OGH 15Os117/93

OGH15Os117/932.8.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 26.August 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Steininger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner, Dr.Kuch, Dr.Schindler und Dr.Ebner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Weigl als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Erich S***** wegen des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs. 1 StGB über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Amstetten vom 22.März 1993, GZ U 241/92-4, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwältin Dr.Bierlein, jedoch in Abwesenheit des Verurteilten, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Beschluß des Bezirksgerichtes Amstetten vom 22.März 1993, GZ U 241/92-4, mit welchem die dem Verurteilten Erich S***** im Verfahren U 72/89 desselben Gerichtes gewährte bedingte Strafnachsicht widerrufen wurde, verletzt das Gesetz in dem sich aus § 494 a Abs. 1 Z 4 StPO im Zusammenhalt mit dem XX.Hauptstück der Strafprozeßordnung ergebenden Grundsatz der materiellen Rechtskraft.

Dieser Beschluß wird aufgehoben und der Antrag des Bezirksanwaltes vom 5.Oktober 1992 auf Widerruf der dem genannten Verurteilten gewährten bedingten Strafnachsicht abgewiesen.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichtes Amstetten vom 25.Juli 1989, GZ U 72/89-4, wurde Erich S***** des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs. 1 StGB schuldig erkannt und zu einer einmonatigen, gemäß § 43 (Abs. 1) StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren und gleichzeitiger Erteilung einer Weisung bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe verurteilt.

Diese Strafe wurde nach Ablauf der Probezeit und Einholung einer Strafregisterauskunft mit Beschluß des genannten Gerichtes vom 16. September 1992 (AS 33 des angeführten Aktes) endgültig nachgesehen.

Dessen ungeachtet hat derselbe Bezirksrichter anläßlich einer neuerlichen - abermals wegen des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs. 1 StGB am 22.März 1993 zur GZ U 241/92-4 des Bezirksgerichtes Amstetten erfolgten - Verurteilung des Genannten mit dem gemäß § 494 a Abs. 4 StPO gemeinsam mit dem Urteil verkündeten Beschluß (im Sinne des bereits verfehlten Antrages des Bezirksanwaltes vom 5.Oktober 1992) - ersichtlich aus dem Grunde des § 53 Abs. 1 StGB - nach § 494 a Abs. 1 (Z 4) StPO auf Widerruf der im vorerwähnten Urteil gewährten bedingten Strafnachsicht erkannt (AS 18).

Hiezu sei der Vollständigkeit halber angemerkt, daß das (spätere) Verfahren U 241/92 des Bezirksgerichtes Amstetten wegen (auch) in der Probezeit begangener (und nunmehr rechtskräftig abgeurteilter) Unterhaltsverletzungen bei Ablauf der Probezeit (25.Juli 1992) zufolge gerichtlicher Anordnung von (wenngleich durch die Gendarmerie geführten) Vorerhebungen am 24.Juli 1992 (AS 6) schon anhängig war (vgl Leukauf-Steininger StGB3 RN 20 zu § 58), sodaß gemäß § 56 StGB

3. Fall ein Widerruf der bedingten Verurteilung noch innerhalb von sechs Monaten nach Beendigung dieses späteren Verfahrens grundsätzlich in Betracht gekommen wäre. Der Bezirksrichter hat es jedoch unterlassen, für die (gebotene) Ersichtlichmachung der Einleitung dieses Verfahrens im hievon betroffenen Akt U 72/89 desselben Gerichtes zu sorgen (vgl JABl 1976/17).

Der Widerruf der bedingten Strafnachsicht durch den oben bezeichneten, gemäß § 494 a Abs. 4 StPO gemeinsam mit dem Urteil vom 22. März 1993 verkündeten und gleich diesem in Rechtskraft erwachsenen Beschluß des Bezirksgerichtes Amstetten steht, wie der Generalprokurator zutreffend rügt, mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Der - der materiellen Rechtskraft fähige - (Feststellungs-)Beschluß über die Endgültigkeit der bedingten Strafnachsicht hat bereits ab dem Zeitpunkt seiner Erlassung insoweit Bindungswirkung entfaltet, als weder das erkennende noch ein anderes Gericht ohne vorangegangene Aufhebung dieses Beschlusses über den Entscheidungsgegenstand neuerlich absprechen durfte (vgl mwN EvBl 1989/64). Eine solche (unzulässige) nochmalige Entscheidung ist jedoch mit dem Beschluß des Bezirksgerichtes Amstetten vom 22.März 1993 erfolgt, das seine Entscheidungskompetenz insoweit zu Unrecht in Anspruch genommen hat.

Demnach war in Stattgebung der zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde dieser Beschluß des Bezirksgerichtes Amstetten aufzuheben und wie im Spruch zu entscheiden.

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