OGH 15Os88/93

OGH15Os88/9317.6.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 17.Juni 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Steininger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner, Dr.Markel, Dr.Schindler und Dr.Ebner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Hatvagner als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Johann Paul B***** wegen des Vergehens der Schändung nach § 205 Abs 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 16.März 1993, GZ 25 Vr 125/92-47, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung wird der Akt dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem bekämpften Urteil wurde Johann Paul B***** des Vergehens der Schändung nach § 205 Abs 2 StGB schuldig erkannt, weil er zu nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkten zwischen Oktober 1990 und April 1991 in Iselsberg wiederholt (seinen Sohn) Wilfried B*****, der wegen Schwachsinns unfähig war, die Bedeutung des Vorganges einzusehen, zur Unzucht mißbrauchte, indem er an ihm den Analverkehr durchführte sowie an sich von ihm den Analverkehr durchführen ließ.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen den Schuldspruch gerichteten, auf § 281 Abs 1 Z 5 und 5 a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.

Als Begründungsmangel (Z 5) rügt der Beschwerdeführer die Verwertung der "niederschriftlichen Angaben" seines schwachsinnigen Sohnes vor der Gendarmerie im Urteil; dieser habe gerichtlich nicht vernommen werden können, weil er nicht in der Lage war, das Wesen einer Belehrung nach § 152 StPO zu verstehen, weshalb die Verwertung der in Rede stehenden Angaben nicht zulässig gewesen sei.

Das Vorbringen ist nicht stichhältig.

Eine niederschriftliche Vernehmung des Tatopfers vor der Gendarmerie liegt gar nicht vor, sondern ein Aktenvermerk über den Inhalt einer durch die Zeugen A***** und H***** in Gegenwart einer Betreuerin der Lebenshilfe vorgenommenen Befragung (S 39 ff). Über die Umstände dieser Befragung wurden die Zeugen A***** und H***** in der Hauptverhandlung vom 30.März 1992 vernommen (S 110 f); die Ergebnisse des bisherigen Verfahrens wurden in der gemäß § 276 a StPO neu durchgeführten Hauptverhandlung vom 16.März 1993 dargetan (S 224). Das Gericht holte überdies das Gutachten eines Facharztes für Neurologie und Psychiatrie darüber ein, ob das Opfer bei seinem psychischen Zustand überhaupt in der Lage ist, Erfundenes zu erzählen, was der Sachverständige verneinte (S 51 ff, 111 f, 233 ff).

Nach ständiger Rechtsprechung dürfen Aktenvermerke über Angaben eines Kindes vor Sicherheitsorganen - demnach auch jene eines Schwachsinnigen mit der Intelligenz eines vier- bis fünfjährigen Kindes (S 112) - ebenso wie Aussagen vor den Sicherheitsbehörden auch dann verlesen und verwertet werden, wenn aus vom Gericht nicht zu vertretenden Umständen eine Aussage in der Hauptverhandlung nicht möglich ist. Es sind diesfalls allerdings zur Sicherung der Verteidigungsrechte alle sinnvollen und rechtlich zulässigen Erhebungen durchzuführen, die geeignet sind, die Überzeugungskraft des indirekten Beweismittels zu überprüfen (Mayerhofer-Rieder StPO3 § 152 E 21 bis 25 § 281 Abs 1 Z 5 E 167 a, 167 b).

All dies wurde vorliegend beachtet. Von einem Begründungsmangel kann somit keine Rede sein. Sollte der Beschwerdeführer mit seinen Ausführungen aber allenfalls einen Verfahrensmangel (Z 4) im Auge gehabt haben, dann fehlt es ihm mangels eines Widerspruches gegen die Verlesung der Anzeige und der sicherheitsbehördlichen Erhebungen (S 238) an der Beschwerdelegitimation.

Soweit der Beschwerdeführer in der Mängelrüge den Beweiswert der Aussagen seiner vormaligen Ehefrau und seiner Kinder Erika St***** und Johann B***** jun. in Zweifel zu setzen sucht, bekämpft er der Sache nach nur die im Rechtsmittelverfahren gegen kollegialgerichtliche Urteile nach wie vor unanfechtbare Beweiswürdigung des Schöffengerichtes, das sich mit dem Beweiswert dieser Aussagen auseinandersetzte und insbesondere auch das anhängig gewesene Scheidungsverfahren in den Kreis der Überlegungen miteinbezog (US 7 ff). Einen formalen Begründungsmangel vermag der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang nicht aufzuzeigen.

Dies gilt auch für die in der Beschwerde gerügte Feststellung der Erektionsfähigkeit des Angeklagten, die das Schöffengericht formal mängelfrei auf die Gutachten des Facharztes für Urologie Univ.Prof.Dr.M***** über das Vorhandensein aller somatischen Voraussetzungen für eine Erektion und des psychiatrisch-neurologischen Sachverständigen Univ.Prof.Dr.P*****, wonach aus neurologisch-psychiatrischer Sicht keine Anhaltspunkte für ein Fehlen der Fähigkeit zur Erektion vorhanden sind (S 137 ff, 161 ff), stützte. Der Beschwerdeführer bezieht sich allein auf das urologische Gutachten und übergeht das psychiatrisch-neurologische Gutachten, das dem Schöffengericht gleichermaßen als Feststellungsgrundlage diente (US 6 f); er vermag somit auch hier einen formalen Begründungsmangel nicht darzutun.

Das Vorbringen in der Tatsachenrüge (Z 5 a), in der "vorsichtshalber" erneut die Verwertung der Angaben des Tatopfers moniert wird, ist insgesamt nicht geeignet, erhebliche Bedenken gegen die Annahme entscheidender Tatsachen zu erwecken.

Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang reklamiert, das erkennende Gericht habe sich kein Bild über die Wahrnehmungs- oder Wiedergabefähigkeit des Tatopfers machen können, ist er darauf zu verweisen, daß in der Hauptverhandlung vom 30.März 1992, deren Ergebnisse, wie bereits erwähnt, in der zur Urteilsfällung führenden neu durchgeführten Hauptverhandlung dargelegt wurden, eine Vernehmung des Wilfried B***** versucht wurde, diese aber alsbald abgebrochen werden mußte, weil der Genannte nicht einmal in der Lage war, die ihm erteilte Belehrung über ein Entschlagungsrecht aufzufassen (S 112).

Aus den dargelegten Gründen war daher die Nichtigkeitsbeschwerde schon bei einer nichtöffentlichen Beratung als offenbar unbegründet zurückzuweisen (§ 285 d Abs 1 Z 2 StPO).

Die Entscheidung über die Berufung wegen des Ausspruches über die Strafe fällt demnach in die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Innsbruck (§ 285 i StPO).

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