OGH 6Ob599/93

OGH6Ob599/932.8.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Kellner, Dr.Schiemer und Dr.Gerstenecker als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj.Kinder Simon S*****, und Jasmin S*****, beide in der Obsorge ihrer Mutter Gabriela S*****, vertreten durch Dr.Wilhelm Winkler, Dr.Gebhard Winkler-Heinzle und Dr.Julia Winkler, Rechtsanwälte in Bregenz, wegen Erhöhung des vom Vater der Kinder Walter S*****, gesetzlich geschuldten Unterhaltes, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der Kinder gegen den zum Beschluß des Bezirksgerichtes Bregenz vom 8.März 1993, GZ P 91/89-46, ergangenen rekursgerichtlichen Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch vom 23. April 1993, AZ 1 a R 202/93(ON 50), den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird teilweise stattgegeben und die angefochtene Rekursentscheidung derart abgeändert, daß der erstinstanzliche Beschluß zu lauten hat:

"Der Vater ist schuldig, ab 1.Mai 1992 anstelle der mit Rekursentscheidung vom 28.Mai 1990, ON 25, festgesetzten Monatsbeträge von 2.500 S für den Sohn und von 2.000 S für die Tochter solche von 3.000 S für den Sohn und von 2.550 S für die Tochter - jeweils ausschließlich der Familienbeihilfe - zum Ersten eines jeden Monats im vorhinein zu bezahlen.

Die bis zur Zustellung dieses Beschlusses fällig gewordenen Erhöhungsbeträge sind binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Die monatlichen Erhöhungsmehrbegehren von 500 S des Sohnes und 450 S der Tochter werden abgewiesen."

Text

Begründung

Der Knabe kam am 10.Juli 1986, das Mädchen am 15.August 1988 zur Welt. Sie sind eheliche Kinder eines österreichischen Vaters und einer schweizerischen Mutter. Die Kinder sind kraft Abstammung Österreicher (§ 7 Abs 1 StbG).

Die im Juli 1985 geschlossene Ehe der Eltern wurde im Herbst 1989 durch Scheidung aufgelöst.

Die alleinige Obsorge über beide Kinder kommt der Mutter zu. Diese lebt mit ihren Kindern wieder in ihrer schweizerischen Heimat.

Mit der Rekursentscheidung vom 28.Mai 1990 (ON 25) war der vom Vater seinen Kinder gesetzlich geschuldete monatliche Unterhalt in Ansehung des Knaben mit 2.500 S und in Ansehung des Mädchens mit 2.000 S festgesetzt worden.

Im Mai 1992 stellten die Kinder einen Unterhaltserhöhungsantrag. Der Knabe begehrte ab 1.Mai 1992 einen monatlichen Unterhalt von 3.500 S und das Mädchen einen solchen von 3.000 S. Als Gründe für eine Neufestsetzung machten die Kinder vor allem eine wesentliche Einkommenssteigerung ihres Vaters sowie eine altersgruppenbedingte Erhöhung ihrer Unterhaltsbedürfnisse geltend. Der Vater sprach sich gegen die begehrte Unterhaltserhöhung aus; er wendete nicht nur ein, daß er von seinem in der Schweiz in Schweizer Franken ausbezahlten Lohn im Inland Einkommensteuer zu entrichten und für die Krankenversicherung aufzukommen habe, sondern machte auch außergewöhnliche Belastungen seiner Einkünfte mit Rückzahlungen auf Darlehen geltend, die er zur Finanzierung des zur Schaffung der Ehewohnung 1986 unternommenen Hausbaues mit Zustimmung seiner damaligen Ehefrau aufgenommen habe und die ihn monatlich mit insgesamt rund 13.200 S belasteten.

Das Pflegschaftsgericht hatte im ersten Rechtsgang dem Erhöhungsbegehren der beiden Kinder nur teilsweise stattgegeben und für die Zeit ab 1.Mai 1992 die monatlichen Unterhaltsverpflichtungen des Vaters für seinen Sohn von 2.500 S (um 142 S) auf 2.642 S und die für die Tochter von 2.000 S (um 331 S) auf S 2.331 S erhöht, das monatliche Erhöhungsmehrbegehren des Knaben von 858 S und jenes des Mädchens von 669 S aber abgewiesen (ON 38).

Der Vater hatte die Unterhaltserhöhung unbekämpft gelassen. Dem Rekurs der Kinder gegen die Teilabweisung ihrer Erhöhungsbegehren gab das Rekursgericht statt und faßte einen Aufhebungsbeschluß ON 41).

Im zweiten Rechtsgang wies das Pflegschaftsgericht die strittig verbliebenen Mehrbegehren der Kinder abermals ab (ON 46).

Das Rekursgericht gab dem dagegen erhobenen Rekurs der Kinder nicht statt. Dazu sprach es aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil zur Ermittlung der Unterhaltsbemessungsgrundlage die Frage nach der Abzugsfähigkeit von Rückzahlungen des Unterhaltspflichtigen auf Darlehen zu lösen ist, die zwar seinerzeit im wohl verstandenen Familieninteresse zur Finanzierung eines Eigenheimes aufgenommen worden waren, deren fortdauernde Belastung aber nunmehr ausschließlich in der Entscheidungsmacht des Unterhaltsschuldners liegt.

Rechtliche Beurteilung

Das Rechtsmittel ist auch teilweise berechtigt.

Das Rekursgericht hat mit Rücksicht auf den ständigen Auslandsaufenthalt der minderjährigen Kinder bereits im vorangegangenen Aufhebungsbeschluß die kollisionsrechtliche Frage nach dem anzuwendenden Recht aufgegriffen und nach dem Haager Übereinkommen über das auf Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern anzuwendende Recht, BGBl 1961 Nr 293, und der Erklärung Österreichs im Sinne des Art 2 des Übereinkommens, BGBl 1961, Nr 295, das inländische Recht für anwendbar erkannt. Diese zutreffende Beurteilung blieb auch im weiteren Verfahren unwidersprochen.

Ebenso unwidersprochen sind die Vorinstanzen auch von einer wesentlichen Änderung der der letzten Unterhaltsbemessung zugrunde gelegten Umstände ausgegangen, da einerseits der Knabe Mitte Juli 1992 sein sechstes Lebensjahr vollendete und das Mädchen schon im August 1991 ihr drittes Lebensjahr vollendet hatte und damit beide Kinder jeweils in eine nach der Unterhaltspraxis erhebliche nächsthöhere Altersgruppe aufgestiegen waren. Auch der durchschnittliche Monatsbezug des Vaters erfuhr eine Steigerung von mehr als ein Achtel (rund 4.000 sfr seit August 1992 gegenüber 3.550 sfr).

Der danach zulässigen Unterhaltsneufestsetzung legte das Rekursgericht im wesentlichen zugrunde:

Den Vater trifft nach wie vor eine konkurrierende Sorgepflicht für seine geschiedene Ehefrau, die Mutter der beiden Kinder.

Der Vater arbeitet als sogenannter Grenzgänger in der benachbarten Schweiz und hat von seinem in Schweizer Franken ausbezahlten Lohn im Inland Einkommensteuer zu entrichten sowie für die Krankenversicherung vorzusorgen. Dies belastet ihn monatlich mit 9.000 S. An Kosten seiner täglichen Fahrten zum und vom Arbeitsplatz erwachsen ihm monatlich 500 S. Demnach verringert sich der dem Vater seit August 1992 im Monatsdurchschnitt ausbezahlte Schillinggegenwert von 4.040 sfr, das sind bei einem Unrechnungskurs von 760 S zu 100 sfr rund 30.700 S, um 9.500 S auf 21.200 S.

Der unterhaltspflichtige Vater wollte von diesem Betrag seine monatlichen Darlehensrückzahlungsverpflichtungen von rund 13.200 S abgesetzt wissen. Dem war das Pflegschaftsgericht im ersten Rechtsgang gefolgt, während das Rekursgericht ergänzende Feststellungen für eine Abwägung nach den in der Entscheidung EvBl 1991/50 = JBl 1991, 720 erwähnten Kriterien für erforderlich erachtete, wobei das Rekursgericht allerdings schon in seinem Aufhebungsbeschluß eine volle Abschreibung aller Darlehensrückzahlungen als unbillig ausschloß.

Zu Zweck und Höhe der Darlehensaufnahme, deren fortwährendem Nutzen und der Notwendigkeit und Tunlichkeit oder Vermeidbarkeit einer Aufrechterhaltung der Rückzahlungslast steht nunmehr fest:

Nach der Eheschließung im Jahre 1985 entschloß sich der Vater zwecks Schaffung eines Familienheimes zu einem Neubau auf eigenem Grund. Zur Finanzierung dieses Eigenheimbaues nahm er - im Einverständnis mit seiner damaligen Ehefrau - bei der Landeshypothekenanstalt ein Darlehen von 1,1 Mio S und ein weiteres von 215.000 S, ein Landesdarlehen von rund o,5 Mio S und ein Bausparkassendarlehen in der Höhe von 52.000 S auf. Die monatlichen Rückzahlungsverpflichtungen aus diesen Darlehen betragen insgesamt rund 13.200 S. Der Verkehrswert des Eigenheimes beträgt mindestens 3 Mio S. Seit der Auflösung der Ehe benützt der Vater den Neubau allein. Dieser war kein Gegenstand einer nachehelichen Vermögensaufteilung.

Danach erachtete das Pflegschaftsgericht eine teilweise Absetzung der Darlehensrückzahlungen zur Gewinnung der Unterhaltsbemessungsgrundlage als gerechtfertigt und veranschlagte diese monatliche Absetzung ohne weitere Ausführungen mit 3.000 S. Das Rekursgericht befand dies aufgrund des seinerzeitigen Zweckes der Darlehensaufnahmen als interessensgerecht.

Bei dieser Beurteilung ließen allerdings beide Vorinstanzen außer acht, daß der Vater gegenüber seinen Unterhaltsgläubigern oder gegenüber sonst jemandem in keiner Weise zur Aufrechterhaltung des Hausbesitzes verbunden ist, er allein die Nutzung des Hauses zieht und kein Umstand gegen eine zinsbringende Fremdnutzung oder gegen einen die Darlehensbelastung vollkommen abdeckenden Hausverkauf vorgebracht wurde oder aktenkundig wäre, so daß mehrere Jahre nach Auflösung der Ehe und Übernahme der Kinder in die alleinige Obsorge der Mutter es in der freien Entscheidung des unterhaltspflichtigen Vaters gelegen scheint, ob er sein Haus behält und die damit verbundenen Lasten weiter trägt oder ob er das Haus in einer Weise veräußert, daß er der gesamten Last aller Darlehensrückzahlungsverpflichtungen enthoben wäre.

Die Entscheidung des unterhaltspflichtigen Vaters zur Aufrechterhaltung seines Hausbesitzes unter notwendiger Aufrechterhaltung der monatlichen Darlehensrückzahlungsverpflichtungen mag verständlich sein, sie darf aber die Unterhaltsansprüche der Kinder nicht schmälern.

Nach Ablauf einer ausreichenden Überlegungs-, Entscheidungs- und Ausführungsfrist widerspräche es den in § 140 Abs 1 ABGB zum Ausdruck gebrachten Grundsätzen, wenn der Unterhaltspflichtige Aufwendungen, die nunmehr ausschließlich zur Wahrung und Mehrung seines Vermögens oder zu seiner Bequemlichkeit dienen, auch nur teilweise auf seine unterhaltsberechtigten Kinder überwälzte.

Aus diesen Erwägungen sind entgegen der Beurteilung der Vorinstanzen die Darlehensrückzahlungsverpflichtungen des Vaters auch nicht mit einem monatlichen Teilbetrag von 3.000 S als Absetzungsposten von der Unterhaltsbemessungsgrundlage anzuerkennen.

Der Ausmittelung des angemessenen Teilhabens der beiden Kinder im Sinne des § 140 Abs 1 ABGB ist daher eine Unterhaltsbemessungsgrundlage von 23.200 S sowie eine konkurrierende Sorgepflicht des Vaters für seine geschiedene Ehefrau zugrundezulegen. Dies kann aus Gründen der Pauschalierung durchaus auch auf die drei Monate vor August 1992 erfolgen.

In Anwendung der von beiden Parteien als solche nicht beanstandeten und grundsätzlich nicht als unsachlich zu erkennenden sogenannten Prozentsatzmethode ermittelt sich der monatliche Unterhaltsanspruch des Knaben mit rund 3.000 S (das entspricht etwa 14 % der Bemessungsgrundlage) und jener des Mädchens mit 2.550 S (das entspricht etwa 12 % der Bemessungsgrundlage). Höhere Unterhaltsleistungen sind dem Vater nicht zuzumuten; die ermittelten Unterhaltsbeträge stellen aber anderseits nach den zugrundezulegenden Lebensverhältnissen durchaus keine zu hohe Unterhaltsleistung dar. Die monatlichen Mehrbegehren des Knaben von 500 S und des Mädchens von 450 S waren mangels zureichender Leistungsfähigkeit des Vaters abzuweisen.

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