OGH 12Os60/93

OGH12Os60/9324.6.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 24.Juni 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Horak als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Rzeszut, Dr.Markel, Mag.Strieder und Dr.Mayrhofer als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Weigl als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Markus W***** und Bernhard O***** wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten Raubes nach §§ 142 Abs. 1 und 15 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Bernhard O***** gegen das Urteil des Kreis-(nunmehr Landes-)gerichtes Steyr als Jugendschöffengericht vom 3.November 1992, GZ 10 Vr 230/92-16, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Raunig, des Angeklagten Bernhard O***** und der Verteidiger Dr.Prikoszovits und Dr.Brodner, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten Markus W***** zu Recht erkannt:

 

Spruch:

1. Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Bernhard O***** wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, teils aus deren Anlaß gemäß § 290 Abs. 1 StPO auch zugunsten des Angeklagten Markus W***** im Unterbleiben einerseits der Annahme, daß die zu I.1. des Urteilssatzes beschriebene Raubtat ohne Anwendung erheblicher Gewalt an einer Sache geringen Wertes begangen wurde und nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat, andererseits der rechtlichen Beurteilung dieser Tat als Verbrechen des (minderschweren) Raubes nach § 142 Abs. 1 und Abs. 2 StGB und demgemäß auch in dem die beiden Angeklagten betreffenden Strafausspruch (einschließlich des Ausspruchs über die Vorhaftanrechnung hinsichtlich des Angeklagten O*****) aufgehoben.

2. Gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO wird in der Sache selbst erkannt:

Der unter I.1. des Urteilstenors beschriebene Raub wurde von Markus W***** und Bernhard O***** ohne Anwendung erheblicher Gewalt an einer Sache geringen Wertes begangen und hat nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen.

Markus W***** und Bernhard O***** haben hiedurch das Verbrechen des (minderschweren) Raubes nach § 142 Abs. 1 und Abs. 2 StGB begangen und werden hiefür sowie für die ihnen nach dem unberührt gebliebenen Teil des Schuldspruchs weiterhin zur Last liegenden Taten, nämlich das Verbrechen des versuchten Raubes nach §§ 15, 142 Abs. 1 StGB (I.2.) und das Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB (II.), Markus W***** überdies das Vergehen des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen nach § 136 Abs. 1 StGB (III.), nach §§ 28, 142 Abs. 1 StGB unter Anwendung des § 5 Z 4 JGG, Markus W***** auch unter Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB auf das Urteil des Kreisgerichtes Steyr vom 16.Juni 1992, GZ 10 Vr 366/91-28, zu Freiheitsstrafen, und zwar Markus W***** in der Dauer von 5 (fünf) Monaten (als Zusatzstrafe) und Bernhard O***** in der Dauer von 7 (sieben) Monaten verurteilt. Gemäß § 43 Abs. 1 StGB werden die über die Angeklagten verhängten Freiheitsstrafen unter Bestimmung einer Probezeit von je drei Jahren bedingt nachgesehen.

Der Ausspruch über die Anrechnung der Vorhaft bei Bernhard O***** wird aus dem Ersturteil übernommen.

3. Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Bernhard O***** verworfen.

4. Mit seiner Berufung wird dieser Angeklagte auf die zu 2. erfolgte Strafneubemessung verwiesen.

5. Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten O***** auch die durch den erfolglosen Teil seiner Nichtigkeitsbeschwerde verursachten Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden die jugendlichen Angeklagten, nämlich der am 23.Februar 1976 geborene Markus W***** und der am 3. April 1976 geborene Bernhard O***** (I.1. und 2.) des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten Raubes nach § 142 Abs. 1 und § 15 StGB sowie (II.) des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB, Markus W***** überdies (III.) des Vergehens des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen nach § 136 Abs. 1 StGB schuldig erkannt.

Inhaltlich des Schuldspruchs haben am 10.Mai 1992 in Steyr

I. Markus W***** und Bernhard O***** als Beteiligte (§ 12 StGB) mit Gewalt gegen Personen und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (zu ergänzen: § 89) nachgenannten Personen fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz teils weggenommen (richtig: abgenötigt), teils wegzunehmen (richtig: abzunötigen) versucht, sich oder einen Dritten durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern, und zwar:

1. dem Martin K***** 40 S Bargeld weggenommen (richtig: abgenötigt), indem Bernhard O***** mit Unterstützung des Markus W***** die Herausgabe von 40 S forderte, ihm für den Fall der Weigerung androhte, es würde ihm "etwas passieren", ihn am Hemd erfaßte und gegen einen geparkten PKW drängte,

2. dem Oswald Z***** wegzunehmen (richtig: abzunötigen) versucht, indem beide Angeklagte die Herausgabe von 20 S forderten, Markus W***** ihm androhte, er werde "etwas erleben", wenn er ihn durchsuchen und Bargeld bei ihm finden würde, Bernhard O***** ihm einen Kopfstoß, einen Fußtritt und eine Ohrfeige versetzte, wobei die Vollendung der Tat nur deshalb unterblieb, weil sich Oswald Z***** weigerte, das Geld herauszugeben;

II. nachgenannte Personen vorsätzlich am Körper verletzt, und zwar:

1. Markus W***** und Bernhard O***** als Beteiligte (§ 12 StGB)

a) den Markus K***** durch Versetzen von Faustschlägen und Fußtritten, wodurch dieser Prellungen im Bereich des gesamten Körpers, eine Rißquetschwunde an der Innenseite der Unterlippe, Hautabschürfungen an beiden Händen und Schwellungen im Gesichtsbereich sowie Kopf- und Bauchschmerzen erlitt,

b) den Christoph W***** durch Versetzen von Ohrfeigen und Faustschlägen, wodurch dieser eine Schwellung im Bereich der rechten Schläfe sowie Kopf- und Bauchschmerzen erlitt,

2. Bernhard O***** allein den Wilhelm R***** durch Versetzen eines Faustschlages, wodurch dieser eine Bauchprellung erlitt;

III. Markus W***** mit dem abgesondert verfolgten Hans P***** als Beteiligten (§ 12 StGB) am 22.April 1992 in Steyr ein Fahrzeug, das zum Antrieb mit Maschinenkraft eingerichtet ist, nämlich das Motorfahrrad der Marke Puch Maxi Plus I, amtliches Kennzeichen SR-120 I, ohne Einwilligung des Berechtigten Viktore G***** in Gebrauch genommen.

Das Schöffengericht verurteilte die Angeklagten hiefür nach §§ 28, 142 Abs. 1 StGB unter Anwendung des § 5 (zu ergänzen: Z 4) JGG, Markus W***** auch unter Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB auf das Urteil des Kreisgerichtes Steyr vom 16.Juni 1992, womit über ihn wegen des Verbrechens des Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs. 1 StGB und des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 StGB eine für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe von drei Monaten verhängt wurde, zu Freiheitsstrafen, und zwar Markus W***** in der Dauer von fünf Monaten (als Zusatzstrafe) und Bernhard O***** in der Dauer von sieben Monaten.

Rechtliche Beurteilung

Während der Angeklagte W***** seine gegen dieses Urteil zunächst angemeldete Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung (ON 17) in der Folge wieder zurückgezogen hat (ON 18), führte der Angeklagte O***** (nur) gegen den Schuldspruch wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten Raubes (I.1. und 2.) eine auf die Gründe des § 281 Abs. 1 Z 5, 5 a und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde aus. Den Strafausspruch bekämpft er mit Berufung. Im Gerichtstag zog der Verteidiger die auf Z 5 und 5 a des § 281 Abs. 1 StPO gegründete Nichtigkeitsbeschwerde zurück.

Mit der (verbleibenden) Subsumtionsrüge (Z 10) strebt der Beschwerdeführer die Beurteilung der beiden Raubtaten als bloß "minderschweren" Raub nach § 142 Abs. 2 StGB an. Sie ist teilweise im Recht.

Diese (nach dem Gesetz mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bedrohte) privilegierte Form des Raubes setzt voraus, daß die konkrete Raubtat ohne Anwendung erheblicher Gewalt an einer Sache geringen Wertes begangen wurde, nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat und es sich um keinen schweren Raub (§ 143 StGB) handelt, wobei alle diese Voraussetzungen kumulativ vorliegen müssen (Leukauf-Steininger Komm.3 § 142 RN 27 ff und die dort zitierte Judikatur). "Erhebliche" Gewalt ist aber dann gegeben, wenn der Täter bei seinem Angriff auf die Person des Opfers beachtliche physische Kraft in vehementer Weise einsetzt, wobei die Belastung des Opfers im Vergleich zu Durchschnittsfällen nicht geringfügig einzustufen ist. Ob dies zutrifft, ist nach einem objektiv-individalisierenden (strengen) Maßstab unter Berücksichtigung aller konkreten Fallgegebenheiten, wie etwa auch des körperlichen Zustandes des Angegriffenen, zu beurteilen (SSt. 55/4 = JBl. 1985, 248; Leukauf-Steininger aaO RN 28; Kienapfel BT II2 RN 110 und Zipf im WK Rz 47 je zu § 142).

Im Lichte dieser gesetzlichen Kriterien lag aber die nach den Urteilsannahmen (US 3 iVm 8) vom Beschwerdeführer gegen Oswald Z***** angewendete Gewalt (Versetzen eines Kopfstoßes sowie eines zum Sturz des Opfers führenden Fußtrittes und einer Ohrfeige gegen dessen linke Gesichtshälfte, wodurch sogar ein Stück des linken Schneidezahns absplitterte) bereits deutlich über der Erheblichkeitsschwelle.

Daraus folgt, daß die festgestellte Raubtat an Oswald Z***** (I.2. des Urteilssatzes) nach § 142 Abs. 1 StGB frei von Rechtsirrtum erfolgte und sohin die Nichtigkeitsbeschwerde im bisher erörterten Rahmen als unbegründet zu verwerfen war.

Hingegen ist die Qualifikationsrüge (Z 10) des Angeklagten O***** insoweit im Recht, als sie (auch) die Beurteilung des zu I.1. des Urteilstenors erfaßten Sachverhaltes als "minderschweren" Raub nach § 142 Abs. 2 StGB anstrebt.

Aus den hiezu getroffenen Feststellungen (US 2 iVm 6-7) folgerte nämlich das Schöffengericht (ebenso wie beim Raubversuch an Oswald Z***** undifferenziert; US 12 Mitte), daß ein minderschwerer Raub nach § 142 (zu ergänzen: Abs. 1 - vgl. SSt. 55/58, Leukauf-Steininger aaO RN 34 - und) Abs. 2 StGB im Hinblick auf "die Massivität der Tätlichkeiten, verbunden mit den Drohungen" nicht angenommen werden konnte.

Damit verkannten die Tatrichter jedoch zunächst, daß eine räuberische Drohung - ausgenommen eine die Qualifikation nach § 143 StGB begründende Drohung mit einer Waffe - der Anwendung des in Rede stehenden privilegierenden Tatbestandes nicht entgegensteht. Die für die Tatbeurteilung demnach allein maßgebliche konkrete Gewaltanwendung jedoch, wonach der Beschwerdeführer den (nur um wenige Monate jüngeren) Martin K***** "am Hemd erfaßte und gegen ein geparktes Auto drängte", ist fallbezogen (noch) nicht als erheblich anzusehen. Da auch die weiteren nach § 142 Abs. 2 StGB vorausgesetzten Erfordernisse vorliegend gegeben sind - der Raub wurde im Hinblick auf den abgenötigten Geldbetrag von (bloß) 40 S an einer Sache geringen Wertes begangen und hat auch keine darüber hinausgehenden Folgen nach sich gezogen; Anhaltspunkte für eine Qualifikation der Tat nach § 143 StGB liegen nicht vor - erweist sich die Subsumierung des festgestellten Sachverhaltes (nur) unter § 142 Abs. 1 StGB als rechtlich verfehlt und begründet sonach Urteilsnichtigkeit nach Z 10 des § 281 Abs. 1 StPO, die zur teilweisen Aufhebung des Urteils zwingt.

Insoweit kommt dieser von Amts wegen wahrzunehmende materiellrechtliche Nichtigkeitsgrund (§ 290 Abs. 1 StPO) auch dem Mitangeklagten Markus W*****, der die Nichtigkeitsbeschwerde nicht ergriffen hat, zustatten. Demzufolge hatte der Oberste Gerichtshof auch zu dessen Gunsten die erforderlichen Verfügungen zu treffen.

Bei der Strafneubemessung war von der durch § 5 Z 4 JGG eingeschränkten Strafdrohung des § 142 Abs. 1 StGB (Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren) unter Anwendung des § 28 StGB, beim Angeklagten W***** überdies unter Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB auf das Urteil des Kreisgerichtes Steyr vom 16.Juni 1992, GZ 10 Vr 366/91-28, auszugehen. Beide Angeklagten beschwert, daß sie mehrere strafbare Handlungen derselben und verschiedener Art begangen und das Raubopfer Oswald Z***** verletzt haben (US 58 iVm S 24, 26 und 36), W***** überdies eine Vorstrafe wegen § 83 Abs. 1 StGB und O***** dessen führende Beteiligung vor allem an den Raubtaten; als mildernd wurde demgegenüber bei beiden Angeklagten gewertet, daß es beim Raub einmal beim Versuch blieb, ferner das teilweise Geständnis (zu den Körperverletzungsdelikten) sowie die Schadensgutmachung durch Rückzahlung der abgenötigten 40 S und beim Angeklagten O***** zudem dessen bisheriger ordentlicher Lebenswandel.

Angesichts dieser (vom Ersturteil teilweise abweichend) berichtigten und vervollständigten Strafzumessungsgründe sowie unter gebotener Berücksichtigung der Grundsätze der allgemeinen Strafbemessung (§ 32 StGB) entsprechen die verhängten Freiheitsstrafen von fünf Monaten bei W***** und von sieben Monaten bei O***** nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes zwar weder der nicht unbedeutenden (differenzierten) Tatschuld der Angeklagten noch dem (trotz Privilegierung des vollendeten Raubes verminderten) Unrechtsgehalt der Straftaten. Mangels Anfechtung der erstgerichtlichen Strafaussprüche durch den öffentlichen Ankläger hatte es aber zufolge des Verschlimmerungsverbotes (§ 290 Abs. 2 StPO) bei den ausgesprochenen Sanktionen - die Gewährung der bedingten Strafnachsicht gemäß § 43 Abs. 1 StGB inbegriffen - zu verbleiben. Eine Probezeit von je drei Jahren ist angemessen.

Der Ausspruch über die Anrechnung der Vorhaft beim Angeklagten O***** war aus dem angefochtenen Urteil zu übernehmen.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte O***** auf die Strafneubemessung zu verweisen.

Die (nur diesen Angeklagten betreffende) Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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