OGH 4Ob38/93(4Ob39/93)

OGH4Ob38/93(4Ob39/93)18.5.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei Vereinigung *****, vertreten durch Dr.Herwig Liebscher, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei und Gegnerin der gefährdeten Partei K***** Aktiengesellschaft, ***** vertreten durch Schönherr, Barfuß, Torggler und Partner, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 400.000) infolge Revisionsrekurses der Klägerin gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 9.Februar 1993, GZ 2 R 13, 14/93-13, womit die Beschlüsse des Landesgerichtes Feldkirch vom 14.Dezember 1992, GZ 3 Cg 511/91y-4 und vom 22.Dezember 1992, GZ 3 Cg 511/92y-6, bestätigt wurden, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit S 15.658,20 bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung (darin S 2.609,70 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Klägerin ist ein Verein zur Förderung wirtschaftlicher Interessen von Unternehmern, dem auch führende Skiproduzenten als Mitglieder angehören. Die Beklagte erzeugt Skier. Sie wirbt für die Schimodelle 1992/93 mit einer "Ski-Recycling-Garantie":

"Ski Kästle Recycling

So gut, daß wir ihn wieder haben wollen.

Kästle. Der erste Ski mit Recycling-Garantie.

Aus Verantwortung für Umwelt und Natur hat Kästle bei der Skientwicklung schon einen Schritt weiter gedacht. Und erstmalig eine Skikollektion auf den Markt gebracht, dessen Materialien wiederverwertet werden können. Als Teil eines umfassenden Öko-Systems, das auch den Konsumenten aktiv in den Umweltschutz einbindet. Jedes Modell ab der neuen Kollektion 92/93 ist mit der Kästle Recycling Garantie ausgestattet: Einem Garantieschein mit Seriennummer, den Sie beim Kauf Ihres Kästle Skis erhalten. Damit können Sie Ihren Ski in ein zentrales Sammeldepot zurücksenden, wo alle Rohstoffe in einem speziellen Recyclingverfahren getrennt und wieder aufbereitet werden. Dadurch können wir mit Ihrer Unterstützung einen wertvollen Beitrag zur schonenden Nutzung unserer Ressourcen leisten.

Kästle Ski - zum Wegwerfen einfach zu schade.

Die Qualität eines Kästle Skis stellt auch höchste Ansprüche an die verarbeiteten Rohstoffe. Leichtigkeit und Drehfreudigkeit bei notwendiger Stabilität können nur durch hochwertige Materialien wie Holz, Kunststoff, Aluminium und Stahl erzielt werden. Die Wiederverwendung dieser wertvollen Rohstoffe ist eine wichtige Zielsetzung des Kästle Öko-Systems. Dazu werden die Materialien der Skier zuerst in einer Shredder-Anlage getrennt und die Metallteile aussortiert. Stahl und Aluminium werden gesammelt und wieder dem Herstellungsprozeß zugeführt.

Das enthaltene Holz dient einer umweltfreundlichen Wärmegewinnung. So können heute 70 % des Skis direkt dem Recycling zugeführt werden. Und für die Gewinnung von Industriegasen aus Kunststoffen entwickelt Kästle gerade erfolgversprechende Verfahren in Zusammenarbeit mit anderen Firmen."

An diesen Text schließt eine graphische Darstellung an, der die Bestandteile der Skier (10 % Stahlkanten, 35 % Aluminium, 25 % Holzkern, 30 % Kunststoff) und ihre jeweilige Bestimmung beim Recycling zu entnehmen sind: Recyling, Materialweiterverwendung; Weiterverwendung, Wärmegewinnung; Zwischendeponie, Forschungsobjekt Recycling, Industriegasgewinnung.

Der Text setzt fort wie folgt:

"Wir tun, was wir können. Das Öko-System von Kästle.

Die Natur ist einer der wesentlichsten Faktoren für Gesundheit und Erholung des Menschen. Schon aus diesem Grund liegt uns eine intakte Umwelt sehr am Herzen. Das umfassende Öko-System ist der Beitrag von Kästle, in allen Verantwortungsbereichen das möglichste für den Umweltschutz zu tun.

Stichwort 'Alt-Ski':

Nach dem Shreddern werden die Wertstoffe aussortiert: Stahl wird gereinigt, geschmolzen und wieder eingesetzt, Aluminium beim Lieferanten wieder aufbereitet, Holz zur Wärmegewinnung eingesetzt. Der noch nicht verwertbare Rest wird zwischengelagert und später zur Industriegas-Gewinnung verwendet.

Auf jeden kommt es an.

Zur erfolgreichen Durchführung des Kästle Ski Recycling sind wir auch auf Ihre Mitarbeit angewiesen. Denn nicht jeder Ski kann wieder aufbereitet werden. Nur wenn Sie uns einen Kästle Ski mit der Recycling-Garantie zurücksenden, ist eine einwandfreie Entsorgung sichergestellt. Was Sie dabei noch beachten sollten, steht auf Ihrem Garantieschein. Für Ihre Unterstützung dieses wegweisenden Projektes dankt Ihnen Kästle.

...".

Die "Recycling-Garantie" lautet wie folgt:

Ski Kästle Recycling

So gut, daß wir ihn wieder haben wollen.

Damit eine einwandfreie Entsorgung sichergestellt werden kann, bitten wir Sie, folgende Punkte zu beachten:

Bitte senden Sie uns nur Kästle Ski, deren Seriennummer mit jener auf dem Kleber übereinstimmt. Alle anderen Skier entsprechen nicht den Recyclinganforderungen.

Kästle trägt alle Recyclingkosten. Wir bitten um Verständnis, daß keine Portospesen übernommen werden können.

Die Rücksendung sollte nur im Inland erfolgen.

Umweltschutz garantiert

Mit Ihrem Kästle haben Sie sich nicht nur für einen erstklassigen Ski sondern auch für ein unweltfreundliches Produkt entschieden. Wir sind überzeugt, daß Sie seine Qualitäten beim Skifahren genießen werden. Und wenn Sie den Ski nicht mehr brauchen sollten, senden Sie ihn einfach wie beschrieben an unser Sammeldepot zurück. Dann führen wir die wertvollen Rohstoffe einer neuen Verwendung zu. So können wir mit Ihrer Unterstützung einen wertvollen Beitrag zum Umweltschutz leisten.

...".

Mit "Information und Handling der Ski-Recycling-Garantie" befaßt sich die Beklagte in einem Rundschreiben vom 17.9.1992 an Sportartikelhändler:

"Sehr geehrter Kästle-Kunde,

beiliegend finden Sie je ein Exemplar der Kästle-Ski-Recycling-Garantiekarte (Ausgabe nur an Skikäufer) sowie der Kästle-Ski-Recycling-Informationsbroschüre.

Wie Sie sicherlich wissen, startet Kästle in Österreich und Deutschland ein wegweisendes Projekt, das auch intensiv beworben wird:

Die Rücknahme und das Recycling aller Ski ab der Kollektion 1992/93. Die diesbezüglichen Informationen finden Sie in der Broschüre.

Händigen Sie dem Käufer die Garantie aus, am besten zusammen mit der Infobroschüre Ski-Recycling. Sicher. Damit ist ein klein wenig Arbeit verbunden. Bedenken Sie aber, welchen Nutzen unsere Recycling-Anstrengungen für Sie, Ihre Kunden und unsere Umwelt bringen:

Reduktion der Müllberge

Wiederverwertung von wertvollen Rohstoffen

zusätzliches, wesentliches Verkaufsargument und Zusatznutzen.

...".

Die Beklagte hat die Skier der Modelle 1992/93 bereits nach einem neuen, von ihr entwickelten Verfahren hergestellt, das eine Entsorgung der Skier nach dem in den Aussendungen beschriebenen Verfahren erlaubt. Dieses Verfahren besteht im wesentlichen darin, daß die Skier mit einem Shredder zerkleinert, die Metalle (Aluminium und Stahl) zur Wiederverwertung ausgesondert und das Holz verbrannt (Energiegewinnung) wird; die Kunststoffe müssen deponiert werden. Durchgeführt wird das Verfahren von der Loacker Recycling Gesellschaft mbH, mit welcher die Beklagte entsprechende Vereinbarungen getroffen hat.

Die Klägerin begehrt zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu verbieten,

1. im geschäftlichen Verkehr bei der Werbung für Skier und bei Angeboten von Skiern, insbesondere in Bekanntmachungen, Mitteilungen, Aussendungen von Werbeprospekten, Werbekampagnen in Medien und bei Sporthändlern Behauptungen aufzustellen, die den Eindruck erwecken, durch Ankauf der von der Beklagten als "Recycling-Produkte" bezeichneten Skier werde ein Beitrag zum Umweltschutz geleistet, insbesondere durch Reduktion von Müllbergen und Wiederverwertung von Rohstoffen;

2. für ihre Skier Recycling-Garantien auszustellen, insbesondere solche, die die wahrheitswidrige Behauptung enthalten, daß bestimmte Skier der Beklagten besonders umweltfreundlich seien, insbesondere die Behauptung, daß Konsumenten damit einen wertvollen Beitrag zum Umweltschutz leisteten, daß Umweltschutz garantiert sei; daß die Beklagte aus Verantwortung für Umwelt und Natur bei der Entwicklung schon einen Schritt weiter gedacht habe, daß die auf den Markt gebrachten Skier der Beklagten Teil eines umfassenden Öko-Systems seien, das auch den Konsumenten aktiv in den Umweltschutz einbinde; daß der Konsument durch den Ankauf der Skier der Beklagten einen wertvollen Beitrag zur schonenden Nutzung unserer Ressourcen leisten könne; daß 70 % des Skis direkt dem Recycling zugeführt würden; daß das Öko-System der Beklagten deren Beitrag sei, in allen Verantwortungsbereichen das möglichste für den Umweltschutz zu tun; daß nur bei Rücksendung eines Produktes der Beklagten mit Recycling-Garantie eine einwandfreie Entsorgung sichergestellt sei. Die Beklagte sei weiters verpflichtet, durch Rundschreiben an alle im Geschäftsverkehr mit der Beklagten stehenden Händler diesen mitzuteilen, daß diese alle bisher ausgegebenen Werbemittel zum Thema Ski-Recycling im Geschäftsverkehr nicht mehr verwenden dürfen.

Die Angaben der Beklagten in der Recycling-Garantie und in den Informationsschreiben seien unrichtig. Im Auftrag führender Skiproduzenten sei ein Gutachten über die Entsorgung von Altskiern erstellt worden, nach welchem vor allem aus wirtschaftlichen Erwägungen stoffliche Verwertungsverfahren derzeit nicht in Frage kämen. Die Studie komme grundsätzlich zu dem Schluß, daß eine Trennung der einzelnen Bestandteile, die einer thermischen Behandlung bedürfe, nur mit einem beträchtlichen Aufwand an Energie und Chemikalien möglich wäre, welcher den Wert der wiedergewonnenen Bestandteile, insbesondere Kunststoffe, bei weitem übersteigen würde. Vor allem der erhöhte Energieaufwand mache einen allfälligen umweltfreundlichen Effekt der von der Beklagten beschriebenen Wiederverwertung zunichte.

Der "Recycling-Ski" der Beklagten sei somit keineswegs umweltfreundlicher als die Produkte der Mitbewerber. Die Behauptungen der Beklagten seien auch grob irreführend: Mit Umwelthinweisen dürfe nur geworben werden, wenn sie eindeutig belegt seien und eine Irreführung der umworbenen Verbraucher ausgeschlossen sei. Soweit der Hinweis auf die Umweltfreundlichkeit eines Erzeugnisses mißverstanden werden könne, sei der Werbende zu näheren Aufklärungen verpflichtet. Die Beklagte werde daher ihre Behauptung, ihr Ski sei extrem umweltfreundlich, selbst zu beweisen haben.

Die Beklagte beantragt, den Sicherungsantrag abzuweisen. Der von der Klägerin zitierte "LKT"-Bericht befasse sich weder mit dem Verfahren der Beklagten noch mit deren "Recycling-Ski". In entscheidenden Passagen sei der Bericht weder erläutert noch begründet; die hier immer wieder relevierte Kostenfrage habe mit der technischen Machbarkeit nichts zu tun.

Das "Kästle-Ski-Recycling" sei ein stoffliches Verwertungsverfahren auf der Grundlage einer mechanischen Trennung der Bestandteile; es erweise sich auf Grund der durchgeführten Versuche und der angestellten Berechnungen als technisch und wirtschaftlich machbar. Die Beklagte habe beginnend mit Herbst 1990 entsorgungsgerechte Skier konstruiert.

Die im Auftrag der Beklagten tätige L***** Gesellschaft mbH behandle die Bestandteile der Altskier weder thermisch, noch bedürfe es eines Aufwandes an Energie und Chemikalien, um die einzelnen Hauptbestandteile zu trennen.

Auch der deutsche Skierzeuger V***** habe im November 1992 ein Ski-Recycling-Projekt angekündigt, das dem der Beklagten durchaus vergleichbar sei. Auch dieses System sehe die Trennung der Materialien ohne den Einsatz umweltbelastender chemischer oder thermischer Verfahren vor.

Durch das Angebot eines Ski-Recyclings leiste die Beklagte einen Beitrag zum Umweltschutz, insbesondere durch die Reduktion von Müllbergen und die Wiederverwertung von Rohstoffen. Angesichts der von der Beklagten verarbeiteten Materialmengen mache es einen beträchtlichen Unterschied, ob Altskier weggeworfen oder einer Wieder- und Weiterverwertung zugeführt würden. Die Aussendungen der Beklagten enthielten keine zur Irreführung geeigneten Angaben. Der Begriff des "Ski-Recyclings" werde auf allgemein verständliche Weise, vollständig und richtig erläutert. Jeder mündige Konsument könne erkennen, worin das "Kästle-Ski-Recycling" bestehe, inwiefern Kästle-Skimodelle ab der Kollektion 92/93 als umweltfreundlich anzusehen seien und inwiefern ein wervoller Beitrag zum Umweltschutz geleistet werde.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Die Beklagte habe bescheinigt, daß die von ihr beschriebene Wiederverwertungsmethode technisch möglich sei und auch tatsächlich durchgeführt werde. Ihre Aussendungen und Werbemitteilungen seien daher weder wahrheitswidrig noch in Täuschungsabsicht verfaßt.

Das Rekursgericht bestätigte den Beschluß des Erstgerichtes und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und der Revisionsrekurs zulässig sei.

Die Frage des Energieaufwandes beim Recyclingverfahren der Beklagten sei jedenfalls in quantitativer Hinsicht offengeblieben und mit den Mitteln des Provisorialverfahrens auch nicht hinreichend genau zu klären. Das sei jedoch unerheblich: Die Werbung der Beklagten nehme auf den mit der Wiederverwertung verbundenen Energieverbrauch nicht direkt Bezug. Soweit die Schonung der "Ressourcen" hervorgehoben werde, könnte allerdings ein übermäßiger, mit der Wiederverwertung verbundener, zum Wert der wiedergewonnenen Rohstoffe in keinem Verhältnis stehender Energieeinsatz einer jener Umstände sein, über die der Werbende aufklären müsse. Dabei dürfe es aber nicht außer acht gelassen werden, daß die Entwicklung und Einführung umweltfreundlicher Verfahren einerseits sozial erwünscht, andererseits mit Kosten verbunden sei, die insbesondere dann in Kauf genommen würden, wenn sich daraus über eine entsprechende Werbemöglichkeit eine Umsatzsteigerung ergeben könne. Der bei der Prüfung der Eignung einer umweltbezogenen Werbung zur Irreführung anzulegende strenge Maßstab müsse daher in elastischer Weise auf die besonderen Umstände des Einzelfalles ausgerichtet werden; er dürfe nicht im Sinne einer vollständigen strengen Umkehr der Beweislast zu Lasten des Werbenden zu einem faktischen Verbot der Werbung mit Umweltschutzbegriffen führen, weil in diesem Fall das Interesse von Erzeugern an der Entwicklung umweltfreundlicher Verfahren erlöschen würde, was nicht wünschenswert wäre.

Die Frage, wie weit ein Vorgang positiv oder negativ in die Umwelt eingreift, sei im Einzelfall überaus komplex und könne in vielen Fällen nicht eindeutig beantwortet werden; das gelte insbesondere für das Recycling. Eine rein betriebswirtschftliche Betrachtungsweise sei nicht zielführend. Bei einer ökologischen Betrachtungsweise seien allerdings nicht unbedingt die faktischen Energiekosten in Anschlag zu bringen, sondern überhaupt der Verbrauch an Energie. Die entscheidende Frage, ob aus ökologischer Sicht das Deponieren von Altskiern einem Recycling vorzuziehen, ist könne somit nicht rein quantitativ beantwortet werden, sondern müsse einer - im Einzelfall schwierigen - Wertung unterzogen werden, bei der zahlreiche Parameter berücksichtigt werden müssen. Eine so weitgehende Untersuchung aller ökologischen Zusammenhänge und eine entsprechende Aufklärung der angesprochenen Verkehrskreise sei aber im vorliegenden Fall nicht erforderlich. Die Beklagte kündige nicht eine umfassende, allen Umweltfaktoren Rechnung tragende Lösung, sondern einen Beitrag zum Umweltschutz durch Müllvermeidung und Wiederverwertung von Metallen an. Das angewendete Verfahren werde in den Grundzügen beschrieben; eine Irreführung der Verbraucher dahin, daß das Recycling keinen Energieeinsatz erfordere und gerade deswegen besonders umweltfreundlich sei, sei nicht zu erwarten. Es wäre überspitzt, die Beklagte zu verpflichten, in ihrer Werbung die - derzeit nicht belegten - Bedenken in bezug auf die Verhältnismäßigkeit des Energieeinsatzes zu widerlegen; nur bei Annahme einer solchen Verpflichtung wären aber die Informationen der Beklagten als unvollständig und damit irreführend anzusehen. Die als positiv herausgestrichenen Effekte, nämlich die Deponiemüllvermeidung und die Wiederverwertung von Rohstoffen (Metallen), seien tatsächlich zu erwarten.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der Revisionsrekurs der Klägerin. Die Rechtsmittelwerberin beantragt, den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern, daß dem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung stattgegeben werde; in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt, den Revisionsrekurs als unzulässig zurückzuweisen, in eventu dem Rechtsmittel nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist entgegen der Ansicht der Beklagten zulässig, weil sich der Oberste Gerichtshof mit der Frage, wie umfassend der Verbraucher bei der Werbung mit Umweltschutzbegriffen aufzuklären ist, noch nicht befaßt hat; er ist aber nicht berechtigt.

Entgegen den Ausführungen der Rechtsmittelwerberin ist im Revisionsrekursverfahren davon auszugehen, daß das von der Beklagten beschriebene Verfahren durchführbar ist. Daß damit zwangsläufig ein beträchtlicher Mehraufwand an Energie und Chemikalien verbunden wäre, der den Wert des Recycling bei weitem übersteigt, ist dem festgestellten Sachverhalt nicht zu entnehmen; mit dem Rekursgericht ist vielmehr festzuhalten, daß im Provisorialverfahren die Frage, wie hoch der Energieaufwand beim Recyclingverfahren der Beklagten ist, offen geblieben ist. Diese Frage ist aber, wie das Rekursgericht zutreffend ausführt, unerheblich:

Die Frage, ob eine Werbung mit Umweltschutzbegriffen zur Irreführung geeignet ist, ist ähnlich wie die Gesundheitswerbung nach strengen Maßstäben zu beurteilen (Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht17, § 1 dUWG Rz 179 ff). Mit der allgemeinen Anerkennung der Umwelt als schutzbedürftiges, weil unersetzliches Gut, hat sich in den letzten Jahren zunehmend ein verstärktes Umweltbewußtsein entwickelt; das hat dazu geführt, daß zumindest maßgebliche Teile der jeweils betroffenen Verbraucherkreise aus Sorge um die eigene Gesundheit, aus Verantwortungsgefühl für spätere Generationen oder aus ähnlichen Motiven als umweltverträglich angepriesene Erzeugnisse bevorzugen und dabei auch bereit sind, höhere Preise zu zahlen oder auf Eigenschaften zu verzichten, die Erzeugnisse dieser Art üblicherweise haben. Dieses geänderte Verbraucherverhalten macht sich die Werbung in zunehmendem Maße zunutze, weil sie erkannt hat, daß Werbemaßnahmen, die an den Umweltschutz anknüpfen, besonders geeignet sind, emotionale Bereiche im Menschen anzusprechen, und dadurch eine starke Anziehungskraft haben (vgl BGH WRP 1988, 160; Rohnke, Werbung mit Umweltschutz, GRUR 1988, 667 ff). Aussagen über die Natürlichkeit oder Umweltverträglichkeit eines Erzeugnisses sind damit in hohem Maß geeignet, den Kaufentschluß des Verbrauchers zu beeinflussen. So erwünscht aber solche Angaben sein können, wenn sie der Wahrheit entsprechen, so gefährlich ist es, wenn solche die Gefühlssphäre ansprechenden Hinweise oder Begriffe geeignet sind, den Verbraucher irrezuführen. Mit Umwelthinweisen darf daher nur geworben werden, wenn sie eindeutig belegt sind und eine Irreführung für die umworbenen Verbraucher ausgeschlossen ist. Soweit der Hinweis auf die Umweltfreundlichkeit eines Erzeugnisses mißverstanden werden kann, ist der Werbende zu näheren Aufklärungen verpflichtet (ÖBl 1991, 77; SZ 63/169 mwN).

Die Rechtsmittelwerberin vermißt eine solche - ihrer Auffassung nach notwendige - Aufklärung. Die angesprochenen Verkehrskreise nähmen an, daß "den angepriesenen Vorteilen keine Nachteile gegenüberstünden" und das Recyclingverfahren der Beklagten "eine umfassende, allen Umweltfaktoren Rechnung tragende Lösung" sei. Die Rechtsmittelwerberin will eine solche Annahme daraus ableiten, daß mit Hinweisen auf ein "Kästle-Öko-System" sowie Behauptungen wie "Umweltschutz garantiert" geworben wird. Dem ist aber folgendes entgegenzuhalten:

Die Beklagte wirbt wahrheitsgemäß damit, daß sie Altskier in einem von ihr entwickelten Recyclingverfahren entsorge. Ihren Werbemitteilungen ist zu entnehmen, wie das Verfahren abläuft, welche Stoffe dabei anfallen und was mit ihnen geschieht. Die Beklagte stellt das Verfahren als Teil ihres "Öko-Systems" dar, wie sie die Gesamtheit der von ihr getroffenen umweltschonenden Maßnahmen nennt; für den Durchschnittsbetrachter entsteht dadurch der Eindruck, daß sich die Beklagte erfolgreich bemüht, Umweltschutzgedanken zu verwirklichen.

Als allgemein bekannt kann vorausgesetzt werden, daß für Recycling-Verfahren Energie aufgewendet werden muß. Trotzdem vielleicht noch vorhandene Unklarheiten beseitigt die Schilderung des Verfahrensablaufes: Ein Zerkleinern der Skier und ein Herauslösen der Metallteile ist ohne Energieeinsatz unmöglich. Die Aussagen der Beklagten über ihr Recycling-Verfahren können daher nicht dahin verstanden werden, daß sie durch die Entsorgung der Altskier die Umweltbilanz nur entlaste und nicht - durch den notwendigen Energieverbrauch - auch belaste.

Das Rekursgericht hat auch zutreffend dargelegt, daß auf das Recycling-Verfahren beschränkte Kosten/Nutzen-Rechnungen der Komplexität der Entsorgung gebrauchter Konsumgüter nicht gerecht werden. Dem (Energie)Aufwand für das Verfahren steht als Nutzen nicht nur der Wert des wiedergewonnenen Materials, sondern auch der einer geringeren Menge an zu deponierendem Müll in Form ersparter Deponiegebühren und der nicht allein in Geld bewertbare Nutzen gegenüber, daß mit Ressourcen sparsam umgegangen wird, daß sie genützt und nicht weggeworfen werden. Die Höhe des Energieaufwandes allein ist daher für den ökologischen Wert eines Recycling-Verfahrens nicht bestimmend. Selbst wenn die (Energie)Kosten den Erlös übersteigen, der bei der Verwertung des wiedergewonnenen Materials erzielt wird, muß daraus noch nicht folgen, daß das Recycling-Verfahren die Umwelt stärker belaste als entlaste.

Eine wahrheitsgemäße Werbung mit den positiven Auswirkungen, die ein Recycling-Verfahren und das dafür geeignete Erzeugnis auf die Umwelt haben, ist daher auch dann nicht irreführend, wenn die Höhe des Energieaufwandes nicht angegeben und keine "Energiebilanz" erstellt wird. Daß überhaupt Energie eingesetzt werden muß, ist, soweit nicht ohnedies bekannt, im vorliegenden Fall aus der Darstellung des Verfahrensablaufes zu erkennen; die Höhe dieses Energieaufwandes ist aber, wie bereits erwähnt, für den ökologischen Wert des Verfahrens nicht allein bestimmend. Eine Verpflichtung zur Offenlegung aller nur denkbaren Auswirkungen auf die Umwelt, die ein als umweltschonend angepriesenes Verfahren hat, würde, wie das Rekursgericht zutreffend ausführt, die Werbung mit solchen Verfahren unmöglich machen und die Attraktivität ihrer Entwicklung und Anwendung somit deutlich vermindern.

Daß das Recycling-Verfahren der Beklagten bei Berücksichtigung aller relevanten Faktoren kein Beitrag zum Umweltschutz wäre, hätte die Klägerin bescheinigen müssen; sie hat dies aber nicht getan. Vielmehr steht fest, daß das Verfahren durchführbar ist und durchgeführt wird und daß damit aus Altskiern wiederverwertbares Material gewonnen werden kann. Nichts anderes wird in den Werbemitteilungen behauptet; daß das Verfahren der Umwelt nur nütze und nicht auch Energie verbrauche, daß es "eine umfassende, allen Umweltfaktoren Rechnung tragende Lösung" sei, können die angesprochenen Verkehrskreise weder den Werbeaussagen entnehmen noch sonst annehmen. Die Vorinstanzen haben daher die Irreführungseignung der beanstandeten Werbung zu Recht verneint.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 402, 78 EO, §§ 41, 50, 52 ZPO.

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