OGH 4Ob90/93

OGH4Ob90/938.6.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei "S*****, vertreten durch Dr.Heinrich Kammerlander und Dr.Martin Piaty, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagten Parteien 1. K***** Gesellschaft mbH & Co KG, 2. K***** Gesellschaft mbH, ***** beide vertreten durch Dr.Ewald Weiss, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert S 500.000) infolge Revision der Klägerin gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 20.November 1992, GZ 5 R 180/92-11, womit das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 7.Mai 1992, GZ 38 Cg 404/91-6, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die Beklagten sind zur ungeteilten Hand schuldig, der Klägerin die mit S 70.066,32 (darin S 9.677,82 Umsatzsteuer und S 12.000 Barauslagen) bestimmten Kosten der Rechtsmittelverfahren binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist Medieninhaberin und Verlegerin der Tageszeitung "Kleine Zeitung". Die Erstbeklagte ist Medieninhaberin der "Neuen Kronen-Zeitung", die in der Steiermark als Mutationsausgabe unter dem Titel "Steirer-Krone Neue Kronen-Zeitung" erscheint; die Zweitbeklagte ist persönlich haftende Gesellschafterin der Erstbeklagten.

In der zweiten Augustwoche 1991 verteilten die Beklagten in der Steiermark eine Postwurfsendung, in der sie (ua) ausführten:

"Neue Steirer-Krone - 100.000.- Wahlwette.

Der Countdown für die Landtagswahl 91 läuft. Täglich berichtet die Steirerkrone, wie sich die Parteien auf diesen Wahlgang vorbereiten. Und nur die Steirerkrone kann wirklich objektiv darüber berichten, weil sie völlig unabhängig von Parteien und anderen großen Interessengruppen ist."

Die Klägerin begehrt, die Beklagten schuldig zu erkennen, im geschäftlichen Verkehr beim Vertrieb der Tageszeitung "Neue Kronen-Zeitung" die Werbebehauptung zu unterlassen, nur die "Neue Steirer-Krone" könne wirklich objektiv über Landtagswahlen oder andere Wahlen zu gesetzgebenden Körperschaften der Republik Österreich und anderen in der österreichischen Bundesverfassung vorgesehenen Wahlen berichten, weil sie völlig unabhängig von Parteien und anderen Interessengruppen sei. Die Klägerin begehrt weiters, sie zur Urteilsveröffentlichung in je einer Ausgabe der "Kleinen Zeitung" und der "Steirer-Krone Neue Kronen-Zeitung" auf Kosten der Beklagten zu ermächtigen.

Die Behauptung, nur die "Neue Kronen-Zeitung" könne wirklich objektiv über die Wahl zum Steiermärkischen Landtag 1991 berichten, beziehe sich erkennbar auf die "Kleine Zeitung". Die "Kleine Zeitung" habe nach der Mediaanalyse 1990 in der Steiermark 404.000 Leser, die "Neue Kronen-Zeitung" 433.000 Leser; die "Kleine Zeitung" bezeichne sich als "unabhängig". Ein nicht unbeträchtlicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise werde die Werbebehauptung auf die "Kleine Zeitung" beziehen und annehmen, daß diese - im Gegensatz zur "Neuen Kronen-Zeitung" - nicht wirklich objektiv über den Landtagswahlkampf 1991 berichten könne. Die beanstandete Werbung sei daher eine unzulässige Alleinstellungswerbung, durch die ein anderes Erzeugnis pauschal und mit aggressiver Tendenz abgewertet werde. Die Behauptung sei auch unwahr: Auch die "Kleine Zeitung" sei in der Lage, völlig unabhängig über Wahlen zu berichten. Daß ihr Eigentümer der Katholische Preßverein ist, bewirke keine Abhängigkeit von irgendeiner politischen Partei oder von einer großen Interessengruppe. Da das Publikum größten Wert auf objektive und wahrheitsgetreue Berichterstattung sowie auf die Unnabhängigkeit einer Zeitung von den politischen Parteien und großen Interessengruppen lege, sei die Behauptung auch kreditschädigend.

Die Beklagten beantragen, das Klagebegehren abzuweisen. Die Klägerin begehre etwas anderes, als sie den Beklagten vorwerfe. Ihr Begehren habe die Berichterstattung über Wahlen an sich zum Gegenstand, während sich die beanstandete Passage auf den Wahlkampf beziehe. Die Behauptung sei eine durch Art 10 MRK gedeckte Meinungsäußerung und zulässige politische Kritik; eine allfällige Wettbewerbsabsicht trete dahinter völlig zurück.

Die Organe des Katholischen Preßvereins würden letztlich von der Kirche bestimmt. Niemand werde ernstlich annehmen und behaupten können, daß es sich die "Kleine Zeitung" erlauben könnte, zu bestimmten gesellschaftspolitisch brisanten Themen eine andere Meinung zu vertreten als die Amtskirche. Die "Kleine Zeitung" könne daher auch nicht über die Positionen der Parteien vor der Wahl objektiv berichten.

Die beanstandete Behauptung sei keine Tatsachenbehauptung, sondern eine reklamehafte Übertreibung und Wertung. Tatsachenkern sei, daß sich die "Neue Kronen-Zeitung" auf dem Gebiet der politischen Berichterstattung ein besonderes Maß an Unabhängigkeit und Objektivität leisten könne, weil es wegen der Eigentumsverhältnisse einflußreichen Interessengruppen und Verbänden unmöglich sei, auf ihre Berichterstattung Einfluß zu nehmen.

Das Erstgericht gab dem Unterlassungsbegehren und dem Veröffentlichungsbegehren zur Gänze statt. Die Beklagten nähmen mit der beanstandeten Behauptung eine Spitzenstellung für sich in Anspruch. Alleinstellungswerbung sei jedoch jedoch grundsätzlich nur zulässig, wenn sie wahr ist. Von den in der Steiermark gelesenen Tageszeitungen seien aber zumindest "Standard" und "Kurier" ebenso unabhängig wie die "Neue Kronen-Zeitung". Die beanstandete Behauptung sei in einer Werbeschrift aufgestellt, so daß gar nicht zu prüfen sei, ob die Wettbewerbsabsicht hinter anderen Absichten zurücktrete. Von "reklamehaften Übertreibungen" könne keine Rede sein. Die Aussage beziehe sich zumindest auf alle in der Steiermark gelesenen Tageszeitungen; sie sei unwahr und verstoße daher gegen § 2 UWG.

Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und die Revision nicht zulässig sei. Das Klagebegehren sei schon aus rechtlichen Gründen verfehlt: Es beziehe sich auf Landtagswahlen und andere Wahlen; Gegenstand der beanstandeten Textstelle sei aber der Wahlkampf. Das Klagebegehren könne nicht umformuliert werden, weil damit ein aliud zugesprochen würde.

Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß das Ersturteil wiederhergestellt werde; in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagten beantragen, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und berechtigt.

Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Fassung von Unterlassungsbegehren abgewichen ist.

Das Berufungsgericht ist der Auffassung der Beklagten gefolgt, wonach sich das begehrte Unterlassungsgebot nicht mit dem decke, was die Klägerin den Beklagten vorwirft. Dabei geht es um die Frage, ob mit den Worten "über Wahlen berichten" nur die Berichterstattung über den Wahlgang oder (auch) jene über die Wahlvorbereitung, den Wahlkampf, gemeint ist.

Gegenstand eines Unterlassungstitels muß immer die konkrete Verletzungshandlung sein. Ein auf Unterlassung eng umrissener Eingriffe ganz bestimmter Art lautender Exekutionstitel ist aber vielfach wertlos, weil der Verpflichtete durch Eingriffe ähnlicher Art den gleichen Erfolg erreichen kann. Eine gewisse allgemeine Fassung des Unterlassungsgebotes - im Verein mit konkreten Einzelverboten - ist daher meist schon deshalb notwendig, um Umgehungen nicht allzu leicht zu machen. Eine andere Möglichkeit, dem Verpflichteten die Umgehung des Exekutionstitels nicht übermäßig zu erleichtern, besteht darin, die tatsächlich verübte Handlung bei ihrer Beschreibung allgemeiner zu fassen und ihr so einen breiteren Rahmen zu geben; dabei muß der Kern der Verletzungshandlung so erfaßt sein, daß unter den Schutzumfang des Unterlassungsanspruches nicht nur völlig gleichartige Handlungen, sondern auch alle anderen fallen, die diesen Kern unberührt lassen (ÖBl 1991, 105 und 108, jeweils mwN).

Die beanstandete Werbebehauptung der Beklagten bezieht sich auf die Berichterstattung über die Wahlvorbereitung der Parteien, den Wahlkampf. Davon ist, wie den Beklagten zuzugestehen ist, die Berichterstattung über den Wahlgang, das Ergebnis der Wahl, zu unterscheiden. Beides, sowohl der Wahlkampf als auch der Wahlgang, wird aber als "(Landtags)Wahl" bezeichnet; "Wahl" ist nicht bloß der Wahlgang, wie auch die Wortwahl der Beklagten zeigt, welche in der Klagebeantwortung von "Wahlen an sich" sprechen. Gegenstand des Unterlassungsbegehrens ist daher kein aliud, sondern die konkrete Verletzungshandlung, wenn auch - zulässigerweise - allgemeiner gefaßt. Es ist daher nicht zu prüfen, ob das Begehren unter dem Gesichtspunkt der vorbeugenden Unterlassungsklage gerechtfertigt ist (s. auch dazu ÖBl 1991, 105 und 198 mwN). Da die Beklagten schon eine Verletzungshandlung begangen haben, ist für die allgemeinere Fassung des Verbotes nicht das Vorliegen der strengen Voraussetzungen der vorbeugenden Unterlassungsklage - der Beweis des unmittelbar drohenden Bevorstehens einer (ähnlichen) Verletzung durch den Kläger (ÖBl 1989, 56 mwN) - erforderlich.

Mit der beanstandeten Werbebehauptung nehmen die Beklagten für sich eine Spitzenstellung auf dem Markt in Anspruch: Die Behauptung erweckt den Eindruck, nur die Zeitung der Beklagten könne wirklich objektiv über Wahlen berichten, weil sie völlig unabhängig von Parteien und anderen großen Interessengruppen sei. Spitzen- bzw Alleinstellungswerbung ist grundsätzlich zulässig, wenn sie wahr ist (Hohenecker-Friedl, Wettbewerbsrecht 26; Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht17 § 3 dUWG Rz 75; stRspr ÖBl 1983, 42 uva).

Die Klägerin nimmt für sich in Anspruch, daß auch die "Kleine Zeitung" unabhängig und daher in der Lage sei, objektiv über Wahlen zu berichten.

Die Beklagten sprechen der Zeitung der Klägerin die Fähigkeit zur objektiven Berichterstattung über Wahlen ab, weil deren Medieninhaberin im Eigentum des Katholischen Preßvereins steht. Konkrete Beispiele aus der Berichterstattung, die auf einen Mangel an Unabhängigkeit und damit an Objektivität schließen ließen, nennen die Beklagten nicht. Ihre Behauptung ist nicht schlüssig, weil sich Abhängigkeit und mangelnde Objektivität in der Berichterstattung über Wahlen nicht schon aus der Tatsache ergeben, daß die Medieninhaberin der "Kleinen Zeitung" im Eigentum des Katholischen Preßvereins steht.

Der Unterlassungsanspruch der Klägerin ist somit schon nach § 2 UWG berechtigt. Art und Umfang der begehrten Urteilsveröffentlichung sind dem Wettbewerbsverstoß angemessen (§ 25 Abs 3 UWG; s. ÖBl 1972, 91 ua).

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

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