OGH 2Ob41/93

OGH2Ob41/938.7.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner, Dr.Graf, Dr.Schinko und Dr.Tittel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Johann H*****, vertreten durch Dr.Norbert Kosch ua Rechtsanwälte in Wr.Neustadt, wider die beklagte Partei Ernst R*****, vertreten durch Dr.Helmut Schmidt und Dr.Ingo Schreiber, Rechtsanwälte in Wr.Neustadt, wegen Zahlung von S 486.705,63 s.A. und Feststellung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 17.November 1992, GZ 12 R 208/92-25, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Wr.Neustadt vom 29.Juni 1992, GZ 1 Cg 241/91-18, zum Teil abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, daß der Berufung gegen den Punkt 2 der Entscheidung des Erstgerichtes (Abweisung des Feststellungsbegehrens) nicht Folge gegeben und dieses Urteil insoweit als Teilurteil bestätigt wird.

Die Entscheidung über die hierauf entfallenden Verfahrenskosten bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 3.6.1988 ereignete sich gegen 19,35 Uhr im Gemeindegebiet von K***** auf einem Feldweg westlich der Hauptstraße auf Höhe des Anwesens des Landwirtes G***** ein Verkehrsunfall, an dem der Kläger mit seinem Moped sowie der Beklagte als Lenker und Halter eines Motorrades KTM MC 250, behördlich nicht zugelassen, beteiligt waren.

Aus dem Titel des Schadenersatzes begehrt der Kläger die Zahlung von S 486.705,63 sowie die Feststellung der Haftung des Beklagten für sämtliche künftige Schäden, wobei er sich ein 50 %iges Eigenverschulden anrechnet. Das Verschulden des Beklagten wird darin erblickt, daß dieser auf dem ca. 3 m breiten Feldweg mit etwa 47 km/h fahrend einen Seitenabstand vom rechten Fahrbahnrand von 1 m eingehalten habe und im Zuge einer Bremsung noch weiter zur Fahrbahnmitte geraten sei, wobei es etwa in Straßenmitte zur Kollision gekommen sei. Beide Streitteile hätten ein gleichteiliges Verschulden zu verantworten, sie seien auch vom Bezirksgericht Wr.Neustadt zu 5 U 2486/88 im Sinne des § 88 StGB verurteilt worden.

Der Beklagte wendete ein, das Alleinverschulden an dem Unfall treffe den Kläger. Zufolge von Schotterablagerungen auf den Fahrbahnrändern habe die benutzbare Fahrbahnbreite nur mehr etwas mehr als 2 m betragen, sodaß eine gefahrlose Begegnung unmöglich gewesen sei. Während er der Verpflichtung zum Fahren auf halbe Sicht nachgekommen sei, habe der Kläger diese Pflicht verletzt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, wobei es von folgenden Feststellungen ausging:

Der Feldweg, auf dem sich der Unfall ereignete, weist in Fahrtrichtung des Klägers gesehen eine leichte Linkskurve auf. An der Kurveninnenseite befanden sich Felder, deren Bewuchs im Unfallszeitpunkt durchgehend ca. 90 cm Höhe betrug und bis knapp an den Fahrbahnrand heranreichte. Aus diesem Bewuchs und auch aus einer Zaunecke ergab sich eine Sichtbehinderung bezogen auf die Fahrbahnoberfläche. Die Fahrbahnbreite beträgt an der Position, wo der Beklagte den ihm entgegenkommenden Kläger bemerkte, ca. 3,25 bis 3,3 m, in der Position, wo sich der Kläger zu diesem Zeitpunkt befand, 2,85 m. Auf der Höhe der späteren Kollisionsposition ist die Fahrbahn ca. 2,95 m breit. Die Ränder der Fahrbahn sind nicht exakt gezogen, sondern gehen unregelmäßig in einen bewachsenen Bereich über. Die Fahrbahnoberfläche bestand aus einem gefestigten Schotter-Sand-Belag und war weitgehend eben. Von den Räderspuren mehrspuriger Fahrzeuge herrührend waren in Fahrbahnlängsrichtung zwei abgefahrene Streifen bemerkbar, wobei sich auf jeder Fahrbahnhälfte ein Streifen befand. Sowohl zur Mitte, als auch zu den Rändern der Fahrbahn hin bestanden Ansammlungen von losem Material (Steinen).

Der Beklagte fuhr den Feldweg in Richtung W***** (Norden) mit einer Geschwindigkeit von ca. 40 km/h auf der in seiner Fahrtrichtung gesehen rechten Räderspur mit einem Seitenabstand zu seinem rechten Fahrbahnrand von ca. 1 m oder etwas mehr. Ca. 27,4 m bzw. 3,14 Sekunden vor der späteren Kollision bemerkte er den entgegenkommenden Kläger, der zu diesem Zeitpunkt mit dem Oberkörper eine fast waagrechte, hinter der Verkleidung seines Mopeds geduckte Haltung einhielt und entschloß sich zu einer Vollbremsung. Zu diesem Zeitpunkt konnte der Beklagte den herannahenden Kläger zwar erkennen, hatte aber aufgrund der sich aus dem an der Kurveninnenseite befindlichen Getreidefeld mit ca. 90 cm Höhe ergebenden Sichtbehinderung keine Sicht auf die Radaufstandspunkte des Fahrzeuges des Klägers. Er konnte dieses nur ab jenem Bereich sehen, der etwa über der Oberkante der beiden Ränder liegt. Es war ihm daher nicht erkennbar, in welcher Position sich das Klagsfahrzeug, bezogen auf die Fahrbahnmitte, befand. Zu diesem Zeitpunkt hielt das Fahrzeug des Klägers (die Feststellung, es habe sich um das Beklagtenfahrzeug gehandelt, stellt einen offenbaren Schreibfehler dar) eine Geschwindigkeit von 41,1 km/h ein und befand sich ca. 3,14 Sekunden vor der Kollision ca. 34,1 m vor der späteren Kollisionsposition entfernt. Der Kläger hielt einen Seitenabstand nach rechts von ca. 1 bis 1,3 m ein. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Kläger Sicht auf das herannahende Beklagtenfahrzeug, er reagierte jedoch darauf nicht.

Der Beklagte entschloß sich zur Bremsung, weil es ihm aufgrund der Sichtbehinderung durch das Getreide so vorkam, als würde der Kläger etwa in Fahrbahnmitte fahren und weil er aufgrund der vom Kläger auf seinem Moped eingehaltenen liegenden Position nicht wußte, ob der Kläger ausweichen werde. Der Beklagte bremste zuerst nur mit der Hinterbremse voll, erst später mit der Vorderbremse. Er versuchte durch Verlagerung seines Gewichtes nach rechts auszuweichen. Der Bremsbeginn lag ca. 2,14 Sekunden bzw. 15,9 m vor der späteren Kollisionsstelle. Mit einer restlichen Geschwindigkeit von ca. 10 km/h kam es dann zur Kollision. Die Kollisionsstelle befand sich ca. 1,25 m vom kurveninnenseitigen und ca. 1,70 m vom kurvenaußenseitigen Fahrbahnrand entfernt.

Der Kläger bemerkte das Fahrzeug des Beklagten erstmals, als es sich ca. 19,7 m bzw. 1,83 Sekunden vor der späteren Kollision befand und dabei nach wie vor eine Geschwindigkeit von 41,1 km/h und einen Seitenabstand nach rechts von ca. 1,30 m oder etwas kleiner einhielt. Er entschloß sich zur Bremsung, weil ihm das Fahrzeug des Beklagten aufgrund der auf der Bremsung beruhenden Staubentwicklung schnell vorkam. Zu diesem Zeitpunkt befand sich der Beklagte ca. 1,83 Sekunden bzw. 12,6 m vor der Kollision und hielt eine Geschwindigkeit von ca. 38,4 km/h sowie einen Seitenabstand nach rechts von 0,8 m ein, ohne zu schleudern. Der Kläger hatte auf das Fahrzeug des Beklagten volle Sicht.

Der Bremsbeginn des Fahrzeuges des Klägers lag 0,83 Sekunden bzw. 8,6 m vor der Kollision. Durch die starke Entlüftung des Hinterrades des Fahrzeuges des Klägers wurde die mögliche Bremsintensität und Lenkstabilität beeinträchtigt, sodaß der Kläger nur eine mittlere Verzögerung von 2 m/sec2 erreichen konnte. Über eine Strecke von 8,6 m bis zur Kollision wurde dadurch die Geschwindigkeit auf 34 km/h herabgesetzt.

Bei der Kollision kam es zu einer Berührung der beiden Fahrzeuge jeweils an den Vorderreifen links seitlich.

Die Erkennungspositionen der beiden Parteien lagen ca. 27,3 m (Beklagter) und 34,1 m (Kläger) von der Kollisionsstelle entfernt, sodaß sich eine Erkennungsweite von 61,4 m ergibt. Die halbe Entfernung lag demnach bei 30,7 m. Der Beklagte hätte aus seiner Anprallgeschwindigkeit von ca. 10 km/h ohne Kollision noch einen Restbremsweg von ca. 0,9 m zum Stillstand benötigt, sein Anhalteweg hätte daher 28,3 m betragen, weshalb er 2,4 m vor der Hälfte der Erkennungsweite zum Stillstand gekommen wäre.

Der Kläger hat sein Fahrzeug nicht innerhalb der halben Erkennungsweite zum Stillstand gebracht. Unter Berücksichtigung einer Reaktionszeit von einer Sekunde aus einer Geschwindigkeit von 40 km/h und einer vollen mittleren Verzögerung von ca. 4,5 m/sec2 hätte der Anhalteweg ca. 24,8 m betragen.

Durch die Kollision stürzte der Beklagte über den Lenker seines Motorrades nach vorne, rollte sich ab und war sofort wieder auf den Füßen. Er kümmerte sich um den Kläger, der außerhalb seines Fahrbahnrandes im Feld zu liegen kam und bewußtlos war.

Das Fahrzeug des Klägers weist eine Breite von ca. 70 cm auf, jenes des Beklagten eine solche von 80 cm.

Der Kläger ist taubstumm.

Beide Parteien wurden mit Urteil des Bezirksgerichtes W***** vom 18.4.1990, 5 U 2426/88-13, aufgrund des gegenständlichen Verkehrsunfalles wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung strafgerichtlich verurteilt.

In rechtlicher Hinsicht unterstellte das Erstgericht den Sachverhalt der Bestimmung des § 10 Abs.2 StVO, wonach dann, wenn eine gefahrlose Begegnung zweier Fahrzeuge nicht möglich ist, die Verpflichtung zum Fahren auf halbe Sicht bestehe. Dieser Verpflichtung habe der Beklagte entsprochen, während der Kläger erst rund 1,3 Sekunden nach dem ersten möglichen Erkennen den Bremsentschluß gefaßt habe und dem ein Anhalten innerhalb seiner halben Sichtsstrecke nicht möglich gewesen sei. Gegenüber diesem Verstoß des Klägers trete eine allfällige Verletzung des Rechtsfahrgebotes durch den Beklagten in den Hintergrund.

Das vom Kläger angerufene Berufungsgericht gab dem Rechtsmittel teilweise Folge und änderte das angefochtene Urteil in seinem Ausspruch über das Feststellungsbegehren dahin, daß die Haftung des Beklagten für alle künftigen Schäden im Ausmaß von einem Drittel festgestellt wurde; das Feststellungsmehrbegehren im Ausmaß von einem weiteren Sechstel wurde abgewiesen. Im übrigen (hinsichtlich des Leisungsbegehrens) wurde das angefochtene Urteil aufgehoben und die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Das Berufungsgericht vertrat die Ansicht, aufgrund der Breite und Beschaffenheit der Fahrbahn habe keine Verpflichtung zum Fahren auf halbe Sicht im Sinne des § 10 Abs.2 StVO bestanden. An der Unfallstelle habe die Fahrbahn eine Breite von 2,95 m gehabt, die halbe Fahrbahnbreite habe daher 1,47 m betragen. Der Raumbedarf des Fahrzeuges des Klägers hätte rund 70 cm, jener des Fahrzeuges des Beklagten 80 cm betragen. Wären daher beide Parteien jeweils in der Mitte ihrer Fahrbahnhälfte gefahren, so hätte der Kläger zur Fahrbahnmitte einen Abstand von 38 cm und der Beklagte einen solchen von 33 cm gehabt, der gesamte Abstand der beiden Fahrzeuge zueinander hätte somit 71 cm betragen. Die Einhaltung einer solchen Fahrlinie wäre beiden Streitteilen zumutbar gewesen, sodaß ihr Fehlverhalten nicht nach § 10 Abs.2 StVO beurteilt werden könne.

Da der Beklagte mit seinem Fahrzeug die Fahrbahnmitte an der Unfallstelle um 17,5 cm überragt habe, habe er gegen das Rechtsfahrgebot des § 7 StVO verstoßen. Dieser Verstoß sei allerdings auch dem Kläger vorzuwerfen, wobei dieser wesentlich weiter in die gegnerische Fahrbahnhälfte eingedrungen sei. Weiters sei für die Beurteilung des Verschuldens maßgeblich, daß der Beklagte bei der ersten Sichtmöglichkeit auf den Kläger mit einer Vollbremsung reagierte, während der Kläger erst 1,3 Sekunden später eine Bremsung einleitete. Da beide Fahrzeuglenker bei der ersten Sichtmöglichkeit bereits erkennen konnten, daß sich der Gegner nahe der Fahrbahnmitte bewegte, wäre auch der Kläger verpflichtet gewesen, nach rechts auszulenken und zu bremsen. Schließlich falle auf Seite des Klägers erschwerend ins Gewicht, daß der Reifen seines Hinterrades stark entlüftet war, was die Bremsintensität und Lenkstabilität wesentlich beeinträchtigte. Bei der Gegenüberstellung der Schwere der beiderseitigen Verstöße gelange man zu einer Verschuldensteilung im Verhältnis von 2 : 1 zu Lasten des Klägers. Hinsichtlich des Feststellungsbegehrens sei Spruchreife gegeben, hinsichtlich des Leistungsbegehrens bedürfte es der Aufnahme von Beweisen zur Höhe des geltend gemachten Anspruches.

Die ordentliche Revision wurde nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 502 Abs.1 ZPO nicht gegeben seien.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision des Beklagten mit dem Antrag, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Entscheidung des Erstgerichtes wiederherzustellen.

Der Kläger beteiligte sich nicht am Revisionsverfahren.

Rechtliche Beurteilung

Insoweit sich das Rechtsmittel des Klägers gegen den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes richtet, wurde es mit Beschluß vom 13.5.1993 (2 Ob 20/93) zurückgewiesen. Im übrigen ist die Revision zulässig, weil das Berufungsgericht - wie im folgenden noch darzulegen sein wird - von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgegangen ist; sie ist auch berechtigt.

Der Beklagte vertritt in seinem Rechtsmittel die Ansicht, bei der Beurteilung der Frage, ob eine Verpflichtung zum Fahren auf halbe Sicht besteht, sei auf die Möglichkeit einer Begegnung mit einem Fahrzeug mit der höchstzulässigen Breite von 2,5 m abzustellen. Da im vorliegenden Fall die Fahrbahn nur 3 m breit gewesen sei, sei der Kläger verpflichtet gewesen, auf halbe Sicht zu fahren. Die vom Beklagten eingeleitete Notbremsung aus einer Geschwindigkeit, die einem Fahren auf halbe Sicht entsprach, habe eine durchaus erfolgversprechende Abwehrhandlung auf die drohende Gefahr dargestellt. Daß der Beklagte in der Folge 17,5 cm über die gedachte Fahrbahnmitte geriet, könne ihm nicht als Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot angelastet werden.

Diese Ausführungen sind grundsätzlich zutreffend:

Nach ständiger Rechtsprechung ist bei der Beurteilung einer allfälligen Verpflichtung zum Fahren auf halbe Sicht von der Breite des eigenen Fahrzeuges und der Möglichkeit einer Begegnung mit einem Fahrzeug mit der nach § 4 Abs.6 KFG höchstzulässigen Breite von 2,5 m auszugehen (ZVR 1988/137; ZVR 1986/148 ua). Im Hinblick auf die Breite der Fahrzeuge von 70 bzw. 80 cm und einer durchschnittlichen Breite des Weges von 3 m bestand sohin für beide Streitteile eine Verpflichtung zum Fahren auf halbe Sicht. Die vom Berufungsgericht zitierten Entscheidungen, aus denen sich ergeben soll, daß keine Verpflichtung zum Fahren auf halbe Sicht bestand, betreffen eine andere Rechtsfrage. Es ist zwar richtig, daß bei einem ausreichenden Zwischenraum zum entgegenkommenden Fahrzeug keine Verpflichtung zum Anhalten besteht (ZVR 1982/297; ZVR 1971/4 ua), doch hat die Frage der Anhaltepflicht nichts mit der Frage, ob auf halbe Sicht zu fahren ist, zu tun. Während bei der Beurteilung der Frage, ob auf halbe Sicht zu fahren ist, auf die abstrakte Möglichkeit der Begegnung mit einem Fahrzeug mit der höchstzulässigen Breite von 2,5 m abzustellen ist, hat die Beurteilung der Anhaltepflicht nach den konkreten Umständen zu erfolgen.

Daraus folgt, daß gemäß § 10 Abs.2 StVO beide Streitteile verpflichtet waren, auf halbe Sicht zu fahren.

Entgegen der vom Erstgericht vertretenen Ansicht sind aber auch beide Streitteile dieser Verpflichtung nachgekommen. Wie sich aus den Feststellungen des Erstgerichtes ergibt, betrug die Ersterkennungsweite 61,4 m, die halbe Entfernung lag demnach bei 30,7

m. Der Anhalteweg des Beklagten hätte 28,3 m betragen, jener des Klägers ca. 24,8 m. Zur Kollision kam es nicht etwa deshalb, weil beide Streitteile gegen das Gebot des Fahrens auf halbe Sicht verstießen, sondern vor allem deshalb, weil der Kläger um 1,3 Sekunden verspätet reagierte.

Dem Kläger ist sohin vorzuhalten, daß er um 1,3 Sekunden verspätet reagierte, daß der Hinterreifen seines Fahrzeuges stark entlüftet war und daß er schließlich die Fahrbahnmitte weit überschritt. Dem steht gegenüber, daß der Beklagte im Kollisionszeitpunkt aufgrund seiner Notbremsung die Fahrbahnmitte um 17,5 cm überschritt. Die Einleitung der Notbremsung selbst kann dem Beklagten nicht vorgeworfen werden, weil er nicht erkennen konnte, daß der Kläger auf seiner Fahrbahnhälfte fuhr und er befürchten mußte, unter Umständen mit diesem frontal zusammenzustoßen (vgl. ZVR 1988/137). Es verbleibt sohin höchstens ein ganz geringfügiges Verschulden des Beklagten, das gegenüber dem schwerwiegenden Verschulden des Klägers vernachlässigt werden kann (vgl. Apathy, KommzEKHG, Rz 34 zu § 11).

Daraus folgt, daß der Revision des Beklagten Folge zu geben und das auf Feststellung gerichtete Klagebegehren abzuweisen war.

Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf § 52 Abs.2 ZPO.

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