European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1993:E34538
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Fathi B* wird teilweise Folge gegeben, jeweils ausschließlich in Ansehung dieses Angeklagten werden der Wahrspruch der Geschwornen zu den Hauptfragen 6 und 7 und die darauf beruhenden Aussprüche des angefochtenen Urteils, welches im übrigen unberührt bleibt, sohin die Fathi B* betreffenden Schuldsprüche IV 1 und IV 2 wegen des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB sowie der diesen Angeklagten betreffende Strafausspruch aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung (einschließlich der Beschlußfassung nach § 494 a StPO) an das Geschwornengericht beim Landesgericht für Strafsachen Wien zurückverwiesen.
Im übrigen werden die Nichtigkeitsbeschwerden (jene des Angeklagten Taher M* sohin zur Gänze) verworfen.
Der Berufung und der Beschwerde des Angeklagten Taher M* und der diesen Angeklagten betreffenden Berufung der Staatsanwaltschaft wird nicht Folge gegeben.
Die Staatsanwaltschaft mit ihrer den Angeklagten Fathi B* betreffenden Berufung und dieser Angeklagte mit seiner Berufung und Beschwerde werden auf diese Entscheidung verwiesen.
Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Die tunesischen Staatsbürger Taher M*, geboren am 5. Mai 1964, und Fathi B*, geboren am 23. Februar 1962, wurden (I) des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB, (II) des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 1 StGB sowie der - jeweils in zwei Fällen begangenen - Vergehen (III 1 und 2) des Diebstahls nach § 127 StGB und (IV 1 und 2) der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Inhaltlich dieser auf dem Wahrspruch der Geschwornen beruhenden Schuldsprüche haben sie in Wien "in bewußtem und gewolltem Zusammenwirken als Mittäter bzw als Beteiligte"
I. am 15. Jänner 1992 gegen 0.10 Uhr dem Friedrich B* mit Gewalt (gegen seine Person) und gefährlicher Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben unter Verwendung einer Waffe, nämlich eines Messers mit 8 cm langer Klinge, indem Taher M* mit der Äußerung, er "brauche Geld zum Bumsen" dem Genannten das Messer vor den Bauch hielt, während sich Fathi B* hinter Friedrich B* stellte, fremde bewegliche Sachen, nämlich eine Geldbörse mit 3.600 S Bargeld mit dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung weggenommen;
II. am 15. Jänner 1992 Zarko V* mit einem solchen Mittel und auf eine solche Weise, womit in der Regel Lebensgefahr verbunden ist, vorsätzlich am Körper verletzt, indem Taher M* mit dem zu I bezeichneten Messer auf ihn im Augenbereich einstach und Fathi B*, dazu in Kenntnis des von seinem Komplizen mitgeführten Klappmessers auch selbst auf V* einschlug, wodurch dieser eine ca 5 cm lange tiefe Schnittwunde im Bereich der rechten Augenbraue und eine Knieprellung erlitt;
III. mit dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung fremde bewegliche Sachen weggenommen, nämlich (1.) am 18. Dezember 1991 dem Dr. F* ca 3.000 S Bargeld und (2.) am 15. November (richtig: Jänner) 1992 dem Carlos H* ca 800 S Bargeld;
IV. nachangeführte Personen durch gefährliche Drohung, wobei jeweils Taher M* sein Klappmesser in Händen hielt, zu Handlungen, nämlich zur Abstandnahme von ihrer weiteren Verfolgung, genötigt, nämlich (1.) am 18. Dezember 1991 den Dr. F*, wobei Taher M* überdies mit dem "Abstechen" drohte und (2.) am 15. Jänner 1992 den Carlos H*.
Die Geschwornen hatten die (im Sinn der Modifizierung in der Hauptverhandlung anklagekonformen) Hauptfragen (1 sowie 3 bis 7 des Fragenschemas) durchwegs bejaht, und zwar mit Ausnahme der Hauptfragen 6 und 7 zu den Urteilstaten IV 1 und IV 2 jeweils stimmeneinhellig. Die (gleichfalls gemeinsam für beide Angeklagten) für den Fall der Verneinung der Hauptfrage 1 gestellte Eventualfrage 2 nach dem Vergehen des Diebstahls nach § 127 StGB zum Nachteil des Friedrich B* blieb unbeantwortet.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden beider Angeklagten stützen sich auf § 345 Abs 1 Z 6, 10 a und 12, bei Taher M* auch auf die Z 9 des § 345 Abs 1 StPO.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Taher M*:
Soweit der Erstangeklagte eine Verletzung der Vorschriften über die Fragestellung (Z 6) allein in der Unterlassung einer Eventualfrage nach dem (nicht weiter qualifizierten) Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB zur Hauptfrage 3 (Vergehen der Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 1 StGB) erblickt, ist er nicht im Recht. Der Möglichkeit des Entfalls einer in die anklagekonforme Hauptfrage aufgenommenen Qualifikation ist nicht mit einer - gesetzlich nur für den Fall der Verneinung der Hauptfrage vorgesehenen - Eventualfrage gemäß § 314 StPO Rechnung zu tragen. Bei Beantwortung einer sowohl das Grunddelikt als auch eine Qualifikation erfassenden Hauptfrage können die Geschwornen ihre allfällige Überzeugung, daß zwar das Grunddelikt, nicht jedoch die Qualifikation verwirklicht sei, durch die auf das Grunddelikt eingeschränkte Bejahung der Hauptfrage, nicht aber durch deren - nur ohne einschränkende Zusätze vorgesehene - Verneinung zum Ausdruck bringen. Auf diese Möglichkeit der Qualifikationsausschaltung wurden die Geschwornen zu Beginn der ihnen gemäß § 321 StPO erteilten schriftlichen Rechtsbelehrung - zusätzlich zur bereits in der allgemeinen Rechtsbelehrung nach § 325 Abs 1 und 2 StPO (StPO‑Form RMB 1) enthaltenen Wiedergabe (ua) des § 330 Abs 2 StPO - ausdrücklich hingewiesen. Die Aufnahme der Qualifikation in die Hauptfrage (statt in eine für den Fall der Bejahung des Grunddeliktes zu beantwortende "uneigentliche" Zusatzfrage im Sinn des § 316 StPO) erweist sich daher als gesetzeskonform.
Soweit sich zum Faktum II (§§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 1 StGB) die jedweder ausdrücklichen Substantiierung entbehrende Geltendmachung des Nichtigkeitsgrundes nach § 345 Abs 1 Z 9 StPO dahin verstehen läßt, daß im betreffenden Wahrspruch die Verletzungen des Zeugen V* zwar zutreffend festgestellt, zu Unrecht jedoch als schwer qualifiziert worden seien, wird weder eine Undeutlichkeit oder Unvollständigkeit noch ein innerer Widerspruch der Antwort der Geschwornen dargetan, sondern ein (der Erörterung im Zusammenhang mit der Rechtsrüge vorbehaltener) Rechtsirrtum behauptet.
Das Vorbringen zur Tatsachenrüge (Z 10 a) vermag insgesamt keine Bedenken, geschweige denn solche erheblichen Grades, gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschwornen festgestellten entscheidenden Tatsachen zu erwecken. Daß der zum Faktum I tatbetroffene Zeuge Friedrich B* in der Hauptverhandlung bloß den Einsatz eines wie ein Messer aussehenden Gegenstandes erwähnte, ist nämlich - von der Beschwerde übergangen - im Zusammenhang damit zu sehen, daß der Erstangeklagte unmittelbar vor seiner polizeilichen Betretung beim Wegwerfen eines Gegenstandes beobachtet wurde (363), worauf im nahen Gebüsch ein als Tatwaffe in Betracht kommendes Messer sichergestellt werden konnte (59, 71, 363, 374) und Taher M* überdies zu den Fakten II, IV 1 und IV 2 jeweils ein Messer verwendete, ohne daß Anhaltspunkte für den Einsatz eines damit verwechselbaren anderen Tatwerkzeugs hervorgekommen wären. Mit dem Versuch, unter isolierter Hervorhebung einzelner Verfahrensergebnisse auf für den Angeklagten günstigere Tatsachenvarianten zu folgern, erschöpft sich der Beschwerdeeinwand vielmehr in einer hier gesetzlich nicht vorgesehenen Schuldberufung.
Auch die weiteren formell der Tatsachenrüge eingegliederten Beschwerdeargumente bringen den Nichtigkeitsgrund nach § 345 Abs 1 Z 10 StPO nicht zur prozeßordnungsgemäßen Darstellung: Ob nämlich mit der im Wahrspruch festgestellten Art der Verwendung des Tatwerkzeuges in der Regel Lebensgefahr verbunden ist, ist keine (der Anfechtung allein nach § 345 Abs 1 Z 10 a StPO zugängliche) Tat‑, sondern eine Rechtsfrage, deren Lösung durch die Geschwornen nur dann mit Erfolg aus § 345 Abs 1 Z 12 StPO angefochten werden kann, wenn sich ihre Unrichtigkeit aus dem Wahrspruch selbst ergibt. Die dem Wahrspruch zu entnehmende Feststellung, daß der Erstangeklagte mit einem Messer auf Zarko V* im Augenbereich einstach, steht weder zu jenen Ausführungen im gerichtsärztlichen Sachverständigengutachten, wonach aus dem Befund Schlüsse auf die Richtung der Stichführung ableitbar wären (373), noch zu der laienhaften Beschreibung im Widerspruch, die der Zeuge V* hinsichtlich der von ihm erlittenen Verletzungen gab (Faktum II).
Auch soweit der Beschwerdeführer die Eignung des ihm durch Bejahung der Hauptfrage 7 (Faktum IV 2) angelasteten Verhaltens, begründete Besorgnisse einzuflößen (§ 74 Z 5 StGB), in Zweifel zieht, wirft er eine weitere (erst im Rahmen der Rechtsrüge zu erörternde) Rechtsfrage auf. Die Problematisierung der Identifizierung des Angeklagten durch den Zeugen Dr. P* stützt sich erneut auf nach Art einer Schuldberufung vorgebrachte Argumente, ohne die zu den Fakten III 1 und IV 1 entscheidenden Tatsachengrundlagen in der in § 345 Abs 1 Z 10 a StPO vorgesehenen Weise in Frage zu stellen.
Als nicht gesetzmäßig ausgeführt erweist sich aber auch die Rechtsrüge (Z 12), soweit sie zum Faktum I eine Tatbeurteilung (lediglich) als Diebstahl statt als schwerer Raub anstrebt. Orientiert sie sich doch dabei nicht an dem im Wahrspruch festgestellten, sondern an einem für den Beschwerdeführer günstigeren Tatsachensubstrat, welches seiner Meinung nach durch die Verfahrensergebnisse nicht auszuschließen wäre.
Eine prozeßordnungsgemäße Darstellung verfehlt die Rechtsrüge aber auch zum Faktum II, weil sie mit der dazu reklamierten Tatsubsumtion nach § 83 Abs 1 StGB nach Maßgabe der Verletzungen des Zeugen V* laut Hauptfrage 3 und deren Bejahung im Wahrspruch nicht die entscheidenden Tatsachenkomponenten des Wahrspruchs mit den in Betracht kommenden strafgesetzlichen Bestimmungen vergleicht. Für die Verwirklichung der Qualifikation nach § 84 Abs 2 Z 1 StGB kommt es nämlich (soweit die Erfüllung des Grundtatbestandes außer Frage steht) auf die tatsächlich herbeigeführten Verletzungsfolgen gar nicht an. Entscheidend ist vielmehr, ob das lebensgefährliche Mittel auf eine in der Regel mit Lebensgefahr verbundene Art angewendet wurde, was nach der im Wahrspruch festgestellten Art der Tatbegehung (Einstechen auf den Zeugen V* im Augenbereich mit einem eine Klingenlänge von 8 cm aufweisenden Klappmesser) zu beurteilen und gesetzeskonform zu bejahen war. Die Überprüfung dieser Tatsubsumtion auf ihre Rechtsrichtigkeit hat sich dabei ausschließlich am Inhalt des Wahrspruches selbst, nicht aber an zusätzlichen Verfahrensergebnissen zu orientieren, die im Wahrspruch keinen Niederschlag gefunden haben (Mayerhofer‑Rieder 3 § 45 Z 12 StPO ENr 8).
Das im Wahrspruch zum Faktum IV 2 festgestellte Tatverhalten des Erstangeklagten (Bedrohung des Carlos H* mit einem in Händen gehaltenen Klappmesser) wurde - der insoweit formell auf die Z 12, der Sache nach jedoch auf die Z 11 lit a gestützten Rechtsrüge zuwider - zutreffend als Vergehen der Nötigung nach § 105 StGB beurteilt. Mag auch eine besondere Akzentuierung der Drohung durch eine spezifische Bewegung mit dem Messer oder durch verbale Drohungen unterblieben sein, so kam nach den hier aktuellen Begleitumständen der im bloßen Halten der Waffe gelegenen Drohgebärde (sinngemäß in Richtung einer Stichverletzung) durchaus die zu Unrecht problematisierte Eignung zu einer tatbestandsspezifisch nachhaltigen Beunruhigung des Opfers zu.
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Taher M* war daher als überwiegend nicht gesetzmäßig ausgeführt, teils sachlich nicht begründet zur Gänze zu verwerfen.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Fathi B*:
Der aus § 345 Abs 1 Z 6 StPO erhobene Einwand, die zusammenfassende Fragestellung nach der jeweiligen Schuld beider Mitangeklagten in den gemeinsamen Hauptfragen zu den Fakten I, II, IV 1 und IV 2 habe sich unter Verletzung der die Fragen an die Geschwornen betreffenden gesetzlichen Bestimmungen zum Nachteil des Angeklagten Fahti B* ausgewirkt, kommt zum Teil Berechtigung zu. Gemäß § 317 Abs 2 StPO bleibt es zwar grundsätzlich der jeweils fallbezogenen Beurteilung des Schwurgerichtshofes überlassen, welche Tatsachen in einer Frage zusammenzufassen oder zum Gegenstand besonderer Fragen zu machen sind, zumal den Geschwornen auch die nur teilweise Bejahung einer Frage unter kurzer Beifügung einer Beschränkung gestattet ist (§ 330 Abs 2 StPO) und - wie von der Generalprokuratur zutreffend aufgezeigt - ein Hinweis auf diese Möglichkeit ihnen einerseits schon nach § 325 Abs 2 StPO zur Kenntnis zu bringen, andererseits nach Lage des Falles auch in die schriftliche Rechtsbelehrung (§ 321 StPO) aufzunehmen ist. Reicht ein derartiges Vorgehen allerdings nicht aus, der Gefahr einer pauschalen Beurteilung aller Angeklagten ausreichend entgegenzuwirken, was insbesondere auf von unterschiedlicher Beweislage gekennzeichnete Sachkonstellationen zutreffen wird, dann ist eine Fragenkumulierung unzulässig und begründet Nichtigkeit nach § 345 Abs 1 Z 6 StPO (Mayerhofer‑Rieder 3 ENr 28, 29 und 32 zu § 317 StPO).
Was zunächst die Hauptfragen 1 (Faktum I ‑ §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB) und 3 (Faktum II ‑ §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 1 StGB) anlangt, so war deren kumulative Ausrichtung jeweils auf die Schuld beider Angeklagten hier nicht geeignet, die nach § 325 Abs 2 StPO belehrten Geschwornen, denen überdies auch in der Rechtsbelehrung nach § 321 StPO die Möglichkeit der teilweisen Bejahung der Fragen (§ 330 Abs 2 StPO), insbesondere auch hinsichtlich der Mittäterschaft, weiters die Voraussetzungen dieser Täterschaftsform wie auch das Erfordernis eines die Lebensgefährlichkeit des benützten Mittels und die Begehungsweise umfassenden Tätervorsatzes als entscheidende Qualifikationskriterien nach § 84 Abs 2 Z 1 StGB vergegenwärtigt worden waren (S 1, 16 f, 22 der schriftlichen Rechtsbelehrung), zu überfordern und in Richtung einer verfehlten Pauschalbeurteilung zu beirren. War doch nach den Verfahrensergebnissen allein ein - auch hinsichtlich des Messereinsatzes durch den Erstangeklagten zur Bedrohung und erforderlichenfalls auch zur Herbeiführung einer Verletzung auf (in der Regel) lebensgefährliche Art - einverständliches Vorgehen beider Angeklagten indiziert, weil die Ausführungsmodalitäten der inkriminierten Deliktsserie von einem mit im wesentlichen gleichbleibender Rollenverteilung fortgesetzten Zusammenwirken beider Komplizen gekennzeichnet war, ohne daß konkrete Anhaltspunkte für ein über dieses Einverständnis hinausgehendes Vorgehen des Erstangeklagten im Sinne eines nur ihm zuzurechnenden Handlungsexzesses hervorgekommen wären.
Ungeachtet der kumulativen Abfassung der Hauptfragen 1 und 3 war für die Geschwornen daher hinreichend klargestellt, daß die jeweilige Fragebeantwortung eine differenzierende Prüfung der Beteiligung jedes einzelnen Angeklagten an den Fakten I und II erforderte, dies umso mehr, als der Wortlaut dieser Fragen auch eindeutig zum Ausdruck brachte, auf welches Tatverhalten jedes der Angeklagten sie im einzelnen abstellten.
Gerade hierin liegt der Unterschied zur (gleichfalls kumulativen) Formulierung der Hauptfragen 6 und 7 zu den Nötigungsfakten IV 1 und IV 2, welche zwar auf ein bewußtes und gewolltes Zusammenwirken beider Angeklagten "als Mittäter bzw Beteiligte" bei der Nötigung des Dr. F* sowie des Carlos H* zur Abstandnahme von der Täterverfolgung, nicht aber ein konkretes Verhalten des Zweitangeklagten Fathi B* zum Gegenstand haben. Bei fehlender Anführung jedweder konkreten Mitwirkung des Zweitangeklagten an der Straftat war die kumulative Fragestellung geeignet, die Geschwornen zur Bejahung der Schuldfragen hinsichtlich beider Angeklagten schon dann zu verleiten, wenn sie die dem Erstangeklagten vorgeworfenen Handlungskomponenten als erwiesen annahmen. Aufgrund dieser Fragestellung konnte ihnen nämlich verborgen bleiben, daß zur Bejahung auch der Schuld des Zweitangeklagten die Annahme seiner konkreten Mitwirkung erforderlich war. Eine derartige Tatbeteiligung - allenfalls auch nur durch die in nächster Nähe des Erstangeklagten gezeigte Bereitschaft zum Eingreifen - erweist sich zu den Urteilsfakten IV 1 und IV 2 überdies durch einzelne Verfahrensergebnisse problematisiert, sodaß insoweit auch nicht bei beiden Angeklagten von einer im wesentlichen gleichen Beweislage auszugehen ist: Nach der letzten Aussage des Zeugen Dr. P* in der Hauptverhandlung (375) war zum Zeitpunkt, als er vom Erstangeklagten Taher M* mit dem Messer bedroht wurde, der Zweitangeklagte etwa 50 m entfernt (abweichend 273: 20 m). Zum Faktum IV 2 hinwieder gab der Zeuge Alexandro A* an (268), daß der Zweitangeklagte weggegangen war, bevor der Zeuge in der linken Hand des Erstangeklagten ein Messer wahrnahm. Nach Maßgabe dieser Verfahrensergebnisse wäre aber die Mitwirkung des Zweitangeklagten Fahti B* an den Nötigungstaten zum Gegenstand gesonderter - auf sein konkretes Verhalten eingehender - Schuldfragen zu machen gewesen.
Soweit dieser Angeklagte überdies zum Faktum I eine Eventualfrage nach räuberischem Diebstahl (§§ 127, 131 StGB) vermißt, übersieht er (offenbar in Verkennung der bloß qualifizierenden Bedeutung des § 131 StGB), daß es keiner weiteren Eventualfrage, sondern nur einer die zweite Qualifikation (des ersten Strafsatzes) des § 131 StGB erfassenden "uneigentlichen" Zusatzfrage (§ 316 StPO) zur (auf das Grunddelikt nach § 127 StGB abstellenden) Eventualfrage 2 bedurft hätte, um den Geschwornen die Annahme eines räuberischen Diebstahls anstelle eines Raubes zu ermöglichen. Dem Beschwerdestandpunkt zuwider ergeben sich allerdings weder aus der Zeugenaussage des Opfers Friedrich B* in der Hauptverhandlung noch aus seinen früheren Angaben Anhaltspunkte dafür, daß sich die Angeklagten der Gewaltanwendung oder Drohung lediglich bedienten, um sich die dem Zeugen bereits (unter Ausnützung des Überraschungsmomentes) weggenommene Geldbörse mit dem Bargeldbetrag zu erhalten (274, 275; 51, 53; 159 f).
Die weitere Rüge, aufgrund der Aussage des Zeugen B* in der Hauptverhandlung wäre eine Eventualfrage nach einfachem (nicht qualifiziertem) Raub (§ 142 Abs 1 StGB) zu stellen gewesen, ist ‑ wie schon der wesensgleiche Einwand des Mitangeklagten Taher M* zum Faktum II - darauf zu verweisen, daß der Entfall einer in die anklagekonforme Hauptfrage aufgenommenen Qualifikation (hier: § 143 zweiter Fall StGB) im Wahrspruch durch Bejahung dieser Frage unter kurzer Beifügung einer Beschränkung zum Ausdruck gebracht werden kann und die Geschwornen über die ihnen eingeräumte Möglichkeit nach § 330 Abs 2 StPO sowohl in der allgemeinen Rechtsbelehrung (StPO‑Form RMB 1) als auch durch einen entsprechenden Hinweis am Beginn der ihnen gemäß § 321 StPO erteilten schriftlichen Belehrung informiert wurden. Das Unterbleiben einer Aufspaltung der Hauptfrage 1 in eine nur auf das Grunddelikt des Raubes beschränkte Haupt- und eine dessen Qualifikation betreffende "uneigentliche" Zusatzfrage vermag angesichts dieser Belehrung keine Nichtigkeit zu bewirken (Mayerhofer‑Rieder 3 ENr 8 zu § 316 StPO).
Was zur Tatsachenrüge (Z 10 a) vorgebracht wird, erweist sich als ingesamt ungeeignet, Bedenken - geschweige denn solche erheblichen Gewichtes - gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch getroffenen Feststellungen zu erwecken. Daß die im Wahrspruch zum Faktum I getroffenen Feststellungen (insbesondere zur Verwendung eines Messers) durch die Aussage des Zeugen B* in der Hauptverhandlung nicht zu problematisieren sind, wurde bereits in Erwiderung des gleichartigen Einwandes des Angeklagten Taher M* dargetan. Soweit der Zweitangeklagte aus einzelnen Passagen dieser Zeugenaussage die Behauptung abzuleiten sucht, den Tatort bereits vor der dem Zeugen widerfahrenen Gewaltanwendung oder Drohung verlassen zu haben, unterlegt er den zitierten Aussageteilen eine Bedeutung, die in ihrem protokollierten Inhalt keine Deckung findet.
Die das Faktum II betreffende Tatsachenrüge, wonach als Urheber der Stichverletzung des Zeugen V* allein Taher M* in Betracht komme, erweist sich als nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt, weil die insoweit sinngemäß bekämpfte Feststellung, daß der Zweitangeklagte den Messerstich führte, dem Wahrspruch gar nicht zugrunde liegt. Ob dessenungeachtet die Qualifikation nach § 84 Abs 2 Z 1 StGB auch dem Angeklagten Fathi B* zur Last fällt, betrifft jedoch keine Tat‑, sondern eine Rechtsfrage, welche vom Zweitangeklagten ohnehin zu § 345 Abs 1 Z 12 StPO (erneut) aufgeworfen wird.
Die Rechtsausführungen dazu gehen allerdings nicht von sämtlichen dem Wahrspruch zu entnehmenden Tatsachenfeststellungen aus. Der Beschwerdeführer setzt sich nämlich darüber hinweg, daß die - wie dargelegt über die Vorsatzkriterien nach § 84 Abs 2 Z 1 StGB belehrten - Geschwornen sein bewußtes und gewolltes Zusammenwirken (als Mittäter) mit dem Erstangeklagten bei der Messerattacke gegen den Augenbereich des Zarko V* bejaht habe. Nach dem Tatsachensubstrat dieses Schuldspruchs war daher die in Rede stehende - das Unrecht der Tat betreffende - Qualifikation vom Vorsatz (auch) des Zweitangeklagten mitumfaßt und von ihm dementsprechend schuldspruchkonform zu verantworten (dazu Burgstaller im WK Rz 67, Kienapfel BT I3 Rz 73 jeweils zu § 84 StGB), weshalb seine nur unvollständig an den tatrichterlichen Feststellungen orientierten Subsumtionserwägungen nicht zur prozeßordnungsgemäßen Darstellung gelangen.
Da der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Fathi B* sohin lediglich hinsichtlich der Fakten IV 1 und IV 2, zu welchen aus den dargelegten Erwägungen eine partielle Verfahrenserneuerung nicht zu vermeiden ist, im übrigen aber keine Berechtigung zukommt, war dazu spruchgemäß zu entscheiden.
Zu den Berufungen und den auf § 494 a Abs 4 StPO gestützten Beschwerden:
Da die Teilaufhebung des angefochtenen Urteils hinsichtlich des Angeklagten Fathi B* auch den Strafausspruch erfaßt und die dagegen erhobenen Rechtsmittel hiedurch gegenstandslos geworden sind, waren die Berufungen dieses Angeklagten und (soweit ihn betreffend) die Berufung der Staatsanwaltschaft ebenso auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen wie die Beschwerde des Zweitangeklagten gegen den Widerrufsbeschluß gemäß § 494 a Abs 1 Z 4 StPO.
Über den Angeklagten Taher M* verhängte das Geschwornengericht nach §§ 28 Abs 1, 143 erster Strafsatz StGB eine Freiheitsstrafe von acht Jahren, wobei es die einschlägigen Vorstrafen, das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen, den raschen Rückfall, die Tatwiederholung innerhalb einer Nacht sowie während offener Probezeiten als erschwerend, das teilweise Geständnis hingegen als mildernd wertete.
Weiters faßte das Erstgericht den Beschluß auf Widerruf der mit den beiden Vorverurteilungen (wegen Diebstahls durch Einbruch, teils auch wegen anderer Delikte) gewährten bedingten Nachsicht der Freiheitsstrafen von jeweils acht Monaten (§ 494 a Abs 1 Z 4 StPO).
Den - mit entgegengesetzten Anfechtungszielen - sowohl von der Staatsanwaltschaft als auch vom Angeklagten gegen den Strafausspruch erhobenen Berufungen kommt ebensowenig Berechtigung zu wie der Beschwerde des Angeklagten gegen den Widerrufsbeschluß.
Das Erstgericht hat den hier zu beachtenden Strafzumessungsgründen im Ergebnis im wesentlichen in angemessener Weise Rechnung getragen, ohne dabei - den in den Berufungen vorgebrachten Argumenten zuwider - entscheidend erschwerende oder auch mildernde Aspekte über- oder unterzubewerten (mag auch der Rückfall innerhalb der offenen Probezeiten als gesonderter Erschwerungsgrund auszuscheiden sein - Mayerhofer‑Rieder 3 EGr 27 zu § 33 StGB). Im Sinn der Berufungsausführung der Staatsanwaltschaft trifft es zwar zu, daß der Angeklagte Taher M* durch die (nicht nur auf eine Nacht beschränkte) Aneinanderreihung gravierender Gewaltexzesse eine außergewöhnliche Anfälligkeit für Straftaten von kapitalem gesellschaftlichen Störwert und damit besondere spezialpräventive Straferfordernisse erkennen läßt, doch rechtfertigt der erstgerichtliche Strafausspruch auch aus dieser Sicht die Erwartung einer zur Erreichung des Strafzwecks hinreichenden Effizienz. Angesichts der teilweise durch signifikant hemmungslosen Gewalteinsatz gekennzeichneten Tatmodalitäten und der ersichtlich leichtfertigen Deliktshäufung bleibt andererseits aber kein Raum für die vom Angeklagten unter Hinweis auf sein Teilgeständnis und eine angeblich alkoholisierungsbedingte Unbesonnenheit angestrebte Herabsetzung der mit acht Jahren im unteren Bereich der hier aktuellen gesetzlichen Strafdrohung von fünf bis fünfzehn Jahren ausgemessenen Freiheitsstrafe.
Beiden Berufungen war daher der Erfolg zu versagen.
Gleiches traf auch auf die Beschwerde gegen den Widerrufsbeschluß zu, weil der Erstangeklagte nach wiederholter Gewährung der bedingten Strafnachsicht mehrfach massiv einschlägig rückfällig wurde.
Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)