OGH 9ObA229/93

OGH9ObA229/9311.8.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Steinbauer sowie durch die fachkundigen Laienrichter Martin Duhan und Winfried Kmenta als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der Klägerin Birgit K*****, Arbeiterin, ***** vertreten durch Dr.Christian Kleinszig und Dr.Christian Puswald, Rechtsanwälte in St.Veit a.d. Glan, wider die Beklagte T*****, Holzindustriegesellschaft mbH & Co KG, ***** vertreten durch Dr.F.Müller-Strobl und Dr.Robert Kugler, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen S 15.829,20 sA, infolge außerordentlicher Revision der Beklagten gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 1.April 1993, GZ 7 Ra 2/93-10, womit infolge Berufung der Beklagten das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgericht vom 16.November 1992, GZ 34 Cga 184/92-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit S 3.264,- bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 544,- Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war bei der Beklagten als Hilfsarbeiterin beschäftigt. Das Dienstverhältnis endete durch die am 28.8.1992 zum 17.9.1992 (Donnerstag) ausgesprochene Dienstgeberkündigung. § 16 Abs 2 des Kollektivvertrages für Arbeiter der Sägeindustrie (im folgenden: KV) bestimmt, daß ein Dienstverhältnis nur unter Einhaltung einer zweiwöchigen Kündigungsfrist zum Ende einer Arbeitswoche gekündigt werden kann.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten S 15.829,20 netto sA als Urlaubsentschädigung für den infolge der fristwidrig ausgesprochenen Kündigung fällig gewordenen neuen Urlaubsanspruch.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die Kündigung sei fristgerecht erfolgt.

Das Erstgericht erkannte im Sinne des Klagebegehren. Das Dienstverhältnis hätte auf Grund der kollektivvertraglichen Kündigungsfrist von zwei Wochen zum 19.9.1992 gekündigt werden können. Die fristwidrige Kündigung habe das Dienstverhältnis beendet; die Klägerin habe aber Anspruch auf sämtliche Entgeltteile, die ihr bei ordnungsgemäßer Kündigung zugestanden wären.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß die ordentliche Revision gemäß § 46 Abs 1 Z 1 ASGG nicht zulässig sei. Eine zeitwidrige Kündigung löse Schadenersatzansprüche nach § 29 AngG und § 1162 b ABGB aus. Während keine kürzere als die gesetzliche (vertragliche) Kündigungsfrist in Anspruch genommen werden könne, sei der Ausspruch der Kündigung mit einer längeren Kündigungsfrist zulässig und beende das Dienstverhältnis mit dem in dieser einseitigen Willenserklärung genannten Zeitpunkt. Eine zeitwidrige Kündigung liege aber auch dann vor, wenn zwar eine längere als die kollektivvertragliche Kündigungsfrist eingehalten, aber ein verfehlter Kündigungstermin gewählt werde.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der Klageabweisung abzuändern; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag. Zur Zulässigkeit der außerordentlichen Revision bringt die Revisionswerberin vor, daß es zur vorliegenden Fallgestaltung, nämlich der Kündigung unter Einhaltung einer die kollektivvertragliche Kündigungsfrist überschreitenden längeren Kündigungsfrist aber zu einem kollektivvertragswidrigen Kündigungstermin keine höchstgerichtliche Rechtsprechung gebe.

Die Klägerin beantragt, der Revision der Beklagten nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig. Die Rechtsprechung hat sich zwar schon wiederholt mit den Folgen einer kürzeren als der vertraglichen oder gesetzlichen Kündigungsfrist und eines aus diesem Grunde zeitwidrigen Kündigungstermines beschäftigt (ausf Arb 9259 mwN; Arb 10.305, 10.405, 10.933 ua); zur Frage, ob bei Aussprechen der Kündigung mit einer längeren als der gesetzlichen (vertraglichen) Mindestfrist auch der gesetzliche (vertragliche) Kündigungstermin eingehalten werden muß, widrigenfalls auch hier die Rechtsfolgen einer zeitwidrigen Kündigung eintreten, fehlt, soweit ersichtlich, eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes.

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die Kündigung ist eine einseitige, empfangsbedürftige, auf Beendigung des Dienstverhältnisses in der Zukunft gerichtete Willenserklärung (Floretta-Spielbüchler-Strasser, Arbeitsrecht3 I 261). Weder Frist noch Termin sind für die Kündigung an sich wesentlich. Tatsächlich ist es aber so, daß für fast alle Arbeitsverhältnisse durch Gesetz, Kollektivvertrag oder Betriebsvereinbarung Fristen oder Termine oder beide statuiert sind. Die Kündigungsfrist ist jener Mindestzeitraum, der vom Zugehen der Kündigung bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses verstreichen muß. Der Kündigungstermin ist jener Zeitpunkt, zu dem entweder das Arbeitsverhältnis beendet wird (Endtermin) oder die Kündigung ausgesprochen werden kann (Anfangstermin) (Floretta-Spielbüchler-Strasser, Arbeitsrecht3 I 263). Die Normierung von Kündigungsterminen und Kündigungsfristen soll den Parteien Möglichkeit geben, sich auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses rechtzeitig einzustellen. Wegen der sozialen Schutzfunktion der Kündigungsfrist und des Kündigungstermins, die den Arbeitnehmer vor einer überraschenden Auflösung des Arbeitsverhältnisses bewahren und ihm einen zeitlich begrenzten Schutz gewähren soll (Knorr-Pichlmeier-Kremhelmer, Die Kündigung - ein Handbuch des Kündigungsrechts2, 181; Steininger, Die Auflösung des Arbeitsverhältnisses 11 f; Martinek-Schwarz, Abfertigung/Auflösung des Arbeitsverhältisses 85) haben diese Regelungen überdies zugunsten des Arbeitnehmers meist zwingenden Charakter. Ist für den Ausspruch der Kündigung die Einhaltung einer Kündigungsfrist und eines Kündigungstermins (regelmäßig in Form eines Endtermins) durch Gesetz, Kollektivvertrag oder Einzelvertrag vorgeschrieben, dann sind beide Beschränkungen unabhängig von einander zu beachten. Die zwischen dem Zugehen der Kündigung und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses liegende Zeit ist dann regelmäßig länger als die Kündigungsfrist, wenn nicht gerade so gekündigt, daß das Ende der einzuhaltenden Kündigungsfrist mit dem Kündigungstermin zusammenfällt (Molitor, Die Kündigung 182). Das hat zur Folge, daß der Arbeitgeber auch dann, wenn er - was zulässig ist - eine längere Kündigungsfrist einhält als gesetzlich, kollektivvertraglich oder einzelvertraglich geboten wäre, dennoch auch den nächsten nach Ablauf dieser längeren Frist zulässigen nächsten Kündigungstermin einhalten muß. Er kann sich in diesem Fall nicht darauf berufen, daß er das Arbeitsverhältnis ohnehin mit einer kürzeren zulässigen Kündigungsfrist zu einem früheren gebotenen Kündigungstermin hätte beenden können, so daß der gekündigte Arbeitnehmer auch mit dem zeitwidrigen Kündigungstermin noch besser gestellt wäre.

Die besondere Funktion von Kündigungsendterminen, die mit dem Ablauf einer bestimmten Zeiteinheit (Ende der Arbeitswoche oder Kalenderwoche [vgl § 1159 ABGB]; 15. oder letzter eines Kalendermonats [§ 20 Abs 2 AngG]; Kalendervierteljahr [§ 20 Abs 2 AngG]) enden, liegt darin, daß beiden Vertragspartnern der Abschluß eines neuen Arbeitsvertrages mit einem anderen Kontrahenten erleichtert werden soll; die einschlägigen Regelungen gehen offensichtlich davon aus, daß es vielfach üblich ist, derartige Arbeitsverhältnisse, von Fällen besonderer Dringlichkeit abgesehen, mit dem Anfang einer bestimmten Zeiteinheit, also zu einem "runden Datum" beginnen zu lassen. Insbesondere dem Arbeitnehmer soll dadurch die Möglichkeit eröffnet werden, an die Beendigung eines alten Arbeitsverhältnisses sofort die Eingehung eines neuen anschließen zu können, um nicht einen nennenswerten Einkommensverlust zu erleiden (Steininger aaO 11). Den Arbeitsvertragspartnern ist es daher verwehrt, den Endtermin des Arbeitsverhältnisses dadurch einseitig frei zu bestimmen, daß sie die Auflösung zwar unter Einhaltung der Kündigungsfrist, aber zu einem Zeitpunkt erklären, der zwischen dem frühestens zulässigen Kündigungstermin und einem späteren zulässigen Kündigungstermin liegt. Eine solche Gestaltungsfreiheit besteht nicht, auch wenn der Kündigende das Arbeitsverhältnis sogar zu einem früheren Zeitpunkt rechtmäßig hätte beenden können.

Die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung war daher zeitwidrig. Sie widersprach der zwingenden Vorschrift des § 16 Abs 2 KV, weil sie das Arbeitsverhältnis nicht zum Ende der Arbeitswoche, nämlich zum 18.9.1992, sondern schon zum 17.9.1982 zur Auflösung brachte. Die Rechtsansicht der Revisionswerberin, die Klägerin habe erkennen können, daß damit in Wahrheit eine termingemäße Kündigung zum frühestmöglichen Termin, nämlich dem 11.9.1992 gemeint war, ist verfehlt. Es ist zwar richtig, daß die Kündigung so zu verstehen ist, wie sie der Empfänger nach ihrem Wortlaut und Geschäftszweck bei objektiver Betrachtung verstehen konnte (Arb 10.155, 10.305 uva), doch ließ der Wortlaut des Kündigungsschreibens, daß "fristgerecht" zum 17.9.1992 gekündigt werde, keine andere Deutung zu, als daß das Arbeitsverhältnis an diesem Tag beendet werden sollte (vgl Arb 10.305).

Infolge zeitwidriger Beendigung des Arbeitsverhältnisses steht daher der Klägerin in analoger Anwendung des § 1162 b ABGB Kündigungsentschädigung zu (Martinek-M.Schwarz-W.Schwarz, AngG7, 654 f mwN). Die zeitwidrig gekündigte Klägerin ist auch hinsichtlich ihrer Urlaubsansprüche und der Urlaubsentschädigungsansprüche so zu stellen, als ob sie gesetzmäßig zum 19.9.1992 gekündigt worden wäre. Die Kündigungsentschädigung umfaßt auch die Urlaubsentschädigung für den während der Kündigungsfrist neu entstandenen Urlaubsanspruch (Arb 10.177, 10.933).

Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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