte das Vorliegen der gerügten Verfahrensmängel und bezeichnete ohne nähere Erörterungen die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes als richtig. Es habe kein Anlaß bestanden, die Tätigkeiten des Klägers während der letzten fünfzehn Jahre zu erforschen, zumal er das 55.Lebensjahr noch nicht vollendet habe und daher die konkrete Art der im Beobachtungszeitraum ausgeführten Tätigkeit nicht maßgebend sei. Es gebe eine Reihe von Verweisungstätigkeiten, die der Kläger weiter ausüben könne.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision des Klägers ist im Sinne ihres hilfsweise gestellten Aufhebungsantrages berechtigt.
Zutreffend macht der Kläger geltend, daß der Inhalt seiner Berufstätigkeit ungeprüft blieb. Hiezu führt er aus, seine Vernehmung als Partei hätte ergeben, daß er als Filialleiter eines Lebensmittelgeschäftes tätig war, weshalb die vom berufskundlichen Sachverständigen genannten Verweisungsberufe nicht der zuletzt ausgeübten Tätigkeit entsprechen würden.
Der Oberste Gerichtshof hat wiederholt begründet, daß es sich bei der Pensionsversicherung der Angestellten um eine Berufs(Gruppen)Versicherung handelt, deren Leistungen bereits einsetzen, wenn der Versicherte infolge seines körperlichen und/oder geistigen Zustandes einen Beruf seiner Berufsgruppe nicht mehr ausüben kann. Dabei ist von jenem Angestelltenberuf auszugehen, den der Versicherte zuletzt nicht nur vorübergehend ausgeübt hat. Dieser Beruf bestimmt das Verweisungsfeld, das sind alle Berufe, die derselben Berufsgruppe zuzurechnen sind, weil sie eine ähnliche Ausbildung und gleichwertige Kenntnisse und Fähigkeiten verlangen. Innerhalb seiner Berufsgruppe darf ein Angestellter nicht auf Berufe verwiesen werden, die für ihn einen unzumutbaren sozialen Abstieg bedeuten würden. Bei der Prüfung der Verweisungsmöglichkeiten ist für die Einordnung in eine bestimmte Beschäftigungs- oder Verwendungsgruppe die Art der ausgeübten Beschäftigung, nicht aber die vom Arbeitgeber vorgenommene Einreihung oder das bezahlte Gehalt entscheidend (SSV-NF 6/53 mwN; 10 ObS 93/93). Es wurde auch wiederholt ausgesprochen, daß die Verweisung eines Handelsangestellten der Beschäftigungsgruppe 3 des Kollektivvertrages für die Handelsangestellten Österreichs auf Tätigkeiten der Beschäftigungsgruppe 2 in der Regel mit keinem unzumutbaren sozialen Abstieg verbunden ist, auch wenn es sich dabei um Arbeiten mit weniger Eigenverantwortung handelt; gewisse Einbußen an Entlohnung und Sozialprestige muß ein Versicherter hinnehmen (SSV-NF 4/97 mwN).
Mangels entsprechender Feststellungen kann im vorliegenden Fall nicht beurteilt werden, welchen Beruf der Kläger zuletzt nicht nur vorübergehend ausgeübt hat. Die erstgerichtliche und vom Berufungsgericht übernommene Feststellung, er habe "überwiegend im Lebensmittelhandel gearbeitet", ist zu wenig aussagekräftig. Nach dem Inhalt der Klagebeantwortung sei der Kläger als Geschäftsführer berufstätig gewesen; schon in seiner Berufung verwies der Kläger auf seine Tätigkeit als Filialleiter einer B*****-Filiale. Die Vorinstanzen haben die Frage der zuletzt ausgeübten Beschäftigung des Klägers überhaupt nicht erörtert, obwohl auf Grund der Bestimmung des § 87 Abs. 1 ASGG die Frage der ausgeübten Beschäftigung von Amts wegen zu prüfen ist, weshalb es auch nicht schaden kann, daß der Kläger dazu keine weiteren Behauptungen aufgestellt hat (10 Obs 93/93). Was die Tätigkeit eines Filialleiters betrifft, so kann sie in die Beschäftigungsgruppe 4 des genannten Kollektivvertrages einzureihen sein, wenn der Filialleiter selbständig über Warenlagerhaltung und sonstige Betriebsmittel Verfügungen trifft, die Warenpräsentation und/oder verkaufsfördernde Maßnahmen durchführt, zur selbständigen Preisgestaltung oder zur Preisgestaltung im Rahmen allgemeiner Richtlinien berechtigt ist und für die Abrechnung vereinnahmter Geldbeträge Sorge trägt. Filialleiter, die nicht in eine höhere Beschäftigungsgruppe einzustufen sind, fallen in die Beschäftigungsgruppe 3 des genannten Kollektivvertrages. Sollte erwiesen werden, daß der Kläger zuletzt nicht nur vorübergehend als Filialleiter tätig war, wird auf dieses Beschäftigungsgruppenschema entsprechend Bedacht zu nehmen sein. Die Einstufung einer Tätigkeit in einem Kollektivvertrag bildet nämlich einen Anhaltspunkt für die Einschätzuung des sozialen Wertes und kann daher zur Beurteilung eines allfälligen sozialen Abstieges herangezogen werden (SSV-NF 4/72 mwN).
Für eine abschließende rechtliche Beurteilung der Sache reichen aber auch die vorliegenden Feststellungen über das medizinische Leistungskalkül nicht aus. Daß der Kläger nach den erstgerichtlichen Feststellungen nur mehr überwiegend im Sitzen arbeiten könne und dies einen kurzfristigen Wechsel der Arbeitshaltung erfordere, erlaubt keine sichere Aussage darüber, in welcher Art, in welchem Umfang und Ausmaß die Körper-(Arbeits-)haltung gewechselt werden muß, wie lange also etwa der Kläger ununterbrochen im Sitzen, Stehen oder Gehen tätig sein kann, nach welcher Zeit ein Haltungswechsel medizinisch indiziert ist und wie lange dieser andauern muß. Feststellungen in dieser Richtung sind aber für die Beurteilung der Frage der Verweisbarkeit erforderlich, weil ohne diese Grundlage offenbleiben muß, ob der Kläger zur Verrichtung bestimmter Verweisungstätigkeiten befähigt ist (SSV-NV 5/62 mwN).
Die aufgezeigten Feststellungsmängel führen zur Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen und zur Rückverweisung der Sache an das Erstgericht, weil es offenbar einer Verhandlung in erster Instanz bedarf, um die Sache spruchreif zu machen (§ 510 Abs. 1 ZPO).
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs. 1 ZPO iVm § 2 Abs. 1 ASGG.
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