Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Der Todfallsaufnahme zufolge hinterließ der Erblasser seine Witwe sowie drei Nichten und einen Neffen.
Am 15. Jänner 1993 gab die erbl. Witwe auf Grund des Testaments vom 12. Oktober 1957 die Erbserklärung zum gesamten Nachlass ab, legte gleichzeitig eine handschriftliche Durchschrift dieses letzten Willens vor und beantragte, ihn kundzumachen und ihr zur schriftlichen Nachlassabhandlung eine Frist bis 15. März 1993 einzuräumen; sie brachte vor, das Original des Testaments sei nicht auffindbar.
Das Erstgericht wies den Antrag auf Bestimmung einer Frist zur schriftlichen Nachlassabhandlung mit der Begründung zurück, es sei nur eine Durchschrift des Testaments vorhanden, das Original sei nicht auffindbar. Gemäß § 722 ABGB müsse erst bewiesen werden, dass das Original nur zufällig abhanden gekommen sei, weshalb über das Erbrecht der weiteren gesetzlichen Erben noch nicht abgesprochen werden könne und daher die schriftliche Abhandlungpflege mangels Antrags aller Parteien nicht zuzulassen sei.
Das Gericht zweiter Instanz bestätigte diesen Beschluss und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes zwar S 50.000 übersteige, der außerordentliche Revisionsrekurs aber nicht zulässig sei. Es führte aus, bei einer im Durchschreibeverfahren hergestellten Kopie des Testaments ersetze die vervielfältigte Urschrift das verlorene Original. Es müsse aber bewiesen werden, dass das Original nur durch Zufall abhanden gekommen sei. Werde dieses nicht aufgefunden, werde die Vertilgung vermutet, sofern der Gegner nicht beweise, dass es bloß in Verlust geraten sei. Diesen Beweis habe die erbl. Witwe nicht angetreten. Sie könne gemäß § 117 AußStrG den Antrag auf Durchführung der schriftlichen Verlassenschaftsabhandlung nur gemeinsam mit den erbl. Geschwisterkindern stellen. Bei der schriftlichen Abhandlungspflege müssten sich alle Parteien einig sein, weil die Verlassenschaftsabhandlung nur als einheitliches Verfahren abgeführt werden könne. Der Fall des § 721 zweiter Satz ABGB liege nicht vor, weil nicht mehrere gleichlautende Urkunden vorhanden seien.
Rechtliche Beurteilung
Der von der erbl. Witwe dagegen erhobene außerordentliche Revisionsrekurs ist zwar zulässig, weil zur Frage, ob die mittels Blaupapiers hergestellte Durchschrift des eigenhändig geschriebenen und unterfertigten letzten Willens als solcher zu beurteilen sei, Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehlt; das Rechtsmittel ist aber im Ergebnis nicht berechtigt.
Die erbl. Witwe verband mit der Vorlage der ganz augenscheinlich mit Hilfe von Blaupapier hergestellten Durchschrift eines vom Erblasser eigenhändig geschriebenen und unterfertigten Testaments, mit dem er seine Ehegattin zur Alleinerbin eingesetzt hatte, die Erbserklärung zum gesamten Nachlass, brachte aber über Aufforderung durch das Erstgericht selbst vor, das "Original" sei nicht auffindbar. Die Vorinstanzen lehnten darauf die von ihr begehrte schriftliche Abhandlungspflege (§ 117 AußStrG und § 3 GKoärG) mit der Begründung ab, die vorgelegte Urkunde sei bloß eine Kopie des abhanden gekommenen Testaments, sodaß die übrigen gesetzlichen Erben - mehrere Geschwisterkinder des Erblassers - der Verlassenschaftsabhandlung beizuziehen seien und die Durchführung der schriftlichen Abhandlungspflege nur bei übereinstimmendem Antrag aller Parteien zulässig sei.
Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen ist die vom Erblasser selbst mit Blaupapier hergestellte Durchschrift seines eigenhändig geschriebenen und gefertigten letzten Willens für sich nicht als bloße Abschrift, sondern als weitere Ausfertigung (eine von mehreren gleichlautenden Urkunden im Sinne des § 721 zweiter Satz ABGB) seiner letztwilligen Anordnung anzusehen (Weiß in Klang² III 306; Welser in Rummel, ABGB² § 578 Rz 2; Kralik in Ehrenzweig, Erbrecht³, 131 und FN 22), weil auch bei der Durchschrift der Text der Urkunde und die Unterschrift vom Erblasser handschriftlich erzeugt worden sind, aber auch der Zweck der Vorschrift des § 578 ABGB - die verläßliche Feststellung der Identität des Verfassers zu ermöglichen (vgl. Welser aaO) - gewahrt bleibt.
Die von der erbl. Witwe vorgelegte Urkunde wäre an sich deshalb als wirksame, von der Erbringung weiterer Beweise durch den Testamentserben unabhängige Urkunde anzusehen.
Das ist deshalb von Bedeutung, weil zwar derjenige seinen letzten Willen durch stillschweigenden Widerruf „vertilgt“, der seine darauf befindliche Unterschrift durchschneidet oder durchstreicht oder den ganzen Inhalt auslöscht, aber daraus, dass von mehreren gleichlautenden Urkunden nur eine vertilgt wurde, auf den Widerruf für sich allein noch nicht geschlossen werden kann (§ 721 ABGB). Das Abhandenkommen der im Durchschreibeverfahren hergestellten ersten Ausfertigung lässt demnach bis zum Beweis des Gegenteils (vgl. Welser aaO §§ 721, 722 Rz 3) die Gültigkeit des in der Durchschrift formgerecht zum Ausdruck gelangten letzten Willens unberührt.
Damit ist aber für den Standpunkt der erbl. Witwe noch nichts gewonnen. Bisher blieb nämlich unerörtert, ist aber nach dem Wesen des Verlassenschaftsverfahrens als eines Rechtsfürsorgeverfahrens auch von Amts wegen (§ 2 Abs 2 Z 5 AußStrG) zu berücksichtigen, dass sich nach der Unterschrift des Verfassers sowie nach Ort und Zeit der Ausstellung der Urkunde ein offenkundig aus der Hand des Urkundenverfassers stammender und ebenso offensichtlich nicht im Durchschreibeverfahren hergestellter Vermerk „Abschrift“ mit der allerdings auf den Familiennamen eingeschränkten Unterschrift des Erblassers befindet. Gerade deshalb, weil der Zusatz der Sache nach unrichtig ist, weil die Durchschrift-nach den zuvor angestellten Erwägungen-nicht Kopie, sondern rechtsgeschäftlich wirksame Ausfertigung der letztwilligen Erklärung ist, muss der Wortlaut des Vermerks zunächst einmal so verstanden werden, dass der Erblasser die Durchschrift zur bloßen Abschrift abwerten und sich demgemäß die Verfügungen im Sinne des § 721 erster Satz ABGB durch Einwirkung auf die Erstausfertigung vorbehalten wollte. Verhalten sich mehrere Ausfertigungen zueinander wie Ur- und Abschrift, so ist allein die gegen die Urschrift gerichtete Handlung entscheidend, weil die Abschrift keine selbständige letztwillige Erklärung darstellt (Weiß aaO 723 ebenso BGH in NJW 1967, 1124). Es ist aber denkbar, dass ein Schriftstück zwar als Abschrift bezeichnet ist, aber dennoch den Anforderungen einer letztwilligen Erklärung gerecht wird, weil der Verfasser mit dem Hinweis „Abschrift“ in Unkenntnis des Unterschieds zwischen Ausfertigung und Kopie (vgl. Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, I, 64 zu „Abschrift“)-nur zum Ausdruck bringen wollte, dass er von der letztwilligen Anordnung mehrere Ausfertigungen hergestellt habe. Diese vom Wortsinn abweichende Absicht des Verfassers wäre aber nach der allgemeinen Beweisregel, nach der jede Partei die für ihren Rechtsstandpunkt günstige Norm zu beweisen hat (Fasching, LB² Rz 882), in einem über widersprechende Erbserklärungen einzuleitenden Erbrechtsstreit von der erbl. Witwe unter Beweis zu stellen.
Das Erstgericht wird daher-da sich die erbl. Witwe auf ein der äußeren Form nach nur durch eine Kopie ausgewiesenes, im Original abhanden gekommenes Testament beruft - auch die nach dem Gesetz neben der Witwe zu Erben berufenen Geschwisterkinder des Erblassers (§ 757 Abs 1 ABGB) zur Abgabe von Erbserklärungen aufzufordern haben (§ 75 Abs 1 und § 116 Abs 1 AußStrG) und bei Abgabe widersprechender Erbserklärungen gemäß den §§ 125 f AußStrG die Klägerrolle zu verteilen haben.
Da gemäß § 3 GKoärG „nur die Parteien“ in Verlassenschaftsabhandlungen die für die Fortsetzung des Verfahrens erforderlichen Erklärungen, Anträge und Ausweise schriftlich verfassen und dem Gericht unmittelbar vorlegen können und das Abhandlungsverfahren nur als einheitliches Verfahren abgeführt werden darf (EvBl 1977/44), setzt die Durchführung der schriftlichen Abhandlungspflege das Einvernehmen aller Parteien und daher auch der zu gesetzlichen Erben berufenen erbl. Geschwisterkinder voraus.
Im Ergebnis zu Recht haben daher die Vorinstanzen den darauf gerichteten Antrag der erbl. Witwe abgewiesen, sodass dem Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen ist.
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