OGH 13Os84/93

OGH13Os84/9328.7.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 28.Juli 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kießwetter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hörburger, Dr.Massauer, Dr.Markel und Dr.Ebner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Hatvagner als Schriftführerin in der Strafsache gegen Dr.Johann Georg E* wegen des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengericht vom 23.Februar 1993, GZ 36 Vr 428/92‑10, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Fabrizy, des Angeklagten und des Verteidigers Dr.Zwerger zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1993:0130OS00084.9300000.0728.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

 

Gründe:

 

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 13.Dezember 1938 geborene Dr.Johann Georg E* des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er in Salzburg als Beamter, nämlich als Referent des Strafamtes der Bundespolizeidirektion Salzburg, mit dem Vorsatz, den Staat in seinem konkreten Recht auf Einhaltung von Verfahrensvorschriften und einer auf deren Ergebnisse zu gründenden Erledigung zu schädigen, seine Befugnis durch Vornahme von Amtsgeschäften bei der Führung der Erledigung von Verwaltungsstrafsachen als Organ der Bundesverwaltung in den nachstehenden Fällen dadurch wissentlich mißbraucht, daß er es unterlassen hat, die ihm aus seiner amtlichen Tätigkeit bekannten einschlägigen Verwaltungsvorstrafen der Beschuldigten festzustellen bzw. einen behördeninternen Verwaltungsstrafenvormerk einzuholen und bei der Entscheidung zu verwerten, wobei er selbst in den von ihm aufgenommenen Protokollen über die Beschuldigtenvernehmung die unrichtige Formulierung wählte, die Betroffenen "seien bei der Polizei noch nicht negativ in Erscheinung getreten", und zwar:

1./ am 22.Dezember 1988 zu AZ 27931/88;

2./ am 4.September 1987 zu AZ 24724/87;

3./ am 11.September 1987 zu AZ 27872/87;

4./ am 18.April 1988 zu AZ 21507/87;

5./ am 1.August 1990 zu AZ 24047/90.

Hingegen wurde er vom weiteren Anklagevorwurf, auch im Verfahren CSt 1311/SZ/90 in gleicher Weise das Verbrechen des Mißbrauchs der Amtsgewalt begangen zu haben, gemäß dem § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

 

Rechtliche Beurteilung

Den Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z 4, 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt.

Mit seiner Verfahrensrüge (Z 4) wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Abweisung seines in der Hauptverhandlung gestellten Beweisantrages auf Einvernahme des Hofrates Dr.Manfred G* als Zeugen. Die Rüge versagt, weil das Schöffengericht aufgrund der Angaben des Angeklagten ohnedies die Feststellung getroffen hat, daß infolge der Überlastung der Referenten die Erledigung der Akten äußerst großzügig gehandhabt wird, wobei man bestrebt ist, Einsprüchen gegen Straferkenntnisse großzügig stattzugeben (US 4 f). Somit war auch keine Befragung des beantragten Zeugen zur Einschulung des Angeklagten in diese Tätigkeit erforderlich. Im übrigen wurde dem Beschwerdeführer die Unterlassung der amtswegigen Erforschung der materiellen Wahrheit nur in einigen herausragenden Straffällen angelastet, in denen die von ihm gewählte Formulierung des unrichtigen Vorbringens des jeweiligen Beschuldigten, "bei der Polizei noch nicht negativ in Erscheinung getreten" zu sein, eine Überprüfung dieses Umstandes erfordert hätte. Infolge der außergewöhnlichen Gestaltung dieser inkriminierten Einzelfälle erwies sich auch das Beweisanbot, daß eine Ermittlungstätigkeit die Bearbeitung und Erledigung von solchen Fällen verhindert hätte, als ungeeignet, auf die Entscheidung der Strafsache irgendeinen Einfluß zu üben. Daß aber die Überprüfung der Beschuldigtenbehauptungen in den angelasteten Fällen unmöglich gewesen wäre, hat der Angeklagte gar nicht vorgebracht. Soweit er den Einfluß von Formulierungen in Rechtfertigungsschriften von Berufungswerbern oder Einspruchswerbern auf andere Strafreferenten als Beweisthema angeführt hat, läßt dieses keine Erheblichkeit für die Entscheidung der Strafsache erkennen. Die Verteidigungsrechte des Beschwerdeführers wurden daher durch die Abweisung des Beweisantrages nicht verletzt.

Mit seiner Mängelrüge (Z 5) macht der Beschwerdeführer eine mangelhafte Begründung einer Reihe von Urteilsfeststellungen geltend. Er übersieht hiebei, daß eine unter Nichtigkeitsdrohung stehende Begründungspflicht (ebenfalls) nur für den Ausspruch des Gerichtshofes über entscheidende Tatsachen besteht. Welche Tatsachen als entscheidend anzusehen sind, ergibt sich aus dem Hinweis auf den § 270 Abs 2 Z 4 und 5 StPO im § 281 Z 5 StPO sowie aus der Anführung des § 260 StPO im § 270 Abs 2 Z 4 StPO. Daraus folgt, daß entscheidende Bedeutung nur den Tatsachen zukommt, die für das Erkenntnis in der Schuldfrage einschließlich der einen bestimmten Strafsatz bedingenden Tatumstände maßgeblich sind. Als entscheidende Tatsachen sind mithin jene zu betrachten, die entweder auf die Unterstellung der Tat unter das Gesetz oder auf die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes Einfluß üben, wogegen die Aussprüche über die Erwägungen, von denen das Gericht bei der Lösung der Rechtsfrage und bei der Beseitigung der vorgebrachten Einwendungen geleitet wurde, nicht der Anfechtung mit dem Nichtigkeitsgrund der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO unterliegen (siehe Mayerhofer‑Rieder, StPO3, § 281 Z 5 ENr 26).

Soweit der Beschwerdeführer die Urteilsfeststellung, daß der Angeklagte die den Baumeister Helmut Z* betreffenden Verwaltungsstrafakten an sich gezogen und behandelt hat, obwohl er nach der Geschäftsverteilung nicht zuständig war (US 6), und die Erwägungen, aus denen das Schöffengericht die Verantwortung des Angeklagten betreffend das Ansichziehen der Strafakten gegen Helmut Z* verwarf (US 11), bekämpft, übergeht er die vom Erstgericht dafür gegebene Begründung (US 11 f); seine Ausführungen erschöpfen sich im Grunde in einer versuchten Umwertung der Verfahrensergebnisse und damit in einer Bekämpfung der Beweiswürdigung. Im übrigen hat sich das Erstgericht sehr wohl mit dem Umstand auseinandergesetzt, daß die Agenden des Strafreferates der Bundespolizeidirektion Salzburg "nach Art einer Geschäftsverteilung" auf die Referenten nach Buchstaben aufgeteilt sind, diese Geschäftsverteilung aber offensichtlich nur auf dem Papier besteht, weil es jedem Strafreferenten ohne weiteres möglich ist, jeden beliebigen Akt an sich zu ziehen (US 4). Die Urteilsausführung, daß eine ‑ als Grundlage für die Einstellung eines Verwaltungsstrafverfahrens dienende ‑ Bestätigung der Fa.- P* "äußerst problematisch" erschien (US 8), betrifft keine entscheidende Tatsache, weil der Angeklagte wegen amtsmißbräuchlicher Führung dieses Verwaltungsstrafverfahrens gar nicht angeklagt war. Bei der Auseinandersetzung des Erstgerichtes mit der Verantwortung des Beschwerdeführers, daß die Herabsetzung von Strafen bei der Bundespolizeidirektion Salzburg üblich war, handelt es sich gleichfalls nicht um einen Ausspruch über eine entscheidende Tatsache, sodaß die Rüge der Annahme des Erstgerichtes, die Bundespolizeidirektion Salzburg habe diese Vorgangsweise nicht geduldet (US 15), schon aus diesem Grund ins Leere geht. Gleiches gilt für die Aufnahme des unwahren Parteienvorbringens des Helmut Z* ins Protokoll, daß er bisher bei der Polizei nicht nachteilig in Erscheinung getreten sei (US 6, 8), weil diese Protokollierung bloß der Deckung des Amtsmißbrauchs diente. Aus diesem Grunde bedurfte es auch keiner Auseinandersetzung mit der Verantwortung des Angeklagten, er müsse in das Protokoll hineinschreiben, was der Beschuldigte begehre. Im übrigen erweist sich die Urteilsausführung, daß sich der Angeklagte "einer bewußt falschen Protokollierung bedient" hat, nicht als undeutlich, weil aus den vorangegangenen Ausführungen und dem Zusammenhang eindeutig zu ersehen ist, daß das Erstgericht eine dem Wissen des Angeklagten um die Unrichtigkeit des Parteienvorbringens nicht Rechnung tragende Art der Protokollierung zum Ausdruck bringen wollte.

In Ausführung der Rechtsrüge (Z 9 lit a) vertritt der Beschwerdeführer die Auffassung, er habe im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens gehandelt, sodaß es jedenfalls an der subjektiven Tatseite des Amtsmißbrauchs mangle, wobei er darüber hinaus noch Feststellungsmängel geltend macht. Er läßt hiebei außer acht, daß das Erstgericht den Befugnismißbrauch in der unvertretbar milden Erledigung der Verwaltungsstrafverfahren erblickte, die der Angeklagte aktenmäßig durch die bewußt wahrheitswidrige Protokollierung des Beschuldigtenvorbringens, bislang bei der Polizei nicht negativ in Erscheinung getreten zu sein, zu rechtfertigen suchte.

Grundlage für die Strafbemessung im Verwaltungsstrafverfahren ist die Bestimmung des § 19 VStG. Nach dem § 19 Abs 2, erster und dritter Satz, VStG sind im ordentlichen Verfahren ‑ neben den im Abs 1 erwähnten Erwägungen ‑ die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs‑ und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen, wobei die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sinngemäß anzuwenden sind. Gemäß dem § 21 Abs 1, erster Satz, VStG kann die Behörde sogar ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Von einem geringfügigen Verschulden kann aber dann nicht mehr die Rede sein, wenn auf der gleichen schädlichen Neigung beruhende Vorstrafen vorliegen (Ringhofer, Verwaltungsverfahrensgesetze II (1992), § 21 VStG ENr 25 und 26). Das Verwaltungsstrafverfahren ist vom Untersuchungsgrundsatz beherrscht, wobei die Verwaltungsstrafbehörde zur Erforschung der materiellen Wahrheit verpflichtet ist (Ringhofer, aaO, § 25 VStG ENr 12). In diesem Sinne ist die Behörde dazu verhalten, das Vorliegen vom Beschuldigten behaupteter mildernder Umstände zu prüfen (Ringhofer, aaO, § 19 VStG ENr 107 = VwSlg 929/F/1954).

Indem der Beschwerdeführer die Unbescholtenheit der jeweiligen Beschuldigten seiner Entscheidung im Verwaltungsstrafverfahren zugrunde legte, obwohl ihm die Unrichtigkeit des diesbezüglichen Parteienvorbringens bekannt war, hat er die ihm als Strafreferent der Bundespolizeidirektion Salzburg eingeräumte Strafbefugnis wissentlich mißbraucht und die Republik Österreich in ihren konkreten Rechten auf Strafverfolgung ‑ in den Fällen der Einstellung des Strafverfahrens gemäß dem § 21 VStG ‑ bzw. auf Verhängung einer angemessenen Strafe vorsätzlich geschädigt. Das Erstgericht hat daher zu Recht das festgestellte Verhalten des Angeklagten der Strafnorm des § 302 Abs 1 StGB unterstellt.

Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach dem § 302 Abs 1 StGB eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten, deren Vollzug es nach dem § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachsah. Bei der Strafbemessung war erschwerend die mehrfache Wiederholung der strafbaren Handlung, mildernd hingegen die bisherige Unbescholtenheit.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte die Herabsetzung der Freiheitsstrafe unter Anwendung des § 41 StGB, allenfalls die Verhängung einer bedingt nachzusehenden Geldstrafe an Stelle der Freiheitsstrafe an.

Auch die Berufung ist nicht berechtigt.

Die Strafzumessungsgründe wurden in erster Instanz richtig und vollständig festgestellt. Weitere Milderungsgründe wurden vom Berufungswerber nicht aufgezeigt und liegen auch nicht vor. Die Voraussetzungen für eine außerordentliche Strafmilderung nach dem § 41 StGB sind ‑ unabhängig davon, ob beim Angeklagten begründete Aussicht auf ein künftiges Wohlverhalten besteht ‑ schon deshalb nicht gegeben, weil der vom Erstgericht angenommene Milderungsgrund den Erschwerungsgrund der Tatwiederholung seinem Gewichte nach nicht beträchtlich überwiegt. Damit kommt aber eine Herabsetzung der in der Höhe des gesetzlichen Mindestmaßes verhängten Freiheitsstrafe nicht in Betracht.

Wie schon das Erstgericht richtig erkannte, sprechen bei diesem besonders gelagerten Fall sowohl spezial‑ als auch generalpräventive Erwägungen gegen die Anwendung des § 37 StGB.

Somit mußte auch der Berufung ein Erfolg versagt werden.

Der Kostenausspruch stützt sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

 

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