OGH 14Os89/93

OGH14Os89/9315.6.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 15.Juni 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Walenta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Lachner, Hon.Prof.Dr.Brustbauer, Dr.Massauer und Mag.Strieder als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Kobinger als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Wilma F***** wegen des Vergehens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 2 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis als Schöffengericht vom 16.April 1993, GZ 8 Vr 210/93-104, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz übermittelt.

Gemäß § 390 a StPO fallen der Angeklagten die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil - welches auch einen in Rechtskraft erwachsenen (Teil-)Freispruch enthält - wurde Wilma F***** der Vergehen (1.) des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 2 StGB,

(2.) des Gebrauches fremder Ausweise nach § 231 Abs. 1 StGB und (3.) der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat sie

(zu 1) am 21.Juni 1990 in Vösendorf Angestellte der Firma K***** unter Vorlage eines für Katharina F***** ausgestellten echten Reisepasses über ihre Identität sowie über ihre Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit getäuscht und dadurch dem genannten Unternehmen sechs Teppiche im Gesamtwert von 117.795 S mit unrechtmäßigem Bereicherungsvorsatz herausgelockt und einen Schaden in der bezeichneten Höhe herbeigeführt;

(zu 2) am 21.Juni 1990 in Vösendorf dadurch, daß sie den für Katharina F***** ausgestellten Reisepaß bei der Firma K***** vorwies, einen amtlichen Ausweis, der für einen anderen ausgestellt ist, im Rechtsverkehr gebraucht, als wäre er für sie ausgestellt;

(zu 3) ab einem unbekannten Zeitpunkt nach Mitte Juli 1989 den bezeichneten Reisepaß der Katharina F*****, über den sie nicht verfügen durfte, mit dem Vorsatz unterdrückt, zu verhindern, daß dieser im Rechtsverkehr zum Beweis der Identität der Katharina F***** gebraucht werde.

Rechtliche Beurteilung

Die Angeklagte bekämpft diesen Schuldspruch mit einer auf die Z 5 und 5 a des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt.

Entgegen dem Vorbringen in der eine unvollständige und offenbar unzureichende Begründung der Urteilsfeststellungen hinsichtlich der Identifizierung der Angeklagten behauptenden Mängelrüge (Z 5) legte das Schöffengericht ausführlich, denkfolgerichtig und formal einwandfrei dar, aus welchen Gründen es zur Überzeugung von der Täterschaft der Angeklagten gelangte. Dabei stützte das Erstgericht seine Argumentation nicht nur darauf, daß der Zeuge S***** die Angeklagte "erst in der Hauptverhandlung vom 16.April 1993 eindeutig als Täterin identifizieren konnte" (US 6 iVm S 41/II), sondern führte bei der Würdigung der Aussagen des genannten Zeugen im Zusammenhang mit der Identifizierung der Angeklagten auch dessen Angaben im Vorverfahren über die ihm von der Gendarmerie und bei der Vernehmung vor dem Bezirksgericht Liesing (ON 75) vorgelegten Lichtbilder einer eingehenden Analyse zu (vgl. US 6 ff). Hiebei zog es die besondere Gewissenhaftigkeit des Zeugen S***** ebenso in Betracht wie dessen Befürchtung, die Angehörigen der Angeklagten könnten sich wegen des gegenständlichen Vorfalles (insbesondere wegen des Festhaltens des Kraftfahrzeugkennzeichens) an ihm rächen (US 6, 7 iVm S 310/I, 17/II).

Wenn die Beschwerdeführerin dagegen ins Treffen führt, Annahmen des Erstgerichtes (es sei dem Zeugen S***** nach Vorhalt des Lichtbildes im Reisepaß der Angeklagten anzumerken gewesen, daß "er auf diesem Foto die Täterin vollkommen eindeutig wiedererkannt hat" bzw. daß der Angeklagten "eine gewisse theatralische Wandlungsfähigkeit nicht abgesprochen werden könne") fänden im Hauptverhandlungsprotokoll keine Erwähnung, übersieht sie zunächst, daß die in diesem Zusammenhang reklamierten "Vorgänge" im Sinn des § 271 Abs. 1 StPO allein solche Umstände betreffen, deren Aufzeichnung die StPO für die Hauptverhandlung vorschreibt oder denen sie rechtliche Wirkung beilegt (so etwa die Beeidigung der Schöffen oder Zeugen, Verzicht eines Zeugen auf sein Entschlagungsrecht). Was Angeklagte/Beschuldigte, Zeugen oder Sachverständige aussagen, muß hingegen im Hauptverhandlungsprotokoll nur festgehalten werden, wenn Personen das erstemal vernommen werden oder von früheren Aussagen abweichen (§ 271 Abs. 3 StPO). Im übrigen verkennt Wilma F***** das Wesen der richterlichen Beweiswürdigung (§ 258 Abs. 2 StPO), in deren Rahmen nicht nur zwingende, sondern auch Wahrscheinlichkeitsschlüsse die Tatrichter zu Tatsachenfeststellungen berechtigen, wobei die vom Gericht aus der Gesamtheit der Verfahrensergebnisse gezogenen Schlußfolgerungen nach den Denkgesetzen keineswegs die einzig möglichen sein müssen (vgl. Mayerhofer-Rieder StPO3 ENr. 21, 22, 26 zu § 258). Eine mathematisch-exakte Beweisführung, wie sie der Beschwerdeführerin offenbar vorschwebt, kommt nur dort in Betracht, wo ein Beweisobjekt der Untersuchung mit den Methoden der Naturwissenschaft oder unmittelbar einer mathematischen Zergliederung zugänglich ist; ansonsten muß ein empirisch-historischer Beweis genügen, in dessen Bereich auch schon eine (nur) sehr hohe Wahrscheinlichkeit die richterliche Überzeugung von der Richtigkeit einer Tatsache zu begründen vermag (Mayerhofer-Rieder aaO ENr. 30). Die Gesamtheit der Umstände, die dem Gericht die Überzeugung von der Glaubwürdigkeit oder Unglaubwürdigkeit einer Aussage vermitteln, läßt sich dabei weder restlos analysieren, noch in allen maßgebenden Einzelheiten in Worte fassen (Mayerhofer-Rieder aaO ENr. 88).

Die Tatsachenrüge (Z 5 a) erschöpft sich unter Wiederholung der in der Mängelrüge dargestellten Einwände gegen die ausführliche schöffengerichtliche Beweiswürdigung im Versuch, der (leugnenden) Verantwortung der Angeklagten doch noch zum Durchbruch zu verhelfen. Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen zu erwecken; den Akten ist nichts zu entnehmen, was dem Ergebnis der tatrichterlichen Beweiswürdigung bedeutsam entgegenstünde.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285 d Abs. 1 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Berufung der Angeklagten fällt demnach in die Zuständigkeit des Oberlandesgerichtes Linz (§ 285 i StPO).

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