OGH 9ObA82/93

OGH9ObA82/939.6.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes HonProf. Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Herbert Vesely und Helmuth Prenner in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei David F***** KG, ***** vertreten durch Dr.Klaus Fischer, Rechtsanwalt in Dornbirn, wider die beklagte Partei Demirel Y*****, ***** vertreten durch Dr.Felix Graf, Rechtsanwalt in Feldkirch, wegen Räumung (Streitwert 12.000 S) infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 19.Jänner 1993, GZ 5 Ra 1/93-8, womit infolge Berufung des Beklagten das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht vom 9.Juli 1992, GZ 33 Cga 95/92 p-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie zu lauten haben:

"Das Klagebegehren, die beklagte Partei ist schuldig, die in "D***** im zweiten Stock rechts gelegene Wohnung, bestehend aus Küche, einem Zimmer, Bad und WC, sowie die ebenfalls in D***** im Erdgeschoß gelegene Wohnung, bestehend aus einem Zimmer, Küche und Bad binnen 14 Tagen von allen der beklagten Partei gehörigen Fahrnissen zu räumen und der klagenden Partei geräumt zu übergeben, wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 120 S (Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen."

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.899,20 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 483,20 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte ist seit dem Jahre 1974 bei der Klägerin beschäftigt. Am 20.1.1981 und am 1.7.1990 schlossen die Streitteile Verträge über die Miete von Wohnungen in dem der Klägerin gehörigen Haus "D***** und zwar einer Wohnung im zweiten Stock, bestehend aus Küche, Zimmer, Bad und WC sowie einer Wohnung im Erdgeschoß, bestehend aus Küche, Zimmer und Bad, ab.

Beide Verträge wurden von der Klägerin verfaßt und lauten auszugsweise wie folgt (Abweichungen des zweiten Vertrages vom ersten sind in Klammer gesetzt):

"Diese Wohnung dient lediglich zur Unterbringung von Dienstnehmern der Vermieterin (der Firma David F***** Textil GesmbH). Der Mieter anerkennt ausdrücklich, daß die gegenständliche Wohnung schon vor Abschluß dieses Vertrages zur Unterbringung von Dienstnehmern der Vermieterin (der Firma David F***** Textil GesmbH) bestimmt und benützt wurde.

II.

Das Mietverhältnis beginnt am 20.Jänner 1981 (im zweiten Vertrag scheint kein Vertragsbeginn auf) und wird mit Rücksicht auf den zweckgebundenen Charakter des Mietobjektes längstens auf die Dauer des zwischen der Vermieterin und dem Mieter (des zwischen der Firma David F***** Textil GmbH und dem Mieter) bestehenden Dienstverhältnisses abgeschlossen. Das Mietverhältnis kann auch von jedem der Vertragsteile unter Einhaltung einer einmonatigen Kündigungsfrist zum Letzten eines jeden Monates aufgekündigt werden.

Der Mieter verpflichtet sich, spätestens bei Auflösung des Dienstverhältnisses - aus welchen Gründen auch immer - das Mietobjekt innerhalb von 30 Tagen zu räumen und in dem unter Punkt VI. dieses Vertrages festgelegten Zustand der Vermieterin geräumt zu übergeben, ohne daß es hiezu einer besonderen Kündigung bedarf. Insbesondere verpflichtet sich der Mieter, vor Erreichung der Pensionierung rechtzeitig für eine Wohnung zu sorgen, damit das Mietobjekt der Vermieterin wieder als Werkswohnung zur Verfügung steht."

Die Grundmiete für die im zweiten Stock gelegene Wohnung betrug ursprünglich 1.500 S monatlich, jene für die im Erdgeschoß gelegene Wohnung 2.050 S. Eine Wertsicherung des Mietzinses war vereinbart.

Mit Schreiben vom 8.4.1991 kündigte die Klägerin die dem Beklagten in Bestand gegebenen Wohnungen mit der Begründung auf, es habe am 7.4.1991 neuerlich Streit zwischen dem Beklagten und der im gleichen Haus wohnenden Familie K***** gegeben, und verlängerte gleichzeitig unter Hinweis auf Schwierigkeiten bei der Wohnungssuche die vertragliche Kündigungsfrist auf drei Monate. Der Beklagte wurde aufgefordert, die Wohnung bis 31.7.1991 zu räumen. Mit Schreiben vom 12.7.1991 teilte die Klägerin dem Beklagten unter Bezugnahme auf ein persönliches Gespräch mit, daß die Möglichkeit der Anmietung einer Kleinwohnung in H***** voraussichtlich Anfang 1992 bestehe und verlängerte die Räumungsfrist für die Wohnungen bis zu diesem Zeitpunkt. In der Folge hat die Klägerin den Räumungstermin mehrmals verlängert und schließlich für die Wohnung im Parterre auf den 29.2.1992 und für die Wohnung im zweiten Stock auf den 31.3.1992 festgelegt.

Die Klägerin begehrt die Räumung der beiden Wohnungen. Es handle sich um Dienstwohnungen, auf die die Bestimmungen des MRG nicht anzuwenden seien. Die Kündigung sei vertragsgemäß ausgesprochen worden; der Beklagte sei daher verpflichtet, die Wohnungen zu räumen und der Klägerin geräumt zu übergeben.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die Werkswohnungsmietverträge seien Teil des Arbeitsvertrages, so daß eine unzulässige Teilkündigung vorliege.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Geschäftsgrundlage beider Mietverträge sei das Dienstverhältnis gewesen, so daß sie unter die Ausnahmebestimmung des § 1 Abs 2 Z 2 MRG fielen. Zwischen den Streitteilen seien neben dem Arbeitsvertrag eigene Werkwohnungsverträge abgeschlossen worden, in denen eine abgesonderte Kündigung vorgesehen sei. Darüber hinaus sei in beiden Bestandverträgen für die Benützung der Wohnungen eine Miete festgelegt worden, so daß der Dienstgeber nicht verpflichtet sei, neben dem Barlohn die Dienstwohnung zur Verfügung zu stellen. Der Arbeitsvertrag und die beiden Werkswohnungsverträge hätten daher rechtlich getrennte Schicksale, so daß die Kündigung auch nur der Bestandverträge zulässig sei.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Nur bei einer engen Verknüpfung des Arbeitsvertrages mit den Mietverträgen im Sinne eines einheitlichen Vertragswerkes sei eine Teilkündigung der Mietverhältnisse ohne Beendigung des Arbeitsverhältnisses unzulässig. Gegen eine enge Verknüpfung spreche in erster Linie der zeitliche Abstand der Vertragsabschlüsse; weiters sei nicht einmal behauptet worden, daß sich durch den Abschluß der Mietverträge die Arbeitsbedingungen, insbesondere die Entgeltansprüche des Beklagten geändert hätten; schließlich müsse der Beklagte für die Überlassung der Wohnungen einen nicht unerheblichen Mietzins entrichten. Da nicht behauptet worden sei, daß es sich dabei um ein bloß geringfügiges, wesentlich unter dem ortsüblichen Maß liegendes Entgelt handle, sei auch unter diesem Gesichtspunkt keine enge Verknüpfung zwischen der charakteristischen Hauptleistung im Rahmen des Arbeitsverhältnisses und der Überlassung des Gebrauches der Wohnungen anzunehmen. Da im vorliegenden Fall die für die Annahme eines gemischten Vertrages erforderliche enge Verbindung zwischen dem Arbeitsvertrag und den Bestandverträgen fehle, sei eine abgesonderte Kündigung der Bestandverträge möglich.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Beklagten aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Nach § 1 Abs 2 Z 2 MRG fallen Wohnungen, die auf Grund eines Dienstverhältnisses oder im Zusammenhang mit einem solchen als Dienst-, Natural- oder Werkswohnung überlassen werden, nicht in den Anwendungsbereich dieses Gesetzes, das dem Mieter einen weitgehenden Kündigungsschutz gewährt. Grund für diese Ausnahmeregelung ist der Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis, der es angebracht erscheinen läßt, auch die Überlassung der Wohnung nicht nach den Schutzbestimmungen des MRG, sondern ebenso wie den Geschäftsgrundlage bildenden Arbeitsvertrag nach arbeitsrechtlichen Vorschriften und Grundsätzen zu behandeln. Dies führt insbesondere zu einer engen zeitlichen Verknüpfung des Bestandvertrages mit dem Arbeitsverhältnis, so daß die Wohnung grundsätzlich mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses frei wird und sie der Arbeitgeber zur Unterbringung eines anderen Arbeitnehmers verwenden kann (siehe Zingher, Die Werkmietwohnung, ÖJZ 1983, 349 ff [351]; vgl Wachter,

Die Herausnahme von Dienst-, Natural- und Werkswohnungen aus dem Mietrechtsgesetz, RdW 1983,76 ff [83]). Da auch das Arbeitsrecht einen - wenn auch im allgemeinen gegenüber dem MRG weniger weitgehenden - Kündigungsschutz bietet, wobei der Verlust der Dienstwohnung eine Beeinträchtigung wesentlicher Interessen des Arbeitnehmers im Sinne des § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG bilden könnte (vgl Wachter, Rechtsprobleme bei Dienst-, Natural-, Werks- und Mietwohnungen von Arbeitnehmern2, 82 f [kurz: Rechtsprobleme]), führt die durch das berechtigte Interesse vor allem des Arbeitgebers an einer zeitlichen Verknüpfung von Arbeits- und Bestandverhältnis sachlich gerechtfertigte Ausnahmeregelung des § 1 Abs 2 Z 2 MRG zwar zu einer Einschränkung des Kündigungsschutzes bezüglich der Wohnung, nicht aber zu einer freien Kündbarkeit. Sind auf Grund der Ausnahmebestimmung des § 1 Abs 2 Z 2 MRG die mietrechtlichen Kündigungsschutzbestimmungen nicht anzuwenden, kommen anstelle dieser Bestimmungen des verdrängten Vertragstyps die Kündigungs- und Kündigungsschutzbestimmungen des im Vordergrund stehenden Arbeitsvertrages zur Anwendung (s Wachter Rechtsprobleme 15 f; Mosler, Weiterbenützung einer Werkswohnung nach Ende des Arbeitsverhältnisses, DRdA 1989, 55 ff [57]).

Die Versagung sowohl des Kündigungsschutzes nach dem MRG als auch des arbeitsrechtlichen Kündigungsschutzes für eine Dienstwohnung würde dazu führen, daß dem Arbeitnehmer, der in zwei existentiellen Grundbedürfnissen (Arbeit und Wohnung) auf seinen Vertragspartner angewiesen ist, in dem einen generell besonders schutzwürdigen Bereich jeglicher Schutz versagt und die Wirksamkeit der Vereinbarung der freien Kündbarkeit der Dienstwohnung bejaht würde (vgl Wachter Rechtsprobleme 40; Hofmann-Wellenhof in Korinek-Krejci, Handbuch zum MRG 148). Beurteilt man den vorliegenden Fall nach den Regeln des Arbeitsrechtes, dann handelt es sich bei der Kündigung der Dienstwohnungen um eine auch bei Vereinbarung jedenfalls ohne wichtigen Grund unzulässige Teilkündigung des Arbeitsverhältnisses (s

Arb 9609 = ZAS 1979/16 [krit Rummel]; Arb 10.038 = ZAS 1982/29 [zust

Mayer-Maly] = DRdA 1983/14 [krit Jabornegg]; SZ 60/173 = DRdA 1989/1;

DRdA 1989/8 [zust Beck-Mannagetta]; Spielbüchler in Floretta-Spielbüchler-Strasser Arbeitsrecht3 I 263; Krejci in Rummel ABGB § 1158 bis 1159 c Rz 54; Wachter, Rechtsprobleme 58). Erachtet man aber die Gestaltung des gegenständlichen Vertrages - Kündbarkeit des Mietverhältnisses ohne gleichzeitige Auflösung des Arbeitsverhältnisses und ohne einen im Arbeitsverhältnis liegenden Grund (etwa Beendigung eines Einsatzes an einer entfernten Arbeitsstätte) - aus arbeitsrechtlicher Sicht für unbedenklich, käme die Ausnahmebestimmung des § 1 Abs 2 Z 2 MRG nicht zum Tragen, weil die Versagung des Kündigungsschutzes nach dem MRG nur wegen des engen Zusammenhanges zwischen Arbeitsverhältnis und Mietverhältnis sachlich gerechtfertigt ist (vgl Wachter, Rechtsprobleme 31 ff).

Da die Kündigung der gegenständlichen Werkswohnungen durch die Klägerin sowohl bei Fehlen der Voraussetzungen des § 1 Abs 2 Z 2 MRG nach den Bestimmungen des MRG unzulässig wäre als auch nach arbeitsrechtlichen Grundsätzen unwirksam ist, kann dahingestellt bleiben, ob für die Wohnungen ortsübliche oder wesentlich geringere Mietzinse vereinbart wurden und ob auf sie die Ausnahmebestimmung des § 1 Abs 2 Z 2 MRG zur Anwendung kommt.

Der Revision war daher Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens erster und dritter Instanz beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Im Berufungsverfahren hat der Beklagte Kosten nicht verzeichnet.

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