OGH 3Ob504/93

OGH3Ob504/9314.7.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger, Dr.Angst, Dr.Graf und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch den Bundesminister für Finanzen, Graurheindorfer Straße 108, D-5300 Bonn, dieser vertreten durch Dr.Dorda, Brugger & Jordis, Rechtsanwälte-Partnerschaft, wider die beklagte Partei Dr.Günther F*****, wegen Unterlassung (Streitwert S 5,000.000,-) infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 23. Dezember 1992, GZ 12 R 212/92-5, womit der Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 15.September 1992, GZ 13 Cg 150/92-2, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde , folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß auch die durch das Erstgericht ausgesprochene Zurückweisung des gegen die beklagte Partei erhobenen Unterlassungsbegehrens aufgehoben und dem Erstgericht die Einleitung des gesetzlichen Verfahrens unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen wird.

Die Kosten des Rekursverfahrens und des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der klagende Staat erhob gegen den Beklagten die Klage auf Unterlassung von Verfügungen über das Vermögen eines Betriebes in Deutschland, einer Schweizer Aktiengesellschaft und einer österreichischen Gesellschaft mbH sowie auf Herausgabe eines bestimmten Sparbuches bei einem Kreditunternehmen in Österreich. Zur Sicherung ihrer Ansprüche hatte die klagende Partei die einstweilige Verfügung des Bezirksgerichtes Hietzing vom 27.Jänner 1992 zu 8 C 112/92 a erwirkt. Die klagende Partei berief sich zur Begründung der inländischen Gerichtsbarkeit und der Zuständigkeit für den Beklagten, dessen Wohnung in der Bundesrepublik Deutschland liegt, darauf, daß dieser Inhaber zweier derzeit vom Landesgericht für Strafsachen Wien verwahrter Sparbücher mit beträchtlichem Einlagestand sei.

Das Erstgericht wies die Klage zurück, weil keine inländische Gerichtsbarkeit bestehe. Es fehle eine hinreichende Nahebeziehung zum Inland. Da die klagende Partei behaupte, dem Beklagten stehe das Vermögen nicht zu, sei auch der Gerichtsstand nach § 99 JN nicht gegeben.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der klagenden Partei teilweise Folge. Es bestätigte die Zurückweisung des gegen den Beklagten gerichteten Unterlassungsbegehrens und hob im übrigen den Zurückweisungsbeschluß mit dem Auftrag an das Erstgericht zur Einleitung des gesetzlichen Verfahrens auf. Das Rekursgericht sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Das Rekursgericht vertrat die Ansicht, nur für das Herausgabebegehren gegen den Beklagten sei die inländische Gerichtsbarkeit anzunehmen. Nach der Indikationentheorie deute zwar das Vorliegen eines inländischen Gerichtsstandes darauf hin, daß die inländische Gerichtsbarkeit vorliege, doch sei nicht jeder Gerichtsstand stark genug, um ein ausreichender Anknüpfungspunkt zu sein. Die Mehrzahl der gesetzlichen Gerichtsstände enthalte aber zugleich eine ausreichende Inlandsbeziehung. Dies gelte auch für den Vermögensgerichsstand nach § 99 JN. Eines der beiden nach dem Vorbringen in der Klage im Inland befindlichen Sparbücher sei Gegenstand des Herausgabebegehrens. Es handle sich daher um den Streitgegenstand nach dem § 99 Abs 1 Fall 2 JN. Da aber der Klage mit hinlänglicher Deutlichkeit zu entnehmen sei, daß es sich bei dem zweiten Sparbuch um veruntreutes Vermögen handle, könne dieses Vermögen den Gerichtsstand nach § 99 Abs 1 Fall 1 JN nicht begründen. Auch eine Verfügungsmacht des Beklagten über dieses Sparbuch scheide aus, weil es sich in strafgerichtlicher Verwahrung befinden soll.

Zu der Frage, ob veruntreutes oder beschlagnahmtes Vermögen den Vermögensgerichtsstand bilde, fehle eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der klagenden Partei ist zulässig und berechtigt.

An den Obersten Gerichtshof herangetragen wird die Rechtsfrage des Verfahrensrechts, ob nach den Angaben in der Klage die inländische Gerichtsbarkeit und die örtliche Zuständigkeit des Erstgerichtes auch für das gegen den Beklagten erhobene Untersagungsbegehren gegeben ist, weil dieser zwar keinen Wohnsitz oder Aufenthalt (§ 67 JN) im Inland hat, aber "Inhaber" von zwei Sparbüchern ist, die sich zur Zeit in der Verwahrung des Landesgerichtes für Strafsachen Wien befinden.

Die klagende Partei führt zutreffend aus, daß ihre Behauptung, der Beklagte habe Vermögen des von ihm geführten Betriebes "veruntreut", der weiteren Behauptung, es stehe ihm die Verfügungsbefugnis über das zweite Sparbuch zu, wenn er diese auch für die Dauer der Wirksamkeit der Beschlagnahme nicht ausüben könne, nicht widerspricht. Die klagende Partei fordert vom Beklagten auch nicht die Herausgabe dieses, sondern eines anderen Sparbuches, so daß nach dem derzeitigen Stand nicht gesagt werden kann, das im Sprengel des Erstgerichtes vorhanden Sparbuch stelle keinen Vermögenswert dar, der den Gerichtsstand des Vermögens begründet. Das Sparbuch kann dem Beklagten zustehen, auch wenn er verpflichtet sein sollte, etwa unrechtmäßig an sich gebrachte Gelder zurückzustellen und dann auch die Exekution auf das Sparbuch zu dulden (vgl für den Fall eines gepfändeten oder verpfändeten Vermögens JBl 1975, 101). Es handelt sich auch um ein vom Klagsanspruch unabhängiges und durchaus nicht im Vergleich zum erhobenen vermögensrechtlichen Anspruch (vgl ZfVB 1979, 205 - Schwimann) geringwertiges Vermögen (vgl Fasching, Zivilprozeßrecht2 Rz 311; EvBl 1965/452; JBl 1975, 101; SZ 51/34; SZ 60/164 ua). Die die inländische Gerichtsbarkeit begründende Nahebeziehung zum Inland ergibt sich auch schon daraus, daß der Untersagungsanspruch und der Anspruch auf Herausgabe des im Inland befindlichen Sparbuches eng zusammenhängen.

Es ist daher auch für das Untersagungsbegehren gegen den Beklagten die Zurückweisung zu beheben und dem Erstgericht die Einleitung des gesetzlichen Verfahrens aufzutragen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 Satz 2 ZPO.

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