OGH 12Os41/93

OGH12Os41/9324.6.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 24.Juni 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Horak als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Rzeszut, Dr.Markel, Mag.Strieder und Dr.Mayrhofer als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Weigl als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Hans S***** und einem anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betruges als Beteiligter nach §§ 12, 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten S***** sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 16. Oktober 1992, GZ 5 Vr 446/92-89, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch des Angeklagten Hans S***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betruges als Beteiligter nach §§ 12, 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB (Faktenkomplex II 1), diesen Angeklagten betreffend auch im Strafausspruch und in dem auf § 369 StPO gestützten Adhäsionserkenntnis aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.

Mit ihren Berufungen werden die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte S***** auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde (ua) der am 4.Oktober 1954 geborene Hans S***** (zu II 1) des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betruges "als Beitragstäter" (so die - von der Annahme der Mittäterschaft laut Urteilsspruch und -gründen abweichende - spruchgemäße Tatbenennung im Sinn des § 260 Abs 1 Z 2 StPO) nach den §§ 12 (zu ergänzen: dritter Fall), 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB und (zu II 2) des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 StGB schuldig erkannt. Demnach hat er (II 1) in Graz, Leoben und an anderen Orten "zwischen Juni 1989 und August 1990" gewerbsmäßig mit dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung andere Personen durch Täuschung über Tatsachen, indem er (als Geschäftsstellenleiter der AVA-Bank) ihnen gegenüber die Zusicherung der jeweiligen Kreditrückzahlung durch (den gesondert rechtskräftig verurteilten Komplizen) Johann F***** und (den hier mitverurteilten, seinen Schuldspruch nicht bekämpfenden) Stefan T***** durch Verschweigen von deren Rückzahlungsunfähigkeit, teils auch ausdrücklich bekräftigte, zur Aufnahme von Krediten in 25.000 S durchwegs übersteigender Höhe (und zur Überlassung der Kreditvaluta an F***** und T***** - 59/IV), mithin zu Handlungen verleitet, die die Kreditnehmer oder die AVA-Bank um insgesamt mehr als 500.000 S an ihrem Vermögen schädigten, nämlich (a) im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit Johann F***** die zu I 1 a bis i des Anklagesatzes laut Anklageschrift ON 70 namentlich angeführten insgesamt neun Personen (Schadenssumme: 1,819.650 S - 60/IV) und (b) im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit Johann F***** und Stefan T***** die zu I 2 a bis s des Anklagesatzes (I a bis s des Urteilssatzes) namentlich angeführten insgesamt neunzehn Personen (Schadenssumme: 4,183.285 S - 60/IV).

Nach den wesentlichen schöffengerichtlichen Feststellungen beruhten die urteilsgegenständlichen Tathandlungen auf einem (unter partieller Einbeziehung des Angeklagten Stefan T***** als weiteren Komplizen - Faktenkomplex II 1 b - zustande gekommenen) Einvernehmen zwischen dem (seit Jahren in Millionenhöhe verschuldeten) Johann F***** und dem Angeklagten Hans S***** über systematisch betriebene Vermögensschädigungen im Wege von Kreditmanipulationen. Danach veranlaßte Hans S***** als (zur eigenverantwortlichen Vergabe von Einzelkrediten bis zu 400.000 S befugter) Geschäftsstellenleiter der AVA-Bankfiliale Leoben (durchwegs unter Verletzung der ihn bindenden internen Vergaberichtlinien des Geldinstitutes) die Auszahlung von Kreditsummen (zumeist in der Höhe von ungefähr 200.000 S) zu Lasten von Personen, die ihm von Johann F***** bzw Stefan T***** als Kreditwerber zugeführt wurden. Deren Bereitschaft zur Mitwirkung an der Aufnahme der (bis auf geringfügige Teilbeträge durchwegs F***** und T***** zugeflossenen) Kredite beruhte auf der Zusage von "Provisionen" in unterschiedlicher Höhe und auf der wahrheitswidrigen Zusicherung der Kreditrückzahlung durch F***** und T*****. Die in zahlreichen (vor allem in den von Hannelore K*****, der damaligen Lebensgefährtin des Stefan T*****, vermittelten) Fällen dem Grazer Prostituierten- und Zuhältermilieu entstammenden Kreditwerber, deren Bonitätsanschein (erneut im Einvernehmen mit dem Angeklagten S*****) mit fingierten Lohnbestätigungen manipuliert wurde, gingen dabei täuschungsbedingt davon aus, daß die Unterfertigungen der Kreditverträge für sie Akte bloß formaler Bedeutung seien. Die für sie nachteilige vermögensrechtliche Tragweite wurde den so Getäuschten erst bewußt, als die Kredite in der Folge - von vereinzelten Ratenzahlungen zur Vermeidung frühzeitiger Tataufdeckung abgesehen - notleidend wurden und das kreditierende Geldinstitut die Schuldner als Vertragspartner (wenn auch überwiegend ohne Erfolg) in Anspruch nahm.

Zu der zu II 2 inkriminierten fernmündlichen Bedrohung des Johann F***** ließ sich der Angeklagte S***** hinreißen, als er erfuhr, daß jener zur Erstattung einer den gesamten Betrugskomplex betreffenden Selbstanzeige tendierte.

Diese Tatsachenfeststellungen stützen sich auf die Angaben des Johann F*****, der sein umfassendes Geständnis zu seiner Tatbeteiligung in diesem Verfahren als Zeuge wiederholte, wie auch auf die damit im wesentlichen korrespondierenden Zeugenaussagen der in der Hauptverhandlung vernommenen (mit)geschädigten Kreditnehmer und der Angestellten der AVA-Bank. Die leugnende Verantwortung des Angeklagten S***** in Richtung subjektiv gutgläubiger Mitwirkung an den Kreditvergaben lehnten die Tatrichter als unglaubwürdige Schutzbehauptung ab, weil der Angeklagte die bankinternen Vergaberichtlinien (zB wegen Kenntnis der Unvereinbarkeit der Prostituiertenausweise einzelner Kreditwerberinnen mit dem Inhalt gleichzeitig vorgelegter Lohnbestätigungen) ersichtlich dolos umging und um die Zuzählung der Kreditvaluta an den (ihm aus seiner früheren Tätigkeit bei einem anderen Geldinstitut als hoch verschuldet bekannten) Johann F***** ebenso wußte wie um den Umstand, daß die zumeist selbst ungeregelte Erwerbsverhältnisse aufweisenden Kreditwerber nicht rückzahlungsfähig waren und er schließlich mit seinen Bemühungen um eine Vereinbarung über die Schadensgutmachung Initiativen erkennen ließ, deren Modalitäten nur mit dem Täterinteresse an strafaufhebender tätiger Reue, nicht aber mit der behaupteten subjektiven Gutgläubigkeit plausibel zu erklären seien. Dabei stützte sich das Erstgericht auch auf das Tatverhalten des Angeklagten zum Faktum II 2 (§ 107 Abs 1 und Abs 2 StGB), weil die Bedrohung des (zur umfassenden Aufdeckung seines Tatverhaltens entschlossenen) Komplizen Johann F*****, der die Erstattung einer Selbstanzeige angekündigt hatte, eine Reaktion darstellte, die mit der vorausgegangenen einverständlichen Verwirklichung der dolosen Kreditmanipulationen im Einklang stand.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5, 5 a, 9 lit a und 10 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde kommt teilweise, nämlich insoweit Berechtigung zu, als sie sich gegen den Schuldspruch wegen gewerbsmäßigen schweren Betruges (II 1) richtet.

Dazu ist vorweg davon auszugehen, daß die als Betrug inkriminierte Verleitung zahlreicher Personen zur Aufnahme von Krediten, die - so der Urteilsspruch - "die Kreditnehmer oder die AVA-Bank an ihrem Vermögen ... schädigten", strafrechtlich relevante Handlungskomponenten aufweist, denen das angefochtene Urteil - von anderen Mängeln abgesehen - im Sinn der Subsumtionsrüge (Z 10) durch die undifferenzierte Tatbeurteilung als gewerbsmäßiger schwerer Betrug weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht gesetzeskonform umfassend Rechnung trägt. Ein - wie hier der Angeklagte S***** - zur eigenverantwortlichen Kreditvergabe autorisierter Machthaber eines Geldinstitutes, der die ihm erteilte Befugnis - Wissentlichkeit vorausgesetzt - zur Kreditgewährung mißbraucht, indem er die Auszahlung der Kreditsumme mit dem zumindest bedingten Vorsatz veranlaßt, daß eine Kreditrückzahlung zum Schaden des Kreditinstitutes unterbleiben werde, verantwortet insoweit Untreue, nicht aber Betrug, weil die eigenverantwortliche Anordnung der Kreditauszahlung durch den Täter selbst eine Ausübung der ihm erteilten Verfügungsbefugnis darstellt, ohne daß Raum für einen betrugsspezifischen, die vermögensschädigende Anordnung der Kreditauszahlung auslösenden Täuschungsakt bliebe. Die auf wissentlichem Befugnismißbrauch beruhende, den Machtgeber zumindest bedingt vorsätzlich schädigende Kreditgewährung durch einen zur Kreditvergabe grundsätzlich autorisierten Bankangestellten erfüllt daher den Tatbestand der Untreue nach § 153 StGB. Das hier in Rede stehende Tatverhalten des Angeklagten S***** erschöpft sich allerdings nicht linear in seiner Rechtsbeziehung zur AVA-Bank als machtgebendem Geldinstitut, es hat vielmehr auch jene Teilakte zum Gegenstand, die nach dem Schuldspruch (laut in der Hauptverhandlung modifiziertem Anklagevorwurf - 4, 5/IV) darauf ausgerichtet waren, eine Vielzahl von (zur freiwilligen Rückzahlung nicht bereiten, überwiegend dazu gar nicht fähigen) Personen mit der wahrheitswidrigen Zusage ihrer Freihaltung von jedweden Zahlungsverpflichtungen zur Unterfertigung der Kreditverträge und (vor allem) Überlassung der Kreditsummen an Johann F***** bzw Stefan T***** zu verleiten. Dieser die als Kreditnehmer aufgetretenen Personen betreffende Teilkomplex des insgesamt unter Anklage gestellten Tatverhaltens erweist sich aber - der in der Subsumtionsrüge wie auch (schon) in der Anklageschrift ON 70 vertretenen Auffassung zuwider - mit der (wie dargelegt nur die Rechtsbeziehung des Angeklagten S***** zu dem machtgebenden Geldinstitut erfassenden) Tatbeurteilung als Untreue keineswegs als mitabgegolten, weil insoweit mit dem Vermögen der Kreditnehmer (von jenem der AVA-Bank unabhängige) strafrechtlich eigenständige Schutzobjekte tatbetroffen waren. Eine von entsprechendem Schädigungsvorsatz (auch) in bezug auf diese Vermögenssphäre geleitete Beteiligung des Angeklagten S***** an der Irreführung der jeweiligen Kreditnehmer durch Johann F***** und (teils auch) Stefan T***** - ihre formell mängelfreie Erwiesenheit vorausgesetzt - wäre demnach (gegebenenfalls) dem Beschwerdeführer (in echter Konkurrenz mit dem Verbrechen der Untreue) als entsprechend qualifizierter, im Umfang der tatsächlichen Inanspruchnahme der Kreditnehmer zur - den Schaden der zuvor vollendeten Untreue erst nachträglich (teilweise) gutmachenden - Kreditrückzahlung vollendeter, im übrigen aber bloß versuchter Betrug anzulasten, wobei die ihnen jeweils zugeflossenen "Provisions"-Beträge von der strafrechtlich relevanten Schadenshöhe in Abzug zu bringen wären.

Auf der Basis dieser Überlegungen trifft es jedoch im Sinn einzelner Beschwerdeeinwände zu, daß das angefochtene Urteil zu den Handlungskomponenten sowohl der Untreue als auch des Betruges in subjektiver wie auch objektiver Hinsicht wesentliche Feststellungsmängel (insbesondere zur inneren Tatseite der Untreue und den spezifisch die Kreditnehmer betreffenden Betrugsgrundlagen) aufweist, die eine abschließende Tatbeurteilung durch den Obersten Gerichtshof verwehren und daher - ohne daß auf weitere Beschwerdeeinwände einzugehen ist - eine teilweise Verfahrenserneuerung unvermeidbar machen.

Soweit sich die Beschwerde allerdings gegen den Schuldspruch wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 StGB (II 2) richtet, geht sie fehl.

Nach den dazu entscheidenden Urteilsfeststellungen rechnete der Angeklagte S***** im Zusammenhang mit der von Johann F***** beabsichtigten Selbstanzeige mit dem Verlust seiner (noch dazu leitenden) Funktion bei der AVA-Bank und damit seiner wirtschaftlichen Existenz (65/IV). Diesen wesentlichen, dem Bedrohten uno actu auch eröffneten Tathintergrund übergeht der Angeklagte, wenn er mit der Tatsachenrüge (Z 5 a) wie auch aus der Sicht der Z 9 lit a entsprechende Tatsachengrundlagen für eine zur Tatbestandsverwirklichung nach § 107 Abs 1 und 2 StGB hinreichende objektive Eignung der Drohung zu nachhaltiger Beunruhigung vermißt. Daß eine exakte zeitliche und örtliche Zuordnung der Drohung nach den Angaben des Johann F***** nicht mehr möglich war, vermag ebensowenig erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit des dieses Faktum betreffenden erstgerichtlichen Tatsachenausspruchs zu erwecken wie der Umstand, daß die Angaben des (telefonisch) Bedrohten in diesem Punkt den einzigen Belastungsbeweis abgaben. Die weiteren Einwände hinwieder, der Angeklagte sei bei dem inkriminierten Telefonat nicht von dem Vorsatz nachhaltiger Beunruhigung des Gesprächspartners geleitet gewesen bzw habe die geäußerte Drohung auch keine dementsprechende Wirkung erzielt, erweisen sich - abgesehen davon, daß § 107 StGB den Eintritt einer tiefgreifenden Besorgnis des Opfers gar nicht voraussetzt - als insgesamt urteilsfremd orientiert und bringen den dazu geltend gemachten materiellen Nichtigkeitsgrund (Z 9 lit a) nicht zur prozeßordnungsgemäßen Darstellung.

Das Faktum II 2 betreffend war die Nichtigkeitsbeschwerde daher als teils nicht gesetzmäßig ausgeführt, teils offenbar unbegründet zurückzuweisen (§§ 285 d Abs 1 Z 1 und 2, 285 a Z 2 StPO).

Da sich im übrigen aber aus den dargelegten Erwägungen zeigt, daß zum Faktenkomplex II 1 die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist und eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in der Sache selbst noch nicht einzutreten hat, war insoweit spruchgemäß mit partieller Urteilsaufhebung und Anordnung der Verfahrenserneuerung vorzugehen. Dabei wird im zweiten Rechtsgang zu beachten sein, daß

Auf die (auch den Strafausspruch erfassende) teilkassatorische Entscheidung waren die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte mit ihren hiedurch gegenstandslos gewordenen Berufungen zu verweisen.

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