OGH 6Ob541/93

OGH6Ob541/9313.5.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Redl, Dr.Kellner und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj.Kindes Nino G*****, in Obsorge der Mutter Claudia K*****, im Verfahren über den Antrag des Vaters Andreas K*****, auf Herabsetzung des gesetzlichen geschuldeten Unterhaltes vertreten durch den Magistrat ***** als Unterhaltssachwalter, infolge Revisionsrekurses des Kindes, vertreten durch die Mutter, diese vertreten durch Dr.Gunther Gahleitner, Rechtsanwalt in Wien, gegen den rekursgerichtlichen Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 13. Januar 1993, AZ 47 R 911/92(ON 20), mit dem der Rekurs des Kindes gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom 5.November 1992, GZ 4 P 2/92-11, zurückgewiesen wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird stattgegeben, der angefochtene Zurückweisungsbeschluß aufgehoben und dem Gericht erster Instanz aufgetragen, in Ansehung des gegen den Beschluß vom 5.November 1992, ON 11, eingebrachten Rekurses (ON 12) ein Verbesserungsverfahren zur Behebung des Vertretungsmangels einzuleiten.

Text

Begründung

Das pflegebefohlene Kind wurde am 10.November 1990 von einer Diplomkrankenschwester außer der Ehe geboren. Ein EDV-Projektleiter anerkannte am 18.Dezember 1990 vor dem Jugendwohlfahrtsträger seine Vaterschaft und verpflichtete sich zu monatlichen Unterhaltszahlungen.

Gerichtshängig wurde die Pflegschaft durch einen Unterhaltserhöhungsantrag des Kindes, in dessen Namen der Jugendwohlfahrtsträger als Unterhaltssachwalter eingeschritten war und über den das Pflegschaftsgericht mit Beschluß vom 4.Februar 1992 entschieden hatte.

Am 13.Oktober 1992 gab der unterhaltspflichtige Vater einen Unterhaltsherabsetzungsantrag zu gerichtlichem Protokoll. Der Unterhaltssachwalter widersprach dem Unterhaltsherabsetzungsbegehren. Das Pflegschaftsgericht gab dem Unterhaltsherabsetzungsbegehren des Vaters antragsgemäß statt. Eine Ausfertigung dieses Beschlusses wurde dem Unterhaltssachwalter am 10.November 1992 zugestellt. Der Unterhaltssachwalter folgte der obsorgeberechtigten Mutter am 12. November 1992 eine Kopie des Gerichtsbeschlusses mit dem Hinweis aus, daß sich der Jugendwohlfahrtsträger von der Sachwalterschaft entheben lassen könne, wenn die Mutter das pflegebefohlene Kind durch einen Rechtsanwalt vertreten ließe.

Am 13.November 1992 brachte ein Rechtsanwalt als Vertreter der Mutter einen Rekurs gegen den Unterhaltsherabsetzungsbeschluß an das Pflegschaftsgericht zur Postaufgabe.

Das Pflegschaftsgericht übermittelte die Pflegschaftsakten dem Unterhaltssachwalter zur Einsicht in den Rekurs und allfälligen Stellungnahme.

Der Unterhaltssachwalter stellte hierauf einen Antrag auf Enthebung von der Sachwalterstelle. Dagegen sprach sich die obsorgeberechtigte Mutter aus. Über den Enthebungsantrag des Jugendwohlfahrtsträgers ist noch nicht entschieden.

Das Pflegschaftsgericht legte vielmehr die Akten mit dem anwaltlich verfaßten Rekurs dem Gericht zweiter Insstanz vor.

Das Rekursgericht wies dieses Rechtsmittel mit der Begründung zurück, daß der Mutter kraft Zuvorkommens des Unterhaltssachwalters die Vertretungsbefugnis mangle.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen rekursgerichtlichen Zurückweisungsbeschluß erhobene Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.

Der Jugendwohlfahrtsträger schritt im Verfahren über den Unterhaltsherabsetzungsantrag des Vaters als Sachwalter des Kindes im Sinne des § 212 Abs 2 ABGB ein und schaltete damit vorerst die Vertretungsbefugnis der obsorgeberechtigten Mutter im Sinne des gemäß § 212 Abs 4 ABGB sinngemäß anzuwendenden § 154 a ABGB kraft Zuvorkommens aus. Das damit begründete alleinige Vertretungsrecht gilt für das Verfahren über einen Antrag (hier Unterhaltsherabsetzungsantrag) bis zu dessen rechtskräftiger Beendigung (also insbesondere auch für ein allfälliges Rechtsmittelverfahren), weil nur dies als sinnvolle Verfahrenseinheit aufgefaßt werden kann und Unklarheiten über den Eintritt der Rechtskraft einer Entscheidung vermeidet.

Die anwaltlich vertretene Mutter war daher, wie das Rekursgericht zutreffend erkannte, solange der Jugendwohlfahrtsträger das pflegebefohlene Kind vertritt, im Verfahren über den Unterhaltsherabsetzungsantrag des Vaters von der Vertretung ausgeschlossen. Das Rekursgericht hätte aber vor einem gebotenen Versuch, den Vertretungsmangel zu beheben, das Rechtsmittel nicht zurückweisen dürfen.

Zwar hatte das Pflegschaftsgericht die Akten mit dem anwaltlich verfaßten Rekurs dem Jugendwohlfahrtsträger zur Stellungnahme übermittelt. Dessen Antrag auf Enthebung von der Sachwalterschaft stellte aber weder eine klare Äußerung dar, dem Rekurs beizutreten oder ihn nicht zu genehmigen oder aber auch sich mit der Mutter über deren alleinige Vertretung des Kindes im anhängigen Rechtsmittelverfahren gemäß § 154 a ABGB geeinigt zu haben.

Das Verfahren ist daher dadurch zu ergänzen, daß der Jugendwohlfahrtsträger zu einer eindeutigen Erklärung im aufgezeigten Sinne aufgefordert werde. Erst nach der einzuholenden Äußerung des Jugendwohlfahrtsträgers wird über die Vertretungsbefugnis der obsorgeberechtigten Mutter abschließend zu befinden sein.

In Stattgebung des Revisionsrekurses war daher der angefochtene Beschluß aufzuheben und die Einleitung des Verbesserungsverfahrens zur Behebung des Vertretungsmangels aufzutragen.

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