OGH 11Os102/93

OGH11Os102/9328.7.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. Juli 1993 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachner, Dr. Hager, Dr. Schindler und Dr. Mayrhofer als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kobinger als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Balasz F***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des minderschweren Raubes nach dem § 142 Abs 1 und 2 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Balasz F***** gegen das Urteil des Jugendgerichtshofes Wien als Jugendschöffengericht vom 18. Mai 1993, GZ 4 a Vr 1685/92-23, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Balasz F***** wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, hinsichtlich dieses Angeklagten, sowie gemäß dem § 290 Abs 1 StPO auch hinsichtlich des Angeklagten Christian R***** in seinem Schuldspruch wegen des Verbrechens des minderschweren Raubes nach dem § 142 Abs 1 und Abs 2 StGB und demgemäß auch im Strafausspruch sowie der Beschluß auf Absehen vom Widerruf der im Verfahren AZ 4 aE Hv 108/92 des Jugendgerichtshofs Wien (§ 494a Abs 1 Z 2 und Abs 7 StPO), gewährten bedingten Strafnachsicht werden aufgehoben; die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte Balasz F***** auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden - neben weiteren, unangefochten gebliebenen Schuldsprüchen - die Angeklagten Christian R***** und Balasz F*****des Verbrechens des Raubes nach dem § 142 Abs 1 und 2 StGB schuldig erkannt.

Darnach haben sie am 26. November 1992 in Wien 13, Versorgungsheimstraße 6 auf dem Gehsteig in bewußtem und gewollten Zusammenwirken als Beteiligte nach § 12 StGB dadurch, daß sie Christian Z***** einen Bargeldbetrag von 440 S wegnahmen, indem ihm Christian R***** die Geldtasche entriß und mit der Faust drohte, während Balasz F***** dabeistand, um jederzeit eingreifen zu können, wobei der Raub an einer Sache geringen Wertes und ohne Anwendung erheblicher Gewalt begangen wurde und die Tat nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat, dem Christian Z***** mit Gewalt gegen seine Person und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung weggenommen.

Rechtliche Beurteilung

Nur gegen diesen Schuldspruch richtet sich die lediglich auf die Z 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Balasz F*****, der Berechtigung zukommt.

Wie die Beschwerde zutreffend darlegt, fehlt es nämlich an ausreichenden und für den Schuldspruch wegen des Verbrechens des Raubes nach dem § 142 Abs 1 und Abs 2 StGB tragfähigen Feststellungen sowohl zur objektiven als auch zur subjektiven Tatseite und zur Frage der Beteiligung. Die Feststellung, Balasz F***** habe zwar nicht aktiv in das Raubgeschehen eingegriffen, sei jedoch - das Ganze eindeutig billigend - dabeigestanden und habe dem Opfer das Gefühl vermittelt, es mit zwei Gegnern zu tun zu haben, sagt über den Vorsatz des Balasz F*****ebensowenig aus wie die Tatsache, daß er nach der Tat einen Teil des geraubten Geldes an sich nahm.

Die Beschwerde weist aber auch zu Recht darauf hin, daß die erstrichterlichen Feststellungen die Beurteilung der Tat als Verbrechen des Raubes nach dem § 142 Abs 1 und Abs 2 StGB nicht zulassen. Die für die rechtsrichtige Subsumtion wesentliche Feststellung des angefochtenen Urteiles lautet: "Als er (das Opfer) ihnen seine Geldtasche zeigte, um ihnen zu beweisen, daß er kein Kleingeld habe, entnahm R***** daraus S 400 und meinte drohend zu Z*****, er solle es sich wieder holen, wenn er sich traue." Daraus ist weder festgestellt, welche Mittel (Gewalt gegen eine Person oder Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben) des Raubes von den Tätern eingesetzt wurden, noch läßt sich daraus eine gewaltsame Sachwegnahme oder eine Sachabnötigung durch imminente Drohung ableiten; die Feststellung läßt schließlich auch nicht erkennen, ob die erkennenden Richter vom Einsatz der Mittel des Raubes zum Zweck der Gewahrsamsverschiebung oder vom Einsatz der Drohung nach stattgehabter Gewahrsamsverschiebung ausgingen bzw. ob es überhaupt zum Einsatz dieser Mittel kam. Wenngleich Spruch und Gründe eine Einheit darstellen, kann dies nur für den Fall gelten, daß sie miteinander eine Einheit herzustellen vermögen und nicht, wie im vorliegenden Fall, zueinander im Widerspruch stehen. Die Formulierung des Spruches, wonach Christian R***** dem Raubopfer die Geldtasche entriß und mit der Faust drohte, steht mit der vorstehend wiedergegebenen Konstatierung, wonach das Opfer den Tätern seine Geldtasche gezeigt habe und R***** daraus 400 S entnahm, in unlösbarem (freilich als formaler Nichtigkeitsgrund iS des § 281 Abs 1 Z 5 StPO von Amts wegen nicht aufzugreifendem) Widerspruch, so daß eine Ergänzung der in den Urteilsgründen unzureichend getroffenen Tatsachenfeststellungen aus dem Spruch nicht möglich ist. Wenn daher im angefochtenen Urteil in rechtlicher Hinsicht ausgeführt wird, plötzliches Entreißen einer fremden Sache mit anschließender Drohung gegen den bisherigen Sachinhaber verwirkliche den Tatbestand des Raubes nach dem § 142 StGB, entbehren diese (an sich zutreffenden) rechtlichen Erwägungen einer entsprechenden Feststellungsgrundlage.

Da die aufgezeigten Feststellungsmängel den geltend gemachten Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 10 StPO begründen, war der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Balasz F***** Folge zu geben und der Schuldspruch wegen des Verbrechens des Raubes nach dem § 142 Abs 1 und 2 StGB - gemäß dem § 290 Abs 1 StPO auch in bezug auf den Angeklagten Christian R***** - ebenso aufzuheben wie der darauf beruhende Strafausspruch hinsichtlich der beiden Angeklagten und der (Balasz F***** betreffende) gemäß dem § 494a Abs 4 gemeinsam mit dem Urteil verkündete und ausgefertigte Beschluß auf Absehen des Widerrufs der im Verfahren AZ 4 aE Hv 108/92 des Jugendgerichtshofes Wien gewährten bedingten Strafnachsicht, verbunden mit der (gemäß § 55 Abs 3 StGB entbehrlichen) Anordnung, die Probezeit "an dieses Verfahren" anzugleichen.

Da der dargelegte materiell-rechtliche Nichtigkeitsgrund eine Verfahrenserneuerung in erster Instanz unumgänglich macht, war der Nichtigkeitsbeschwerde bei der nichtöffentlichen Beratung sofort Folge zu geben, zumal eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in der Sache selbst (mangels entsprechender Feststellungsbasis) noch nicht einzutreten hat (§ 285e StPO).

Mit seiner Berufung war der Angeklagte Balasz F***** auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

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