OGH 4Ob67/93

OGH4Ob67/9329.6.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Rohrer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. M***** Gesellschaft mbH & Co KG, 2. M*****gesellschaft mbH & Co KG, ***** beide vertreten durch Dr.Ewald Weiss, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1. "t*****gesellschaft mbH & Co KG, 2. "t*****gesellschaft mbH, ***** beide vertreten durch Dr.Heinrich Kammerlander und Dr.Martin Piaty, Rechtsanwälte in Graz, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 480.000), infolge Revisionsrekurses der beklagten Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 25.März 1993, GZ 4 R 294/92-10, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 4.November 1992, GZ 39 Cg 339/92-4, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden teilweise, und zwar dahin abgeändert, daß die Entscheidung unter Einschluß des bestätigten Teils insgesamt wie folgt zu lauten hat:

"Einstweilige Verfügung:

1. Zur Sicherung des Anspruches der klagenden Parteien gegen die beklagten Parteien auf Unterlassung wettbewerbswidriger Ankündigungen und Handlungen wird den Beklagten ab sofort und bis zur Rechtskraft des über die Klage ergehenden Urteils geboten, es im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs zu unterlassen:

a) Reichweiten von ihnen vertriebener Programmbeilagen zu Tages- und Wochenzeitungen, insbesondere Reichweiten in der Form von Vertriebszusammenschlüssen verbreiteter verschiedener Programmbeilagen, die addiert sind, insbesondere der Programmbeilagen 'tele' und/oder 'TV-Blick' und/oder 'Mein TV-Programm', zu behaupten, wenn diese Reichweiten durch die Netto-Reichweiten der jeweiligen Tages- und Wochenzeitungen als Trägermedien, denen diese Programmbeilagen beigegeben sind, definiert sind und nicht ausdrücklich darauf hingewiesen wird, welche Methode der Reichweitenerhebung der Werbeaussage zugrunde liegt.

b) unter Bezugnahme auf Daten von Reichweitenerhebungen mit der Reichweite der von ihnen verbreiteten Programmbeilagen, insbesondere der Beilagen 'tele' und/oder 'TV-Blick' so zu werben, daß der Eindruck einer (alleinigen) Spitzenstellung - insbesondere durch die Behauptung, daß mit dieser Reichweite "neue Maßstäbe gesetzt" würden - erweckt wird, wenn die behauptete Reichweite auch durch andere Programmbeilagen, insbesondere die 'Fernseh- und Radiowoche', erreicht oder übertroffen wird.

2. Das Mehrbegehren, den beklagten Parteien zu gebieten:

a) die unter Punkt 1. a) näher beschriebene Behauptung über die Reichweiten zu unterlassen, wenn diese Reichweiten lediglich durch Nettoreichweiten der jeweiligen Tages- und Wochenzeitungen von Trägermedien, denen diese Programmbeilagen beigegeben sind, definiert sind und die sich bei Direktermittlung der Programmbeilagen im Wege der gezielten Titelabfrage ergebende Leserzahl unter der für die Trägermedien ermittelten Netto-Reichweite liegt, sowie

b) unter Bezugnahme auf Daten von Reichweitenerhebungen Reichweiten für periodische Druckschriften, insbesondere von Programmbeilagen, insbesondere einer Programmbeilage mit dem Titel 'TV-Blick', oder Reichweiten für einen Vertriebszusammenschluß, insbesondere den sogenannten 'Tele-Jumbo', zu behaupten, wenn solche Daten in bezug auf eine derartige Programmbeilage oder einen derartigen Vertriebsring nicht ermittelt wurden und/oder eine derartige Programmbeilage noch gar nicht verbreitet wurde oder ein derartiger Vertriebsring seine Tätigkeit noch gar nicht aufgenommen hat,

wird abgewiesen."

Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, den beklagten Parteien den mit S 26.117,54 bestimmten, auf den abweisenden Teil entfallenden Anteil an den Kosten des Provisorialverfahrens aller drei Instanzen (darin S 4.352,92 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu zahlen; die auf den stattgebenden Teil entfallenden Kosten haben die klagenden Parteien vorläufig und die beklagten Parteien endgültig selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Erstklägerin ist Verlegerin der Tageszeitungen "Neue Kronen-Zeitung" und "Kurier", denen an jedem Freitag eine eigene Radio- und Fernsehbeilage, nämlich die "Fernseh- und Radiowoche", beigelegt ist; die Zweitklägerin ist die Medieninhaberin dieser Programmbeilage.

Die Erstbeklagte ist Medieninhaberin der Programmbeilage "tele-Magazin", welche mehreren Tages- und Wochenzeitungen - und zwar den "Salzburger Nachrichten", den "Oberösterreichischen Nachrichten", den "Niederösterreichischen Nachrichten", der "Kleinen Zeitung", der "Tiroler Tageszeitung", den "Vorarlberger Nachrichten", der "Neuen Vorarlberger Tageszeitung" und der "BF (Die Burgendlandwoche)" - ebenfalls wöchentlich - beigegeben wird. Außerhalb periodischer Druckschriften kann diese Programmbeilage derzeit in Wien um S 1 erworben werden. Die Zweitbeklagte ist die Komplementärin der Erstbeklagten.

In der Nummer 30/92 der periodischen Druckschrift "intern" vom 27.7.1992 erschien folgendes ganzseitiges Inserat:

In "intern" Nr. 31/92 vom 18.8.1992 wurde folgendes Inserat veröffentlicht:

Die in beiden Inseraten als Quelle angegebene "Optima"-Analyse ist das Ergebnis einer regelmäßig durchgeführten Studie eines allgemein anerkannten Marktforschungsunternehmens, welches mit wissenschaftlich fundierten Methoden reichweitenmäßige Untersuchungen von Kommunikationsträgern erstellt.

Den Hintergrund für die Werbeaussagen der Beklagten bildet der Zusammenschluß "tele-Jumbo", ein Anzeigenverbund zwischen den Fernsehsupplements "tele" - welches im Eigentum der Beklagten steht - und "TV-Blick", welches zum Oberösterreichischen Landesverlag gehört. "TV-Blick" war aus einer Fusion der seinerzeitigen Programmzeitschriften "Mein TV-Programm" - früher verschiedenen Bundesländer-, Regional-, Tages- oder Wochenzeitungen wie der "Salzburger Volkszeitung" beigelegt - und "Ein Blick", der Fernsehprogrammbeilage der "Oberösterreichischen Rundschau", entstanden.

"TV-Blick" hat seine Tätigkeit erst am 1.September 1992 aufgenommen und war daher zur Zeit der beiden Werbeeinschaltungen vom 27.7. und 18.8.1992 noch nicht auf dem Markt vorhanden.

Der in der Werbung als "tele-Jumbo" bezeichnete Anzeigenverbund ist darauf gerichtet, daß "tele" die Anzeigenvermarktung für beide Zeitschriften übernimmt und jedes in "tele" geschaltete Inserat gleichzeitig auch in den "TV-Blick" aufgenommen wird, so daß sich für die an großen Adressatenkreisen interessierte Werbewirtschaft eine in Prozenten meßbare größere Reichweite der Werbeankündigungen ergibt. Durch diese Strategie der Beklagten sollte der von den Klägerinnen verbreiteten "Fernseh- und Radiowoche" eine reichweitenmäßig konkurrenzfähige Alternative gegenübergestellt werden.

Durch vorbereitende Werbung und Öffentlichkeitsarbeit trachteten die Beklagten das Interesse der Werbewirtschaft an einem solchen Anzeigenverbund mit dem Hinweis darauf zu stimulieren, daß sie an Auflage und Reichweite eine mächtige Stellung auf dem Markt gewonnen hätten oder doch gewinnen könnten.

Zwecks Reichweitenerfassung von TV-Supplements holten die Beklagten bei geeigneten Stellen Auskünfte ein. Von den hiefür angebotenen Methoden entschieden sie sich dafür, die - sich nach Ausfilterung der Doppelleser ergebende - "Netto-Reichweite" aller Trägermedien, denen ein Supplement beigelegt ist, zu ermitteln. Die zweite Möglichkeit hätte darin bestanden, die Reichweite der Beilage durch Abfrage mittels "Titelkartenvorlage" zu ermitteln; bei dieser wird die Reichweite durch die Befragung von Testpersonen zu den einzelnen Beilage-Sujets selbst unter Verwendung eines Logos festgestellt.

Mit der Behauptung, daß die beiden Inserate der Beklagten irreführend seien, begehren die Klägerinnen zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches, den Beklagten im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs zu untersagen:

a) Reichweiten von ihnen vertriebener Programmbeilagen zu Tages- und Wochenzeitungen, insbesondere Reichweiten in Form von Vertriebszusammenschlüssen verbreiteter verschiedener Programmbeilagen, die addiert sind, insbesondere der Programmbeilagen "tele" und/oder "TV-Blick" und/oder "Mein TV-Programm", zu behaupten, wenn diese Reichweiten lediglich durch die Netto-Reichweiten der jeweiligen Tages- und Wochenzeitungen als Trägermedien, denen diese Programmbeilagen beigegeben sind, definiert sind und die sich bei direkter Ermittlung der Reichweite der Programmbeilagen im Wege gezielter Titelabfrage ergebende Leserzahl unter jener der für die Trägermedien ermittelten Netto-Reichweite liegt;

b) unter Bezugnahme auf Daten von Reichweitenerhebungen Reichweiten für periodische Druckschriften, insbesondere von Programmbeilagen, insbesondere einer Programmbeilage mit dem Titel "TV-Blick", oder Reichweiten für einen Vertriebszusammenschluß, insbesondere den sog. "tele-Jumbo", zu behaupten, wenn solche Daten in bezug auf eine derartige Programmbeilage oder einen derartigen Vertriebs-Ring nicht ermittelt wurden und/oder eine derartige Programmbeilage noch gar nicht verbreitet wurde oder ein derartiger Vertriebsring seine Tätigkeit noch gar nicht aufgenommen hat;

c) unter Bezugnahme auf Daten von Reichweitenerhebungen die Reichweite der von ihnen verbreiteten Programmbeilagen, insbesondere der Beilagen "tele" und/oder "TV-Blick", so zu bewerben, daß der Eindruck einer (alleinigen) Spitzenstellung, insbesondere dadurch, daß behauptet wird, daß mit dieser Reichweite neue Maßstäbe gesetzt werden, erweckt wird, wenn die behauptete Reichweite auch von anderen Programmbeilagen, insbesondere der "Fernseh- und Radiowoche", erreicht oder übertroffen wird;

in eventu:

d) bei Werbemaßnahmen für in Form eines Vertriebszusammenschlusses verbreitete verschiedene Radio- und Fernsehprogrammbeilagen Reichweiten zu behaupten, die durch Addition der Reichweite dieser verschiedenen Beilagen definiert sind, wenn hiebei, insbesondere durch blickfangartiges Hervorheben des Logos einer dieser Programmbeilagen, der Eindruck erweckt wird, daß sich die behauptete Reichweite nur auf die blickfangartig hervorgehobene Programmbeilage beziehe, insbesondere, wenn bei der Werbung für den "tele-Jumbo" eine Reichweite von 50,3 % behauptet und hiebei durch blickfangartige Hervorhebung des Logos der "tele"-Programmbeilage der Eindruck erweckt wird, daß sich die behauptete Reichweite auf diese Beilage beziehe.

Die Beklagten hätten in ihrer Werbung nicht auf die Art der Ermittlung der Reichweite hingewiesen. Nach derselben Reichweitenerhebung, auf die sich die Beklagten stützten, habe die "Neue Kronen-Zeitung" eine Reichweite von 42,8 % und der "Kurier" eine solche von 14,1 % erzielt. Nicht jeder aber, der die Trägerzeitung liest oder durchblättert, schenke auch der Programmbeilage ein Augenmerk; bei dieser Art der Erhebung ergäben sich daher höhere Reichweiten als bei einem direkt ermittelten Reichweitenwert der jeweiligen Beilage. Für die "Fernseh- und Radiowoche" habe sich bei der gezielten Titelabfrage eine Reichweite von 53 % - also doch weniger als für die Trägermedien - ergeben. Nach der Titelabfrage hätte sich für "tele" und "Mein TV-Programm" bei dieser Methode eine - um die Doppelleser bereinigte - Reichweite von insgesamt 33,9 % ergeben. Die Werbeaussage, daß der "tele-Jumbo" eine Reichweite von 50,3 % habe, sei überdies deshalb unrichtig, weil die künftige Reichweite eines neuen Magazins noch nicht feststehe und das Publikum auch nicht darüber aufgeklärt werde, daß sich diese Reichweite aus der Addition bisher völlig selbständiger Programmbeilagen ergibt. Auch die Behauptung, daß mit einer Reichweite von 50,3 % "neue Maßstäbe gesetzt" wurden, sei im Hinblick auf die Reichweite der "Fernseh- und Radiowoche" unrichtig und irreführend. Das gleiche gelte für die weitere Werbebehauptung, daß es ab 1.9.1992 "6 : 3 für den neuen 'tele-Jumbo' stehe."

Die Beklagten beantragen die Abweisung des Sicherungsbegehrens. Die beanstandeten Inserate seien in einer Fachzeitung für die Werbewirtschaft erschienen und hätten sich damit an ein fachkundiges Publikum gewendet. Beide Methoden der Reichweitenermittlung hätten Fehlerquellen. Bei Ermittlung der Reichweite der Trägermedien bestehe der Nachteil, daß die Trägermedien in der Regel höhere Leserzahlen als die Fernsehbeilagen hätten; das sei den Werbefachleuten freilich bekannt. Auch gegen die Titelkartenabfrage bestünden Vorbehalte, weil das Publikum zum Teil den Titel seiner Stammzeitung, nicht aber den der Programmbeilage kenne. Die Klägerinnen wünschten die Ermittlung nach der Titelkartenabfrage, weil sie nach einer Untersuchung der Optima 91/92 mit der "Fernseh- und Radiowoche" eine Reichweite von 53 %, die "Neue Kronen-Zeitung" und der "Kurier" hingegen gemeinsam nur eine Reichweite von 50,3 % erreicht hätten; das sei natürlich ein denkunmögliches und offensichtlich falsches Ergebnis und könne nur auf Mißverständnisse zurückgeführt werden. Nach den Ergebnissen der "Optima 91/92" hätten die Trägerzeitungen der "tele-Jumbo" eine Nettoreichweite von 50,3 %, also gleich viel wie die beiden Tageszeitungen der Erstklägerin. Das Argument, die Reichweite des "tele-Jumbo" dürfe nicht ausgewiesen werden, weil dieser zum Veröffentlichungszeitpunkt noch gar nicht existiert habe, sei unrichtig, handle es sich doch hiebei eindeutig um Reichweiten bereits eingeführter, etablierter Trägermedien, denen entweder "TV-Blick" oder "tele" beiliege. In den Inseraten sei der Hinweis "laut Optima 91/92" enthalten; das angesprochene Fachpublikum sei darüber unterrichtet gewesen, daß der Anzeigenverbund erst mit 1. September 1992 starten werde, was auch in den Inseraten zum Ausdruck komme. Die Werbebehauptung, daß der "tele-Jumbo neue Maßstäbe" setze, treffe zu, weil sich durch sein Auftreten die Lage auf dem Werbemarkt entscheidend geändert habe. Während vorher der Markt für Anzeigen bei TV-Supplements von der "Fernseh- und Radiowoche" monopolartig dominiert worden sei, sei nun zumindest ein Oligopol entstanden. Die Herstellung eines Anzeigenverbundes zwischen zwei sonst völlig selbständigen Zeitschriften sei ebenfalls ein Novum. Auch die Anzeige mit der Behauptung "6 : 3" sei nicht irreführend, sondern eine den Tatsachen entsprechende vergleichende Werbung.

Der Erstrichter erließ die einstweilige Verfügung. Da es die Beklagten unterlassen hätten, ihre Werbeaussagen mit einer Aufklärung über die von ihnen angewendete Methode der Reichweitenerhebung zu versehen, liege ein Verstoß gegen § 2 UWG vor. Der eher vage gehaltene Bezug auf die Optimaanalyse 91/92 sei eine unzulässige Verallgemeinerung und lasse den Eindruck zu, daß es für den Anzeigenverbund schon Erfahrungswerte gebe; tatsächlich habe es sich im Grunde nur um Prognosewerte gehandelt. Die Formulierungen "Es bleibt kein Stein am anderen", "tele-Jumbo setzt neue Maßstäbe" und "6 : 3 für tele-Jumbo" enthielten eine Alleinstellungswerbung. Da jedoch eine Marktführerschaft der Beklagten in Wirklichkeit nicht gegeben sei, werde auch dadurch der Tatbestand des § 2 UWG verwirklicht.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluß und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Die Werbeaussage der Beklagten sei unvollständig und damit irreführend, wäre doch eine klare Angabe, welche Werte den plakativen Werbeaussagen zugrunde gelegt würden, erforderlich gewesen. Gerade in einem solchen Fall einer plakativ und aggressiv gestalteten Werbekampagne mit Inanspruchnahme einer Spitzenstellung müßten die hiefür herangezogenen Kriterien klar und eindeutig hervorgehoben werden. Die Beklagten hätten zu Unrecht die Marktführerschaft in Anspruch genommen.

Gegen diesen Beschluß wendet sich der Revisionsrekurs der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die Beschlüsse der Vorinstanzen dahin abzuändern, daß der Sicherungsantrag abgewiesen werde, sowie dem "Eventualantrag", die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß die einstweilige Verfügung im Punkt a) unter Abweisung des Mehrbegehrens dahin abgeändert werde, daß die dort genannte Werbeaussage nur unter der Voraussetzung verboten werde, daß eine Aufklärung des Publikums über die angewendete Methode unterbleibt, Punkt c) bestätigt und das Begehren laut Punkt b) hingegen abgewiesen werde.

Die Klägerinnen beantragen, den Revisionsrekurs als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist entgegen der Meinung der Klägerinnen zulässig, weil ein vergleichbarer Sachverhalt noch nicht Gegenstand der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes war; er ist auch teilweise, und zwar im Sinne des - gegenüber dem Hauptrechtsmittelantrag ein minus bedeutenden und daher "unechten" - Eventualantrages berechtigt.

Was Punkt a) des Sicherungsbegehrens angeht, so ist dem Rekursgericht darin beizupflichten, daß die beanstandete Werbeaussage, wonach die im "Neuen Fernseh-Jumbo" vereinigten Programmbeilagen eine Reichweite von 50,3 % hätten, nicht schon deshalb irreführend im Sinne des § 2 UWG ist, weil es sich dabei in Wahrheit um die Netto-Reichweite jener Medien handelt, denen die Programmzeitschrift der Beklagten beigelegt wird. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen ist es eine durchaus gebräuchliche und anerkannte Methode, die Reichweite von Zeitungsbeilagen dadurch zu ermitteln, daß man die Reichweite der Trägermedien erhebt. Daß diese Methode mit Fehlerquellen behaftet ist, liegt auf der Hand und wird auch von den Beklagten selbst zugegeben. Vor allem ist zu bedenken, daß es Leser geben wird, die zwar die Zeitungen selbst lesen oder zumindest durchblättern, die Fernsehprogrammbeilage aber überhaupt nicht anschauen; andererseits sind auch Fälle denkbar, daß - etwa Familienmitglieder - nur die Programmbeilage mehr oder weniger intensiv lesen, an den Zeitungen selbst aber kein Interesse haben. Aber auch die andere mögliche Methode - also die Abfrage mit "Titelkartenvorlage" - garantiert kein unbedingt zutreffendes Ergebnis, spielt doch vor allem der Umstand eine Rolle, daß manchen Lesern nur der Titel der von ihnen täglich (oder wöchentlich) gelesenen Zeitung, nicht aber jener der darin enthaltenen Programmbeilage geläufig ist. Welche der Methoden eher geeignet ist, zu einem realistischen Ergebnis zu kommen, ist den Feststellungen nicht zu entnehmen und offenbar auch in der Fachwelt umstritten. Den Beklagten kann daher nicht der Vorwurf gemacht werden, daß sie sich - nach Einholung von Erkundigungen über die geeignetste Ermittlungsmethode - auf die Ergebnisse einer anerkannten Untersuchungsweise berufen haben. Da aber nicht von vornherein davon ausgegangen werden kann - und es auch nicht der Fall war -, daß beide Methoden zum gleichen Ergebnis führen, ist es zur Information der daran interessierten Verkehrskreise - also vor allem der Werbewirtschaft - unbedingt erforderlich anzugeben, auf Grund welcher Art von Untersuchung das in der Werbung herausgestrichene Ergebnis erzielt wurde. Den Lesern der Werbebotschaft steht es dann offen, auf Grund ihrer eigenen Einschätzung entsprechende Zu- oder Abschläge zu machen. Wenngleich eine allgemeine Pflicht zur Vollständigkeit von Werbeaussagen nicht besteht (Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht17, 804 Rz 47 zu § 3 dUWG; ÖBl 1985, 101; ecolex 1993, 253 ua), liegt doch im Verschweigen einer Tatsache dann eine irreführende Angabe, wenn eine Aufklärung des Publikums zu erwarten war (Hohenecker-Friedl 23; Baumbach-Hefermehl aaO Rz 48; ÖBl 1982, 126; ecolex 1993, 253). Eine Aufklärungspflicht kann sich insbesondere auch aus der Bedeutung ergeben, die der verschwiegenen Tatsache nach der Auffassung des Verkehrs zukommt, so daß ihre Nichterwähnung geeignet ist, das Publikum in relevanter Weise irrezuführen; das trifft insbesondere dann zu, wenn durch das Verschweigen wesentlicher Umstände ein falscher Gesamteindruck hervorgerufen wird (Baumbach-Hefermehl aaO; ÖBl 1981, 21; ÖBl 1985, 101; ÖBl 1982, 126; ecolex 1993, 253). Auch hier ist es aber für das angesprochene Publikum sehr wohl von Bedeutung, auf welche Weise die Erkenntnis über die Reichweite der Programmbeilage gewonnen wurde.

Da kein Anhaltspunkt für die Annahme besteht, daß die Abfrage mit Titelkartenvorlage zuverlässigere Ergebnisse über die Reichweite einer solchen Beilage verschaffen könnte, besteht kein Grund dafür, den Beklagten die Benützung der mit der anderen Methode gewonnenen Ergebnisse schon deshalb zu verbieten, weil die mit der anderen Methode gewonnenen Ergebnisse niedriger liegen; den Beklagten ist vielmehr nur zu untersagen, als Reichweite ihrer Programmbeilagen jene der Trägerzeitungen heranzuziehen, ohne ausdrücklich auf diese Berechnungsart hinzuweisen.

Den Beklagten ist auch darin zuzustimmen, daß ihre Werbung nicht schon deshalb irreführend ist, weil ihre Aussagen zu einer Zeit gemacht wurden, als der "Neue Fernseh-Jumbo" noch gar nicht wirksam geworden war. Beide beanstandeten Inserate machen - jedenfalls für das hier angesprochene Fachpublikum, an dessen Fachkunde ein höherer Maßstab anzulegen ist als bei einer Werbung, die sich an die Allgemeinheit richtet (vgl SZ 63/108; ÖBl 1991, 71; ÖBl 1971, 160) - deutlich, daß der "tele-Jumbo" etwas Neues ist, das in naher Zukunft auf den Markt kommen wird. Alle in der Werbung gemachten Angaben über die Reichweite, die Zahl der Leser und die Verteilung auf die Bundesländer können daher nicht als gesicherte Aussagen über etwas schon Vorhandenes, sondern nur als eine mehr oder weniger wahrscheinliche Zukunftsprognose angesehen werden. Wurde dabei von der gegenwärtigen Verbreitung der Trägerzeitungen ausgegangen, dann war dies eine durchaus realistische Grundlage für die Zukunftserwartung, bestanden doch keinerlei Gründe für die Annahme, die Trägerzeitungen - oder auch nur einige von ihnen - würden ab dem 1. September 1992, dem Inkrafttreten des neuen Anzeigenverbundes, einen ins Gewicht fallenden Absatzrückgang erleiden, der sich dann auch auf die Reichweite der Programmbeilagen entsprechend nachteilig auswirken müßte. Die in den beiden Inseraten steckende Werbeaussage, daß der "tele-Jumbo" demnächst in Zeitungen mit einer entsprechenden Reichweite, Leserzahl und Verbreitung in den Bundesländern erscheinen werde, ist demnach nicht schon deshalb irreführend, weil es damals den "tele-Jumbo" noch gar nicht gab. Punkt b) des Sicherungsantrages erweist sich daher als unberechtigt.

Nicht gefolgt werden kann hingegen den Beklagten darin, daß die Werbeaussage, der "tele-Jumbo" setze neue Maßstäbe, schon deshalb richtig sei, weil sich mit seinem Auftreten die Lage auf den Märkten grundlegend geändert habe. Diese Aussage mußte der unbefangene Leser - auch aus den einschlägigen Fachkreisen - im Zusammenhalt mit dem darauffolgenden Hinweis auf die Reichweite in dem Sinn verstehen, daß hier eine bisher noch von niemandem erlangte Reichweite erzielt würde. Da jedoch die Beklagten selbst zugegeben haben, daß auch die Zeitungen der Klägerinnen (mit der entsprechenden Programmbeilage) eine Reichweite von 50,3 % haben, ist die von den Beklagten mit dieser Werbeaussage in Anspruch genommene Spitzenstellung nicht gegeben. Als Ausdrucksmittel für eine Alleinstellung kommen ja nicht nur der Superlativ oder der Komparativ (Baumbach-Hefermehl aaO 814 Rz 69 und 70 zu § 3 dUWG), sondern auch andere Formulierungen in Frage (Baumbach-Hefermehl aaO 815 Rz 71 bis 74; MR 1990, 195). Eine solche Werbung ist nach ständiger Rechtsprechung (ÖBl 1986, 42; ÖBl 1989, 42; MR 1989, 30; MR 1990, 195 uva) primär nach § 2 UWG zu beurteilen und daher wettbewerbsrechtlich (nur) dann zu beanstanden, wenn die ernstlich und objektiv nachprüfbar behauptete Spitzenstellung nicht den Tatsachen entspricht oder die Werbebehauptung sonst zur Irreführung der angesprochenen Verkehrskreise geeignet ist. Da die vor dem 1.September 1992 zu erwartende Reichweite der Programmbeilagen der Beklagten nicht - und schon gar nicht in so deutlichem Ausmaß - höher war als die der "Radio- und Fernsehwoche" der Klägerinnen, ist die beanstandete Werbeaussage - welche durchaus als ernstgemeinte Tatsachenbehauptung aufgefaßt werden mußte - unrichtig und daher irreführend im Sinne des § 2 UWG. Davon, daß alle Leser so weitreichende Fachkenntnisse hätten, daß sie die Ergebnisse der Reichweitenuntersuchungen im Detail kannten und daher keinem Irrtum unterliegen könnten, kann keine Rede sein.

Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Beschluß, soweit er sich auf Punkt b) des Sicherungsantrages bezogen hat, zu bestätigen, in bezug auf Punkt c) dahin abzuändern, daß der Sicherungsantrag insoweit abgewiesen wird, und in Punkt a) teilweise, und zwar dahin abzuändern, daß das dort ausgesprochene Verbot nur dann zu gelten hat, wenn eine entsprechende Aufklärung unterbleibt; das Mehrbegehren mußte abgewiesen bleiben.

Wurde damit aber der Sicherungsantrag nicht zur Gänze abgewiesen, dann war auf das Eventualbegehren nicht einzugehen.

Der Ausspruch über die Kosten des Provisorialverfahrens gründet sich, soweit sie den dem Sicherungsantrag stattgebenden Teil betreffen, auf § 393 Abs 1 EO, im übrigen aber für die erste Instanz auf §§ 78, 402 Abs 4 EO, §§ 41, 43 Abs 1, 52 ZPO und für das Rechtsmittelverfahren auf dieselben Gesetzesstellen in Verbindung mit § 50 ZPO. Die Beklagten haben zu rund 50 % obsiegt, so daß ihnen die Hälfte der - auf der Bemessungsgrundlage von S 480.000 berechneten - Kosten aller drei Instanzen zuzuerkennen waren.

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