OGH 9ObA122/93

OGH9ObA122/939.6.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Steinbauer sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr.Herbert Vesely und Helmuth Prenner als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache des Klägers Herbert W*****, Arbeiter, ***** vertreten durch Dr.Gerhard Ochsenhofer, Rechtsanwalt in Oberwart, wider den Beklagten Harald P*****, Installateurmeister, ***** vertreten durch Dr.Reinhard Tögl und Dr.Nicoletta Wabitsch, Rechtsanwälte in Graz, wegen S 170.000 brutto sA, infolge Revision der Beklagten gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 25.Februar 1993, GZ 7 Ra 94/92-19, womit infolge Berufung des Beklagten das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 17.März 1992, GZ 30 Cga 101/91-15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit S 8.154 (darin S 1.359 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht hat die Frage, ob die Weigerung des Klägers, die am 5.Juni 1991 nach Dienstschluß angeordneten Überstunden zu leisten einen Entlassungsgrund verwirklichte, zutreffend verneint. Es reicht daher insofern aus, auf die Richtigkeit der Begründung der angefochtenen Entscheidung hinzuweisen (§ 48 ASGG).

Ergänzend ist den Ausführungen des Revisionswerbers entgegenzuhalten:

Soweit nicht im Einzelarbeitsvertrag oder in Normen der kollektiven Rechtsgestaltung (insb Kollektivvertrag, Betriebsvereinbarung) eine Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Leistung von Überstunden festgelegt ist, besteht eine Pflicht, über die normale Arbeitszeit hinaus Arbeitsleistungen zu erbringen nur auf Grund der Treuepflicht des Arbeitnehmers bei einem Betriebsnotstand im Sinne des § 20 AZG oder sonst in außergewöhnlichen Fällen, nicht aber schon bei jeder betrieblichen Notwendigkeit oder Terminarbeit (Strasser in FS Weissenberg 345; Cerny, Arbeitszeitrecht2, 74, Grillberger, AZG 62;

Schwarz-Holzer, Treuepflicht 131 ff, 138;

Martinek-M.Schwarz-W.Schwarz, AngG7, 325 f; ZAS 1967/1 [Gürtler] SozM

I A/d 251; Arb 10.427, 10.449, 10.563 = Ind 1987 H 6 , 11, Ind 1989,

H 4, 8 = RdW 1988, 204; 9 Ob A 177/91 = infas 1992 A 50).

Die Treuepflicht ist ihrem Wesen nach eine - in ihrem Umfang allerdings zum Teil umstrittene (Floretta-Spielbüchler-Strasser, Arbeitsrecht3 I 146) - "Fremdinteressenwahrungspflicht", aber eine Pflicht zur Respektierung der unternehmerischen Tätigkeitsbereiche (Mayer-Maly/Marhold, Österreichisches Arbeitsrecht I 106; Schwarz-Holzer, Treuepflicht 44). Als Verhaltenspflicht kann sie den Arbeitnehmer auch zu einem positiven Tun verpflichten (Martinek-M.Schwarz-W.Schwarz aaO 316) und daher unter Umständen auch zu einer Überstundenleistungsverpflichtung führen (Kramer-Arbeitsvertragsrechtliche Verbindlichkeiten neben Lohnzahlung und Dienstleistung 109 f; Schwarz-Holzer aaO 131, 138).

Die Weigerung Überstunden zu leisten, rechtfertigt die Entlassung aber nur, wenn sie schuldhaft erfolgt, der Arbeitnehmer also im Bewußtsein der Pflichtwidrigkeit gehandelt hat (Kuderna Entlassungsrecht 45 f, 68; Kramer aaO 119). Die auf der Treuepflicht beruhende Verpflichtung, Überstunden zu leisten, wird erst dann schuldhaft verletzt, wenn der Arbeitnehmer alle Umstände gekannt hat, die seine Treuepflicht auslösen. Im vorliegenden Fall wurde aber dem Kläger von der Sekretärin des Beklagten "nicht gesagt, welche Arbeiten bei der Bäckerei Mann durchzuführen sind und wie lange dies dauern würde". Eine besondere Dringlichkeit der Arbeit oder gar ein allfälliger Betriebsnotstand (Cerny aaO 133) waren dem Kläger nicht erkennbar, so daß er keine außergewöhnlichen Umstände annehmen mußte, die seine Pflicht zur Überstundenleistung begründet hätten (Cerny aaO 74; Arb 10.427). Mangels Erkennbarkeit einer solchen Verpflichtung lag somit weder eine beharrliche Pflichtenvernachlässigung noch ein unbefugtes Verlassen der Arbeit im Sinne des § 82 lit f GewO 1859 vor. Bei dieser Sachlage bedurfte es keiner Prüfung, ob auch überwiegende berücksichtigungswürdige Interessen des Klägers, der die Durchführung weiterer Arbeiten nach dem Ende der Normalarbeitszeit abgelehnt hatte, weil er an diesem Tag an Kreuzschmerzen litt, einer aus der Treuepflicht resultierenden Verpflichtung zur Überstundenleistung entgegengestanden wären (Arb 10.563 = Ind 1987, H 6, 11).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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