Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 12.247,20 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 2.041,20 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu zahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Beide Parteien sind Stickereiunternehmen und erzeugen ua Makramee-Spitzen. Bei den Mustern des Klägers Nr. 505, 603, 604 und 745 und den vergleichbaren Artikeln der Beklagten handelt es sich um maschinell erzeugte Makramee-Spitzen. Bei diesen Erzeugnissen werden in einem Karoraster verschiedene Muster eingearbeitet. Die Netzeinteilung der Karoraster ist als Grundlage für das hineingearbeitete Muster Allgemeingut, dh ein "Allerweltsmuster". Das in das Karo eingearbeitete Muster, das eigentliche Dessin, ist jeweils - mag es auch einfacher Natur sein - Produkt eines kreativen Vorganges. Der Kläger läßt seine Dessins von dem auf selbständiger Basis arbeitenden Stickereidesigner Helmut R***** entwerfen. Die Artikel Nr. 603 und 604 verkaufte ihm R***** am 27.5.1986, den Artikel Nr. 745 am 26.4.1988. Der Zeitpunkt des Verkaufes der Artikels Nr. 505 ist nicht feststellbar. Bei der Gestaltung der einzelnen Muster brachte R***** eigene Ideen ein; die Einarbeitung der Muster in ein Karo bedeutete allerdings nichts Neuartiges. Die Muster selbst sind eine individuelle Schöpfung Helmut R*****s, finden sich allerdings in ähnlicher Form seit vielen Jahren in Häkel- und Klöppelerzeugnissen, ua auch in Stickereierzeugnissen französischer Hersteller.
Der Kläger belieferte seit 1987/88 die - in der Bundesrepublik Deutschland ansässige - G***** GmbH mit rund 20 Artikeln, darunter auch den genannten Makramee-Spitzen. Dabei machte er einen Jahresumsatz von rund 6 Millionen S.
Ende 1990/Anfang 1991 entschloß sich die G***** GmbH, nachdem es zu Differenzen mit dem Kläger gekommen war, diese Zusammenarbeit einzustellen und die bisher vom Kläger gelieferten Makramee-Spitzen anderweitig zu beziehen. Sie lud daher verschiedene Unternehmen innerhalb und außerhalb Deutschlands, ua die Beklagte, zur Anbotslegung ein. Sie schickte der Beklagten einen Katalog mit Makramee-Mustern und fragte an, ob die Beklagte in der Lage sei, diese oder ähnliche Muster herzustellen. In der Anfrage hielt die G***** GmbH fest, daß sie mit dem bisherigen Lieferanten nicht zufrieden sei und daher zu einem anderen Erzeuger wechseln wolle. Obwohl Guntram D*****, der geschäftsführende Gesellschafter der Beklagten, der Auffassung war, daß es sich bei sämtlichen von der G***** GmbH vorgelegten Mustern um sogenannte "Allerweltsmuster" handle, legte er Wert darauf, daß im technisch möglichen Ausmaß Änderungen vorgenommen würden, um Schwierigkeiten mit dem ihm damals noch nicht bekannten Erzeuger zu vermeiden; der Grundcharakter der Muster sollte allerdings beibehalten werden. Die von der Beklagten auf Skizzen dargestellten Änderungen wurden von der G***** GmbH akzeptiert.
Anfang März 1991 stellte der Kläger bei einem Lohnsticker, der für die Beklagte einen Musterkupon anfertigte, fest, daß Ware hergestellt wurde, die seinen Artikeln sehr ähnlich war. Hierauf wandte er sich an die Beklagte und veranlaßte eine Aussprache, an welcher seitens der Beklagten deren Verkaufsleiter Günther S***** und deren Angestellter und Gesellschafter Uwe D***** teilnahmen. Ob der Kläger damals der Beklagten seine Zustimmung erteilte, die G***** GmbH mit den Nachahmungen seiner Muster zu beliefern, nicht aber andere Firmen in Österreich oder im Ausland, kann nicht festgestellt werden.
Über den Begriff "Allerweltsmuster" bestehen in Fachkreisen unterschiedliche Auffassungen. Ein "Allerweltsmuster" kommt dann zustande, wenn ein offensichtlich ansprechendes und gut zu vermarktendes Originalmuster besteht und es sich um ein verhältnismäßig simples und produktionstechnisch billig herzustellendes Muster handelt. Bei Anwendung dieser Begriffsbestimmung sind die genannten Artikel des Klägers nicht als "Allerweltsmuster" einzustufen. Die hier strittigen Muster können praktisch übereinandergelegt werden, wobei lediglich in unwesentlichen Teilen Unterschiede bestehen, dh von der Beklagten Abänderungen vorgenommen wurden. Beim Muster Nr. 505 verwendete die Beklagte eine Fünferblüte statt einer Viererblüte beim oberen Randabschluß, ein anderes Stickelement beim Bogenabschluß und einen Blattstich im Zentrum des quadratischen Effektes statt eines Geflechtes. Bei den Mustern Nr. 603 und 604 ersetzte die Beklagte die Kreuzbollen des oberen Randabschlusses durch kleine Bogen und den runden Blattstichbollen mit Randeinfassung im Zentrum des quadratischen Effektes durch ein Quadrat. Bei Muster Nr. 745 arbeitete die Beklagte im Zentrum des Musters (stilisierte Blume) einen Quersteg ein.
Der Kläger hat den Musterschutzschiedsvertrag für das Vorarlberger Stickerei- und Spitzenerzeugungsgewerbe nicht unterschrieben; er ließ die mehrfach erwähnten Makramee-Muster nicht registrieren.
Mit der Behauptung, daß die Beklagte bestimmte Muster des Klägers, obwohl eine unbeschränkte Fülle von Gestaltungsmöglichkeiten und Motiven zur Verfügung stehe, also ohne sachliche Notwendigkeit, sklavisch nachgeahmt und ihm damit aus seinem Geschäft mit der G***** GmbH hinausgedrängt habe, begehrt der Kläger, die Beklagte schuldig zu erkennen, im geschäftlichen Verkehr das Nachahmen der von ihm entwickelten Stickereimuster sowie das Herstellen und Vertreiben von Stickereien, die seinen Mustern Nr. 505, 603, 604 und 745 verwechselbar ähnlich sind, zu unterlassen.
Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Der Kläger genieße keinen Schutz nach dem Musterschutzgesetz. Die Muster des Klägers seien überdies Allerweltsmuster, die schon seit vielen Jahren erzeugt und in zahlreichen Kollektionen zum Verkauf angeboten wurden; sie seien daher nicht schutzfähig. Im Hinblick auf gravierende Unterschiede fehle es an einer sklavischen Nachahmung.
Der Erstrichter wies das Klagebegehren ab. Für die Beklagte seien im Hinblick auf die Bestellung der G***** GmbH Abänderungen nur in sehr eingeschränktem Umfang möglich gewesen. Da ihr unter diesen Umständen keine große Fülle von Gestaltungsmöglichkeiten zur Verfügung gestanden sei, verstoße ihre Handlungsweise nicht gegen die guten Sitten.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei. Auf einen Sonderrechtsschutz, etwa nach dem Musterschutzgesetz, habe sich der Kläger nicht berufen. Das Nachahmen fremder Erzeugnisse, die keinen Sonderschutz genießen, sei grundsätzlich erlaubt. Wettbewerbsrechtlich verboten sei ein solches Nachahmen nur dann, wenn es unter Begleitumständen geschieht, aus denen sich die Sittenwidrigkeit der Handlung ergibt. Diese Voraussetzung liege hier nicht vor. Die Beklagte habe mit den nachgemachten Mustern nicht geworben und sie auch nicht an einen unbestimmten Abnehmerkreis veräußert, sondern lediglich auf Bestellung eines bestimmten Kunden die von diesem beigestellten Muster nachgemacht. Im Hinblick auf die Vorgabe der G***** GmbH sei es der Beklagten nicht möglich gewesen, auf eine unbeschränkte Fülle von Gestaltungsmöglichkeiten und Motiven zurückzugreifen.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die Urteile der Vorinstanzen dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren stattgegeben wird; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Wie schon das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist das Nachahmen eines fremden Produktes, das - wie die Makramee-Spitzen des Klägers - keinen Sonderschutz - etwa nach dem Markenschutzgesetz, dem Urheberrechtsgesetz, dem Musterschutzgesetz oder als Unternehmenskennzeichen - genießt, an sich nicht wettbewerbswidrig (ÖBl 1991, 213; MR 1993, 72 uva). Aus der gesetzlichen Anerkennung besonderer ausschließlicher Rechte für technische und nichttechnische geistige Schöpfungen folgt ja zwingend, daß die wirtschaftliche Betätigung des einzelnen außerhalb der geschützten Sonderbereiche frei sein soll. An diese sowohl im Interesse der Mitbewerber als auch im Interesse der Allgemeinheit getroffene Entscheidung ist die wettbewerbsrechtliche Beurteilung gebunden (Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht17, 557 f Rz 439 zu § 1 dUWG). Jeder muß daher die Ergebnisse seiner Arbeit, mag er sie mit noch so viel Mühe und Kosten erreicht haben, der Allgemeinheit im Interesse des Fortschrittes zur Verfügung stellen, soweit kein Sonderrechtsschutz besteht. Sein Vorteil im Wettbewerb liegt in dem natürlichen Vorsprung, den er vor seinen Mitbewerbern dadurch gewinnt, daß sie ihn erst wieder durch eine nachahmende Leistung ausgleichen müssen, was keineswegs immer so einfach ist und oftmals ebenfalls Mühe und Kosten erfordert (Baumbach-Hefermehl aaO 585 Rz 495; MR 1993, 72). Ein Verstoß gegen § 1 UWG ist aber (nur) dann anzunehmen, wenn im Einzelfall besondere Umstände hinzutreten, aus denen sich die Sittenwidrigkeit der Handlung ergibt (Baumbach-Hefermehl aaO 558 f Rz 440; ÖBl 1991, 213; MR 1993, 72 uva).
Der häufigste Fall der sittenwidrigen Nachahmung einer fremden Leistung ist die "vermeidbare Herkunftstäuschung" (Schönherr in ÖBl 1980, 70; Baumbach-Hefermehl aaO 563 ff Rz 450 ff; ÖBl 1991, 209; ÖBl 1991, 213; MR 1992, 72 uva). Ihre Voraussetzungen liegen aber entgegen den Revisionsausführungen nicht vor:
Der Tatbestand der "vermeidbaren Herkunftstäuschung" ist dadurch gekennzeichnet, daß der Nachahmende das Vorbild nicht nur als Anregung zu eigenem Schaffen benützt, sondern seinem Produkt ohne ausreichenden Grund die Gestaltungsform eines fremden Erzeugnisses gibt und dadurch die Gefahr von Verwechslungen hervorruft. Entscheidend ist, daß eine bewußte Nachahmung vorliegt, daß damit die Gefahr von Verwechslungen herbeigeführt wird und daß schließlich eine andersartige Gestaltung zumutbar gewesen wäre (ÖBl 1991, 213 mwN).
Wie schon die Vorinstanzen zutreffend erkannt haben, liegt die Besonderheit des hier zu beurteilenden Falles darin, daß die Beklagte auf Bestellung eines Dritten - der G***** GmbH - gearbeitet hat. Ganz abgesehen davon, daß schon aus diesem Grund - worauf die Vorinstanzen hingewiesen haben - keine Rede davon sein kann, die Beklagte hätte eine unbeschränkte Fülle von Gestaltungsmöglichkeiten zur Auswahl gehabt, fehlt es auch an einer Herkunftstäuschung, weil ihre Abnehmerin, die G***** GmbH, über die Herkunft genau Bescheid wußte. Daß aber Letztverbraucher getäuscht würden, hätte zur Voraussetzung, daß die einzelnen Erzeugnisse nicht nur als Waren der G***** GmbH, sondern auch als Produkte des einzelnen Stickereiunternehmens gekennzeichnet sind; das hat aber der Kläger nicht einmal behauptet.
Wollte man der Rechtsansicht des Klägers zustimmen, dann würde das bedeuten, daß, wer als erster ein bestimmtes Erzeugnis verwendet, das keinerlei Sonderrechtsschutz, insbesondere nach dem Musterschutzgesetz für sich in Anspruch nehmen kann, dennoch jeden anderen daran hindern könnte, sein unter keinem gesetzlichen Schutz stehendes Produkt nachzumachen; damit würde etwa der Kläger gegenüber der G***** GmbH eine Monopolstellung erlangen. Das widerspräche aber dem Grundsatz der Nachahmungsfreiheit. Die Beklagte war also durchaus berechtigt, auf entsprechende Bestellung der G***** GmbH nach solchen Mustern zu erzeugen, wie sie vorher der Kläger benutzt hatte.
Auch andere Umstände, die das Verhalten der Beklagten sittenwidrig erscheinen ließen, liegen nicht vor:
Der Kläger hat, wie er selbst vorgebracht hat (S. 2), mit seinen Mustern durch Jahre hindurch einen Umsatz von jährlich rund 6 Millionen S gemacht. Bei dieser Sachlage kann keine Rede davon sein, daß die Beklagte sein ungeschütztes Arbeitsergebnis nicht bloß als Anregung zu eigenem Schaffen benützt, sondern es ohne zwingenden Grund in identischer oder nahezu identischer Form nachgemacht hätte, um den Mitbewerber in unbilliger Weise um die Früchte seiner Arbeit zu bringen und ihn zu schädigen (Baumbach-Hefermehl aaO 589 f Rz 506; MR 1993, 72). Darauf hat sich der Kläger auch nicht berufen.
Den Entscheidungen SZ 33/133 und ÖBl 1967, 10 lagen andere Sachverhalte zugrunde; auch dort war es zwar um das Nachahmen von Stickereimustern gegangen, nicht aber um Arbeit auf Bestellung.
Ob etwas als verwerflich und damit sittenwidrig gilt, ist keine Tat-, sondern eine Rechtsfrage, über welche ausschließlich das Gericht entscheidet (SZ 27/301; ÖBl 1970, 130 ua). Irgendwelche Beweisaufnahmen darüber, ob die (Vorarlberger) Stickereierzeuger das Nachahmen von Stickereimustern als "unfair, unschön und nicht recht" empfinden, kommen daher nicht in Frage. Soweit sich die Klägerin auf SZ 33/133 - in welchem Fall die Vorinstanzen eine entsprechende Feststellung getroffen hatten - beruft, ist zunächst darauf zu verweisen, daß das dort behandelte Nachahmen eine vermeidbare Herkunftstäuschung bedeutet, also einen Sachverhalt betroffen hatte, der auch nach der Rechtsprechung gegen die guten Sitten verstößt. Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß es wenig hilft, nur auf das Anstandsgefühl der Durchschnittsgewerbetreibenden und der Allgemeinheit abzustellen; der Begriff der guten Sitten im Sinne des § 1 UWG muß auch von der Funktion des Wettbewerbs und dem Schutzzweck des Wettbewerbsrechtes aus verstanden werden (Baumbach-Hefermehl aaO 370 Rz 2 zu § 1 dUWG), welcher Wettbewerbsfreiheit voraussetzt. Wettbewerbseigen ist eine Wettbewerbshandlung, wenn sie dem Sinn und Zweck des Wettbewerbs entspricht; wettbewerbsfremd ist sie, wenn sie ihm widerspricht (Baumbach-Hefermehl aaO 130 Rz 70 EinlUWG). Das Verhalten der Beklagten, die sich auf entsprechende Anfrage bereit erklärt hat, für die G***** GmbH bestimmte - keinem Sonderrechtsschutz unterliegende - Produkte herzustellen, steht aber voll im Einklang mit den Grundsätzen des freien Wettbewerbs.
Diese Erwägungen führen zur Bestätigung des angefochtenen Urteils.
Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
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