OGH 7Ob541/93

OGH7Ob541/9316.6.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I. Huber als weitere Richter in der Pflegschaftssache des minderjährigen Michael C*****, vertreten durch das Magistrat der Stadt Wien, Amt für Jugend und Familie 10.Bezirk, wegen Weitergewährung von Unterhalt, infolge Revisionsrekurses des minderjährigen Michael C***** gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 16.Feber 1993, GZ 44 R 40/93-110, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Favoriten vom 16. Dezember 1992, AZ 1 P 176/75-107, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Der Vater des Minderjährigen wurde zuletzt mit Beschluß vom 8.8.1988 zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von S 1.800 ab 8.7.1988 verpflichtet (ON 72). Sein Arbeitseinkommen wurde zuletzt am 30.6.1988 erhoben (ON 67). Nach der Aktenlage ist er seither aus gesundheitlichen Gründen nur teilzeitbeschäftigt oder arbeitslos (ON 80, 93 und 96). Das Arbeitseinkommen der Mutter ist nicht aktenkundig. Der Minderjährige war ab 1.9.1989 Kochlehrling und nach Beendigung dieser Lehre im September 1992 Koch mit einem monatlichen Bruttoverdienst mit S 9.620,--. Das Erstgericht enthob mit Beschluß vom 30.9.1992 (ON 101) über eigenen Antrag das Amt für Jugend und Familie für den 10.Bezirk wegen eingetretener Selbsterhaltungsfähigkeit des Minderjährigen von der Unterhaltssachwalterschaft. Bereits am 22.10.1992 bevollmächtigte aber die Mutter des Minderjährigen diese Behörde neuerlich mit der "Festsetzung und Durchsetzung der Unterhaltsansprüche nach § 212 Abs 2 ABGB" (ON 103). In dieser Funktion widersprach der Unterhaltssachwalter dem Begehren des Vaters auf Enthebung von der Unterhaltsverpflichtung, weil der Minderjährige seit 1.10.1992 seinen Präsenzdienst beim Österreichischen Bundesheer ableiste und daher (wieder) nicht (mehr) selbsterhaltungsfähig sei. Der Minderjährige habe einen "geminderten" Unterhaltsanspruch und sei daher dem Minderjährigen Unterhalt in "verminderter" Höhe zuzusprechen (ON 106).

Das Erstgericht enthob den Vater von seiner Unterhaltsverpflichtung gegenüber den Minderjährigen, weil dessen Ansprüche voll durch die Leistungen des Österreichischen Bundesheeres gedeckt sei.

Das Rekursgericht gab dem auf Bestimmung einer monatlichen Unterhaltsleistung von S 1.700,-- gerichteten Rekurs des durch die Unterhaltssachwalter vertretenen Minderjährigen (vgl AS 240 ON 108) keine Folge. Es ließ den Revisionsrekurs zu. Gemäß den §§ 8 f des Heeresgebührengesetzes habe der Wehrpflichtige Anspruch auf unentgeltliche Unterbringung und unentgeltliche Verpflegung durch das Österreichische Bundesheer. Der Präsenzdiener sei verpflichtet an der Verpflegung durch die zuständige militärische Dienststelle teilzunehmen. Für den Fall der bewilligten Nichtteilnahme gebühre ihm ein Tageskostgeld. Außerdem erhalte der Präsenzdiener gemäß § 3 Heeresgebührengesetz ein Taggeld von S 60,-- täglich. Grundsätzlich sei daher davon auszugehen, daß der Staat diejenigen Personen, die er zum Heerdienst verpflichtet während dieser Zeit auch entsprechend versorgt. Es sei eine Verpflichtung der Republik Österreich die Versorgung in der Form vorzunehmen, daß die Wehrpflichtigen ihre Bedürfnisse entsprechend dem derzeit geltenden Standard auch für Freizeit, Kultur bzw Kleidung abdecken könnte. Gelinge dies im Normalfall nicht, wäre das Taggeld zu erhöhen. Finde der Präsenzdiener mit dem gewährten Taggeld kein Auslangen, so könne dieser Bedarf nicht auf die Unterhaltspflicht der Eltern abgewälzt werden. Bei durchschnittlichen Verhältnissen, wie sie vorlägen, müßte daher die Selbsterhaltungsfähigkeit des Präsenzdieners angenommen werden. Es bleibe zwar auch während der Wehrpflicht für den betreuungspflichtigen Elternteil der Sachaufwand für die Wohnung für die Zeit nach Beendigung des Präsenzdienstes bestehen, dies stelle aber keinen Grund dar, den anderen Elternteil zu einer Geldunterhaltsleistung gegenüber dem Kind zu verpflichten.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung erhobene Revisionsrekurs des durch den Unterhaltssachwalter vertretenen Minderjährigen ist nicht berechtigt.

Richtig ist, daß die zweiten Instanzen die Frage, ob Präsenzdiener selbsterhaltungsfähig sind, bisher unterschiedlich beurteilt haben (vgl EFSlg 56.530 ua im Gegensatz zu 56.529/10 und 51.047). Dazu kommt, daß bisher zu dieser Frage nur eine nichtveröffentlichte Entscheidung des Obersten Gerichtshofes ergangen ist, in der allerdings diese Frage nicht als erheblich beurteilt wurde (6 Ob 530/93 vom 15.4.1993).

Auch im Außerstreitverfahren wird außerhalb des Rechtsfürsorgebereiches und in letzterem dort, wo das öffentliche Interesse zurücktritt, der Verfahrensgegenstand grundsätzlich durch den Antrag bestimmt, über den der Richter nicht hinausgehen darf (vgl Dolinar, österreichisches Außerstreitverfahrensrecht 74). Das Begehren ist aber immer so zu verstehen, wie es im Zusammenhalt mit dem Vorbringen gemeint ist. Es darf an einzelnen Ausdrücken und Formulierungen dann nicht festgehalten werden, wenn es sich offensichtlich um ein Versehen handelt und darüber, was wirklich gewollt ist, keine Unklarheit besteht. In einem solchen Fall hat das Gericht seine Entscheidung nach dem wirklichen Begehren zu treffen (vgl EFSlg 67.212). Die ursprünglich unterlassene Bestimmung des Unterhaltsbegehrens (Zuspruch auf Unterhalt in "geminderter" Höhe) durch den Unterhaltssachwalter kann durch die im Rekurs erfolgte Reduktion auf monatlich S 1.700,-- als geheilt angesehen werden, weil damit eine für den Fall der Nichtselbsterhaltungsfähigkeit des Minderjährigen erforderliche Verbesserung vorweggenommen worden ist. Nicht darüber hinweggegangen werden kann aber, daß es der Unterhaltssachwalter unterlassen hat, die weit unterdurchschnittliche und durch entsprechende Auskünfte bescheinigte Einkommenssituation des Vaters durch entsprechende Behauptungen und Beweise zu widerlegen. Trotz des Grundsatzes der Amtswegigkeit gilt in eingeschränktem Umfang auch im Außerstreitverfahren der Grundsatz der Behauptung und der Beweispflicht der Parteien. Selbst im Revisionsrekurs wird nur von einer "Leistungsfähigkeit" des Vaters gesprochen.

Nach den Materialien zur Stammfassung des Heeresgebührengesetzes (vgl 40 BlgNR 8.GP, 7) sollte mit den vorgeschlagenen Regelungen Vorsorge für die Bedürfnisse des Präsenzdieners getroffen werden. Diese Formulierung läßt den Schluß zu, daß damit eine umfassende Regelung aller Bedürfnisse des Präsenzdieners bezweckt wurde, die einen möglichst vollen Ersatz für das bisher erzielte Arbeitseinkommen darstellen sollte. Im vorliegenden Fall hat der Minderjährige neben dem Anspruch auf Sachbezüge (auf unentgeltliche Unterbringung im Sinne des § 12 HGG, die unentgeltliche Verpflegung im Sinne des § 13 HGG sowie auf unentgeltliche Beteilung mit Bekleidung im Sinn des § 16 HGG auch Anspruch auf medizinische Versorung und sozialversicherungsrechtlichen Deckungsanspruch sowie auf Barbezüge im Sinne des § 3 HGG. Der Minderjährige verfügt daher über einen monatlichen Barbezug von mindestens S 1.830. Allfällige zusätzliche Wohnungskosten die durch die Aufrechterhaltung der bisherigen Wohnmöglichkeit entstehen, wurden nicht behauptet. Das Maß des für den Unterhaltsanspruch des 18-jährigen Minderjährigen bestimmenden Unterhaltsbedürfnisses richtet sich gemäß § 140 Abs 1 ABGB nach den Lebensverhältnissen der Eltern und kann danach höchstens als durchschnittlich angenommen werden. Die Pflegeleistungen der Mutter während der im Verhältnis zur Gesamtpräsenzdienstzeit zeitlich als untergeordnet zu bezeichneten Heimaturlaube des Minderjährigen rechtfertigen nicht mehr die Annahme, daß die Mutter ihren Unterhaltsbeitrag in Form ihrer Pflegeleistungen erbringt. Geht man davon aus, daß der Gesetzgeber in den § 292 ff ASVG mit der Bestimmung des Ausgleichszulagenrichtsatzes ein Mindesteinkommen festlegt und daß damit zum Ausdruck kommt, daß die minimalsten Bedürfnisse erwachsener Menschen damit abgedeckt werden können, so ergibt sich nach der Lebenserfahrung, daß einem Ausgleichszulagenempfänger monatlich nicht S 1.830 für zusätzliche Bekleidung und Aufwendungen für die Freizeitgestaltung verbleiben. Auch nach den für die Unterhaltsausmittlung maßgeblichen und im vorliegenden Fall bestenfalls als durchschnittlich zu wertenden Lebensverhältnissen wäre der Minderjährige zufolge der vom Bundesheer bezogenen Geld- und Sachleistungen als selbsterhaltungsfähig anzusehen. Allfällig dadurch nicht gedeckte Bedürfnisse des Minderjährigen, wären insoweit, als sie insgesamt ein Viertel der zur Deckung der sämtlichen Unterhaltsbedürfnisse zur Verfügung stehenden Mittel übersteigen, ohne Verstoß gegen § 140 Abs 1 ABGB als unangemessen zu bewerten. Dem Revisionsrekurs war daher ein Erfolg zu versagen.

Stichworte