OGH 15Os53/93(15Os54/93)

OGH15Os53/93(15Os54/93)6.5.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 6.Mai 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Steininger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner, Dr.Kuch, Dr.Schindler und Dr.Ebner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Kirschbichler als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Peter M***** wegen des Vergehens nach § 91 Abs. 1 UrhG über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen die Urteile des Kreis-(nunmehr Landes-)gerichtes Wiener Neustadt vom 25.Jänner 1991, GZ 10 E Vr 945/89-20, und des Oberlandesgerichtes Wien vom 30.Juli 1991, AZ 25 Bs 203/91, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Raunig, der Privatanklagevertreterin Dr.Blum, des Verurteilten Peter M***** und des Verteidigers Mag.Dr.Jelinek, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Urteile des Kreisgerichtes Wiener Neustadt vom 25.Jänner 1991, GZ 10 E Vr 945/89-20, und des Oberlandesgerichtes Wien vom 30.Juli 1991, AZ 25 Bs 203/91, verletzen das Gesetz in den Bestimmungen des § 91 Abs. 1 und Abs. 3 UrhG iVm §§ 38 Abs. 1 und 74 Abs. 1 UrhG.

Diese Urteile werden aufgehoben und es wird dem Erstgericht die neuerliche Verhandlung und Entscheidung über die Privatanklage aufgetragen.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit dem im Spruch bezeichneten Urteil des Kreisgerichtes Wiener Neustadt wurde Peter M***** des Vergehens nach § 91 Abs. 1 UrhG schuldig erkannt. Darnach hat er in der Zeit vom Sommer 1989 bis zum 14. November 1989 in seinen Videotheken in Baden und Berndorf insgesamt elf im Spruch des Ersturteils näher bezeichnete Videokassetten, die ohne Zustimmung der Privatanklägerin, der für Österreich allein verbreitungsberechtigten V***** Gesellschaft mbH, nach Österreich importiert worden sind, ohne Zustimmung der Berechtigten vermietet bzw zum Vermieten bereitgestellt und damit unbefugt Bild-Ton-Träger den §§ 74, 76 Abs. 1 und Abs. 6 UrhG zuwider verbreitet.

Auf Grund von vorgelegten Fotokopien von Auszügen aus Verträgen und der Aussage des Zeugen Wolfgang K***** nahm das Erstgericht als erwiesen an, daß die V***** Gesellschaft mbH das Alleinvertriebsrecht für Österreich an den verfahrensgegenständlichen Videokassettten besitzt; implicite bejahte es damit auch deren - vom Angeklagten allerdings bestrittene - Aktivlegitimation zur Geltendmachung des Verfolgungsrechtes nach § 91 Abs. 3 UrhG.

Das Oberlandesgericht Wien gab mit Urteil vom 30.Juli 1991 der Berufung des Angeklagten wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe nicht Folge und führte zur Aktivlegitimation der Privatanklägerin ergänzend aus, daß die auf den Labels aufscheinende Firma die Herstellerin der Videokassetten sei; es bedürfe keiner ausdrücklichen Feststellung, daß die in Hamburg ansässige und für ganz Europa zuständige R***** GesmbH & Co KG die Repräsentantin der amerikanischen Firma R***** ist und daher berechtigt war, ihre Rechte der Privatanklägerin zu übertragen.

Beide Urteile stehen in Ansehung der angenommenen Aktivlegitimation der Privatanklägerin mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Zur Erhebung einer Privatanklage wegen des Vergehens nach § 91 Abs. 1 UrhG ist nach Abs. 3 leg.cit. der in seinem Recht Verletzte berechtigt. Die Verwertungsrechte an gewerbsmäßig hergestellten Filmwerken stehen dem Inhaber des Unternehmens (Filmhersteller) zu (§ 38 Abs. 1 UrhG). Filmhersteller ist, wer im Rahmen seines Unternehmens die für das Zustandekommen des Werkes erforderlichen wirtschaftlichen und organisatorischen Leistungen erbracht hat. Der Hersteller von Videokassetten, mithin der Kopien von Filmwerken, ist nicht Filmhersteller in der Bedeutung des § 38 Abs. 1 UrhG, weil er nicht originärer Produzent des Filmwerkes ist (4 Ob 106/91 = WBl 1992, 241).

Der Angeklagte hatte die Aktivlegitimation der Privatanklägerin bestritten. Das Erstgericht erachtete dieses Vorbringen als Schutzbehauptung und stellte die Alleinvertretungsberechtigung der Privatanklägerin für Österreich in bezug auf die im Spruch genannten Videokassetten fest. Das Berufungsgericht verwarf mit der vorhin genannten Begründung den bezughabenden Berufungseinwand des Angeklagten.

Beide Gerichte übersahen dabei, daß weder den vorgelegten Unterlagen noch der Aussage des Zeugen K***** zu entnehmen ist, daß der jeweilige Filmhersteller in der Bedeutung des § 38 Abs. 1 UrhG sein Verwertungsrecht an den verfahrensgegenständlichen Filmwerken an die V***** Gesellschaft mbH übertragen hat. Die genannte Gesellschaft beruft sich zwar der Sache nach auf ein eigenes ausschließliches Verbreitungsrecht für Österreich. Da es im Bereich der urheberrechtlichen Ausschließlichkeitsrechte jedoch keinen Gutglaubenserwerb vom Nichtberechtigten gibt, genügt der bloße Nachweis einer entsprechenden Rechtsübertragung auf einen bestimmten Dritten nicht; vielmehr muß im Falle der Bestreitung der Wirksamkeit eines derartigen Rechtserwerbes der Nachweis des Rechtserwerbes vom ursprünglichen Berechtigten (und sei es auch in einer Kette von Berechtigten) erbracht werden. Feststellungen dahin haben die Untergerichte, ausgehend von dem nach dem Gesagten unrichtigen rechtlichen Schluß, die Vertragspartner der Privatanklägerin seien bereits die Filmhersteller im Sinn des UrhG (vgl hiezu erneut 4 Ob 106/91 = WBl 1992, 241), nicht getroffen.

Da somit die vom Angeklagten bestrittene Rechtswirksamkeit des Erwerbes des geltend gemachten urheberrechtlichen Ausschließungsrechtes, dessen Vorliegen die Voraussetzung für den Bestand des Verfolgungsrechtes der Privatanklägerin bildet, nicht abschließend geprüft und demnach auch keine ausreichenden Feststellungen in diese Richtung getroffen worden sind, ist der wider Peter M***** ergangene Schuldspruch zu dessen Nachteil mit dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 9 lit b StPO behaftet.

Der vom Generalprokurator zu Recht erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes war daher Folge zu geben und gemäß § 292 letzter Satz StPO die Verfahrenserneuerung in erster Instanz anzuordnen.

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