OGH 9ObA65/93

OGH9ObA65/9319.5.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Vera Kremslehner und Mag.Gabriele Jarosch als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dipl.Ing.Dr.Peter F*****, Universitätsprofessor, ***** vertreten durch *****, Sekretär *****, dieser vertreten durch Dr.Walter Riedl und andere Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Österreichische Akademie der Wissenschaften, Wien 1, Dr.Ignaz-Seipel-Platz 2, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, diese vertreten durch Dr.Gustav Teicht und Dr.Gerhard Jöchl, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 252.789 sA (im Revisionsverfahren S 245.862,50 sA), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 30.November 1992, GZ 34 Ra 99/92-16, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 3.April 1992, GZ 24 Cga 404/91-12, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit S 10.882,80 (darin S 1.813,80 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war seit 1.1.1973 Angestellter der Beklagten und zuletzt stellvertretender Direktor des Instituts für sozioökonomische Entwicklungsforschung. Er bewarb sich im Jahre 1989 um eine Professur an der Technischen Universität Wien und wurde mit Wirkung vom 1.8.1990 zum ordentlichen Universitätsprofessor ernannt. Am selben Tag erfolgte seine Beeidigung durch den Rektor dieser Universität.

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger S 252.789 sA an (laufendem) Entgelt, da sein Dienstverhältnis zur Beklagten trotz seiner Ernennung über den 1.8.1990 hinaus zumindest bis zum 9.1.1991 weiterbestanden habe. Erst am 10.1.1991 habe er durch den Abschluß eines Werkvertrages einer einvernehmlichen Auflösung seines Dienstverhältnisses zugestimmt. In eventu mache er gemäß § 23 AngG einen Abfertigungsanspruch von S 234.636 sA geltend.

Die Beklagte beantragte, die Klagebegehren abzuweisen. Der Kläger sei sowohl im Dienstverhältnis zu ihr als auch im anschließenden öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur vollen und uneingeschränkten Dienstleistung verpflichtet gewesen. Die Ausübung einer anderen Beschäftigung sei dem Kläger im Dienstvertrag ausdrücklich untersagt worden. Seiner Mitteilung vom 1.8.1990, daß er zum ordentlichen Universitätsprofessor ernannt worden sei, könne daher nur die Bedeutung zugemessen werden, daß er durch den Antritt eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses das Dienstverhältnis zur Beklagten gelöst habe. Demzufolge sei der Kläger von der Sozialversicherung abgemeldet worden. Es stehe ihm daher weder ein weiterer Gehaltsbezug noch eine Abfertigung zu. Überdies müsse er sich auf das begehrte Entgelt im Sinne des § 1155 ABGB jene Bezüge anrechnen lassen, die er als Ordinarius der Technischen Universität Wien verdient habe, da er dieses Einkommen mangels Zustimmung der Beklagten zu dieser anderen Vollbeschäftigung während des aufrechten Dienstverhältnisses nicht hätte erzielen können.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit S 245.862,50 sA statt und wies das Mehrbegehren von S 6.926,50 sA rechtskräftig ab. Es traf im wesentlichen folgende Feststellungen:

Mit Schreiben vom 1.8.1990 teilte der Kläger dem Präsidium der Beklagten unter anderem mit, daß er aufgrund der Berufung zum Ordinarius an der Technischen Universität Wien um die einvernehmliche Auflösung seines Dienstverhältnisses unter Wahrung seiner Abfertigungsansprüche per 1.8.1990 ersuche. Der Generalsekretär der Beklagten erwiderte mit Schreiben vom 2.8.1990, daß diese Berufung eine einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses unter Wahrung des Abfertigungsanspruches hinfällig mache. Er hielt "der guten Ordnung halber" fest, daß er das Schreiben des Klägers vom 1.8.1990 als Mitteilung über die Beendigung der Tätigkeit des Klägers für die Beklagte erachte und daß der Kläger mit diesem Datum von der Sozialversicherung abgemeldet werde.

Der Kläger reagierte darauf mit Schreiben vom 18.9.1990, in dem er festhielt, daß seinem Ersuchen um einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses nicht entsprochen worden sei. Die Beklagte habe sein Schreiben offenbar als Kündigung gewertet. Da sie sein Dienstverhältnis für beendet ansehe, was durch die Abmeldung von der Sozialversicherung belegt werde, bleibe kaum eine andere Interpretationsmöglichkeit des Vorgehens der Beklagten, als daß sie ihn de facto gekündigt habe. Die mittlerweile mit der Vertretung der Beklagten betraute Finanzprokuratur stimmte mit Schreiben vom 8.10.1990 den Ausführungen des Generalsekretärs zu. Dagegen führte der Kläger in seinem Schreiben vom 6.12.1990 sinngemäß aus, daß er das Dienstverhältnis nicht einseitig beendet habe und noch immer dienstbereit sei, zumal er an der Technischen Universität noch kein Institut habe, an dem er arbeiten könne.

Der Kläger konnte seine Arbeit an der Technischen Universität mangels Mitarbeiter, Büroräumlichkeiten und Materialien vorerst nicht im vollen Umfang aufnehmen. Er wandte sich an den Direktor des Instituts für sozioökonomische Entwicklungsforschung und ersuchte ihn, den Schreibtisch und die Infrastruktur im Institut weiterbenützen und seine Sachen vorerst im Institut belassen zu dürfen. Dies wurde ihm aus Gefälligkeit gestattet. Er setzte seine Projektsarbeit wie zuvor fort und organisierte die Gründung seines Instituts an der Technischen Universität. Zum Institutsdirektor sagte der Kläger nicht, daß er sich weiterhin als Mitarbeiter des Institutes fühle und von der Beklagten ein Gehalt beanspruche. Am 17.9.1990 schloß die Beklagte dieses Institut wegen angeblicher Unregelmäßigkeiten von Institutsangehörigen. Das Institut des Klägers für Gestaltungs- und Wirkungsforschung an der Technischen Universität nahm am 1.1.1991 seinen Betrieb auf. Der Kläger setzte dort seine Arbeiten an dem von ihm betriebenen Projekt fort. Am 10.1.1991 schloß der Kläger mit der Beklagten einen Werkvertrag. Als Universitätsprofessor bezog der Kläger ein um ca. 10 % höheres Gehalt als vordem als Angestellter der Beklagten.

Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß es zu keiner einvernehmlichen Auflösung des Dienstverhältnisses des Klägers zur Beklagten gekommen sei, da die Beklagte ein solches Angebot des Klägers abgelehnt habe. Dem Kläger könne aber auch nicht unterstellt werden, daß er mit seiner Mitteilung vom 1.8.1990 seinen Austritt erklärt oder selbst gekündigt habe. Andererseits könne er sich jedoch auch nicht darauf berufen, daß ihn die Beklagte mit dem Schreiben vom 2.8.1990 gekündigt habe. Die Abmeldung von der Sozialversicherung sei nur deshalb erfolgt, da die Beklagte das Schreiben des Klägers vom 1.8.1990 als Auflösungserklärung gewertet habe. Das Dienstverhältnis des Klägers habe daher über den 1.8.1990 hinaus fortbestanden. Die Beklagte habe zufolge unrichtiger Interpretation der Erklärungen des Klägers dessen Arbeitsleistungen nicht angenommen und sei dadurch in Annahmeverzug geraten.

Die Anrechnungsregelung des § 1155 ABGB sei nicht anzuwenden. Eine solche Anrechnung sei weder im Vertragsbedienstetengesetz, dessen Geltung auch im Dienstvertrag vereinbart worden sei, noch in der Einzelvereinbarung enthalten. Einer subsidiären Anwendung des § 1155 ABGB stehe entgegen, daß das Einkommen aus dem öffentlich rechtlichen Dienstverhältnis für das Unterbleiben der Dienstleistung zur Beklagten nicht kausal gewesen sei. Motiv des Klägers für den Abschluß des zweiten Dienstvertrages mit der Republik Österreich sei nämlich nicht das Vorliegen eines Hinderungsgrundes gewesen. Dem Kläger stehe daher der geltend gemachte Gehaltsanspruch mit Ausnahme der bereits ausgezahlten anteiligen Sonderzahlungen zu.

Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung dahin ab, daß es die noch streitverfangenen Klagebegehren zur Gänze abwies.

Das Dienstverhältnis des Klägers habe nicht im Sinne des § 30 Abs 1 Z 3 VBG "automatisch" geendet, da die Republik Österreich und die Beklagte verschiedene Dienstgeber seien, so daß der Normzweck dieser Bestimmung, das gleichzeitige Bestehen zweier Dienstverhältnisse zu verhindern, nicht vorausgesetzt werden könne. Die sinngemäße Anwendung des § 30 Abs 1 Z 3 VBG auf Dienstverhältnisse im Sinne des § 1 Abs 2 VBG sei daher "offenbar nicht beabsichtigt". Da das Schreiben des Klägers vom 1.8.1990 nicht als Auflösungserklärung gewertet werden könne und das Antwortschreiben des Beklagten vom 2.8.1990 insoweit nur als Wissenserklärung anzusehen sei, habe das Dienstverhältnis des Klägers weiter fortbestanden. Er müsse sich aber auf seinen Entgeltanspruch gemäß § 1155 ABGB jene Beträge anrechnen lassen, die er als Universitätsprofessor verdient habe. Diese Beträge hätte er, da im Dienstvertrag mit der Beklagten Vollbeschäftigung vereinbart gewesen sei, ohne ihre Zustimmung nicht beziehen können. Es liege auf der Hand, daß ein Dienstverhältnis mit Vollbeschäftigung den Kläger an der Erfüllung seiner Aufgaben als Universitätsprofessor behindert hätte. Diese Anrechnung führe zufolge des höheren Professorengehalts zur Abweisung des Entgeltanspruchs. Voraussetzung eines Abfertigungsanspruchs sei bei einer einvernehmlichen Auflösung des Dienstverhältnisses, von welcher der Kläger selbst ausgehe, das Vorliegen einer entsprechenden Vereinbarung. Eine solche sei vom Kläger aber nicht einmal behauptet worden.

Gegen dieses Urteil richtet sich die aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision des Klägers mit dem Antrag auf Abänderung der angefochtenen Entscheidung im Sinne einer Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteils bzw. einer Stattgebung des Eventualbegehrens. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Wie das Berufungsgericht in Übereinstimmung mit der Rechtsansicht der Beklagten richtig erkannte, ist auf das Dienstverhältnis des Klägers zur Beklagten das VBG 1948 nicht nur als lex contractus, sondern kraft § 1 Abs 2 VBG unmittelbar sinngemäß anzuwenden (vgl Arb 10.737 = ZAS 1989/12 [mit Kritik von Mayer-Maly]). Damit erlangt aber nicht nur die Bestimmung des § 35 Abs 2 Z 7 VBG Bedeutung, sondern - wie die Beklagte zutreffend ausführt - auch die Regelung des § 30 Abs 1 Z 3 VBG, wonach das Dienstverhältnis eines Vertragsbediensteten durch Übernahme in ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis zum Bund endet. Die Bedenken des Berufungsgerichtes, daß die Beklagte eine andere Dienstgeberin sei und daß die sinngemäße Anwendung dieser Bestimmung auf Dienstverhältnisse zu den in § 1 Abs 2 VBG genannten Anstalten "offenbar nicht beabsichtigt sei", können nicht geteilt werden.

Eine dem nunmehrigen § 1 Abs 2 VBG im wesentlichenentsprechende Ausdehnung des Geltungsbereiches enthielt das VBG schon in seiner Stammfassung, welche aber den Fall der Beendigung des privatrechtlichen Dienstverhältnisses durch Übernahme in ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis noch nicht ausdrücklich erwähnt. Allerdings gebührte gemäß § 35 Abs 1 lit e VBG 1948 (in der Stammfassung) dem Dienstnehmer keine Abfertigung, wenn er aus dem Vertragsbedienstetenverhältnis unmittelbar in ein anderes Vertragsverhältnis zum Bund, zu einer vom Bund verwalteten Stiftung, einem Fonds oder einer Anstalt oder in ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis übernommen wurde. Es war die erklärte Absicht des Gesetzgebers, daß das VBG sinngemäß auch für die Vertragsbediensteten der vom Bund verwalteten Stiftungen, Fonds und Anstalten gelten sollte (vgl 544 Blg NR 5.GP 15).

Die nunmehrige Fassung des § 1 Abs 2 VBG beruht auf der dritten Vertragsbedienstetengesetz-Novelle BGBl 1961/165, durch die auch im § 30 Abs 1 lit c (nunmehr § 30 Abs 1 Z 3 VBG) der Beendigungsgrund des Dienstverhältnisses eines Vertragsbediensteten durch Übernahme in ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis zum Bund eingefügt wurde. Den erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage ist dazu zu entnehmen, daß die Änderung des Anwendungsbereiches des VBG 1948 im wesentlichen formaler Natur sei, weil mit den Bediensteten, deren Dienstverhältnisse neu in den Anwendungsbereich fallen, schon bisher Dienstverträge unter sinngemäßer Anwendung des VBG 1948 abgeschlossen worden seien (vgl 429 Blg NR 9.GP 15). Mit dieser Novelle wurde auch § 35 Abs 1 lit e VBG dahin abgeändert, daß kein Anspruch auf Abfertigung besteht, wenn das Dienstverhältnis gemäß § 30 Abs 1 lit c oder d VBG endet (vgl auch 429 BlgNR 9.GP 17). Daraus folgt, daß dem Gesetzgeber die Problematik des (1961 neuerlich) erweiterten Anwendungsbereiches des VBG 1948 auch auf Dienstverhältnisse im Sinne des § 1 Abs 2 VBG von Anfang an bewußt war und er dennoch ohne weitere Differenzierung die Geltung des VBG 1948 auch für den in § 1 Abs 2 VBG genannten Personenkreis anordnete. Darauf, daß es sich bei der Beklagten und der Republik Österreich um rechtlich verschiedene Dienstgeber handelt, kann es daher nicht ankommen.

Daraus folgt, daß das Dienstverhältnis des Klägers zur Beklagten, einer Anstalt im Sinne des § 1 Abs 2 VBG, gemäß § 30 Abs 1 Z 3 VBG ex lege mit seiner Übernahme in das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis zum Bund endete. Die Fortsetzung des Dienstverhältnisses hätte eine auf den Weiterbestand gerichtete, ausdrückliche oder schlüssige Vereinbarung erfordert, die nach den Feststellungen nicht vorliegt. Dem Kläger war es zwar "aus Gefälligkeit" gestattet worden, seinen Schreibtisch im Institut der Beklagten bis zu dessen Schließung weiter zu benützen, doch ist darin zufolge der ausdrücklichen ablehnenden Haltung der Beklagten zum Weiterbestand des Dienstverhältnisses keine schlüssige Fortsetzung zu erblicken. Dem Kläger stehen daher schon deshalb weder weitere Entgeltansprüche noch eine Abfertigung (§ 35 Abs 2 Z 8 VBG) zu, ohne daß es eines Eingehens auf die Erwägungen des Revisionswerbers über die Anwendbarkeit des § 1155 ABGB bedarf.

Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 ZPO begründet.

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