OGH 5Ob517/93

OGH5Ob517/9315.6.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Jensik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner, Dr.Klinger, Dr.Schwarz und Dr.Floßmann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L*****gesellschaft mbH & Co KG, ***** vertreten durch Dr.Otmar Simma, Dr.Alfons Simma, Dr.Ekkehard Bechtold und Dr.Wolfgang Blum, Rechtsanwälte in Dornbirn, wider die beklagten Parteien 1.) B***** Gesellschaft mbH, ***** 2.) Imbert B*****, Kaufmann, ***** beide vertreten durch Dr.Manfred de Meijer, Rechtsanwalt in Dornbirn, wegen S 1,114.056,- sA, infolge Revisionsrekurses der erstbeklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom 9.April 1993, GZ 4 R 107/93-12, womit der Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch vom 27.Jänner 1993, GZ 8 Cg 389/92v-9, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die erstbeklagte Partei hat die Kosten ihres Revisionsrekurses selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die klagende Partei begehrte von den Beklagten zunächst auf Grund von Leasingverträgen die Zahlung von S 1,062.979,- s.A. (von beiden beklagten Parteien zur ungeteilten Hand) und von S 51.077,- s.A. (von der erstbeklagten Partei; ON 1). Nach Erstattung der Klagebeanwortung (ON 3), in welcher die erstbeklagte Partei behauptete, nichts mehr zu schulden und die zweitbeklagte Partei vorbrachte, passiv nicht legitimiert zu sein, erstattete die klagende Partei einen vorbereitenden Schriftssatz (ON 6) mit dem Inhalt, beide beklagten Parteien hafteten aus einem Leasingvertrag für S 33.681,-, die erstbeklagte Partei darüber hinaus aus einem anderen Leasingvertrag für weitere S 51.077,- und auf Grund eines Kaufvertrages für S 924.000,-, wobei sich einschließlich Verzugszinsen dieser Betrag mittlerweile auf S 1,114.056,- erhöht habe. Das Kagebegehren werde daher gegenüber der zweitbeklagten Partei eingeschränkt, sodaß beide beklagten Parteien zur Zahlung von S 33.681,- s.A. und die erstbeklagte Partei darüber hinaus zur Zahlung von S 1,080.275,- s.A. verurteilt werden mögen.

In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 27.1.1993 (Protokoll ON 7) trug der Klagevertreter die Klage vor und beantragte wie dort. Der Beklagtenvertreter trug daraufhin vor und beantragte wie in der Klagebeantwortung ON 3. Daraufhin bestritt der Klagevertreter seinerseits das Vorbringen der beklagten Parteien und brachte vor wie im Schriftsatz ON 6. Der Beklagtenvertreter bestritt daraufhin und brachte vor, daß es sich bei dem unter den Punkte D und E enthaltenen Vorbringen im Schriftsatz ON 6 um eine unzulässige Klageänderung handle, gegen deren Zulassung sich die beklagte Partei (gemeint: die erstbeklagte Partei) ausdrücklich ausspreche.

Das Erstgericht ließ die Klageänderung nicht zu, weil bei Prüfung des ergänzenden Vorbringens eine erhebliche Erschwerung und Verzögerung der Verhandlung zu besorgen wäre.

Das Rekursgericht änderte den Beschluß des Erstgerichtes in den Antrag der erstbeklagten Partei abweisendem Sinn ab. Das Erstgericht hätte über die Zulassung der Klageänderung nicht mehr Beschluß fassen dürfen, weil der Gegner durch die vorgenommene Bestreitung des geänderten Vorbringens bereits über die geänderte Klage verhandelt habe und daher nach § 235 Abs 2 letzter Satz ZPO die Einwilligung des Gegners zur Änderung der Klage anzunehmen und die Klageänderung daher zulässig sei.

Der ordentliche Revisionsrekurs nach § 528 Abs 1 ZPO sei zulässig, weil der Oberste Gerichtshof - freilich nicht zu § 235 Abs 2 ZPO - in jüngeren Entscheidungen eine weniger strenge Auffassung über die erforderliche Reihenfolge von Formaleinrede und Sachbestreitung vertreten habe.

Gegen die Entscheidung des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs der erstbeklagten Partei - nur namens dieser wurde der Revisionsrekurs am Ende der Rekursausführungen unterschrieben, obgleich die Rekurserklärung (wohl infolge eines Diktatfehlers) noch namens beider beklagter Parteien abgegeben wurde - mit dem Antrag, den Beschluß des Erstgerichtes wiederherzustellen.

Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Nach Eintritt der Streitanhängigkeit bedarf es - abgesehen von der in § 235 Abs 3 ZPO normierten Ausnahme - zur Änderung der Klage der Einwilligung des Gegners. Diese Einwilligung ist als vorhanden anzunehmen, wenn der Gegner, ohne gegen die Änderung eine Einwendung zu erheben, über die geänderte Klage verhandelt (§ 235 Abs 2 ZPO). Unter Verhandeln ist jedes Vorbringen zur Sache (Fasching, Lehrbuch2 Rz 1233) zu verstehen, also jedes Vorbringen, daß zur Grundlage einer gerichtlichen Entscheidung werden kann (Fasching II 694), also auch das bloße Bestreiten des Sachvorbringens des Gegners (SZ 49/25; 8 Ob 69, 70/86 ua).

Nach dem Inhalt des Protokolls über die Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 27.1.1993 (ON 7), das gemäß § 215 Abs 1 ZPO über Verlauf und Inhalt der Verhandlung vollen Beweis liefert, hat auch die erstbeklagte Partei - wie sich aus der oben wiedergegebenen Reihenfolge des Parteienvorbringens ergibt - zunächst zum geänderten Klagebegehren ein Sachvorbringen erstattet (nämlich dieses bestritten) und erst dann die Unzulässigkeit der Klageänderung geltend gemacht. Daraus folgt, daß die Entscheidung des Rekursgerichtes als mit der bisherigen Rechtsprechung übereinstimmend

nicht zu beanständen ist.

Zum Hinweis des Rekursgerichtes auf die in EvBl 1992/8 und RZ 1993/20 veröffentlichten Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes, aus denen eine weniger strenge Auffassung des Obersten Gerichtshofes über die erforderliche Reihenfolge von Formaleinrede und Sachbestreitung abgeleitet werden könnte, ist folgendes zu sagen:

In der der Entscheidung RZ 1993/20 zugrundeliegenden Rechtssache hatte die beklagte Partei mangels vorausgehender erster Tagsatzung Einreden und Anträge, die bei sonstigem Ausschluß in der ersten Tagsatzung vorzubringen sind, gemäß § 243 Abs 4 ZPO in der Klagebeantwortung vorzubringen (dort: die Unzuständigkeitseinrede). Zutreffend wurde in der genannten Entscheidung ausgesprochen, daß mangels einer Vorschrift, an welcher Stelle der Klagebeantwortung diese Einrede zu erheben ist, es nicht schadet, wenn in der Klagebeantwortung zuerst die Einwendungen in der Hauptsache und erst danach die Prozeßeinrede vorgebracht wird. Aus dieser Entscheidung kann daher für das Verhalten der beklagten Partei im Falle des Vortrages einer Änderung der Klage während der mündlichen Verhandlung nichts abgeleitet werden.

In der in EvBl 1992/8 veröffentlichten Entscheidung vertrat der Oberste Gerichtshof allerdings die Meinung, daß im Vorbringen, der Beklagte "beantrage Abweisung der Klage und trage seinen Einspruch vor und erhebe noch ausdrücklich die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit" ein rechtzeitiges Erheben der Unzuständigkeitseinrede gelegen sei, weil eine solche Erklärung des Beklagten nicht wegen der Reihung des Satzes als Präklusion der Unzuständigkeit des Gerichtes infolge verspäteten Vorbringens im Sinne des § 441 ZPO ausgelegt werden könne. Zur Begründung hiefür berief sich der Oberste Gerichtshof auf die im Anwaltsblatt 1955, 31 veröffentlichte Entscheidung. Hiezu hat der erkennende Senat folgendes erwogen:

Das gemäß § 215 Abs 1 ZPO über den Verlauf der Verhandlung vollen Beweis machende Protokoll macht auch vollen Beweis darüber, in welcher Reihenfolge von den Parteien ihre Prozeßerklärungen abgegeben wurden. Dabei kann es nicht darauf ankommen, ob die Prozeßerklärungen jeweils mit selbständigen, also durch Punkte getrennte Hauptsätze protokolliert wurden, oder ob die Protokollierung in Form einer Satzreihe durch Verknüpfung dieser Hauptsätze mittels des Bindewortes "und" erfolgte. In jedem dieser Fälle ergibt sich eindeutig die Reihenfolge der Prozeßerklärungen. Überdies haben die Parteien keinen Einfluß darauf, in welcher sprachlich gleichwertigen Form die Protokollierung ihres Vorbringen durch den Richter erfolgt. Die in der Entscheidung EvBl 1992/8 allgemein ausgedrückte Meinung, es komme auf die Reihung des Satzes nicht an, wird daher vom erkennenden Senat nicht geteilt und jedenfalls nicht dahin verallgemeinert, daß aus der protokollierten Reihenfolge des Prozeßverhaltens einer Partei nicht die im Gesetz vorgesehene Unwirksamkeit einer späteren und daher verspäteten Prozeßhandlung abgeleitet werden könnte.

In der zur Begründung der Entscheidung EvBl 1992/8 angeführten Entscheidung AnwBl 1955, 31 war zu beurteilten, ob der Beklagte, gegen den in der ersten Tagsatzung ein Versäumungsurteil ergangen war und der im Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 149 Abs 1 Satz 2 ZPO das Klagebegehren "bestritten" und die Unzuständigkeitseinrede erhoben hatte (in dieser Reihenfolge) und der nach Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Eingehen in die Verhandlung in der Hauptsache ebenfalls zuerst das Klagebegehren bestritt und dann die örtliche und sachliche Unzuständigkeit - entsprechend der Reihung im Wiedereinsetzungsantrag - vortrug, die Formaleinrede rechtzeitig erhoben hattte. In dem dort zu beurteilenden Fall kam es letztlich auf die Reihenfolge des Vortrages nicht mehr an, weil die Einrede bereits in dem den Wiedereinsetzungsantrag enthaltenden Schriftsatz pflichtgemäß nachgeholt worden und dort keine bestimmte Reihenfolge vorgegeben war.

Zusammenfassend sieht sich daher der erkennende Senat nicht veranlaßt, von der die Zustimmung zur Klageänderung betreffenden engen Auslegung des § 235 Abs 2 ZPO abzugehen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 40 und 50 ZPO.

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