OGH 1Ob559/93

OGH1Ob559/932.7.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schlosser, Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker und Dr. Rohrer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. Johann Z*****, vertreten durch Dr. Rudolf Holzer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Ö***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Felix Spreitzhofer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Räumung infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 11. Februar 1993, GZ 41 R 30/93-21, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 5. Oktober 1992, GZ 7 C 1063/91-17, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Urteil des Gerichtes zweiter Instanz wird dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes auch in dessen Punkt 3 wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 3.987,84 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin S 664,64 Umsatzsteuer) binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger begehrte unter anderem die Verurteilung der beklagten Partei zur Räumung einer näher bezeichneten Wohnung und brachte hiezu vor, das auf ein Jahr befristete Mietverhältnis habe am 31. März 1991 geendet, die beklagte Partei habe die Wohnung aber trotz Aufforderung noch nicht zurückgestellt.

Die beklagte Partei wendete insbesondere ein, ihr Geschäftsführer bewohne das Mietobjekt gemeinsam mit seiner Ehegattin und seinen Kindern ohne Unterbrechung seit 1. April 1986; der Kläger habe nacheinander Mietverträge mit dessen Ehefrau, der beklagten Partei, dessen Tochter und schließlich wieder drei weitere befristete Mietverträge mit der beklagten Partei abgeschlossen. Diese unzulässigen Kettenverträge habe der Kläger nur zur Umgehung des mietrechtlichen Kündigungsschutzes abgeschlossen.

Das Erstgericht wies das Räumungsbegehren ab.

Es stellte fest, der Kläger habe am 6. März 1986 mit der Ehegattin des Geschäftsführers der beklagten Partei einen Mietvertrag über die Wohnung für die Zeit vom 1. April 1986 bis 31. März 1987 geschlossen. Mit Vertragsbeginn habe die Mieterin die Wohnung mit ihrem Ehegatten und ihren Kindern bezogen. Nach Ablauf der Vertragsdauer sei die Wohnung für die Zeit vom 1. April 1987 bis 31. März 1988 an die vom Ehegatten der bisherigen Mieterin als Geschäftsführer vertretene beklagte Partei vermietet, aber weiterhin von denselben Personen bewohnt worden wie bisher. Am 25. April 1988 habe der Kläger die Wohnung für die Zeit vom 1. April 1988 bis 30. September 1988 einer Tochter des Geschäftsführers der beklagten Partei vermietet; dessen Familie sei danach weiterhin in der Wohnung verblieben. Nach Ablauf dieses Mietverhältnisses habe der Kläger wieder Mietverträge über die Wohnung für die Zeit vom 1. Oktober 1988 bis 30. September 1989, vom 1. Oktober 1989 bis 30. September 1990 und schließlich vom 1. Oktober 1990 bis 31. März 1991 abgeschlossen. Die ganze Zeit über sei die Wohnung ohne Unterbrechung von der Familie des Geschäftsführers der beklagten Partei bewohnt worden. Der Wechsel in der Person des Mieters sei auf Wunsch der Hausverwaltung geschehen.

Rechtlich meinte das Erstgericht, es handle sich um mehrere Kettenverträge, die als einheitlicher Vertrag zu beurteilen seien. Eine zulässige Befristung im Sinne des § 29 Abs 1 Z 3 lit c MRG liege daher nicht vor. Der Kläger sei erst 1988 Wohnungseigentümer geworden. Zu diesem Zeitpunkt seien bereits zwei befristete Mietverträge geschlossen worden, die eine unzulässige Befristung beinhalteten. Der nachträgliche Erwerb von Wohnungseigentum entfalte für das Mietverhältnis keinerlei rechtliche Konsequenzen.

Das Berufungsgericht gab dem Räumungsbegehren statt und sprach aus, daß der Entscheidungsgegenstand S 50.000 übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei. Es führte aus, da dem Mietvertrag fünf Mietverträge vorangegangen seien, seien alle Verträge, soweit es um die Befristungsmöglichkeit gehe, wirtschaftlich als Einheit anzusehen. Daran ändere der Umstand nichts, daß die Vertragspartner wechselten und auch die beklagte Partei als juristische Person Hauptmieterin geworden sei. Einem Kettenmietvertrag sei der Fall gleichzuhalten, daß der neue Mietvertrag mit einem Hausgenossen des früheren Mieters geschlossen werde, sodaß dieser die Wohnung nicht räumen müsse, sondern nur mit seinem Hausgenossen die Rollen tausche. Die Tatsache, daß die Wohnung auch an eine juristische Person vermietet sei, ändere an dieser Betrachtungsweise nichts, zumal deren Geschäftsführer die Wohnung seit dem Beginn der Mietverhältnisse ununterbrochen mit seiner Familie benützt habe. Die Wohnung stehe aber seit 18. Oktober 1988 im Wohnungseigentum des Klägers. Mangels besonderer Übergangsregelung sei - abgesehen von am 1. März 1991 bereits anhängigen Verfahren - die Bestimmung des § 29 Abs 1 Z 3 lit b MRG idFd 2. WÄG auf alle Verträge anzuwenden, die nach dem 28. Februar 1991 endeten, und komme daher hier zur Anwendung. Die Befristung sei infolge Einräumung von Wohnungseigentum am Mietobjekt auch bei Einrechnung der Vorzeiten seit 1986 zulässig. Daran ändere der Umstand nichts, daß es sich dabei um ein Umgehungsgeschäft handle. Es berühre die Grenzen des Normzwecks, ob und inwieweit ein Gesetzesverbot auch Rechtsgeschäften gegenüber gelte, die gegen dieses Verbot zwar nicht „dem Buchstaben des Gesetzes nach“ verstießen, im Ergebnis aber doch dessen Zweck vereitelten. Nicht jedes Umgehungsgeschäft sei daher nichtig: Es unterliege vielmehr jener Rechtsnorm, die auf das in Wahrheit beabsichtigte Rechtsgeschäft anzuwenden sei. Die Verträge dienten zwar der Umgehung ursprünglich eingeschränkterer Befristungsmöglichkeit, doch erlaube die anzuwendende Rechtsnorm des § 29 Abs 1 Z 3 lit b MRG eine Befristung bis zu zehn Jahren. Aus diesem Grund sei die für den letzten Vertrag insgesamt mit fünf Jahren anzunehmende Befristung zulässig gewesen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der beklagten Partei ist berechtigt.

Der Kläger schloß zunächst als Hauseigentümer und später als Wohnungseigentümer des Mietobjekts nacheinander mit der Gattin des Geschäftsführer der beklagten Partei, mit dieser selbst, dann der Tochter deren Geschäftsführers und schließlich wieder dreimal mit der beklagten Partei Mietverträge über die Wohnung für die Dauer entweder eines halben oder eines Jahres. Da der Kauf - und Wohnungseigentumsvertrag mit 18. Oktober 1988 datiert ist (vgl Grundbuchsauszug Beilage A), hat der Kläger die ersten vier Verträge, den letzten von ihnen am 4. Oktober 1988 (vgl Beilage 4), noch als Eigentümer der Liegenschaft abgeschlossen.

Zutreffend verweist das Gericht zweiter Instanz auf die Rechtsprechung (SZ 63/50 uva; vgl auch Würth in Rummel, ABGB2 § 29 MRG Rz 7), nach welcher die Bestimmung des § 29 Abs 1 Z 3 lit c MRG - Auflösung eines Hauptmietvertrages über eine Wohnung durch Zeitablauf, wenn dies schriftlich vereinbart worden ist und die ursprüngliche oder verlängerte Dauer ein Jahr nicht übersteigt - nicht dadurch umgangen werden kann, daß statt einer Verlängerung des Mietvertrags ein neuer Vertrag im Sinne eines Kettenmietvertrags geschlossen wird; das gilt auch dann, wenn der neue Mietvertrag mit einem Hausgenossen des bisherigen Mieters zustande kommt, sodaß dieser nicht räumen muß, sondern mit dem Hausgenossen lediglich die Rollen vertauscht. Das muß aber auch dann gelten, wenn an die Stelle des bisherigen Mieters der Wohnung eine juristische Person - hier eine von einem der Familienmitglieder geleitete Kapitalgesellschaft - tritt, um der Familie die Benützung der Wohnung auf die bisherige Art und Weise zu sichern, sodaß sich durch die Vermietung an die juristische Person an den tatsächlichen Benützungsverhältnissen nichts ändert. Auch in einem solchen Fall wählten die Parteien den Umweg, dasselbe wirtschaftliche Ergebnis durch Abschluß eines zweiten Mietvertrags mit einem anderen Mieter im Einflußbereich des bisherigen Mieters zu erzielen. Das Umgehungsgeschäft ist derjenigen Rechtsnorm zu unterwerfen, die auf das in Wahrheit beabsichtigte Rechtsgeschäft - also die Verlängerung des früheren Zeitmietvertrags - anzuwenden ist. Schon die zweite Mieterin, die beklagte Partei ist demnach so zu behandeln, als stelle der mit ihr abgeschlossene Mietvertrag (mit einer vereinbarten Vertragsdauer vom 1. April 1987 bis 31. März 1988) nur eine Verlängerung des schon bestehenden Mietverhältnisses um ein weiteres Jahr dar, sodaß der Mietvertrag wegen Überschreitung der im § 29 Abs 1 Z 3 lit c MRG verankerten Höchstfrist (eines Jahres) nicht schon durch bloßen Zeitablauf aufgelöst wurde.

An diesem Ergebnis änderte aber auch - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes - die Tatsache nichts, daß der Kläger, der bisher Alleineigentümer der Liegenschaft war, auf der sich das Mietobjekt befindet, zu einem Zeitpunkt nicht vor dem 18. Oktober 1988 an dieser Wohnung das Wohnungseigentum erwarb und demgemäß berechtigt gewesen wäre, nach dem Zeitpunkt, in dem das darauf abzielende Gesuch beim Grundbuchsgericht eingelangt ist, Mietverträge bis zu einer Höchstdauer von fünf bzw. seit 1. März 1991 solche bis zu einer Höchstdauer von zehn Jahren abzuschließen (Würth aaO Rz 7a). Im Zeitpunkt des Erwerbs von Wohnungseigentum an der vermieteten Wohnung war aber bereits ein als Verlängerung des bisherigen Mietvertrags über die zulässige Höchstdauer hinaus umzudeutender Mietvertrag und somit ein Mietvertrag zustandegekommen, der als auf unbestimmte Dauer abgeschlossen anzusehen ist und somit nur durch Kündigung aus wichtigem Grund (§ 30 MRG) aufgelöst werden kann.

Dem Mieter stünde dann aber wegen der für ihn in solchen Fällen im allgemeinen bestehenden Zwangslage das Recht, sich auf den Umgehungscharakter des strittigen Mietverhältnisses zu berufen, selbst dann zu, wenn er das Wesen und die Folgen des Umgehungsgeschäfts erkannt haben sollte, was übrigens im vorliegenden Fall nicht einmal behauptet, geschweige denn bewiesen worden wäre.

Der Kläger beruft sich zur Berechtigung seines Räumungsanspruchs auch auf die Entscheidung des erkennenden Senats vom 25. März 1987, 1 Ob 549/87 (= MietSlg 39.406/19), übersieht dabei jedoch, daß dort von vornherein ein Zeitmietvertrag (für die Dauer von zehn Jahren) abgeschlossen worden war, als solcher nach der durch das Mietengesetz bestimmten Rechtslage vom Vermieter nicht durchgesetzt werden konnte, im Zeitpunkt des Ablaufs der vereinbarten Vertragsdauer aber schon nach den Bestimmungen des Mietrechtsgesetzes zu beurteilen war, nach welchen ein solcher Zeitmietvertrag (§ 29 Abs 1 Z 3 lit a MRG) jedoch abgeschlossen und durchgesetzt werden konnte. Im vorliegenden Fall lag aber zum Zeitpunkt des Erwerbs von Wohnungseigentum, das den Wohnungseigentümer zum Abschluß eines solchen Zeitmietvertrags berechtigte, bereits ein mit dem bisherigen Liegenschaftsalleineigentümer wirksam auf unbestimmten Zeit zustande gekommener Mietvertrag vor, in welchen der - personenidente - Wohnungseigentümer somit eintrat und dessen Kündigungsbeschränkungen er daher gegen sich gelten lassen mußte. Wäre es anders, wäre der Umgehung der Kündigungsbeschränkungen des Mietrechtsgesetzes unter diesem Gesichtspunkt erst recht Tür und Tor geöffnet. Es muß deshalb nicht geprüft werden, ob auch die Begründung des Wohnungseigentums im vorliegenden Fall nur zur Umgehung der Kündigungsbeschränkungen in bezug auf die an den Mietobjekten im Haus bestehenden Mietverhältnisse diente, fällt es doch bei Durchsicht des bei den Akten befindlichen Grundbuchsauszugs auf, daß der Kläger als bisheriger Liegenschaftseigentümer das Wohnungseigentum an allen im Haus bestehenden Wohnungen erwarb; lediglich an der Werkstätte (Nr 1/2) begründete er gemeinsames Wohnungseigentum der Ehegatten im Sinne des § 9 WEG. Auch auf die in der (im übrigen von Würth aaO Rz 7a abgelehnten) Entscheidung des Obersten Gerichtshofs EvBl 1991/189 aufgestellten Grundsätze könnte sich der Kläger nicht berufen, weil dort nicht das rechtliche Schicksal eines vom Liegenschaftsalleineigentümer auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Mietvertrags für die Zeit zu beurteilen war, da er bereits Wohnungseigentum an dem betroffenen Mietobjekt erworben hatte.

Liegt aber ein Mietvertrag auf unbestimmte Zeit vor, erweist sich das allein auf Zeitablauf gestützte Räumungsbegehren nicht als berechtigt, sodaß das erstinstanzliche Urteil (in diesem Punkt) wiederherzustellen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte