OGH 12Os76/93

OGH12Os76/939.6.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 9.Juni 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Horak als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Rzeszut, Dr.Markel, Mag.Strieder und Dr.Mayrhofer als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Weigl als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Muadin E***** wegen des versuchten Verbrechens nach § 15 StGB, § 12 Abs. 1 SGG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 23.März 1993, GZ 6 a Vr 14.658/92-34, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugemittelt.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Muadin E***** des versuchten Verbrechens nach § 15 StGB, § 12 Abs. 1 SGG schuldig erkannt, weil er am 1.Dezember 1991 (richtig: 1992) in Wien den bestehenden Vorschriften zuwider ein Suchtgift in einer großen Menge, nämlich ca. 49 Gramm Heroin, durch den beabsichtigten Verkauf an einen verdeckten Fahnder in Verkehr zu setzen getrachtet hat (wobei die Vollendung der Tat nur durch das rechtzeitige Eingreifen der observierenden Kriminalbeamten unterblieben ist).

Rechtliche Beurteilung

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Gründe der Z 4, 5, 5 a, 9 lit. a, 10 und 11 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Entgegen dem Vorbringen in der Verfahrensrüge (Z 4) wurden durch die Ablehnung (S 161 iVm US 7) der in der Hauptverhandlung vom Verteidiger gestellten Beweisanträge (S 159-161) Grundsätze, deren Beobachtung durch das Wesen eines die Verteidigung sichernden Verfahrens geboten ist, nicht hintangesetzt:

Weshalb der begehrte Lokalaugenschein trotz der inhaltlich übereinstimmenden und der Sache nach stets unverändert gebliebenen Angaben der vernommenen Polizeibeamten bloß wegen ihrer divergierenden - zwischen zwei und zehn Metern schwankenden, bei vollsichtigen Personen evident irrelevanten - Angaben über die Beobachtungsdistanz ergeben sollte, daß die Beamten "das" (hier erkennbar gemeint: das Zubodenfallen des Heroin enthaltenden Zigarettenpäckchens) nicht so sehen konnten, wie sie es vor Gericht geschildert haben, wurde im Antrag nicht einmal andeutungsweise substantiiert, weshalb dieser - als unzulässiger Erkundungsbeweis - zu Recht der Ablehnung verfiel.

Die zeugenschaftliche Einvernahme der Blanka B***** hinwieder wurde vom Schöffengericht zutreffend als entbehrlich abgelehnt, weil sie keine Tatzeugin war, folglich nach der Aktenlage gar keine sachdienlichen Wahrnehmungen zum inkriminierten Tatablauf machen konnte, und sie bereits bei ihrer sicherheitsbehördlichen Befragung, die als Bestandteil der in der Hauptverhandlung verlesenen Polizeianzeige im Beweisverfahren berücksichtigt wurde (US 2), entschieden in Abrede gestellt hat, von allfälligen Suchtgiftgeschäften ihres Lebensgefährten E***** etwas zu wissen, daran beteiligt gewesen zu sein oder bei ihm jemals Heroin gesehen zu haben (S 31-33). Daß bei der Hausdurchsuchung keinerlei Suchtgift gefunden wurde, ist ohnehin aktenkundig (S 7 und 23).

Bei der Antragstellung auf Ausforschung, Ladung und Einvernahme des "verdeckten Fahnders" hat es der Beschwerdeführer überhaupt unterlassen darzutun, über welche Tatumstände dieser Zeuge konkret vernommen werden sollte. Die in der Beschwerde nachgetragenen Gründe sind unbeachtlich, weil bei Prüfung der Berechtigung eines Antrages stets von der Verfahrenslage im Zeitpunkt der Stellung des Antrages und den bei seiner Stellung vorgebrachten Gründen auszugehen ist (Mayerhofer-Rieder StPO3 § 281 Abs. 1 Z 4 ENr. 41 und die dort zitierte Judikatur).

Der in der Mängelrüge (Z 5) erhobene Einwand, für die erstgerichtliche Feststellung, daß sich in dem weggeworfenen Zigarettenpäckchen 49 Gramm Heroin befunden hätten bzw. daß es sich bei dem sichergestellten Pulver überhaupt um Suchtgift gehandelt habe, liege kein Beweisergebnis vor, übergeht das Ergebnis des vom Sicherheitsbüro durchgeführten "Heroin-Tests" nach UNO-Testkoffer (S 27), demzufolge das in der Zigarettenschachtel sichergestellte Pulver mit einem Gewicht von brutto 49 Gramm eine "stark bis mittelstarke positive Reaktion" zeigte. Dieses objektive Untersuchungsergebnis bildet - der Beschwerde zuwider - ungeachtet der fehlenden Qualifikation eines wissenschaftlichen Gutachtens eine ausreichende Grundlage für die entscheidende Urteilsannahme, daß diese Quantität die Grenzmenge des § 12 Abs. 1 SGG (1,5 Gramm reine Heroinbase) bei weitem übersteigt.

Ob der Angeklagte "offensichtlich bereits im November 1992 aus einer unbekannt gebliebenen Quelle eine größere Menge Heroin beziehen konnte", betrifft nach Lage des Falles ebenso keinen entscheidenden (weil weder für die Schuld noch für den anzuwendenden Strafsatz maßgebenden) Umstand wie die weitere Konstatierung, "der Angeklagte habe dem verdeckten Fahnder zunächst 150 Gramm Heroin angeboten". Genug daran, daß der Beschwerdeführer nach den in den wesentlichen Punkten übereinstimmenden und vom Schöffengericht für glaubwürdig beurteilten Aussagen der observierenden Beamten L***** und W***** in Verbindung mit dem Inhalt ihrer Berichte (S 17 und 19 ff) die tatverfangene große Menge von 49 Gramm Heroin in Verkehr zu setzen getrachtet hat. Angesichts ihrer konkreten Beobachtungen bei der an zwei Tagen durchgeführten Observierung des Angeklagten, auf die die Tatrichter ihre entscheidenden Feststellungen denkrichtig stützten und auch zureichend begründeten, bedurfte es im Urteil keiner näheren Erörterung der Tatsache, daß die genannten Zeugen die Gespräche zwischen verdecktem Fahnder und dem Angeklagten nicht mitgehört haben.

Von einer Unvollständigkeit oder/und aktenwidrigen Urteilsbegründung im Sinne des § 281 Abs. 1 Z 5 StPO kann daher keine Rede sein.

Indem die Tatsachenrüge (Z 5 a) einerseits die von den Erkenntnisrichtern für glaubwürdig gehaltenen Aussagen der Zeugen L***** und W***** mit dem Hinweis zu erschüttern sucht, daß diese die zur Festnahme des Angeklagten führende Polizeiaktion in bezug auf den Ausgangspunkt, das Zugriffszeichen und die Entfernungsangaben, ferner den Auffindungsort des vom Beschwerdeführer fallengelassenen Zigarettenpäckchens divergierend schildern, andererseits die auf objektiver Grundlage basierende Beurteilung des "Pulvers" als Suchtgift (Heroin) in Frage stellt und mutmaßt, es könnte möglicherweise vom verdeckten Fahnder stammen, zeigt sie in Wahrheit keine sich aus den Akten ergebenden Bedenken, geschweige denn solche erheblicher Art, gegen die Richtigkeit der dem Schuldspruch zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen auf, sondern bekämpft unzulässigerweise nach Art einer gegen kollegialgerichtliche Urteile nicht vorgesehenen Schuldberufung die zum Nachteil des Beschwerdeführers ausgefallene tatrichterliche Beweiswürdigung.

Die Rechtsrügen (Z 9 lit. a und 10) sind nicht gesetzmäßig ausgeführt, weil sie die in den Entscheidungsgründen mehrfach und ausdrücklich getroffene Konstatierung (US 3 ff) übergehen, daß der Angeklagte die (letztlich sichergestellten) 49 Gramm Heroin nicht bloß "besaß", sondern "beabsichtigte", sie tatplangemäß an den verdeckten Fahnder "zu verkaufen" bzw. zu "übergeben". Die erfolgreiche Geltendmachung eines materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes verlangt aber das Festhalten am wesentlichen Urteilssachverhalt und dessen Vergleich mit dem darauf angewendeten Gesetz.

Mit der Kritik in der Strafzumessungsgründe (Z 11) schließlich, das Erstgericht habe sich vorliegend mit der Bestimmung des § 43 StGB nicht auseinandergesetzt, wird keiner der Anwendungsfälle der Z 11 des § 281 Abs. 1 StPO geltend gemacht. Ob es fallbezogen aus spezialoder/und generalpräventiven Erwägungen der Verurteilung des Angeklagten zu einer unbedingten Freiheitsstrafe bedarf, ist vielmehr eine Frage pflichtgemäßen richterlichen Ermessens und demnach ausschließlich der Überprüfung im Berufungsverfahren vorbehalten.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils als offenbar unbegründet gemäß § 285 d Abs. 1 Z 2 StPO, teils als nicht dem Gesetz entsprechend ausgeführt nach § 285 d Abs. 1 Z 1 StPO iVm § 285 a Z 2 StPO schon bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen.

Daraus folgt, daß über die Berufung das Oberlandesgericht Wien zu entscheiden hat (§ 285 i StPO).

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