OGH 12Ns14/93

OGH12Ns14/9322.7.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 22.Juli 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Horak als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Brustbauer, Dr.Hager, Dr.Schindler und Mag.Strieder als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Weigl als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Rosemarie H***** wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 3, 148, 2.Fall und 15 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung, über die Erklärung der Verurteilten, sämtliche Richter des Landesgerichtes Leoben und des Oberlandesgerichtes Graz abzulehnen, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die pauschale Ablehnung aller Richter des Oberlandesgerichtes Graz ist nicht gerechtfertigt.

Zur Entscheidung über die Ablehnung des Landesgerichtes Leoben werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Die am 2.November 1947 geborene deutsche Staatsangehörige Rosemarie H***** verbüßt bis voraussichtlich 21.Jänner 1995 in der Strafvollzugsanstalt Schwarzau die über sie mit dem Urteil des Kreisgerichtes Leoben vom 13.Dezember 1990, GZ 10 Vr 84/89-220, verhängte sechsjährige Freiheitsstrafe (ON 288/IV).

In einer an den Bundesminister für Justiz gerichteten Eingabe vom 29. Dezember 1992 (ON 294/IV) beantragte sie unter Andeutung ihr angeblich widerfahrener Nachteile, "zur Wiederaufnahme meines Verfahrens die Zuständigkeit eines anderen (neutralen) Gerichtes zu bestimmen - außerhalb des Einflußbereiches des KG Leoben und OLG Graz". Anläßlich einer näheren Erörterung dieser Eingabe vor dem Bezirksgericht Neunkirchen (ON 306/IV) gab sie unter anderem zu Protokoll: "Ich lehne nicht nur sämtliche Richter des LG Leoben, sondern auch sämtliche Richter des OLG Graz und der ihm unterstellten Gericht[e] wegen Befangenheit ab". Zur Begründung ihres Antrages auf Ablehnung des gesamten Gerichtshofes zweiter Instanz verwies sie einerseits auf seinerzeitige, teilweise zwölf Jahre zurückliegende Schwierigkeiten mit namentlich genannten Richtern dieses Gerichtshofs, andererseits auf einen von einem dieser Richter abgelehnten Antrag und auf dessen (ihr durch Dritte zugetragene) angebliche Äußerung aus Anlaß ihres Berufungsverfahrens. Im übrigen befinde sich der Betreffende in einer derart hohen Position, daß sie befürchte, andere Richter seien teils aus Freundschaft oder Bekanntschaft, teils aus Respekt vor seiner Stellung ihr gegenüber voreingenommen oder könnten unsachlich motiviert entscheiden.

Die Ablehnung ist nicht gerechtfertigt.

Gemäß § 72 Abs. 1 StPO kann unter anderem der Beschuldigte Mitglieder des Gerichtes ablehnen, wenn er außer den in den §§ 67 bis 69 StPO bezeichneten Fällen (der Ausschließung) andere Gründe anzugeben und darzutun vermag, die geeignet sind, die volle Unbefangenheit des oder der Abgelehnten in Zweifel zu setzen. Diese Ablehnungsgründe müssen genau angegeben und nach Möglichkeit bescheinigt werden (§ 73 zweiter Satz StPO). Die Ablehnung eines Richters ist nur dann gerechtfertigt, wenn Umstände vorliegen, die aus objektiver Sicht zur Befürchtung Anlaß geben, der Abgelehnte könnte sich bei seiner Entscheidung von anderen als sachlichen Gründen leiten lassen (EvBl 1973/225 uva). Daraus folgt, daß Ablehnungserklärungen immer prozeßbezogen sein müssen, auf unsubstantiierte Pauschalvorwürfe ohne individuellen Gehalt - wie sie hier gegen die Gesamtheit der Richterschaft des Oberlandesgerichtes Graz vorgebracht werden - aber nicht einzugehen ist (13 Ns 24/92, 12 Ns 8/93, 14 Ns 9/93 uva).

Zur Entscheidung über die Ablehnungserklärung in Ansehung des gesamten Landesgerichtes Leoben ist das Oberlandesgericht Graz berufen (§ 74 Abs. 2 zweiter Halbsatz StPO).

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