OGH 11Os43/93(11Os51/93)

OGH11Os43/93(11Os51/93)4.5.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 4. Mai 1993 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Rzeszut, Dr.Hager, Dr.Schindler und Dr.Mayrhofer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Hautz als Schriftführer, in der Strafsache gegen Mirjana J***** und Andjelina M***** wegen des Verbrechens des versuchten gewerbsmäßigen Diebstahls nach den §§ 15, 127, 130 erster Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten Mirjana J***** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 27.November 1992, GZ 5 b Vr 4467/92-71, sowie über die Beschwerde der Angeklagten Mirjana J***** gegen den zugleich gefaßten Beschluß gemäß § 494 a Abs. 1 Z 4, Abs. 4 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Mirjana J***** wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, hinsichtlich dieser Angeklagten sowie gemäß § 290 Abs.1 StPO auch hinsichtlich der Angeklagten Andjelina M***** im Ausspruch, die beiden Angeklagten hätten gewerbsmäßig gehandelt, ferner in der rechtlichen Beurteilung der ihnen angelasteten Taten (auch) als Verbrechen des (versuchten) gewerbsmäßigen Diebstahles nach dem § 130 erster Fall StGB und demgemäß auch in den Strafaussprüchen (einschließlich der Beschlüsse gemäß § 494 a Abs. 1 Z 4 StPO) aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Mirjana J***** zurückgewiesen.

Mit ihrer Berufung und ihrer Beschwerde wird die Angeklagte Mirjana J***** auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Die am 16.März 1970 geborene jugoslawische Staatsangehörige Mirjana J***** und die am 20.März 1973 geborene beschäftigungslose jugoslawische Staatsangehörige Andjelina M***** wurden des Verbrechens des versuchten gewerbsmäßigen Diebstahls nach den §§ 15, 127, 130 erster Fall StGB schuldig erkannt.

Darnach haben sie in einverständlichem Zusammenwirken gewerbsmäßig fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz wegzunehmen versucht, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern, und zwar

A) am 11.April 1992 in Wien Verfügungsberechtigten der Firma G*****

vier Damenhosen im Wert von je 999 S sowie einen Damenrock im Wert von 799 S und

B) am 17.Februar 1992 in Wr.Neustadt Verfügungsberechtigten der Firma

M***** Besteck im Wert von insgesamt 1.200 S.

Rechtliche Beurteilung

Die Angeklagte Mirjana J***** bekämpft ihren Schuldspruch mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z 5 und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Soweit die Beschwerdeführerin mit der Mängelrüge (Z 5) die Urteilsfeststellung als unvollständig und mangelhaft begründet rügt, daß sie beim versuchten Diebstahl zum Nachteil der Firma M***** (Urteilsfaktum B)) Aufpasserdienste geleistet hat, geht sie fehlt. Zwar ist das Gericht bei sonstiger Nichtigkeit verpflichtet, im Urteil auszuführen, daß es die vorgekommenen entscheidenden Beweisergebnisse gewürdigt hat, und darzulegen, wie es über die seinen Feststellungen entgegenstehenden Beweistatsachen hinweggekommen ist (siehe Mayerhofer-Rieder, StPO3, § 281 Z 5, ENr 57). Es ist dabei jedoch nicht gehalten, im Urteil zum Vorbringen eines Angeklagten oder Zeugen dergestalt Stellung zu nehmen, daß es jeden einzelnen vorgebrachten Satz speziell erörtert (vgl. Mayerhofer-Rieder, aaO, ENr 7 und 8):

Entgegen dem Beschwerdevorbringen kam das Erstgericht seiner Verpflichtung zur Würdigung aller Beweismittel sowie auch zur Begründung des gerügten Ausspruches hier ausreichend nach, indem es im Urteil die Verantwortung der beiden Angeklagten erwähnt und ausführt, daß es diese Verantwortung auf Grund der Angaben des Zeugen Georg D*****, dessen Aussage es eingehend würdigt (US 7), für widerlegt erachte. Somit bedurfte es keiner besonderen Erörterung der - in der Hauptverhandlung auf die Frage des Verteidigers der Beschwerdeführerin abgegebenen - Äußerung der Angeklagten M*****, daß die Angeklagte J***** von ihrem (später angeblich wieder aufgegebenen) Diebstahlsvorhaben nichts gewußt habe (AS 250).

Es sei jedoch erwähnt, daß die Bewährungshelferin Inge P***** weder als Zeugin zur Hauptverhandlung vorgeladen (§ 150 StPO) noch als solche vernommen, sondern bloß zur Frage des Widerrufs einer der Beschwerdeführerin gewährten bedingten Entlassung aus der Freiheitsstrafe gehört wurde (§ 495 Abs. 3 StPO). Aus der unterbliebenen Erörterung ihres Vorbringens bei der Lösung der Schuldfrage kann daher eine Nichtigkeit des Urteils nicht abgeleitet werden.

Berechtigung kommt der Subsumtionsrüge (Z 10) zu, mit welcher die Beschwerdeführerin die Annahme der Qualifikation der gewerbsmäßigen Begehung der (versuchten) Diebstähle (§ 130 erster Fall StGB) bekämpft:

Gewerbsmäßig handelt, wer eine Handlung in der Absicht vornimmt, sich durch ihre wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (§ 70 StGB). Der Täter muß darauf abzielen (§ 5 Abs. 2 StGB), durch die Wiederholung von Straftaten desselben Deliktstyps ein fortlaufendes, das heißt entweder überhaupt ständiges oder aber doch für längere Zeit wirkendes, wenn auch nicht unbedingt regelmäßiges Einkommen zu erlangen (Leukauf-Steininger, StGB3, § 70, RN 3 mwN). Es genügt nicht, daß er bloß eine für einen bestimmten Anlaß wirksame Einnahme erschließen will (SSt 52/13) oder bloß gelegentlich und fallweise gleichartige Taten zwecks Gewinnung einer Einnahme zu begehen beabsichtigt (NRsp 1991/108; zum bisher Gesagten siehe auch 11 Os 48/92). Die fortlaufende Einnahme muß der Täter sich und nicht bloß einem Dritten durch die wiederkehrende Begehung verschaffen (ÖJZ-LSK 1980/44 = EvBl 1980/89). Dabei kann die auf wiederkehrende Einnahmen zielende Tendenz durch wiederholte Zueignung von Sachwerten indiziert werden, die unmittelbar der Befriedigung der Lebensbedürfnisse dienen. Ob der Täter diese Sachwerte, die wegen ihres Gebrauchswertes eine Einkommensquelle bilden, veräußern oder für sich verwenden wollte, ist für die Qualifikation der Gewerbsmäßigkeit ohne Bedeutung (ÖJZ-LSK 1977/8).

Die Feststellungen des Erstgerichtes zur Gewerbsmäßigkeit der Tatbegehung beschränken sich auf den substanzlosen Gebrauch der verba legalia, daß nämlich die beiden Angeklagten in der Absicht gehandelt haben, sich durch die wiederkehrende Begehung von Diebstählen eine regelmäßige (US 5) bzw fortlaufende (US 6) Einnahme zu verschaffen. An Ausführungen zu den Vorstellungen der Angeklagten über die zeitliche Dauer der Erzielung von Einnahmen durch Diebstähle und damit zur entsprechenden begriffsessentiellen Tendenz mangelt es jedoch zur Gänze (vgl 11 Os 48/92). Weiters hätte es der Klarstellung bedurft, auf welche Weise sich nach dem Tatplan der Angeklagten die Zueignung von Sachen in einer fortlaufenden Einnahme auswirken sollte. Dabei hätte das Gericht feststellen müssen, auf welche Art von Gegenständen die auf wiederkehrende Begehung von Diebstählen gerichtete Absicht der Angeklagten gerichtet war, zumal die Verschiedenartigkeit der Waren, auf die sich die in die Tat umgesetzten Diebstahlsangriffe erstreckten (Kleidung und Besteck), einen einheitlichen Tatplan nicht indiziert. Schließlich wären noch Ausführungen zu den Vorstellungen der beiden Angeklagten über die Teilung der Beute bzw des Erlöses notwendig gewesen, weil Gewerbsmäßigkeit eben die Absicht fordert, sich (auch selbst) durch die wiederkehrende Begehung von strafbaren Handlungen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen.

Infolge Rechtsirrtums über die gesetzlichen Voraussetzungen der Qualifikation nach § 130 erster Fall StGB erweisen sich somit die Feststellungen des Erstgerichtes zur gewerbsmäßigen Begehung der versuchten Diebstähle als unzureichend.

Die dem Erstgericht unterlaufene materielle Nichtigkeit nach der Z 10 des § 281 Abs. 1 StPO kommt auch der Angeklagten M***** zustatten, die keine Nichtigkeitsbeschwerde ergriffen hat, und bietet insoweit Anlaß für eine amtswegige Wahrnehmung nach § 290 Abs. 1 StPO.

Es zeigt sich, daß die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist und eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in der Sache selbst noch nicht eintreten kann, sodaß das Urteil bereits in nichtöffentlicher Sitzung gemäß dem § 285 e StPO teilweise aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückzuverweisen war. Im übrigen war die Nichtigkeitsbeschwerde als offenbar unbegründet gemäß dem § 285 d Abs 1 Z 2 StPO zurückzuweisen.

Mit ihrer Berufung und ihrer Beschwerde war die Angeklagte J***** auf die auch den Strafausspruch erfassende kassatorische Entscheidung zu verweisen.

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