OGH 9ObA114/93

OGH9ObA114/938.7.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes HonProf. Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Mag.Dr.Gerold Traxler und Olga Makomaski als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Reinhard R*****, Elektriker, ***** vertreten durch Dr.Markus Orgler und Dr.Josef Pfurtscheller, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagte Partei Brigitte C***** GmbH & Co. KG, ***** vertreten durch Dr.Franz Kriftner, Rechtsanwalt in Linz, wegen Anfechtung einer Kündigung (Streitwert RAT 300.000 S; GGG 15.000 S), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 4.Februar 1993, GZ 13 Ra 76/92-35, womit infolge Berufung des Klägers das Urteil des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 12. Mai 1992, GZ 14 Cga 76/91-24, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Der Kläger ist schuldig, der beklagten Partei die mit 12.247,20 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 2.041,20 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war bei der Beklagten seit 21.5.1990 beschäftigt. Der Kläger wurde nach Beschäftigung bei mehreren Unternehmen, unter anderem auch der Firma S***** in Schwechat, zuletzt der Firma E***** für eine Tätigkeit in Innsbruck überlassen; diese Beschäftigung endete am 15.4.1991.

Nach Gesprächen mit der Beklagten unter Einschaltung des ÖGB ab September 1990 machte der Kläger am 15.1.1991 Entgeltansprüche im Gesamtbetrag von 38.770,70 S brutto sA für die Zeit vom Juni bis August 1991 gegen die Beklagte gerichtlich geltend. Das Verfahren ist noch nicht beendet, inzwischen wurden dem Kläger aber 15.376,36 S brutto sA rechtskräftig zuerkannt. Nach Einbringung der Klage waren diese Entgeltansprüche nicht mehr Gegenstand der Gespräche zwischen dem Kläger und dem Personalleiter der Beklagten.

Im März 1991 verständigte der Personalleiter der Beklagten den Kläger, daß in Zukunft die Abrechnung der Trennungs- und Nächtigungsgelder wegen neuer gesetzlicher Regelungen geändert werde. In Zukunft sollten dem Kläger (im Hinblick auf seinen Wohnsitz in Imst) für die Beschäftigung in Innsbruck keine Auslösen mehr zustehen. Der Kläger lehnte diese Änderung seines Arbeitsvertrages ab und verweigerte die Unterfertigung eines entsprechend geänderten Dienstzettels. Gleichzeitig stellte die Beklagte dem Kläger einen Arbeitsplatz in Niederösterreich in Aussicht, den der Kläger ablehnte. An diesem Arbeitsplatz wären dem Kläger auch nach der von der Beklagten angestrebten Neuregelung der Diäten Auslösen zugestanden. Bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat die Beklagte die vereinbarten Auslösen stets gezahlt. Da der Kläger bis 22.4.1991 den Lohn für März 1991 noch nicht erhalten hatte, wandte er sich an den ÖGB, der am 22.4.1991 in Vertretung des Klägers die Beklagte mit Telefax zur Zahlung binnen fünf Tagen aufforderte und gleichzeitig mitteilte, daß die von der Beklagten beabsichtigte Kürzung der Ansprüche des Klägers, insbesondere der Auslösen, rechtswidrig erfolge und alle Ansprüche in der bisherigen Höhe weiter zu zahlen seien. Dieses Telefax nahm der Personalleiter der Beklagten zum Anlaß, den Kläger am 24.4.1991 schriftlich zum 10.5.1991 zu kündigen. Der Lohn für März 1991 wurde dem Kläger innerhalb der gesetzten Nachfrist gezahlt.

Ausschlaggebendes Motiv für die Kündigung des Klägers durch die Beklagte war seine Weigerung, der von der Beklagten aus steuerrechtlichen Gründen verlangten Änderung seines Dienstvertrages in bezug auf die Auslagenersätze zuzustimmen. Diese waren in Punkt III Z 2 des vom Kläger unterfertigten Dienstzettels vom 16.5.1990 wie folgt geregelt:

"Darüber hinaus hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Auslagenersätze. Diese betragen für Nächtigungen bei einem Arbeitseinsatz, der an einem Ort stattfindet, der mehr als 30 km vom Firmensitz des Arbeitgebers entfernt ist, pro Nacht 105 S. Ferner für Verpflegung bei Arbeitseinsätzen, die an einem Ort stattfinden, der mehr als 30 km vom Firmensitz des Dienstgebers entfernt ist, täglich 340 S. Anspruch auf Auslagenersätze besteht ab 7,7 geleisteten Arbeitsstunden pro Tag. Wenn eine Heimreise für den Arbeitnehmer zum Wochenende zumutbar ist (bis 30 km Entfernung vom Firmensitz des Arbeitgebers), wird für Samstag und Sonntag keine Aufwandentschädigung für Nächtigung und Verpflegung vom Arbeitgeber bezahlt..."

Die von der Beklagten gewünschte Neuregelung des Auslagenersatzes lautete wie folgt:

"III. Z 2

Arbeitet der Arbeitnehmer so weit weg von seinem ständigen Wohnort (Familienwohnsitz), daß ihm eine tägliche Rückkehr an seinen Wohnort (Familienwohnsiz) nicht zugemutet werden kann, hat der Arbeitnehmer darüber hinaus Anspruch auf Aufwandsentschädigung. Die tägliche Rückkehr ist dann unzumutbar, wenn die Fahrtdauer (öffentliches Verkehrsmittel mit Wegzeit) für die einfache Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte (Einsatzort) eine Stunde überschreitet. Ist die Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels nicht möglich, verkehrt auf der Strecke Wohnung-Einsatzort kein öffentliches Verkehrsmittel oder ist die Benützung des öffentlichen Verkehrsmittels realitätsfremd (zB große Umwege), ist die Fahrzeit nach dem tatsächlich benützten Verkehrsmittel zu bewerten. Bei Unzumutbarkeit der täglichen Rückkehr an seinen ständigen Wohnort (Familienwohnsitz) hat der Arbeitnehmer Anspruch auf das kollektivvertraglich vorgesehe Nächtigungsgeld, wenn vom Arbeitgeber oder vom Beschäftiger nicht in angemessener Weise die Nächtigung ermöglicht wird. Wird vom Arbeitgeber oder vom Beschäftiger eine Schlafstelle zur Verfügung gestellt, besteht kein Anspruch auf Nächtigungsgeld. Bei Unzumutbarkeit der täglichen Rückkehr an seinen ständigen Wohnort (Familienwohnsitz) hat der Arbeitnehmer weiters Anspruch auf das kollektivvertraglich vorgesehene Tagesgeld (Kosten für Verpflegung etc)....

Ist eine Heimreise für den Arbeitnehmer zum Wochenende zumutbar, wird für solche Zeiten (Samstag, Sonntag bzw unmittelbar daran anschließende arbeitsfreie Tage) kein Auslagenersatz bezahlt. Zumutbarkeit liegt vor, wenn a) die Fahrtdauer (einfache Fahrtstrecke) zwischen Einsatzort und Wohnort nicht mehr als zweieinhalb Stunden beträgt (in bezug auf das tatsächlich verwendete Verkehrsmittel oder b) der Arbeitgeber den Arbeitnehmer an Wochenenden im Werkverkehr nach Hause befördert. Gleiches gilt auch für Fahrgemeinschaften bei Kostentragung durch den Arbeitgeber....."

Im Gesamtbezug des Klägers von 30.000 S bis 32.000 S netto pro Monat einschließlich Sonderzahlungen waren neben dem Grundlohn von 86 S pro Stunde die Überstundenentlohnung für 60 bis 70 Überstunden sowie die vereinbarten Verpflegungs- und Nächtigungsgelder enthalten. In dem unmittelbar an das Dienstverhältnis bei der Beklagten anschließenden Dienstverhältnis zur Firma P***** bezog der Kläger einen Grundlohn von 95 S; er erhielt zwar keine Auslösen, das Essen und die Übernachtung an den Baustellen wurden aber zur Gänze vom Arbeitgeber bezahlt. In den ersten zwei Monaten dieses Arbeitsverhältnisses machte der Kläger keine Überstunden, dann arbeitete er pro Monat etwa 240 bis 250 Stunden. Dadurch erhöhte sich der Auszahlungsbetrag von etwa 18.000 S netto auf 25.000 S netto monatlich. Der Kläger ist nicht verheiratet, hat aber für zwei uneheliche Kinder 1.690 S bzw 1.500 S monatlich an Unterhalt zu leisten.

Der Kläger begehrt, die Kündigung vom 24.4.1991 als rechtsunwirksam aufzuheben, weil sie aus einem verpönten Motiv im Sinne des § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG ausgesprochen worden sei. Er habe am 18.1.1991 gegen die Beklagte Lohndifferenzen eingeklagt. Die Beklagte habe wiederholt geäußert, daßes für den Kläger besser sei, dieses Verfahren zu beenden, sonst müsse er mit der Auflösung des Arbeitsverhältnisses rechnen. Am 22.4.1991 habe er die Beklagte zur Zahlung des offenen März-Lohnes aufgefordert, einer von der Beklagten beabsichtigten Kürzung seiner vertraglichen Ansprüche auf Trennungs- und Nächtigungsgelder widersprochen und für den Fall der tatsächlichen Kürzung den Austritt angedroht. Als Reaktion auf dieses Schreiben habe ihn die Beklagte gekündigt. Abgesehen von dem verpönten Motiv sei die Kündigung auch sozialwidrig, weil sie wesentliche Interessen des Kläges beeinträchtige und weder in seiner Person gelegene Gründe noch betriebliche Erfordernisse der Weiterbeschäftigung des Klägers entgegenstünden.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Der Kläger sei gekündigt worden, weil es für ihn keinen geeigneten Einsatzbereich gegeben habe und zu erwarten gewesen sei, daß sich dies auch in den nächsten Monaten nicht ändern werde. Nicht verpönt sei auch das weitere Kündigungsmotiv, daß sich der Kläger geweigert habe, einer Änderung seines Arbeitsvertrages bezüglich der Trennungs- und Nächtigungsgelder zuzustimmen. Da der Kläger unmittelbar nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein neues Arbeitsverhältnis zu einem Bauunternehmen eingegangen sei, fehle dem Klagebegehren auch das Rechtsschutzinteresse.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Beklagte habe keine Ansprüche des Klägers in Frage gestellt, sondern für die geleistete Arbeit das vereinbarte Entgelt und die Auslösen stets gezahlt. Die Beklagte habe lediglich für die Zukunft eine Einschränkung der einzelvertraglich geregelten Ansprüche des Klägers durch Abänderung des Arbeitsvertrages erreichen wollen. Wenn der Arbeitnehmer eine vom Arbeitgeber vorgeschlagene zulässige Abänderung des Arbeitsvertrages ablehne und deshalb gekündigt werde, liege eine zulässige Änderungskündigung vor, die nach § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG nicht angefochten werden könne. Die Kündigung sei auch nicht sozial ungerechtfertigt, weil der Kläger keinen Tag arbeitslos gewesen sei und sofort eine Beschäftigung mit ähnlichen Verdienstmöglichkeiten gefunden habe.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge, änderte das Ersturteil im Sinne des Klagebegehrens ab und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteigt. Zweck des durch die ArbVGNov 1986 eingeführten § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG sei es, dem Arbeitnehmer die Geltendmachung seiner Rechte zu ermöglichen, ohne daß er um den Verlust des Arbeitsplatzes fürchten müsse. Vom Schutzzweck werde nicht nur die Durchsetzung von Ansprüchen, sondern ganz allgemein die Rechtsposition des Arbeitnehmers erfaßt. Eine Änderungskündigung, bei der dem Arbeitnehmer gleichzeitig mit der Kündigung des Arbeitsverhältnisses dessen Fortsetzung zu geänderten Bedingungen angeboten werde, sei zulässig. Im vorliegenden Fall sei aber die Kündigung von der Beklagten unbedingt ausgesprochen worden; das ausschlaggebende Motiv hiefür sei die Ablehnung der von der Beklagten aus steuerrechtlichen Gründen vorgeschlagenen Änderung des Arbeitsvertrages durch den Kläger gewesen sei. Der Kläger habe somit gegenüber der Beklagten auf der Beibehaltung seiner dienstrechtlichen Position in bezug auf Auslagenersatz bestanden und sei in erster Linie deswegen gekündigt worden. Anders als bei der zulässigen Änderungskündigung, bei der der Arbeitgeber beabsichtige, den Arbeitnehmer zur Annahme des Änderungsangebotes zu bewegen, sei im vorliegenden Fall die Vergeltung für die Ablehnung des Vertragsänderungsangebotes Motiv der unbedingt ausgesprochenen Kündigung gewesen. Der rechtspolitische Zweck des neuen Anfechtungstatbestandes - tatsächliche Vertragsfreiheit bei der Änderung arbeitsvertraglicher Bedingungen zu gewährleisten - wäre gefährdet, wenn man einem Arbeitnehmer, der bei ungekündigtem Arbeitsverhältnis einer Vertragsverschlechterung entgegentrete, die Anfechtungsmöglichkeit nach § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG nicht einräumte.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer vollinhaltlichen Klageabweisung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Nach dem mit der ArbVGNov 1986 neu eingeführten Tatbestand des § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG ist die Kündigung anfechtbar, wenn sie wegen der offenbar nicht unberechtigten Geltendmachung vom Arbeitgeber in Frage gestellter Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis durch den Arbeitnehmer erfolgt ist. Wie E.Eypeltauer (Gedanken zum Kündigungsanfechtungsgrund des § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG, DRdA 1988, 435 ff [436]) zutreffend darlegt, ist mangels entsprechenden Materials eine historische Interpretation nicht möglich. Der Ausschußbericht (1062 BlgNR 16.GP) enthält nur die wörtliche Wiedergabe der Erläuterungen des Initiativantrages, die sich in einer teilweisen Wiederholung des beantragten Gesetzestextes erschöpfen ("der Gesetzesantrag schafft eine zusätzliche Anfechtungsmöglichkeit der Kündigung, wenn sie wegen Geltendmachung von offenbar nicht unberechtigten Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis erfolgt").

Orientiert man sich am Wortlaut des Gesetzes "offenbar nicht unberechtigte Geltendmachung vom Arbeitgeber in Frage gestellter Ansprüche" kann es sich nur um Ansprüche aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis handeln, nicht aber um eine vom Arbeitgeber angestrebte Änderung des Arbeitsvertrages und damit der Ansprüche des Arbeitnehmers. Durch das Änderungsanbot will der Arbeitgeber auf dem durch die Rechtsordnung vorgesehenen Weg, nämlich durch Vertragsänderung, von gewissen Ansprüchen loskommen, die er gar nicht in Frage stellt. Bei dem neuen Kündigungsanfechtungsgrund geht es darum, daß der Arbeitgeber nach Meinung des Arbeitnehmers bestehende Ansprüche nicht erfüllt, daß der Arbeitnehmer diese nicht erfüllten Ansprüche dem Arbeitgeber gegenüber geltend macht und daß der Arbeitgeber den Arbeitnehmer wegen dieser Geltendmachung kündigt (siehe Strasser, Zur Problematik der sogenannten Änderungskündigung DRdA 1988, 1 ff [12 f]; E.Eypeltauer aaO 445 f). Auch Dusak (Änderungen im Bereich der personellen Mitbestimmung, ZAS 1986, 198 ff [202]) und Trost (Die rechts- oder sittenwidrige Kündigung, DRdA 1987, 1 ff und 106 ff [118]) gehen von "bestehenden Ansprüchen" aus. Darüber hinaus ist Cerny (Arbeitsverfassungsgesetz9, 480) darin beizupflichten, daß ein Anspruch nicht nur dann, "in Frage gestellt" wird, wenn er nicht erfüllt wird, sondern auch dann, wenn die Berechtigung des Anspruches in Zweifel gezogen wird. Vom Schutzzweck sind daher nicht nur schon entstandene Ansprüche, sondern zusätzlich Ansprüche auf Wahrung der Rechtsposition aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis gegen einseitige Eingriffe erfaßt, wie der von der Cerny (aaO 481) angeführte Anspruch des Arbeitnehmers auf Unterlassung einseitiger, durch den Arbeitsvertrag oder das Gesetz nicht gedeckter Änderungen der Arbeitsbedingungen durch den Arbeitgeber. Ob der von B.Schwarz (Eine umstrittene betriebliche Arbeitszeiteinteilung, DRdA 1988, 152 ff) angeführte Fall einer Kündigung wegen Verweigerung der Zustimmung zu einer nach der Betriebsverfassung ungültigen einzelvertraglichen Abänderung der Arbeitszeiteinteilung auch noch vom Regelungsbereich des § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG umfaßt ist oder als rechtswidrige Kündigung gemäß § 879 ABGB nichtig ist (siehe Floretta in Floretta-Strasser Hdkomm ArbVG 654 f sowie in Floretta-Spielbüchler-Strasser Arbeitsrecht3 I 281; Trost aaO 9; Krejci in Rummel ABGB2 I § 879 Rz 5 mwH; VfSlg 10.297 = DRdA 1985/14 [zust Floretta]; vgl DRdA 1987/14 [teilweise kritisch Floretta] = RdW 1987, 267) oder gemäß § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG anzufechten ist, ist für die Entscheidung ohne Bedeutung, weil es sich hier nicht um eine Änderung des Arbeitsvertrages handelt, zu der sich der Arbeitnehmer nach den Grundsätzen des § 879 ABGB nicht rechtswirksam verpflichten konnte (siehe Trost aaO 9). Soweit B.Schwarz (aaO 160 f) unter Berufung auf einen weder aus den Gesetzesmaterialien ersichtlichen noch aus dem Wortlaut der Bestimmung erschließbaren rechtspolitischen Zweck des neuen Anfechtungstatbestandes die Auffassung vertritt, auch die auf eine mit Zustimmung des Arbeitnehmers zulässige Änderung des Arbeitsvertrages gerichtete Kündigung sei nach dieser Bestimmung insbesondere dann anfechtbar, wenn keine zwingenden betrieblichen Gründe die Änderung der Arbeitsbedingungen notwendig machten, kann ihm nicht gefolgt werden, zumal dem Arbeitnehmer in diesem Fall mit der Anfechtungsmöglichkeit nach § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG (siehe Strasser aaO 9 ff; Schwarz-Löschnigg Arbeitsrecht4, 403) ausreichender Schutz geboten wird.

Die von der Beklagten beabsichtigte Änderung des Arbeitsvertrages bezüglich der Diätenregelung verstieß weder gegen ein gesetzliches Verbot noch gegen die guten Sitten und wurde darüber hinaus mit betrieblichen Erfordernissen - Anpassung an die (geänderte) steuerrechtliche Beurteilung des für die Steuerbefreiung von Reisevergütungen und Diäten gemäß § 26 Z 4 EStG maßgeblichen Begriffes des Dienstortes im Falle der Arbeitskräfteüberlassung (vgl Werner-Schuch, Kommentar zur Lohnsteuer, § 26 Rz 63) - begründet. Wenn die Beklagte die Ablehnung ihres Anbotes auf Vertragsänderung zum Anlaß der Kündigung des Arbeitsverhältnisses nahm, fällt dieses Motiv weder unter den Anfechtungstatbestand des § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG noch wäre die Kündigung - folgte man der in der Lehre vertretenen Auffassung über die Anwendbarkeit des § 879 ABGB außerhalb des Regelungsbereiches des § 105 Abs 3 Z 1 ArbVG - nach § 879 ABGB unwirksam. Dies gilt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes auch hier, obwohl die Beklagte nach den vorausgegangenen Verhandlungen mit dem Kläger die Kündigung desArbeitsverhältnisses nicht mehr bedingt für den Fall der (neuerlichen) Ablehnung ihres Anbotes durch den Kläger ausgesprochen hat (vgl zu den herkömmlichen Formen der Änderungskündigung Strasser aaO 2). Eine Anwendung des § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG auf solche Fälle würde die Privatautonomie des Arbeitgebers, zulässige Änderungen des Arbeitsvertrages herbeizuführen, unverhältnismäßig beschränken, zumal der Arbeitnehmer ohnedies die Möglichkeit hat, die Sozialwidrigkeit einer solchen Kündigung geltend zu machen.

Eine Unwirksamerklärung der Kündigung käme daher nur nach dem vom Kläger herangezogenen Anfechtungstatbestand des § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG in Frage; diese Möglichkeit scheidet aber schon deswegen aus, weil wesentliche Interessen des Klägers, der unmittelbar nach der Auflösung des Arbeitsverhältnisses einen gleichartigen Arbeitsplatz mit ähnlichen Verdienstmöglichkeiten gefunden hat, nicht beeinträchtigt wurden.

Der Revision war daher im Sinne der Wiederherstellung des Ersturteils Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 58 Abs 1 Satz 1 ASGG und 41, 50 ZPO. Die verzeichnete Pauschalgebühr war im Hinblick auf die in Arbeitsrechtssachen bei Streitwerten bis 15.000 S geltende Gebührenfreiheit nicht zuzuerkennen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte