OGH 2Ob507/93

OGH2Ob507/938.7.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner, Dr.Graf, Dr.Schinko und Dr.Tittel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Firma I*****, vertreten durch Dr.Klaus Eberherr, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Republik Österreich, Österreichische Bundesbahnen, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, Singerstraße 17-19, wegen S 201.789,77 s.A. infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 13. November 1992, GZ 4 R 230/92-30, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 4.Juni 1992, GZ 6 Cg 1/91-25, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S

7.932 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Firma Ö***** hat als Versandhuckepack-Gesellschaft im Rahmen der "Rollenden Landstraße" am 29.6.1990 bei den Österreichischen Bundesbahnen mit Frachtbrief Nr. 4***** als Wagenladung einen im Eigentum der Firma I***** stehenden LKW an die Empfangshuckepack-Gesellschaft K***** Frankfurt aufgegeben. Als Versandbahnhof war Brenner, als Bestimmungsbahnhof Ingolstadt vereinbart. Bei Ablieferung des LKWs in Ingolstadt wurden am Dach des Führerhauses drei punktartige Brandflecken festgestellt. Der hintere Dachbereich war stark verrußt. Am hinteren Teil des Daches befand sich etwa in der Mitte ein ca 15 mm großes Loch, wobei die Lochumrandung Brandspuren aufwies. Als Schadenursache hiefür scheidet ein herabhängender Fahrdraht-Aufhängedraht aus, weil dieser vom Stromabnehmer der Lok abgerissen worden wäre und bereits auf der Lok Schäden verursacht hätte. Auch ein Aufwippen der Antenne am LKW Dach steht mit dem Überschlag des Stroms von der Fahrleitung auf den LKW nicht in Zusammenhang, ebenso ist ein Kontakt bzw Überschlag zwischen Dachspoiler und Fahrleitung auszuschließen. Diese Ursache des Überschlags ist wahrscheinlich auf einen Fremdkörper, wie z.B. einen losgerissenen Bindedraht für Verladung, welcher auf das LKW Dach wirbelte, zurückzuführen. Dieser Bindedraht konnte von voraus vorladenen Fahrzeugen, aber auch von der Ladung des beschädigten LKWs selbst stammen. Für die Reparatur dieses Schadens war ein Betrag von DM 13.627,11 netto erforderlich. Während der reparaturbedingten Stehzeit lief ein Standgelts von täglich DM 800,-- insgesamt DM 15.200,-- auf.

Die Rechte und Pflichten aus dem Frachtvertrag wurden der klagenden Partei abgetreten.

Diese begehrt von der beklagten Partei Zahlung von S 201.789,77 samt 5 % Zinsen. Als Schadenursache wurden zunächst herabhängende Teile der Oberleitung und deshalb grob fahrlässige Herbeiführung des Schadens durch die beklagte Partei und deren volle Haftung im Sinne von Art 44 CIM behauptet. Im Verfahren hat die klagende Partei dann vorgetragen, die (vom Sachverständigen geäußerte) Vermutung, der Schaden sei durch mangelhafte Verpackung verursacht worden, sei zu wenig konkretisiert. Wahrscheinlicher sei, daß sich ein Bindedraht von vorher befindlichen (also in Fahrtrichtung weiter vorne geladenen Lastzüge) gelöst habe. Die Vermutung des Art 37 § 2 CIM gelte nicht, weil es sich um eine Gefahr des offenen Wagens nach Art 36 § 3 lit a CIM gehandelt und in einem solchen Fall Art 37 § 2 Abs. 2 CIM analog zur Anwendung zu kommen habe, weil ein außergewöhnlich hoher Schaden vorliege.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie berief sich zunächst auf eine nicht mehr relevierte Schadensursache (Berühren der Oberleitung durch eine nicht ordnungsgemäß befestigte Antenne des beschädigten LKWs und einen dadurch entstandenen Kurzschluß), behauptete aber das Vorliegen der Haftungsbefreiung im Sinne von Art 36 § 2 und 3 a, c und d CIM. Sie hielt den Behauptungen der klagenden Partei entgegen, deren Ausführungen zu den Bestimmungen des Art 37 § 2 CIM beträfen nur den Verlust ganzer Stücke und hätten auf diesen Fall keine Anwendung zu finden. Der Schade habe auch durch die Mangelhaftigkeit am Verladegut entstehen können, womit sich die beklagte Partei von ihrer Haftung im Sinne des Art 37 § 2 CIM befreit habe.

Die Vorinstanzen haben das Klagebegehren abgewiesen.

Das Erstgericht bejahte auf Grund des eingangs wiedergegebenen Sachverhalts die Anwendbarkeit der Bestimmungen der CIM, weil der Schaden bei der Beförderung auf einem Wege entstanden sei, der die Gebiete mindestens zweier Mitgliedstaaten des Übereinkommens berühre. Es sei nicht erwiesen, daß die Beschädigung durch ein Verschulden des Berechtigten (Aufwippen der Antenne oder Hochschnellen des Dachspoilers) herbeigeführt worden sei, weshalb der Haftungsbefreiungstatbestand des Art 36 § 3 lit a CIM nicht zur Anwendung komme, auch wenn der beschädigte LKW in einem offenen Wagen befördert worden sei. Auch die Haftungsbefreiungstatbestände des Art 36 § 3 lit b (richtig c) und d CIM kämen nicht zum Tragen, weil nicht erwiesen sei, daß die Verladung unzulänglich und allenfalls unter Verstoß maßgeblicher Verladebestimmungen erfolgt sei. Der beklagten Partei komme aber der Befreiungsgrund im Sinne des Art 36 § 2 zweiter Satz CIM zugute, weil der Schaden für die Eisenbahn nicht zu vermeiden gewesen sei und die Folgen von ihr nicht abgewendet hätten werden können. Die beklagte Partei habe den ihr obliegenden Beweis erbracht, weil einzig wahrscheinliche Ursache für den Schadenseintritt ein losgerissener Bindedraht für die Verladung sei. Es sei weder behauptet noch erwiesen worden, daß die Organe der beklagten Partei einen solchen lockeren Bindedraht hätten feststellen können. Eine solche Kontrolle sei weder zumutbar noch nach den Beförderungsbestimmungen vorgeschrieben. Es sei Erfahrungstatsache, daß gerade nicht lockere, sondern besonders festgemachte Bindedrähte rissen, sodaß auch bei eingehender Kontrolle eine derartige Schadensursache nicht hätte auffallen können.

Das Berufungsgericht erachtete die Anwendbarkeit der CIM 1980 als nicht mehr strittig, verneinte aber das Vorliegen eines Haftungsbefreiungstatbestandes nach Art 36 § 2 CIM, weil nach den Feststellungen von der beklagten Partei vermeidbare Umstände als Schadensursache nicht ausgeschlossen werden konnten. Es bejahte aber den Haftungsbefreiungstatbestand nach Art 36 § 3 iVm Art 37 § 3 CIM, weil die Beschädigung aus der mit der Beförderung in offenen Wagen verbundenen besonderen Gefahren entstanden sei. Nach Art 37 § 2 CIM werde dann, wenn die Eisenbahn darlege, daß die Beschädigung nach den Umständen des Falles aus einer oder mehreren der in Art 36 § 3 erwähnten besonderen Gefahren entstehen konnte, vermutet, daß der Schaden daraus entstanden ist. Der Berechtigte habe lediglich das Recht nachzuweisen, daß der Schaden nicht oder nicht ausschließlich aus einer dieser Gefahren entstanden sei. Diese Vermutung gelte im Falle des Art 36 § 3 lit a nicht bei außergewöhnlich großem Verlust oder bei Verlust ganzer Stücke. Die in Art 37 § 2 erster Satz bestimmte Vermutung setze die konkrete Glaubhaftmachung durch die Eisenbahn voraus, daß eine konkrete Möglichkeit eines Zusammenhanges zwischen dem eingetretenen Schaden und einer oder mehreren der in Art 36 § 3 CIM aufgeführten Umstände bestehe. Es genüge nicht, die Möglichkeit nur allgemein darzulegen, es müsse vielmehr nachgewiesen werden, daß der Schaden nach den konkreten Umständen des Falles durch die betreffende Ursache herbeigeführt werden konnte. Die Eisenbahn müsse daher, wenn auch nur mit den an einen prima-facie-Beweis zu stellenden Anforderungen das Vorhandensein einer sich aus dem Tatbestand des Art 36 § 3 CIM ergebenden besonderen Beförderungsgefahr beweisen. Außer dem Bestehen der dargelegten konkreten Möglichkeit obliege der Eisenbahn kein weiterer Beweis. Der Grund für diese Haftungsprivilegierung der Eisenbahn liege darin, daß die Haftungsbefreiungsgründe des Art 36 § 3 CIM auf besondere Gefahren abstellten, aus denen leicht, ja sogar wahrscheinlich ein Transportschaden entstehen könne, wobei es im Einzelfall sehr schwer sein dürfte, den tatsächlichen Zusammenhang zwischen dem entstandenen Schaden und der betreffenden Gefahr zu beweisen. Die Gründe dieser Rechtsvermutung lägen daher in der besonderen Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines Schadens einerseits und in der Schwierigkeit einer konkreten Beweisführung andererseits. Die Rechtsvermutung könne durch den Gegenbeweis des Berechtigten widerlegt werden. Zu beweisen sei, daß der Schaden aus einer bestimmten anderen Ursache entstanden sei, oder daß der Schaden im konkreten Fall nicht aus der vermuteten Ursache entstanden sein könne. Der beklagten Partei sei der Beweis einer konkreten Möglichkeit der Verursachung des gegenständlichen Schadens durch die mit dem Transport in einem offenen Wagen verbundene besondere Gefahr gelungen. An der grundsätzlichen Möglichkeit der beklagten Partei, sich auf den Haftungsbefreiungsgrund der Sondergefahr beim Transport im offenen Wagen zu berufen, ändere auch nichts der Umstand, daß eine Transportmöglichkeit in einem geschlossenen Wagen vermutlich gar nicht bestanden habe. Die Haftung der Bahn für Beschädigungen des Frachtgutes, sei zwar als verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung ausgestaltet, doch enthalte Art 36 § 3 CIM zugunsten der Eisenbahn Haftungsbefreiungstatbestände, die bezweckten, das Risiko für solche Beschädigungen des Frachtgutes auf den Versender zu verlagern, die auf Grund besonderer Eigenschaft des Frachtgutes oder infolge eines besonderen Verhaltens des Versenders eingetreten seien. Wähle ein Versender statt eines möglichen Transportes seines Gutes im geschlossenen Wagen die mit größeren Gefahren verbundene Beförderung in offenen Waggons und realisiere sich eine dieser besonderen Gefahren, dann müsse er den eingetretenen Schaden selbst tragen. Nichts anderes gelte, wenn das Frachtgut wegen seiner Beschaffenheit nicht in geschlossene Wagen verladen werden könne. Daraus sich ergebende besondere Gefahren seien dem Risikobereich des Versenders, nicht dagegen dem der Bahn zuzuordnen. Die Eisenbahn könne sich auch im Huckepack-Verkehr auf den Haftungsbefreiungsgrund der Sondergefahr beim Transport im offenen Wagen berufen. Die für die Haftungsbefreiung wesentliche Gefahrenerhöhung des Transportes im offenen gegenüber der Verfrachtung im geschlossenen Wagen liege vor, weil der gegenständliche Schaden bei Transport im geschlossenen Wagen gar nicht entstehen hätte können. Die besondere Gefahr des Transports im offenen Wagen habe sich durch den Überschlag zwischen Fahrleitung und Führerhaus realisiert.

Eine analoge Anwendung der Bestimmung des Art 37 Abs. 2 CIM komme nicht in Betracht. Diese Bestimmung sei ursprünglich in der Absicht aufgenommen worden, den Diebstahl von den mit der Beförderung in offenen Wagen verbundenen Gefahr auszuschließen. Der Sinn der gegenwärtigen Bestimmung bestehe darin, daß bei einem offenen Wagen beförderten Gut für außergewöhnlich großen Abgang oder für den Verlust von ganzen Stücken die im Art 37 § 2 Abs. 1 CIM ausgesprochene Vermutung nicht gelten solle, es sei denn, die Eisenbahn erbringe zusätzlich den positiven Beweis, daß der Schaden auch tatsächlich aus einer mit der Beförderung des Gutes im offenen Wagen verbundenen Gefahr entstanden sei. "Verlust" im Sinne dieser Bestimmung könne daher nur ein Abhandenkommen und nicht etwa eine völlige oder teilweise Vernichtung des Gutes sein. Die Vernichtung ganzer Stücke durch Brand sei daher kein den Haftungsbefreiungsgrund ausschließender Verlust. Es scheide daher sowohl eine unmittelbare als auch analoge Anwendung der Bestimmung des Art 37 § 2 Abs. 2 CIM aus. Der Eisenbahn sei schließlich hinsichtlich des schädigenden Ereignisses kein Verschulden vorzuwerfen. Für die Frage, welche Sicherungsmaßnahmen das Personal der beklagten Partei gegen vergleichbare Schädigungen ergreifen hätte können, sei auf die Größe der Gefahr, die aus dem Transport auf offenem Wagen drohe, abzustellen. Ohne außerordentlich eingehende Kontrolle hätte den Leuten der beklagten Partei die Gefahr des Reissens eines konkreten Bindedrahtes nicht auffallen müssen. Solche außerordentliche Sorgfalt bei Ausübung der Kontrollpflicht sei aber nicht zu fordern.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Haftungsbefreiung nach Art 36 CIM nicht existiere.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil tatsächlich eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Haftungsbefreiung der Eisenbahn nach Art 36 CIM nicht vorliegt. Sie ist aber nicht berechtigt.

Die Anwendbarkeit der CIM wird auch im Revisionsverfahren nicht mehr bestritten.

Nach Art 36 § 1 CIM haftet die Eisenbahn grundsätzlich für den Schaden, der durch gänzlichen oder teilweisen Verlust oder durch Beschädigung des Gutes in der Zeit von der Annahme zur Beförderung bis zur Ablieferung sowie durch Überschreiten der Lieferfrist entsteht. Nach § 3 lit a dieser Bestimmung ist die Eisenbahn von dieser Haftung befreit, wenn der Verlust oder die Beschädigung aus der mit der Beförderung in offenen Wagen verbundenen Gefahr entstanden ist. Nach Art 37 § 2 CIM wird vermutet, daß der Schaden aus den in Art 36 § 3 erwähnten Gefahren entstanden ist, wenn die Eisenbahn darlegt, daß der Verlust oder die Beschädigung nach den Umständen des Falles aus diesen Gefahren entstehen konnte. Diese Vermutung gilt im Falle des hier maßgeblichen Art 36 § 3 lit a CIM bei außergewöhnlich großem Verlust oder bei Verlust ganzer Stücke nicht.

Die in Art 37 § 2 ausgesprochene Vermutung setzt voraus, daß das Gut nach den maßgebenden Bestimmungen oder nach einer frachtbrieflichen Abmachung in offenen Wagen zu befördern war und daß die Beförderung tatsächlich im offenen Wagen erfolgte. Diese Voraussetzung hat die Eisenbahn zu beweisen. Sie hat außerdem noch darzulegen, daß der Schaden aus einer der in Art 36 § 3 CIM aufgeführten Ursachen entstehen konnte. Zwischen dem Schaden und dem betreffenden Haftungsbefreiungsgrund muß ein ursächlicher Zusammenhang bestehen, das tatsächliche Vorhandensein dieses Zusammenhangs muß aber nicht bewiesen werden. Die Eisenbahn ist daher nicht einmal für die Wahrscheinlichkeit eines solchen Zusammenhanges beweispflichtig. Der Nachweis, daß der Schaden nach den konkreten Umständen des Falles durch die betreffende Ursache entstehen konnte, reicht daher aus (Spera Internationales Eisenbahnfrachtrecht Anm 4 zu Art 37 CIM). Eine Vermutung dahin, daß eine Beförderung im offenen Wagen ohne weiteres eine Gefahr für das beförderte Gut bedeutet, besteht nicht, die Eisenbahn muß vielmehr mit den an einen prima-facie-Beweis zu stellenden Anforderungen das Vorhandensein einer sich aus dem Tatbestand des Art 36 § 3 CIM ergebenden besonderen Beförderungsgefahr beweisen; sie muß die praktische Möglichkeit einer derartigen Schadensentstehung dartun (Schütz in Straube HGB Anm 3 zu § 95 EVO in Anh zu § 453 HGB, Spera aaO Anm 4 zu Art 37 CIM). Außer dem Bestehen einer solchen konkreten Möglichkeit obliegt der Eisenbahn keine weitere Beweispflicht, auch nicht dahingehend, daß der Schaden tatsächlich aus der behaupteten Ursache entstanden ist (Spera aaO Anm 5 zu Art 37 CIM). Dieser Rechtsvermutung liegt die Erwägung zugrunde, daß es sich bei diesen Haftungsbefreiungsgründen um eine besondere Gefahr handelt, aus der leicht, sogar wahrscheinlich ein Transportschaden entstehen kann, der Nachweis des ursächlichen Zusammenhanges aber nur schwer zu erbringen ist. Die Gründe dieser Rechtsvermutung liegen daher in der besonderen Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts und in der Schwierigkeit der Beweisführung. Diese Rechtsvermutung kann aber durch positiven oder negativen Gegenbeweis widerlegt werden. Nachzuweisen ist daher von dem Schadenersatz fordernden Berechtigten, daß der Schaden aus einer bestimmten anderen Ursache entstanden ist, oder daß der Schaden nicht aus der vermuteten Ursache entstanden sein kann (Spera aaO Rz 6 zu Art 37 CIM).

Die beklagte Partei hat nachgewiesen, daß der klagsweise geltendgemachte Schaden aus einer durch den Transport mit offenen Wagen verbundenen Gefahr durch Stromüberschlag zwischen einem losgerissenen Bindedraht und der Oberleitung entstehen konnte. Sie ist daher der ihr obliegenden Beweispflicht nachgekommen. Der dem Berechtigten eingeräumte Gegenbeweis ist aber mißlungen, da nicht nachgewiesen werden konnte, daß der Schaden aus einer anderen Ursache entstanden ist oder nicht aus der vermuteten Ursache entstanden sein kann. Damit kann sich die beklagte Partei grundsätzlich auf den Haftungsbefreiungsgrund des Art 36 § 3 lit a CIM berufen.

Die Revisionswerberin bestreitet auch nicht, daß sich die beklagte Partei auf den Haftungsbefreiungsgrund des Art 36 § 3 lit a berufen kann, verweist aber darauf, daß im Huckepackverkehr ein Transport nur im offenen Wagen möglich sei und daher eine Wahlmöglichkeit zwischen einem Transport in offenen oder geschlossenen Wagen nicht bestehe. Durch die Verlagerung des Transports vom Straßenverkehr auf die Bahnschiene ergebe sich eine Interessenverlagerung zu Gunsten der beklagten Partei, die für diese Transportmöglichkeiten werbe. Sie sei daher verpflichtet, auf die möglichen Gefahren dieses Transportes hinzuweisen, weil die diesem Transport innewohnenden Gefahren nicht allgemein bekannt seien. Die Berufung auf die Haftungsbefreiung verstoße gegen Treu und Glauben, weil die beklagte Partei im Huckepackverfahren nur den Transport mittels offenem Wagen ermögliche und sie ihrer Aufklärungspflicht hinsichtlich der möglichen Risken nicht nachkomme.

Auch diesen Rechtsausführungen kann nicht gefolgt werden.

Grundsätzlich haftet die Eisenbahn für Beschädigungen des Frachtgutes gem Art 36 § 1 CIM verschuldensunabhängig. Dieser Haftungsverschärfung stehen aber weitgehende Beschränkung der Haftung der Eisenbahn hinsichtlich des von ihr zu leistenden Schadenersatzes und auch sonstige Vorteile gegenüber (vgl SZ 53/21 zu § 94 EVO). Diese Haftungsbefreiungstatbestände bezwecken, das Risiko für solche Beschädigungen des Frachtgutes auf den Versender zu verlagern, die aufgrund einer besonderen Eigenschaft des Frachtgutes oder infolge eines besonderen Verhaltens des Versenders eingetreten sind. Dies muß auch für den Fall gelten, wenn - wie im vorliegenden Fall - das Frachtgut wegen seiner Beschaffenheit nicht in geschlossene Wagen verladen werden kann. Die Berufung auf einen gesetzlichen Haftungsbefreiungsgrund kann daher keinen Verstoß gegen Treu und Glauben darstellen, selbst wenn die beklagte Partei für den "Huckepackverkehr" wirbt und ein Transport von Lastkraftwagen in geschlossenen Wagen nicht möglich ist. Der Transport von Lastkraftwagen durch die Eisenbahn liegt nämlich nicht ausschließlich im wirtschaftlichen Interesse der Bahn sondern dient zumindest im gleichen Ausmaß den Interessen der Straßenverkehrsunternehmer, denen aufgrund der Kontingentierungen der Transitbewilligungen die Fahrt durch Österreich erschwert wäre und die sonste den Gefahren des Straßenverkehrs ausgesetzt wären. Diese Interessenabwägung hindert daher die beklagte Partei nicht, sich auf den ihr gesetzlich eingeräumten Haftungsbefreiungsgrund zu berufen.

Schließlich ist die Bahn aufgrund ihrer allgemeinen Sorgfaltspflicht gehalten alles zu unternehmen, um die Gefahr eines Schadens möglichst einzuschränken (Schütz aaO Rz 5 zu § 95 EVO SZ 23/281), doch läßt sich daraus im Gegensatz zu den Revisionsbehauptungen nicht die Verpflichtung zur Aufwendung außergewöhnlicher Sorgfalt bei Ausübung der Kontrollpflicht ableiten. Im übrigen hätte selbst bei Aufwendung dieser außergewöhnlichen Sorgfalt durch die Leute der beklagten Partei nicht festgestellt werden können, ob die Gefahr besteht, daß ein konkreter Bindedraht reissen kann.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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