OGH 9ObA129/93

OGH9ObA129/939.6.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Steinbauer sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr.Herbert Vesely und Dr.Helmuth Prenner als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache des Klägers Stefan Z*****, vertreten durch Dr.Utho Hosp, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die Beklagte L*****gesellschaft m.b.H., ***** vertreten durch Dr.Robert Galler, Rechtsanwalt in Salzburg, als Abwesenheitskurator wegen S 67.084,49 netto sA, infolge Revision der Beklagten gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 19.Jänner 1993, GZ 13 Ra 60/92-37, womit infolge Berufung des Klägers das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 21.August 1991, GZ 19 Cga 10/90-20, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit S 4.348,80 (darin S 724,80 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger wurde über den bei der Beklagten beschäftigten Karl H***** mit dem Geschäftsführer der Beklagten bekannt und einigte sich mit diesem im Oktober 1989 auf ein Beschäftigungsverhältnis des Klägers bei der Beklagten gegen einen monatlichen Nettolohn von S 10.000,-

zuzüglich zweier Sonderzahlungen.

Am 14.11.1989 wurde die beklagte Gesellschaft mbH in das damalige Handelsregister eingetragenen. Der Kläger sollte im Innendienst die gesamte Korrespondenz erledigen und Kontaktperson für Karl H***** sein. Als Dienstzeit wurde 8.00 bis 16.00 Uhr vereinbart. Ein schriftlicher Dienstvertrag wurde ausgefertigt. Der Geschäftsführer bewohnte mit seiner Lebensgefährtin eine Wohnung in Salzburg. Dort stand ein Schreibtisch mit einer Schreibmaschine. Dort sollte der Arbeitsbereich des Unternehmens sein. Der Kläger nahm seine Tätigkeit für die Beklagte zwischen 12. und 15.10.1989 auf. Er kam täglich zum vereinbarten Dienstbeginn in die genannte Wohnung und verrichtete dort die vereinbarten Arbeiten. Der Geschäftsführer plante in der Folge auch Lebensversicherungen zu vermitteln. Obwohl der Kläger eine solche Vermittlungstätigkeit selbst nicht durchführen sollte, nahm er auf Anweisung des Geschäftsführers an einer Schulung bei der Bundesländerversicherung teil, weil es zu den Aufgaben des Klägers gehören werde, hereinkommende Anträge auf ihre Vollständigkeit zu kontrollieren. Karl H***** hatte die Anweisung, bei Abwesenheit des Geschäftsführers die Einhaltung der Arbeitszeit des Klägers zu kontrollieren.

Nach der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister füllte der Kläger Formulare für die Dienstnehmeranmeldung bei der Gebietskrankenkasse aus und übergab sie dem Geschäftsführer. Dabei wurde besprochen, daß der Kläger als Angestellter angemeldet werden sollte. Während des Dienstverhältnisses erhielt der Kläger einmal den Betrag von S 4.500,- bezahlt. Weitere Gehaltszahlungen erfolgten nicht. Das Dienstverhältnis endete durch Austritt.

Der Kläger begehrt von der Beklagten den in der Berufungsverhandlung vom 19.1.1993 aufgeschlüsselten und rechnerisch unbestrittenen Betrag von S 67.084,49 netto für Gehalt und aliquote Sonderzahlungen vom 13.10.1989 bis 4.1.1990 sowie Kündigungsentschädigung und Urlaubsabfindung für 30 Werktage.

Die Beklagte bestritt das Zustandekommen eines Dienstverhältnisses und beantragte die Abweisung des Klagebegehrens.

Das Erstgericht wies das in erster Instanz noch mit S 94.587,12 brutto sA bezifferte Klagebegehren ab. Der Kläger habe den Beweis für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses oder eines arbeitnehmerähnlichen Verhältnisses nicht erbracht.

Das Berufungsgericht erkannte die Beklagte nach Beweiswiederholung schuldig, dem Kläger S 67.084,49 netto sA zu zahlen. Es liege ein Dienstverhältnis vor, so daß dem Kläger der der Höhe nach richtig errechnete Klagebetrag gebühre. Der Anspruch auf das Monatsgehalt von netto S 10.000,- sowie die anteiligen Sonderzahlungen gründe sich für die Dauer des aufrechten Dienstverhältnisses auf die festgestellte Übereinkunft der Streitteile, hinsichtlich des genauen Beginnes des Dienstverhältnisses sei § 273 ZPO anzuwenden. Daß die Beklagte das von der Vorgesellschaft mit dem Kläger begründete Dienstverhältnis konkludent übernommen habe, sei unzweifelhaft.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne einer Klageabweisung abzuändern; hilfsweise stellt die Beklagte einen Aufhebungsantrag.

Der Kläger stellt den Antrag, der Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Zu den wesentlichen Merkmalen eines Arbeitsverhältnisses gehört nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vor allem die persönliche Abhängigkeit des Arbeitnehmers; sie ist durch dessen Unterworfenheit unter die funktionelle Autorität des Arbeitgebers, gekennzeichnet, die sich die organisatorische Gebundenheit insbesondere an Arbeitszeit, Arbeitsort und Kontrolle zeigt;

charakteristisch ist die Fremdbestimmung der Arbeit und die persönliche Fürsorge- und Treuepflicht (Arb 10.529; infas 1985 A 95;

ZAS 1988/11 = Arb 10.697; ZAS 1989/19; ZAS 1992/1; DRdA 1993, 150). Die Bestimmungselemente der persönlichen Abhängigkeit müssen nicht alle gemeinsam vorliegen; sie können auch in unterschiedlich starker Ausprägung auftreten. Entscheidend ist, ob die Merkmale der persönlichen Abhängigkeit ihrem Gewicht und ihrer Bedeutung nach überwiegen (infas 1985 A 95; ZAS 1988/11 = Arb 10.697).

Die Anmeldung zur Sozialversicherung ist, ebenso wie die Vornahme eines Lohnsteuerabzugs für die Beurteilung des Vorliegens eines Arbeitsverhältnisses ein bloßes Indiz (Martinek-M.Schwarz-W.Schwarz7, AngG 55 mwH; Arb 8470; Arb 10.529).

So wie bei allen anderen Verträgen hängt auch die rechtliche Qualifikation eines Vertrages als Arbeitsvertrag nicht vom (bloßen Rechtsfolge-) Willen der Parteien und von der von ihnen allenfalls gewählten Bezeichnung ab, sondern primär vom Inhalt ihrer (ausdrücklich oder schlüssig getroffenen) Vereinbarungen (ZAS 1982/1;

ZAS 1989/19; 9 Ob A 30/93).

Nach den Feststellungen des Berufungsgerichtes einigten sich der Geschäftsführer der Beklagten und der Kläger über die durchzuführenden Arbeiten, das Entgelt, die Dienstzeit und den Arbeitsort. Die Arbeitszeit des Klägers sollte von Karl H***** kontrolliert werden. Der Geschäftsführer erteilte dem Kläger die Anweisung an einer Schulung teilzunehmen.

Später wurde sogar besprochen, daß der Kläger als Angestellter angemeldet werden sollte. Das Vorbringen des Revisionswerbers, daß die zweite Instanz zum Inhalt des Dienstvertrages keine Feststellungen getroffen habe, ist daher aktenwidrig. Nach dem festgestellten vereinbarten Vertragsinhalt kann kein Zweifel bestehen, daß zwischen den Streitteilen ein Arbeitsvertrag geschlossen wurde, der die Merkmale der persönlichen Abhängigkeit, wie die Bindung des Klägers an Arbeitszeit, Arbeitsinhalt, Arbeitsort und Kontrolle seiner Arbeitszeit aufweist und durch seine organisatorische und persönliche Gebundenheit charakterisiert ist (Martinek-M.Schwarz-W.Schwarz aaO 44). Das Unterlassen der Anmeldung zur Sozialversicherung ist demgegenüber ohne jede Bedeutung, zumal die Anmeldung ja bereits vereinbart war. Aus dem Unterlassen eines Lohnsteuerabzuges kann die Beklagte für sich nichts ableiten.

Daß der Kläger nur einmal einen Barbetrag von S 4.500,- erhielt, besagt nicht, daß nur eine Provisionsvereinbarung zustandekam, die im übrigen, ein Arbeitsverhältnis auch noch nicht ausschließt. Im übrigen sollte der Kläger nach den getroffenen Feststellungen selbst keine Versicherungsvermittlungen vornehmen. Für das von der Revisionswerberin behauptete Vorliegen eines freien Dienstverhältnisses oder eines Provisionsverhältnisses fehlt jede Grundlage; eine solche Gestaltung des Vertragsverhältnisses wurde von der Beklagten in erster Instanz auch gar nicht behauptet.

Soweit das Berufungsgericht hinsichtlich des Beginnes des Dienstverhältnisses des § 273 ZPO anwendet, weil der Kläger seine Tätigkeit zwischen dem 12. und 15.10.1989 aufgenommen hat, und für die Höhe des gebührenden Entgelts von einem dazwischenliegenden Zeitpunkt ausgeht, bestehen dagegen keine Bedenken. Zwischen dem 12. und 15.10.1989 liegen nur zwei Werktage, der Freitag, der 13. und der Samstag, der 14.Oktober 1989. Wird die übliche 5-Tage-Woche (Montag bis Freitag) zugrundegelegt - gegenteilige Behauptungen liegen nicht vor - dann kommt als spätester Tag der Arbeitsaufnahme durch den Kläger der 13.Oktober 1989 in Betracht. Erst ab diesem Zeitpunkt hat der Kläger das Entgelt begehrt, das ihm vom Berufungsgericht gem. § 273 ZPO zugesprochen wurde.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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