OGH 14Os107/93

OGH14Os107/9313.7.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 13.Juli 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Walenta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Lachner, Hon.Prof.Dr.Brustbauer, Dr.Massauer und Mag.Strieder als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kobinger als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Erich F***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 16.März 1993, GZ 5 Vr 133/93-29, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch laut Punkt I/1 und 2 sowie II, III und IV des Urteilssatzes, ferner gemäß § 290 Abs. 1 StPO im Ausspruch über den (25.000 S übersteigenden) Wert des laut Punkt V veruntreuten Gutes (von 26.928 S) und in der darauf beruhenden rechtlichen Beurteilung der Veruntreuung auch nach § 133 Abs. 2 erster Fall StGB sowie demgemäß im gesamten Strafausspruch und im Adhäsionserkenntnis aufgehoben; die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen - auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch enthaltenden - Urteil wurde Erich F***** der Verbrechen (I/1.) der Vergewaltigung nach § 201 Abs. 2 StGB, (I/2.) der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 1 StGB sowie der Vergehen (II.) des Diebstahls nach § 127 StGB, (III.) des unbefugten Gebrauches von Fahrzeugen nach § 136 Abs. 1 und Abs. 2 StGB, (IV.) der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB, (V.) der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1 und Abs. 2 erster Fall StGB und (VI.) der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er in Graz

I. am 24.Dezember 1991 Helga P*****

1. außer dem Fall des § 201 Abs. 1 StGB durch Versetzen von Schlägen und Ohrfeigen, sohin mit Gewalt, zur Vornahme einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung, nämlich zur Durchführung eines Oralverkehrs, und zur Duldung des Beischlafes genötigt;

2. durch die Äußerung: "Wenn du davon etwas der Polizei erzählst, bringe ich dich um", sohin durch gefährliche Drohung mit dem Tod, zu einer Unterlassung zu nötigen versucht;

II. am 24.Dezember 1991 der Helga P***** fremde bewegliche Sachen, nämlich 300 S Bargeld, mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern;

III. am 24.Dezember 1991 ein Fahrzeug, das zum Antrieb mit Maschinenkraft eingerichtet ist, nämlich den PKW mit dem amtlichen Kennzeichen G 96 LAb, ohne Einwilligung der Berechtigten Helga P***** in Gebrauch genommen, wobei er sich die Gewalt über das Fahrzeug durch den widerrechtlich an sich genommenen Fahrzeugschlüssel, demnach durch eine der im § 129 StGB geschilderten Handlungen verschaffte;

IV. zwischen dem 24. und 26.Dezember 1991 eine Urkunde, über die er nicht verfügen durfte, nämlich den Reisepaß der Helga P***** durch Beiseiteschaffen mit dem Vorsatz unterdrückt, zu verhindern, daß die Urkunde im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werde;

V. von einem nicht näher bekannten Zeitpunkt an bis 17.Dezember 1991 in Graz als Tankwart der Brüder R*****-GesmbH sich ein ihm anvertrautes Gut mit unrechtmäßigem Bereicherungsvorsatz zugeeignet, nämlich Erlöse aus dem Verkauf von Waren des B*****-Shop und Wechselgeld im Betrag von (insgesamt) 26.928 S;

VI. am 15.Mai 1992 Marion R***** durch Verdrehen der linken Hand und Versetzen eines Schlages ins Gesicht vorsätzlich am Körper verletzt (mehrere Tage Handschmerzen, Prellung im Gesicht).

Rechtliche Beurteilung

Der Sache nach nur den Schuldspruch wegen der an Helga P***** begangenen Straftaten (Punkt I bis IV des Urteilssatzes) bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 5, 5 a und 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Schon der Mängelrüge (Z 5) kommt Berechtigung zu. Zur Widerlegung der Verantwortung des (die in Rede stehenden Tathandlungen leugnenden) Angeklagten, er habe in der Nacht zum 24.Dezember 1991 der damals unter Alkoholeinwirkung gestandenen Helga P***** in deren PKW im Verlauf eines Streites lediglich einige Ohrfeigen versetzt, wonach es auf Grund ihrer Einladung in der Wohnung, "im gegenseitigen Einverständnis" zu einem Geschlechtsverkehr gekommen sei, stützte sich das Erstgericht in erster Linie auf die Zeugenaussage der Helga P*****, deren Bekundungen in eindeutiger Weise für die Tathandlungen des Angeklagten sprächen; bei der Zeugin hinsichtlich des "genauen Ablaufes" der Ereignisse aufgetauchte "Erinnerungslücken" führte das Gericht auf die seit der Tat verstrichene Zeit und auf ein bei "Opfern von Sexualdelikten" zu beobachtendes Bemühen zurück, "die geschehene Tathandlung zu verdrängen" (US 12).

Mit Recht macht die Beschwerde in diesem Zusammenhang unter dem Gesichtspunkt einer Unvollständigkeit der Urteilsgründe (Z 5) geltend, das Erstgericht habe sich mit wesentlichen gegen die Glaubwürdigkeit der Zeugin P***** sprechenden Widersprüchen in ihren Aussagen nur unzureichend auseinandergesetzt. So ließ das Schöffengericht völlig unerörtert, daß die genannte Zeugin - deren Angaben gegenüber der Polizei (S 12 ff) und vor dem Untersuchungsrichter am 28.Feber 1992 und 28.Jänner 1993 (S 37 ff) bereits zahlreiche Widersprüche hinsichtlich des Tatablaufes aufweisen und (ua) den Passus enthalten, daß sie den Angeklagten "wegen der Vergewaltigung eigentlich gar nicht anzeigen wollte und ihm auch nicht so furchtbar böse" gewesen sei (S 39 b) - in der Hauptverhandlung, nachdem die Öffentlichkeit ausgeschlossen worden war, ausdrücklich erklärte, sie habe "das - nämlich den Mundverkehr - freiwillig gemacht" (S 149), wobei sie auch in der Folge noch zweimal darauf hinwies, die "Tathandlung des Angeklagten nicht als Vergewaltigung empfunden" zu haben (S 155).

Wenn auch das Gericht nach § 258 Abs. 2 StPO in seiner Beweiswürdigung frei ist, hat es doch im Urteil - bei sonstiger Nichtigkeit - darzulegen, wie es über die seinen Feststellungen entgegenstehenden Beweisergebnissen hinweggekommen ist und, wenn es sich für die Glaubwürdigkeit der Aussage eines Zeugen entscheidet, in der Begründung auch anzugeben, warum es in die entgegengesetzte Richtung weisende Resultate des Beweisverfahrens für belanglos oder weniger überzeugend hält. Dieser Verpflichtung ist der Schöffensenat vorliegend nicht nachgekommen. Der dem Erstgericht solcherart wegen Unvollständigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen unterlaufene Begründungsmangel macht das Urteil nicht nur im Schuldspruch wegen des Verbrechens der Vergewaltigung (Punkt I/1), sondern wegen des im wesentlichen einheitlichen Vorganges und des daraus resultierenden untrennbaren Zusammenhanges (§ 289 StPO) auch hinsichtlich der übrigen die Zeugin P***** betreffenden Schuldsprüche (Punkt I/2-IV) nichtig nach der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO.

Aus den dargelegten Gründen war daher das angefochtene Urteil in diesem Umfang schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zu kassieren (§ 285 e StPO), ohne daß es noch einer Erörterung des weiteren Beschwerdevorbringens bedurfte.

Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde mußte sich der Oberste Gerichtshof aber auch davon überzeugen, daß bei dem - unbekämpft gebliebenen - Schuldspruch wegen des Vergehens der Veruntreuung (Punkt V) das Gesetz in Ansehung die Wertqualifikation nach § 133 Abs. 2 erster Fall StGB zum Nachteil des Angeklagten unrichtig angewendet wurde (§ 290 Abs. 1 StPO). Das Erstgericht unterließ nämlich ersichtlich auf Grund der unrichtigen Rechtsauffassung, die Einbehaltung des Lohnbetrages von 5.206 S seitens des durch die Tathandlung laut Punkt V des Urteilssatzes geschädigten Dienstgebers (Martin R*****) sei für die rechtliche Subsumtion unbeachtlich (US 17), Feststellungen darüber, ob der Angeklagte insoweit mit - unrechtmäßigen Bereicherungsvorsatz ausschließenden (vgl. Mayerhofer-Rieder StGB3, ENr. 86, 86 a zu § 133 StGB) - Aufrechnungswillen handelte. Tragfähige Feststellungen in diese Richtung waren angesichts der Verantwortung des Angeklagten geboten, der sich in der Hauptverhandlung (S 128) im Sinn des Punktes V der Anklage, sohin nur der Veruntreuung von 21.722 S schuldig bekannte und damit hinsichtlich des zuvor bezeichneten Mehrbetrages die bisherigen Angaben (S 83) über seinen Aufrechnungswillen bezüglich der eigenen Lohnforderung gegen den Arbeitgeber aufrechterhielt.

Der solcherart gegebene Feststellungsmangel nötigt in amtswegiger Wahrnehmung des Nichtigkeitsgrundes nach § 281 Abs. 1 Z 10 StPO (auch) zur Aufhebung der (den Schuldspruch Punkt V betreffenden) Wertqualifikation nach § 133 Abs. 2 erster Fall StGB.

Es war daher nach Anhörung der Generalprokuratur wie im Spruch zu erkennen.

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