OGH 14Os64/93

OGH14Os64/9318.5.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 18.Mai 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Walenta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Lachner, Hon.Prof.Dr.Brustbauer, Dr.Massauer und Mag.Strieder als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Kobler als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Josef G***** wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 9. März 1993, GZ 20 g Vr 8.252/91-79, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr.Weiss, des Angeklagten und des Verteidigers Dr.Keller zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschwornen beruhenden Urteil wurde der am 12.März 1964 geborene Arbeiter Josef G***** des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB schuldig erkannt. Inhaltlich des Schuldspruchs hat er am 6.August 1991 in Wien Sonja T***** durch Stiche mit einem 28,5 cm langen Küchenmesser in den Hals und zweimal in die Vorderseite des Rumpfes (zwischen die Brüste) vorsätzlich getötet.

Die Geschwornen hatten jeweils stimmeneinhellig die anklagekonform gestellte Hauptfrage nach Mord bejaht und die nach dem Vorliegen des Schuldausschließungsgrundes der Zurechnungsunfähigkeit nach § 11 StGB gestellte Zusatzfrage verneint. Folgerichtig blieb die in Richtung des § 287 Abs. 1 (§ 75) StGB gestellte Eventualfrage unbeantwortet.

Rechtliche Beurteilung

Den Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 6 des § 345 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Dieser Nichtigkeitsgrund liegt nach Meinung des Angeklagten deshalb vor, weil der Schwurgerichtshof keine Eventualfragen in Richtung der Verbrechen des Totschlages nach § 76 StGB und der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang nach § 86 (richtig: §§ 83 Abs. 1 und 86) StGB gestellt habe, obgleich hinsichtlich der Tathandlung des Angeklagten weder das Motiv noch der Vorsatz annähernd aufgeklärt werden konnten. Durch das Unterbleiben derartiger Eventualfragen habe der Schwurgerichtshof in unzulässiger Weise die Entscheidungsfreiheit der Geschwornen eingeschränkt.

Der Beschwerdeführer übersieht jedoch, daß gemäß § 314 Abs. 1 StPO an die Geschwornen nur dann eine entsprechende Schuldfrage (Eventualfrage) zu stellen ist, wenn in der Hauptverhandlung Tatsachen vorgebracht worden sind, nach denen - wenn sie als erwiesen angenommen werden - die dem Angeklagten zur Last gelegte Tat unter ein anderes Strafgesetz fiele, das nicht strenger ist als das in der Anklageschrift angeführte. Nicht eine abstrakt denkbare Möglichkeit, sondern immer nur ein tatsächliches Substrat kann die Grundlage einer Eventualfrage sein, weil die Fragestellung an die Geschwornen nur dazu dient, den Tatbestand, der sich aus der Anklage und aus dem Verfahren ergibt, zu präzisieren, nicht aber dazu, über allfällige Mutmaßungen einen Wahrspruch einzuholen, der seinem Wesen nach einer Tatsachenfeststellung gleichkäme, für die eine entsprechende Feststellungsgrundlage fehlt (SSt. 44/29 ua).

Im vorliegenden Fall hat der Angeklagte in der Hauptverhandlung vorerst jegliche Erinnerung an die Tat geleugnet (AS 154 ff Band II), letztlich aber, wie bereits im Vorverfahren (vgl. AS 111 ff, 135 ff, 211 ff und 341, je in Band I), die Tötung der Frau wieder zugegeben, zugleich aber erklärt, weiterhin keinen Grund für die Tatbegehung angeben zu können (AS 203 Band II).

Der Angeklagte hat sich selbst nie damit verantwortet, zur Tat in einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung hingerissen worden zu sein (§ 76 StGB) oder die Messerstiche bloß mit Verletzungsvorsatz gegen Sonja T***** geführt zu haben (§§ 83 Abs. 1 und 86 StGB).

Auch im Beweisverfahren sind keine Umstände hervorgekommen, die das Vorliegen der vom Angeklagten erst im Rechtsmittel behaupteten anderen Varianten der subjektiven Tatseite in den näheren Bereich der Möglichkeit rücken würden.

G***** hat seinen Angaben zufolge Sonja T***** vor der Tat nicht gekannt und war zuvor auch noch nie in ihrer als Bordell benützten Wohnung (AS 135 Band I). Zudem hat er sich nach den Angaben der vom Angeklagten zuvor nicht wahrgenommenen, aber in einem Nebenraum in Hörweite aufhältigen Prostituierten Karin D***** (früher: F*****), nach Betreten dieser Wohnung in den wenigen Minuten bis zur Tat völlig ruhig verhalten (AS 171 ff Band II).

Die eigenen Angaben des Angeklagten, aber auch der aufgrund der sichergestellten Tatwaffe, des gerichtsmedizinischen Sachverständigengutachtens und der Zeugenaussage der Karin D***** rekonstruierbare Tathergang, wonach der Angeklagte überraschend mit einem spitz zulaufenden Küchenmesser mit einer Klingenlänge von 15 cm mehrfach wuchtige Stiche gegen lebenswichtige Organe des Opfers führte, bieten somit keine relevanten Anhaltspunkte dafür, daß der Angeklagte in einer dem § 76 StGB entsprechenden Gemütsbewegung oder - was in der Nichtigkeitsbeschwerde ebenfalls als möglich bezeichnet wird - mit der Absicht auf Zufügung bloß schwerer Verletzungen (§ 87 StGB) oder gar nur mit Verletzungsvorsatz gehandelt hat.

Die Verpflichtung des Schwurgerichtshofes zur Stellung einer Eventualfrage nach dem § 76 StGB leitet der Angeklagte allein aus dem Umstand ab, daß "die subjektive Tatseite völlig unklar geblieben ist". Daß im Beweisverfahren konkrete Hinweise auf das Vorliegen einer (abstrakt möglichen) heftigen Gemütsbewegung des Angeklagten zur Tatzeit ebenso wie auf einen hiefür allgemein verständlichen Anlaß hervorgekommen wären, wird in der Nichtigkeitsbeschwerde nicht behauptet.

Mangels eines konkreten Tatsachenvorbringens in Richtung der §§ 76 und 83 Abs. 1, 86 StGB konnte und mußte der Schwurgerichtshof somit ohne Verletzung der Vorschriften über die Fragestellung nach den §§ 312 bis 317 StPO von der vom Angeklagten begehrten Aufnahme entsprechender Eventualfragen in das Fragenschema Abstand nehmen (AS 205 Band II).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Geschwornengericht verhängte über Josef G***** nach § 75 StGB eine Freiheitsstrafe von achtzehn Jahren. Es wertete dabei als erschwerend die einschlägigen Vorstrafen des Angeklagten wegen Körperverletzung, als mildernd hingegen, daß er sich selbst gestellt hat und im Tatzeitpunkt durch Alkoholeinfluß enthemmt war.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte eine (unter Anwendung des § 41 StGB erhebliche) Strafreduktion an. Er ist auch damit nicht im Recht.

Entgegen den Beschwerdeausführungen ist ein strafrechtlich (als Milderungsgrund nach § 34 Z 1 StGB) relevanter abnormer Geisteszustand oder eine ins Gewicht fallende Verstandesschwäche aus dem Sachverständigengutachten Prim.Dr.Gross nicht abzuleiten (AS 113 Band II). Da sich zur Stellung einer Eventualfrage nach Totschlag im Verfahren kein Anhaltspunkt ergab, ist für den von der Berufung reklamierten Milderungsgrund nach § 34 Z 8 StGB gleichfalls kein Raum (vgl. Leukauf-Steininger Komm.3 § 34 Z 8). Mag auch die wiederholte Äußerung des Angeklagten im Verfahren, "es täte ihm leid", Reue erkennen lassen; ein Eingeständnis der subjektiven Merkmale des strafbaren Verhaltens lag bei ihm nie vor. Seine nicht zur Zurechnungsunfähigkeit führende Berauschung zur Tatzeit ist G***** ohnehin als mildernd angerechnet worden, obwohl sie sich - entgegen den Berufungsausführungen - als vorwerfbar darstellt (§ 35 StGB). Denn in allen auch im Rechtsmittel zitierten einschlägigen Vorstrafakten waren Aggressionsdelikte des Angeklagten Ausfluß seines Alkoholkonsums (s. S 9 f in 7 E Vr 375/85, S 37 in 7 E Vr 21/86 und S 19 und 30 in 7 E Vr 253/88 jeweils des Landesgerichtes Eisenstadt).

Die Art und Schwere der vom Angeklagten zu verantwortenden mörderischen Messerattacke gegen eine darauf unvorbereitete, völlig wehrlose Frau lassen keine Reduktion der vom Geschwornengericht verhängten (keineswegs höchsten) zeitlichen Freiheitsstrafe, geschweige denn - im Wege des § 41 StGB - eine außerordentliche Strafmilderung (sogar) unter die Grenze des gesetzlichen Strafrahmens zu.

Auch der Berufung war daher der Erfolg zu versagen.

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